NAFTA und Landwirtschaft: Hinter den Blättern des Nopal
Von Ana
de Ita, Ceccam
(Mexiko-Stadt, 2. Juli
2017, la jornada).-
In den USA werden die Gesellschaftsektoren
während einer 90-tätigigen Periode zur sogenannten
„Modernisierung” des Nordamerikanischen Freihandelsvertrages (NAFTA) von der US-Regierung
angehört. Von den wichtigsten Konzernen der Agrarindustrie und der
Farmervereinigung hat sie bereits einen Brief erhalten. Darin wird
der Amtsinhaber Nr. 45 des Weißen Hauses darauf aufmerksam
gemacht, dass die NAFTA-Verhandlung die Vorteile bewahren oder steigern
muss, die die NAFTA-Gewinner*innen in der Landwirtschaft erreicht haben. Unterdessen
hat die mexikanische Regierung der eigenen Gesellschaft lauwarm
fünf Konsultationsforen angeboten. Sie hat weder bekanntgegeben,
was ihre eigene Bewertung ist, noch welches ihre Vorschläge sind.
Mexiko wird sich mit einer extrem schwacher
Position an den Verhandlungstisch setzen. Von den USA dazu
gezwungen, mit einer wegen der öffentlichen Verschuldung
verwundbaren Wirtschaft, einer Abwertung der Peso-Währung,
fehlenden Investitionen und der enormen Abhängigkeit von der
Ökonomie des Nachbarn. Diese Situation haben die
„multinationalen“ mexikanischen Regierungen eigenhändig
herbeigeführt. Die mexikanische Regierung hat auch keine
wirklich ernsthafte Analyse der NAFTA-Auswirkungen in den verschiedenen Branchen und
Produktionsketten unter Mitwirkung der Gewerkschaften,
Handelskammern, des akademischen Sektors, von Expert*innen und
der Zivilgesellschaft durchgeführt, um über einen Ausgangspunkt
für ihre Vorschläge zu verfügen. So ergibt sich für die NAFTA-Neuverhandlung ein
Szenarium, in dem die mexikanische Regierung die Forderungen der
USA möglicherweise unterwürfig erfüllt und nach der Philosophie
handelt: retten, was noch zu retten ist. Das lässt keinen Nutzen
für die mexikanische Wirtschaft und Gesellschaft vorhersehen.
Mexiko ist
NAFTA-Nettoverlierer
In den 23 NAFTA-Jahren ist die
mexikanische Volkswirtschaft jährlich nur um 2,6 Prozent
gewachsen, selbst wenn dies über dem Bevölkerungswachstum von
1,6 Prozent lag. Die Fertigungsindustrie und vor allem die
Dienstleistungsbranchen haben die größte Dynamik aufgewiesen.
Die Landwirtschaft wuchs unterdurchschnittlich mit einer Rate,
die dem Bevölkerungswachstum entspricht.
Mexiko ist NAFTA-Nettoverlierer und
der Agrarsektor ist mit am stärksten betroffen. Während der NAFTA-Übergangsperiode
bekam die Grundnahrungsmittel produzierende bäuerliche
Landwirtschaft horrende Schläge ab. Aufgrund der NAFTA-Verhandlung und der
einseitigen von der mexikanischen Regierung angetriebenen
Liberalisierungspolitik fanden sich die Campesinos von heute auf
morgen auf dem offenen Markt wieder. Gegenüber den Erträgen, der
Infrastruktur und den Subventionen der US-Produktion waren sie
nicht konkurrenzfähig. Die US-Importe zu Dumpingpreisen, ohne
Schutzzölle und -quoten überschwemmten ihre alten Märkte und das
parastaatliche Aufkaufunternehmen Conasupo als Alternativmarkt
gab es [ab 1999] nicht mehr. Gleichzeitig orientierte sich die
staatliche Unterstützung für die Vermarktung in Richtung
Großproduzent*innen und multinationale Handelskonzerne. Die
Binnenpreise für die Landwirt*innen fielen um etwa 50 Prozent bei Mais, Bohnen,
Getreide, Sorghum, Soja und Reis. Das Ergebnis war laut den
Agrarerhebungen, dass zwischen 1991 und 2007 gut 5,1 Millionen
Beschäftigte in der kleinbäuerlichen Familienwirtschaft keinen
Platz mehr fanden.
Millionen
Landarbeiter*innen haben ihre Lebensgrundlage verloren
2,8 Millionen dieser
ausgestoßenen Campesinos der Familienlandwirtschaft kamen als
Gelegenheitsarbeiter*innen in der Agrarindustrie unter. Die
meisten in der Exportwirtschaft mit ihren Produktionsunternehmen
für Beerenfrüchte, Avocados, Tomaten und Pfeffer. Oftmals kommen
die Arbeitsbedingungen einer sklavenähnlichen Situation nahe,
ein Beispiel ist die Lage der Tagelöhner*innen von Driscoll in
San Quintín. Aber für weitere zwei Millionen Menschen hatte die
Landwirtschaft ein Ende. Sie mussten schlecht bezahlte Job unter
unwürdigen Arbeitsbedingungen in Mexiko suchen oder in die USA
migrieren, wo sie der Präsident Nr. 45 nun mit Abschiebung
bedroht. NAFTA war der Auslöser der demographischen Chirurgie auf
dem Land.
Dennoch weist die
Handelsbilanz mit den USA in den vergangenen zwei Jahren einen
Überschuss von drei bzw. fünf Milliarden US-Dollar auf, was die
mexikanische Regierung zutiefst stolz macht. Die Exporte von
Avocados, Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Tomaten, Pfeffer,
Gurken, Kalebassen, Zuckerrohr, Vieh und Bier sind dabei die
Speerspitze. In diesen Branchen sind die NAFTA-Gewinner*innen zu finden,
zusammen mit den Importeur*innen und Handelsunternehmen für Grundnahrungsmittel,
den Vieh- und Geflügelproduzent*innen, den mexikanischen und ausländischen
Nahrungsmittel- und Getränkemultis. Zu ihren Gunsten wurde NAFTA verhandelt. Aus
landwirtschaftlicher Perspektive ist es unzumutbar, noch mehr zu
opfern, nur damit NAFTA bestehen bleibt.
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