Samstag, 9. Dezember 2017

[Chiapas98] Mexiko: Bewaffnete Gruppen vertreiben tausende Indigene in Chiapas

Mexiko: Bewaffnete Gruppen vertreiben tausende Indigene in Chiapas

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Chalchihuitán, Mexiko.
 Nach Angriffen bewaffneter Gruppen im Bundesstaat Chiapas im Süden von Mexiko warnen Menschenrechtsorganisationen vor einer weiteren Gewalteskalation. Milizen aus der Ortschaft Chenalhó hatten im Streit um den Grenzverlauf den Nachbarbezirk Chalchihuitán angegriffen. Nach Angaben lokaler Gemeindevorstände mussten in Chalchihuitán über 5.000 Personen aus neun Gemeinden ihre Häuser verlassen. Die meisten flohen in die Berge, wo sie unter prekärsten Bedingungen überleben. Unter den geflohenen Tzotzil-Indigenen befinden sich viele Kinder und mindestens 114 schwangere Frauen, die dringend ärztlicher Betreuung bedürften, wie die Menschenrechtsorganisation Frayba mitteilte [3]. Die momentan winterlichen Bedingungen im chiapanekischen Hochland, wo die Temperatur nachts unter den Gefrierpunkt fallen kann, verschärfen die humanitäre Krise, betonte der Priester Marcelo Pérez Pérez aus dem Nachbarsbezirk Simojovel. Zudem sind auch in Chenalhó in Grenznähe zu Chalchihuitán mehrere Gemeinden vom Konflikt betroffen.
Die seit Jahrzehnten schwelende Auseinandersetzung um die Grenzziehung wurde von den zuständigen Behörden nicht gelöst und eskalierte, nachdem im Oktober Samuel Pérez Luna von der Gemeinde Kanalumtik in Chalchihuitán getötet wurde. Der Exodus der Familien begann am 13. November, als die bewaffneten Gruppierungen anfingen, die Zufahrtsstraßen zu kontrollieren, berichtete [4] Pedro Faro, Direktor des Menschenrechtszentrums Frayba.
Hintergrund der aktuellen Eskalation ist auch die anhaltende Straflosigkeit in der Region, wo sich am 22. Dezember das Massaker von Acteal, Chenalhó, zum 20. Mal jähren wird. Damals kamen 45 Personen der pazifistischen Organisation Las Abejas (Die Bienen) ums Leben. Chenalhó wird von Rosa Pérez Pérez regiert, die der Grünen Partei Mexikos angehört, derselben Partei wie der Gouverneur von Chiapas, Manuel Velasco Coello.
Die chiapanekische Regierung hat zunächst versucht, eine Polizeieinheit in die Konfliktregion zu entsenden, was an den Straßenblockaden der bewaffneten Gruppierungen scheiterte. Nun will sie ein Militärcamp zur Befriedung in Chalchihuitán einrichten. Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese Maßnahme und erinnern daran, dass Paramilitärs in Acteal vor zwanzig Jahren in unmittelbarer Nähe eines Militärcamps über Stunden hinweg wüteten. Von den Tätern ist heute niemand mehr in Haft, auch bekennende Mörder wurden nach wenigen Jahren Haft vom Obersten Gerichtshof Mexikos wegen Verfahrensfehlern freigelassen [5]. Eine Entwaffnung der paramilitärischen Strukturen in Chenalhó fand nie statt. Aufgrund dieser historischen Straflosigkeit und angesichts der Zuspitzung des Konflikts mit Chalchihuitán warnt [2] die Menschenrechtsorganisation Serapaz ausdrücklich vor einer Gewalteskalation "schlimmer als in Acteal".
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