Samstag, 12. Mai 2018

Digitalisierung braucht Qualifizierung


Betriebsräte benötigen Initiativrecht für Weiterbildung. Von Alexander Ulrich

Von Alexander Ulrich
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Digital ist nicht automatisch auch sozial: Um sich besser auf den technologischen Wandel vorbereiten zu können, benötigen die Beschäftigten ein Recht auf Weiterbildung
Völlig zurecht legte die IG Metall zum 1. Mai einen thematischen Schwerpunkt auf die Herausforderungen der Digitalisierung. Die »Arbeitswelt 4.0« kann zwischen Paradies und Hölle so ziemlich alles werden. Es wird entscheidend davon abhängen, wie der Wandel gestaltet wird.
Dabei stehen viele Betriebsräte den technologischen Entwicklungen in der Arbeitswelt optimistisch gegenüber, wie eine entsprechende Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Schließlich besteht die Chance, die Arbeit zu erleichtern und sie interessanter zu gestalten, wenn die eher stupiden und mühsamen Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden. Auf der anderen Seite steht das Risiko, dass die Maschinen zu Konkurrenten werden, die vor allem dazu eingesetzt werden, den Druck auf die menschlichen Kollegen und die ­Kontrolle über selbige zu erhöhen.
Die Industriestaatenorganisation OECD geht davon aus, dass durch die Digitalisierung bis zu 70 Prozent der heutigen Arbeitsplätze ganz oder teilweise ersetzbar werden. Das bedeutet aber nicht, dass das in diesem Umfang auch tatsächlich passieren wird. Wo und ob Roboter eingesetzt werden, hängt von vielem ab, nicht nur von den technischen Möglichkeiten. Die OECD-Zahl ist daher erst einmal rein theoretischer Natur, zeigt aber, in welchem Ausmaß der Druck auf die Beschäftigten erhöht werden könnte. Entsprechend zielen die Standardforderungen der Unternehmerverbände auch auf eine weitere »Flexibilisierung« der Arbeit ab. BDA und Co. setzen alles daran, die Digitalisierung in ihrem Interesse zu nutzen.
Die IG Metall wählt einen sinnvolleren Ansatzpunkt: Qualifizierung der Beschäftigten. Es werden ja nicht nur Arbeitsplätze vernichtet. Viele werden verändert oder erweitert, und es werden auch gänzlich neue Stellen entstehen. Damit die Lohnabhängigen diese Situation meistern und in der veränderten Arbeitswelt einen Platz für sich finden können, brauchen sie umfassende Weiterbildungsmöglichkeiten, sowohl betrieblich wie auch außerbetrieblich.
Leider scheuen immer noch viele Betriebe die Kosten dafür. Solange es von der Entscheidung der Unternehmensführung abhängt, ob und welche Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt werden, haben die Beschäftigten kaum eine Chance, sich angemessen auf den digitalen Wandel vorzubereiten. Das zeigt auch die WSI-Betriebsrätebefragung. Die IG Metall fordert daher ein Initiativrecht für Betriebsräte in Fragen der Weiterbildung, damit diese Qualifizierungsmaßnahmen verbindlich einfordern können. Eine solche Maßnahme würde die Position der Beschäftigten bei den anstehenden Veränderungen deutlich verbessern.
Doch auch der Staat ist gefragt, vor allem wenn es darum geht, Angebote für die Belegschaften in kleineren Betrieben bereitzustellen, in denen tatsächlich die Mittel für qualitativ hochwertige Bildungsangebote fehlen. Die Regierungspolitiker übertrumpfen sich gerne mit Forderungen, wie viel Geld in Breitband- und Glasfasernetze und dergleichen gesteckt werden muss. Wenn es um die Finanzierung der Qualifizierung zum Umgang mit eben jener Technik geht, herrscht hingegen Schweigen. Das ist verantwortungslos! Die technologische Offensive braucht eine Qualifizierungsoffensive!

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