Sonntag, 14. Mai 2017

Das Erbe von Mauthausen


Der Fotograf Francisco Boix ­rettete ­zusammen mit anderen spanischen Häftlingen Hunderte Fotonegative aus dem Konzentrationslager, die den Terror der Nazis belegen. Das Bundesarchiv ist der Auffassung, die Bilder gehören dem deutschen Staat

Von Ruth Perez-Chaves und Carmela Negrete
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In Frankreich ehrt man Francisco Boix (31.8.1920–4.7.1951) mittlerweile als Helden des ­antifaschistischen Widerstands. Am 16. Juni werden seine sterblichen Überreste auf den berühmten Pariser Friedhof ­Père-Lachaise überführt (historische Aufnahme nach der Befreiung im Konzentrationslager Mauthausen)
Ruth Pérez-Chaves ist Kunsthistorikerin. Sie war Stipendiantin des United States Holocaust Memorial Museum und arbeitete im Museum Reina Sofia in Madrid. Carmela Negrete ist freie Journalistin.
Diese Geschichte wäre Stoff für das Drehbuch zu einem ergreifenden Spielfilm. Es ist die Geschichte eines echten Helden – Francisco Boix Campo, der zusammen mit seinen Genossen von der Kommunistischen Partei Spaniens sein Leben riskierte, um die Verbrechen des deutschen Faschismus ans Licht zu bringen. Boix überlebte die Hölle des KZ Mauthausen und war der einzige spanische Zeuge im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Es ist sein Verdienst, dass heute Hunderte Fotografien aus diesem auf dem Gebiet Österreichs in der Nähe der Stadt Linz errichteten Konzentrationslager existieren. Bilder von Häftlingen sowie von den Angehörigen des Wachpersonals und hohen Nazifuktionären. Er und andere spanische Gefangene haben diese Fotos vor einer möglichen Vernichtung bewahrt. Es sind Zeugnisse des Horrors, der Entmenschlichung, der gnadenlosen Todesmaschinerie der Zwangsarbeit und der industriellen Vernichtung. Der Nachlass von Boix und der Umgang mit diesem zeigt allerdings, wie schwierig es sein kann, der Geschichte gerecht zu werden. Die Negative werden zur Zeit vom Historischen Museum Kataloniens aufbewahrt. Das deutsche Bundesarchiv weist allerdings auf Nachfrage darauf hin, dass diese Bilder eigentlich deutsches Eigentum seien.
Boix, der 1920 in Barcelona geboren wurde, war Sohn eines linken Schneiders und wurde schon mit 17 Jahren Mitglied der Vereinigten Sozialistischen Jugend Kataloniens. In deren Zeitschrift Juliol erschienen in den Jahren 1936 und 1937 erste Fotos von ihm. Ab 1938 nahm Boix am Spanischen Krieg gegen den Putschistengeneral Francisco Franco teil, wo er in der 30. Division der republikanischen Armee als Frontfotograf arbeitete. Nach dem Sieg der Franquisten im Frühjahr 1939 musste er wie Tausende andere spanische Linke vor dem faschistischen Terror fliehen. Er wurde zunächst in dem südfranzösischen Lager Le Vernet, später in Septfonds interniert. Nach seiner Entlassung schloss er sich zusammen mit anderen spanischen Exilierten dem Widerstand gegen die Nazis an, die Frankreich im Juni 1940 angegriffen und dessen nördlichen Teil besetzt hatten. In den Vogesen wurde er noch im gleichen Jahr verhaftet und schließlich am 27. Januar 1941 nach Mauthausen deportiert.

Dokumentiertes Morden

Da er Fotograf war, wurde Boix von der SS der Politischen Abteilung des Kommandanturstabes des KZ Mauthausen zugeteilt, die manchmal auch als Lagergestapo bezeichnet wird. Hier arbeitete er beim sogenannten Erkennungsdienst. Die Fotografie war damals noch ein junges Medium, Kleinbildkameras gab es erst seit 1925. Die SS nutzte die Kenntnisse von Häftlingen wie Francisco Boix. Er musste dort vor allem Negative entwickeln und Abzüge machen. Neben dem Fotografieren der neu ankommenden Häftlinge war der Erkennungsdienst damit beauftragt, den Baufortschritt des Lagers festzuhalten, um Belege dafür nach Berlin schicken zu können. Aber dabei blieb es nicht. Die SS-Fotografen dokumentierten auch die »unnatürlichen Todesfälle«, also die bei angeblichen Fluchtversuchen am elektrischen Zaun oder im Wald Getöteten. Letztere bezeichneten die Nazis in Mauthausen als »Himbeerpflückerkommandos« – Häftlinge wurden außerhalb des KZ zum »Beerensammeln« geführt und dort »auf der Flucht erschossen«.
»Die Identität des Häftlings wird durch die erkennungsdienstliche Behandlung geraubt«, erklärt der Leiter des Fotoarchivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Stephan Matyus. »Die Haare sind geschoren, sein Name wird zur Nummer. Diese Prozedur ist Teil der Demütigung und führt zur Entmenschlichung.« Der Erkennungsdienst war seit dem Sommer 1936 ein obligatorischer Teil der Verwaltungsstruktur der Konzentrationslager. In Mauthausen bestand er aus drei Fotografen: Fritz Kornatz, Paul Ricken und Hermann Schindlauer.
Im KZ selbst gab es ein Aufnahmeverbot. Nur der Erkennungsdienst und die SS durften fotografieren. Dennoch haben SS-Männer offenbar private Bilder angefertigt. »In Mauthausen gibt es Aufnahmen von Vogelhäuschen oder SS-Soldaten, die in der Sonne sitzen und sich ausruhen«, erzählt Matyus.
In dem Konzentrationslager waren ca. 7.000 Spanier inhaftiert, weshalb man auch vom »Spaniercamp« spricht. Nach den Angaben der katalanischen Vereinigung »Amical de Mauthausen y otros campos y de todas las víctimas del nazismo de España« (Freunde von Mauthausen und anderer Konzentrationslager sowie allen spanischen Opfern des Nazismus) fanden 4.738 von ihnen hier sowie in den Nebenlagern den Tod. 2.194 überlebten, 50 gelten bis heute als vermisst. Die meisten der Häftlinge starben wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Steingrube Mauthausen-Gusen, wo sie bis zu 40 Kilogramm schwere Granitblöcke tragen mussten. Die Nazis hatten das Konzentrationslager 1938 eigens in Mauthausen errichtet, um die dortigen Vorkommen mittels Gefangenenarbeit ausbeuten zu können. Granit wurde in großen Mengen für die Errichtung der sogenannten Führerbauten benötigt.
Die meisten der spanischen Gefangenen waren Kommunisten und Anarchisten, die gegen Franco gekämpft hatten. Die SS nannte sie »Rotspanier« Sie mussten nach der Niederlage 1939 fliehen und landeten wie Boix in französischen Internierungslagern. Nach dem Überfall der Wehrmacht im Sommer 1940 auf Frankreich setzten viele ihren Kampf fort und schlossen sich den französischen Partisanen an. Nach Festnahme und Deportation in Mauthausen angekommen, wurden sie dem faschistischen Verwertungs- und Vernichtungssystem unterworfen. Die spanische Regierung kümmerte sich nicht um sie. Sie galten den Franquisten nicht als Staatsbürger. Ihre Auslieferung wurde von dem zeitweilig zugleich als Innen- und Außenminister amtierenden Ramón Serrano Suñer, einem glühenden Verehrer Hitlers, nie verlangt.

Die Rettungsaktion

Der Filmemacher Lorenzo Soler reiste Ende der 1990er Jahre für die Recherche zu seinem Film »Francisco Boix, ein Fotograf in der Hölle« nach Paris. Dort traf er ehemalige KZ-Häftlinge, die mit dem jungen Fotografen in Mauthausen inhaftiert waren. In Solers Film lässt sich erfahren, unter welchen Bedingungen die republikanischen Häftlinge im KZ leben mussten und wie sie sich organisierten.
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Die Zeitzeugen berichten, dass im Juni 1941 eine »Reinigung« des Konzentrationslagers stattfand. 5.000 Häftlinge mussten den ganzen Tag nackt auf dem Hof verbringen, ohne Essen und Trinken, während das Lager auf Befehl von dessen Kommandant Franz Ziereis gesäubert wurde. Es gibt Bilder davon, die Boix später herausschmuggelte. Die inhaftierten Republikaner nutzten die Möglichkeit sich auszutauschen: »Während wir einen Tag draußen nackt verbringen mussten, weil das Camp saniert werden musste, hielten wir den wahrscheinlich einzigen politischen Kongress von nackten Kameraden ab«, erzählt einer der Überlebenden in Solers Dokumentation. Die Häftlinge sprachen sich untereinander ab. Sie wollten versuchen, an bestimmte Positionen innerhalb der Lagerverwaltung zu gelangen. Francisco Boix schlug seinen Genossen vor, Zeugnisse der Verbrechen, die er bei seiner Arbeit beim Erkennungsdienst in Form der Negative in die Hände bekam, zu entwenden und sie für die Nachwelt und eine mögliche Abrechnung mit den Tätern aufzubewahren.
Boix gab die Negative, die in Zeitungspapier versteckt wurden, durch ein Fenster an andere spanische Häftlinge weiter, die in der Wäscherei arbeiteten und sie zwischen schmutzigen Kleidungsstücken versteckten. »Dort guckten die SS-Offiziere nicht oft vorbei, weil sie nicht in Kontakt mit dem Dreck kommen wollten«, schildert einer der Überlebenden vor der Kamera. Auch Schreiner, die vorgaben, Fenster reparieren zu sollen, erhielten Negative. Sie versteckten sie in Fensterrahmen oder Bodendielen, wo sie fürs erste sicher waren. Später wurden sie von spanischen Zwangsarbeitern, die dem sogenannten Poschacher-Kommando angehörten und im Heinrichsbruch östlich von Mauthausen arbeiteten, an einen sicheren Ort gebracht: in das Haus der Mauthausenerin Anna Pointner, an dem sie täglich vorbeiliefen. Die Nazigegnerin Pointner hatte den Zwangsarbeitern bereits vorher mehrmals geholfen. In der Dokumentation von Soler kommt auch ihre Tochter zu Wort und zeigt die Stelle an der Außenmauer des Hauses, wo ihre Mutter die Negative bis zum Kriegsende versteckte.
Als die US-Amerikaner am 5. Mai 1945 Mauthausen erreichten, erwartete Francisco Boix die Soldaten mit einer Leica-Kamera, die er der SS entwendet hatte. Mit ihr hielt er die Befreiung fotografisch fest. Und mit ihr dokumentierte er später auch das Verhör des Lagerkommandanten Franz Ziereis, der auf der Flucht verhaftet und zurück ins Lager gebracht worden war. Ziereis hatte Mauthausen zusammen mit dem restlichen Personal des Konzentrationslagers bereits am 2. Mai verlassen und die Häftlinge dem Volksturm und der Wiener »Feuerschutzpolizei« übergeben. Zuvor war versucht worden, die Spuren des Mordens und des Terrors zu beseitigen. So wurde u. a. die 1941 eingerichtete Gaskammer abmontiert. Auch sie hielt Boix fotografisch fest, ebenso den Exekutionsraum und andere Orte, die den Terror der Nazis bezeugen konnten.
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Eine der von Francisco Boix und seinen Genossen aus dem Lager geschmuggelten SS-Aufnahmen – Häftlinge bei der Zwangsarbeit im KZ Mauthausen
Der junge Katalane verstand sich nach dem 5. Mai als Fotoreporter – auf einer selbstgemachten Armbinde, die er trug, war »Spanish War Reporter Photographer« zu lesen – und dokumentierte auch die politischen Aktivitäten, für die sich die mit der US-Armee angereisten Journalisten weniger interessierten: die Gründung der »Spanischen Kommunistischen Partei in Mauthausen«, die in den Duschräumen des Lagers stattfand, oder eine Versammlung tschechoslowakischer Kommunisten.
Unmittelbar nach der Befreiung holte Boix die Negative bei Anna Pointner ab und fertigte Abzüge. Sofern er sich an Details erinnerte, vermerkte er diese auf der Rückseite der Bilder. Die Fotos gab er an US-Soldaten und Journalisten weiter, später auch an Vereinigungen ehemaliger Deportierter und an linke Zeitungen, die der Kommunistischen Partei Frankreichs nahestanden. Aber die Negative behielt er.
Nach dem Ende des Faschismus konnte Boix sich als Fotograf schnell einen Namen machen. Wie viele republikanische Spanier, die wegen der von den Westmächten anerkannten Franco-Diktatur nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten, ließ er sich in Frankreich nieder. Von Paris aus arbeitete er als Reporter für linke Presseerzeugnisse, u. a. für L’Humanité.

Zeuge in Nürnberg

Im ersten Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher trat Boix 1946 als Zeuge auf. Die französische Anklage hatte ihn aufgerufen, um einige der Bilder zu erläutern, die dem Gericht übergeben worden waren und die bei den späteren Urteilen als maßgebliche Beweise dienten. Anderes Fotomaterial war von der SS bereits nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad Anfang 1943 sukzessive zerstört worden. Boix war der einzige spanische Häftling, der während des Prozesses die Verbrechen der SS in Mauthausen bezeugte – allerdings auf Französisch, da kein spanischsprachiger Dolmetscher zur Verfügung stand. Dabei musste er sich dem Schweigen und den Lügen der Nazis entgegenstellen. Sie versuchten, einige der Aufnahmen, die gefangene sowjetische Offiziere und politische Kommissare bei leichten Arbeiten zeigten und zum Zwecke der Propaganda angefertigt worden waren, in ihrem Sinne zu deuten. Boix konnte bezeugen, dass diese Kriegsgefangenen nach dem »Fotoshooting« getötet worden waren.
Der ehemalige Mauthausen-Häftling mit der Nummer 5.185 konnte vor Gericht auch den Architekten und ehemaligen Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Albert Speer, identifizieren. Bilder, deren Abzüge er selbst im Labor des Erkennungsdienstes hergestellt hatte, belegten eindeutig den Besuch des Rüstungsorganisators in Mauthausen. Von Bedeutung war auch Boix’ Aussage gegen Ernst Kaltenbrunner, den Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS sowie nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. Kaltenbrunner, der sämtliche ihm zur Last gelegten Verbrechen leugnete, wurde in Nürnberg zum Tode verurteilt.
Boix starb 1951 mit nur 30 Jahren in Paris an den Folgen einer Nierenerkrankung. Im Klinikum Rothschild, wo er zuvor schon einmal operiert worden war, schrieb er, gewissermaßen auf dem Totenbett, seine Autobiographie. Das Manuskript gilt als verschollen, lediglich der Titel ist überliefert: »Spaniaker«, die abfällige Bezeichnung der SS in Mauthausen für die spanischen Häftlinge. Ebenfalls verschwunden ist ein Koffer, der zahlreiche Negative enthalten haben soll.
Vor seinem Tod übergab Boix viele seiner Negative an seinen Freund Joaquin López Raimundo, einen anderen Mauthausen-Überlebenden. Dieser gab sie 1973 an die Schriftstellerin und Journalistin Montserrat Roig weiter, die ein Buch über die katalanischen Häftlinge in dem österreichischen Konzentrationslager schrieb. Auf diesem Weg landeten sie schließlich bei der Vereinigung Amical de Mauthausen in Barcelona. Die über 600 Negative bildeten den Grundstock ihres Archivs und wurden 1996 dem Historischen Museum der Stadt Barcelona übergeben. Später kamen noch weitere Negative hinzu, die Amical de Mauthausen erhalten hatte. Hierbei handelt es sich allerdings um Aufnahmen, die Boix nach der Befreiung angefertigt hatte. Im Museum wurden die Negative von Spezialisten gereinigt und digitalisiert. Heute werden sie in einem speziellen Kühlschrank aufbewahrt. Jedes Jahr findet eine Revision statt, um den wertvollen Bestand auf Vollständigkeit zu prüfen. Wenn Medien wegen eines Abdrucks der Bilder anfragen, leitet das Museum die Anfrage an Amical de Mauthausen weiter, das sich als Inhaber der Bildrechte ansieht. Die letzte noch lebende Nachfahrin Boix’, eine in Italien lebende Nichte, hat sich schriftlich damit einverstanden erklärt.

Deutsches Eigentum?

Recherchiert man auf der Webseite des Bundesarchivs nach Fotos aus Mauthausen, so finden sich über 300 Bildabzüge von den von Francisco Boix herausgeschmuggelten Negativen. Die oberste deutsche Archivbehörde gibt den Fotograf als unbekannt an und verweist darauf, dass höhere Auflösungen der Bilder beim Historischen Museum von Katalonien angefragt werden können. Die zuständige Abteilung des Bundesarchivs erklärte auf Nachfrage, die Bundesrepublik sei heute Nutzungsberechtigter der Fotografien, da diese von Mitgliedern der SS bzw. im Auftrag der SS »und somit im Auftrag des Deutschen Reiches« angefertigt worden seien: »Die Bundesrepublik Deutschland ist als Völkerrechtssubjekt teilidentisch mit dem Staat Deutsches Reich«, schreibt das Bundesarchiv und beruft sich dabei auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36, 1, 15 ff. und BVerfGE 77, 137, 150 ff.). »Daraus ergibt sich, dass die Bundesrepublik Deutschland die Rechte und Pflichten des Deutschen Reichs als seine eigenen wahrnimmt und damit auch die zur Verwertung notwendigen Nutzungsrechte an Bildern, die innerhalb des Dienstgeschäftes von Beschäftigten des Deutschen Reiches erstellt wurden.« Wie die Scans der Bilder ins Archiv gekommen sind, scheint ein Rätsel zu sein. Laut der Bundesbehörde wurden sie »von einer Filmproduktionsfirma übereignet«. Näheres ließe sich aber nicht mehr nachvollziehen.
Für den Vorsitzenden von Amical de Mauthausen, Enric Garriga Elies, steht eindeutig fest, dass die Negative der Vereinigung gehören. Amical de Mauthausen war der erste spanische Verein von Angehörigen der Opfer des Faschismus und wurde 1962 noch während der Franco-Diktatur gegründet. Ursprünglich ins Leben gerufen, um sich auszutauschen und gegenseitig zu helfen, ist die rund 800 Mitglieder zählende Organisation heute einer der wichtigsten Träger der Erinnerungsarbeit in bezug auf den deutschen Faschismus in Spanien. Neben den Materialien von Boix verfügt sie über zahlreiche Zeitdokumente, die das Leid der spanischen Republikaner in den deutschen Konzentrationslagern dokumentieren.
Für das Bundesarchiv ist es unerheblich, »ob die Bilder ohne den Beitrag von Boix vernichtet worden wären«. Die Institution ist sich aber offenbar bewusst, welche Auswirkungen es hätte, würde sie versuchen, ihre Rechtsauffassung durchzusetzen. »Mit Blick auf die wichtigen moralischen Aspekte hat das Bundesarchiv bis dato davon abgesehen, die bei der Bundesrepublik Deutschland liegenden Nutzungs- und Verwertungsrechte an diesen Fotos geltend zu machen.«
Eine offene Frage ist, ob Francisco Boix im Lager selbst Fotos gemacht hat, ob nicht einige der Aufnahmen also originär von ihm stammen. Stephan Matyus von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist dieser Ansicht: »Er durfte mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der Baracke des Erkennungsdienstes fotografieren. Es gibt einige Aufnahmen, in denen die Häftlinge lächeln, und da kann man davon ausgehen, dass sie den Fotografen gekannt haben und dass es sich um Francisco Boix handelte«. Auch diese Bilder gehören zu dem Bestand, den das Bundesarchiv für sich reklamiert.
Kontakt zwischen der deutschen Behörde und der Vereinigung Amical de Mauthausen bzw. dem Historischen Museum Kataloniens gab es bisher nicht. Das Bundesarchiv zeigte sich aber auf Nachfrage interessiert daran. Es bleibt abzuwarten, was das für die Zukunft bedeutet. Würde das Archiv versuchen, seine Rechtsauffassung durchsetzen, müssten die Negative theoretisch von Barcelona nach Deutschland verbracht werden. Und nicht nur diese. Aufnahmen, die von SS-Fotografen und Offizieren der Wehrmacht angefertigt wurden, befinden sich auch in der Fotostelle der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und im United States Holocaust Memorial Museum.

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