Montag, 16. April 2018

Es ist so schön, Soldat zu sein (Ralph Hartmann)


Vor einiger Zeit habe ich im Radio, ich weiß nicht mehr in welchem Sender, das schöne alte Lied »Lustig ist´s Soldatenleben« gehört, in dem es heißt: »Wenn wir einst zu Felde ziehen, muss ein jeder sich bemühen, dem Feind zu schaden, wo er kann, ha, dann freut sich jedermann … Und ein Kranz von grünen Zweigen muss den rechten Helden zeigen. Rufen wir Germania! Ringsherum Viktoria!«

Seitdem gehen mir hin und wieder fröhliche, aber auch sorgenvolle Gedanken durch den Kopf. So denke ich zuweilen an unsere Bundeswehr, die doch ebenfalls eine lustige Truppe ist. Auch sie hat schöne Lieder, zum Beispiel:
»Gestern und heut zu jeder Zeit sind wir marschbereit. Wir sind jung und frei und noch forsch dabei …Ist der Dienst auch schwer, kümmert‘s uns nicht sehr, wir sind gern dabei.«

Aus unverständlichen Gründen hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Mai 2017 die Ausgabe des Bundeswehr-Liederbuches »Kameraden singt!« gestoppt. Denn man habe erkannt, dass einige Lieder, wie »Schwarzbraun ist die Haselnuss«, das Panzerlied oder das Westerwaldlied, nicht den jetzigen »Wertevorstellungen« entsprechen würden. Bis zum Mai letzten Jahres wurden sie fleißig und begeistert gesungen. Warum auch nicht? Schließlich hatten die deutschen Wehrmachtssoldaten gerade mit diesen Liedern auf den Lippen große Teile Europas unter ihre Stiefel gebracht und gezeigt, dass Deutschland auch unter der Hitlerdiktatur ein musikliebendes Land war.

Nun singen unsere Jungs und Mädchen in Uniform statt »Schwarzbraun ist die Haselnuss« das Lied von der Rosemarie: »Es ist so schön Soldat zu sein, Rosemarie. Nicht jeder Tag bringt Sonnenschein, Rosemarie. Doch du, du bist mein Talisman, Rosemarie, Du gehst in allem mir voran, Rosemarie. Soldaten sind Soldaten, in Worten und in Taten. Sie kennen keine Lumperei. Und sind nur einem Mädel treu. Valleri, Valleralle ralle ra! Rosemarie.«

Lustig ist es auch, wenn unsere Soldaten Witze erzählen, viele schlüpfrige, aber auch spaßige, darunter den: »Bundeswehrübung. Tiefverschlammtes Gelände. Ein LKW hat sich bis zu den Achsen eingewühlt, und der Fahrer steht ratlos daneben. Da hält neben ihm ein Jeep mit vier Offizieren. Nach einer halben Stunde haben die den LKW mit vereinten Kräften aus dem Schlamm wieder freigebuddelt und freigeschoben. ›So‹, sagt der eine Offizier, ›das hätten wir. Was haben sie eigentlich geladen?‹ – ›Zwölf Rekruten, Herr Hauptmann.‹«

Unsere Berufssoldaten haben gut lachen. Dafür sorgt ihre Ministerin. Immerhin hat sie im Jahr 2014 kurz nach ihrem Amtsantritt angekündigt, die Bundeswehr zu einem »familienfreundlichen Unternehmen« umzubauen, denn: »Unsere Soldatinnen und Soldaten lieben ihren Beruf, aber sie möchten auch, dass ihre Ehen halten und sie ein glückliches Familienleben führen.« Zuweilen ist das nicht immer leicht, vor allem bei Auslandseinsätzen der Truppe. Doch der deutsche Soldat ist einsatzbereit, wenn es gilt, das Vaterland zu verteidigen. So zieht er denn auch frohgemut in die von Russland bedrohten baltischen Staaten, genauer: nach Litauen. Hier führt die Bundeswehr mit 450 Soldaten, 26 Panzern, 170 Militärfahrzeugen einen NATO-Gefechtsverband an, dem auch Soldaten aus Belgien, den Niederlanden und Norwegen angehören. Stationiert ist die Bundeswehreinheit in einer Kaserne in Rukla, einer 2000-Seelen-Gemeinde etwa 100 Kilometer von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt. So nah an der russischen Grenze waren deutsche Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wenn das kein Grund zu Freude ist, was dann? Auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier freute sich und besuchte im August des Vorjahres den deutschen Vorposten, wo er die Hoffnung aussprach, dass das Engagement der Bundeswehreinheit dazu beiträgt, »tatsächlich die objektive Sicherheitslage [zu] verbessern«.

Aber was tun, wenn die NATO-Einheiten die russischen Aggressoren im Baltikum nicht aufhalten können? Dann hört der Spaß auf, und es müssen schnell zusätzliche Kräfte herangeführt werden. Aber wie? Frau von der Leyen weiß auch dafür Rat. Sie schlug im Februar vor, in der Bundesrepublik ein neues NATO-Hauptquartier für schnelle Truppen- und Materialtransporte zu errichten. Das soll garantieren, dass deutsche Truppen und ihre NATO-Verbündeten schnell und sicher an die Ostfront gelangen. Hitler ließ seinerzeit die Autobahn bauen.

Mittlerweile ist das »lustige Soldatenleben« nicht mehr lustig, das war es auch nie. Das »Valleri, Valleralle ralle ra!« im Rosemarie-Lied erweist sich als grotesker Unfug. Den Sängern droht der Heldentod. Die Gefahr, dass der zurückgekehrte Kalte Krieg zu einem Weltenbrand wird, wächst von Monat zu Monat. Spannungsgeladene Orte und bedrohlich angespannte zwischenstaatliche Konflikte gibt es zur Genüge, darunter: Ostukraine, Baltikum, Syrien und der gesamte Nahe Osten, Korea, Südchinesisches Meer, Indien/China und schließlich und endlich USA/Russland. Es genügt ein Funke, und es kommt zu kriegerischen und letztlich zu atomaren Auseinandersetzungen mit nicht auszudenkenden verheerenden Folgen.

In dieser angespannten Situation starteten die USA noch unter der Präsidentschaft von Barack Obama ein gigantisches Programm zur Modernisierung ihrer Kernwaffen. In 30 Jahren sollen dafür mehr als eine Billion Dollar ausgegeben werden. Der neue Chef im Weißen Haus, Donald Trump, setzt diese Pläne nahtlos fort, wobei er sich kurz nach seiner Amtsübernahme, bescheiden wie er nun einmal ist, als ihr Initiator ausgab und twitterte: »Mein erster Befehl als Präsident war, das nukleare Arsenal zu erneuern und zu modernisieren.« Zugleich beabsichtigen die USA, die Entwicklung neuer Kernwaffen mit geringerer Sprengkraft voranzutreiben. Die »kleinen Atomwaffen« (»mini nukes«) verfügen lediglich über ein Zerstörungspotential wie die Bomben, die die USA auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen haben. Aber leider sinkt mit ihnen die Hemmschwelle für den Einsatz von Atomwaffen. Das sieht auch die Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), Beatrice Fihn, so. Auf Twitter schrieb sie: »Es ist ein massiver Versuch, Atomwaffen aus den Bunkern zu holen und aufs Schlachtfeld zu verlegen.« In Kriegsübungen wird das schon trainiert.

Laut dem US-General und Marinekorpskommandanten Robert Neller plant die NATO im Herbst ein Großmanöver mit über 45.000 Soldaten, darunter 12.000 Bundeswehrkrieger, in norwegischen Küstengewässern in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze durchzuführen. Der Verkünder dieser Friedensbotschaft, General Neller, ist zufälliger Weise derjenige, der im Dezember des Vorjahres einen »gewaltigen Kampf« (wörtlich: »bigass fight«) ankündigte und hinzufügte: »Ich hoffe, dass ich falsch liege, aber es kommt ein Krieg.« (eigene Übers. nach: https://www.washingtonpost.com)

Bislang glaubten die USA, dass ihre verschiedenen Raketenabwehrsysteme sie vor atomaren Gegenschlägen schützen. Dem ist zu ihrem Leidwesen nicht so. In seiner »Rede an die Nation« vom 1. März stellte Putin als Reaktion auf den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Vertrag über Raketenabwehr und die Stationierung solcher Systeme inner- und außerhalb der USA neue Raketentypen vor, die nicht abzufangen seien. Darunter die mehr als 200 Tonnen schwere Interkontinentalrakete »Sarmat«, die keinerlei Reichweitenbegrenzung habe, die Hyperschallrakete »Kinschal« (Dolch) und ein nuklear bestückbares Torpedo.

Fazit: Infolge des Versuches der USA-Administration, sich mit immer mehr Raketenabwehrsystemen unangreifbar zu machen, ist es zu einer Renaissance des wahnsinnigen, jedoch divergierenden Wettrüstens gekommen, wobei die NATO-Staaten jährlich elfmal mehr für ihre Streitkräfte ausgeben als Russland. Dabei wissen alle verantwortlichen Politiker, dass eine militärische Auseinandersetzung zwischen dem Kriegspakt und der russischen Föderation letztlich mit Kernwaffen geführt und die Gefahr einer Selbstvernichtung der Menschheit dramatisch erhöht werden würde. In einem nuklearen Inferno ist es dann endgültig aus mit dem »lustigen Soldatenleben«. Keiner wird dann mehr singen: »Valleri, Valleralle ralle ra!«


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen