a) 21. Ordentlicher Bundeskongress des DGB: Lobbyismus statt Klassenanalyse
"... Unverkennbar in den vorliegenden Leitanträgen ist die Illusion,
mit der Großen Koalition werde alles besser für die arbeitenden
Menschen. Praktizierte der Deutsche Gewerkschaftsbund in früheren
Jahren schon die „konzertierte Aktion“, so setzt der Bundesvorstand
heute auf einen „gesellschaftlichen Zukunftsdialog“, wie immer der
aussehen mag. Auf die verschärfte Gangart des Kapitals und die dadurch
immer stärkeren gesellschaftlichen Klassengegensätze in Deutschland
und Europa antwortet der DGB unverändert mit Sozialpartnerschaft und
Lobbyismus. Richtschnur bei den Zukunftsaufgaben der nächsten vier
Jahre bleibt daher „eine funktionierende Sozialpartnerschaft mit den
Arbeitgebern“. Aus Sicht des Dachverbandes und seiner
Mitgliedsgewerkschaften „ist dies eine unverzichtbare Erfolgsbedingung
für die Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und für
Demokratie in Deutschland und Europa“ (Leitantrag A001). Eine
Kehrtwende, sich wieder auf die ursprünglichen Aufgaben als
Organisation der Arbeiter und Angestellten und der Intelligenz zu
orientieren, findet nicht statt. In allen Anträgen ist nicht einmal
das Wort „Sozialabbau“ zu finden. (...) Als Gegenmittel gegen die
„Digitalisierung 4.0“ wird der Wunschvorstellung hinterhergejagt, man
könne ohne Mobilisierung der Mitglieder an der Basis weitere
Arbeitsverdichtungen oder Massenentlassungen verhindern. Etwa mit
Tarifverhandlungen, mit der Bundesregierung oder den
Unternehmerverbänden. Gleiches zeigt sich ebenso beim Verzicht auf
eine wirkliche Arbeitszeitverkürzung (AZV) bei vollem Lohn- und
Personalausgleich für alle Beschäftigten. (...) So ganz scheint es mit
dem Erfolg der Verschleierung der tiefen Klassengegensätze, der
Ideologie der Sozialpartnerschaft, dann aber doch nicht zu sein. Der
DGB beklagt in mehreren Anträgen immer wieder die mangelnde Einsicht
der „Arbeitgeber“ in Sachen Mitbestimmung und beim
Betriebsverfassungsgesetz. Erwartungsgemäß bleibt es bei dieser Art
von Klassenzusammenarbeit beim Appell an die Unternehmerverbände,
endlich mit der Be- und Verhinderung der Arbeit von Betriebs- und
Personalräten und mit der gezielten Bekämpfung von Gewerkschaften
(Union Busting) aufzuhören. Zu kurz kommt auch die Verschärfung und
Überwachung von Bürgerinnen und Bürger durch Polizei und Politik..."
Artikel von Herbert Schedlbauer vom 7.5.2018 (pdf) - wir danken!
http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/05/dgb2018schedlbauer.pdf
b) Politik der Ermöglichung, Kurs der Zurückhaltung
"Von »gewaltigen Aufgaben« ist in einem der Leitanträge zum
DGB-Kongress die Rede: gegen Rechtsruck, Ungleichheit, kapitalistische
Zumutungen. Wird die Politik des Dachverbandes in den kommenden Jahren
dem gerecht? Ein Überblick zum »Parteitag« der Gewerkschaften. (...)
Das Antragsheft umfasst 287 Seiten, größere Konflikte um die Ziele und
das Selbstverständnis des DGB sind bisher – von der Frage der
Klimaziele abgesehen – nicht bekannt geworden. Die bisher doch eher
sehr zurückhaltende mediale Wiederspiegelung des wichtigsten
politischen Wahltreffens des größten gewerkschaftlichen Dachverbandes
könnte man auch als Hinweis auf dessen derzeit eher randständige Rolle
ansehen. Das hat was mit der traditionellen Dominanz starker
Einzelgewerkschaften zu tun, die im Vordergrund stehen, zumal wichtige
Tarifrunden gerade erst liefen. Es hat aber wohl auch damit zu tun,
dass der DGB sich zum Fürsprecher einer Großen Koalition gemacht hat,
die er zwar nicht als erstrebenswert angesehen hatte, von deren
Alternativen, vor allem Jamaika, die Gewerkschafter allerdings nicht
weniger hielten. Ohnehin stand das gesellschaftspolitische Mandat des
Gewerkschaftsverbandes in den vergangenen Jahren nie ganz vorn im
Schaufenster. (...) Die Forderung des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen,
den Mindestlohn auf 13,50 Euro anzuheben, wird da zu einem Antrag
zurechgestutzt, die Lohnuntergrenze »mittelfristig« auf »ein
existenzsicherndes Niveau« zu bringen. (...) Der Begriff
»Kapitalismus« taucht im ganzen Antragsheft nur fünf Mal auf, das Wort
»Klasse« lediglich im Zusammenhang mit Schule und Problemen, durch die
Beschäftigte in solche »erster und zweiter Klasse« geschieden werden.
(...) Niemand erwartet einen DGB, der sich in revolutionäre Pose
wirft. Aber ein Gewerkschaftsdachverband, der auf der Höhe der
gesellschaftlichen Kritik steht – das wäre doch kein Überforderung?"
Der OXI-Überblick vor dem DGB-Bundeskongress vom 09.05.2018
https://oxiblog.de/politik-der-ermoeglichung-kurs-der-zurueckhaltung-der-oxi-ueberblick-vor-dem-dgb-bundeskongress/
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