Donnerstag, 16. März 2017

Nahles will nachwässern

Nahles stellte in Berlin die frisch vom Parteivorstand beschlossenen Forderungen vor.


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Minimale Zugeständnisse im Wahlkampf: SPD will Hartz-Gesetze leicht korrigieren. Gewerkschaft lobt, Union tobt

Von Susan Bonath

Quelle: jungeWelt

Niedriglöhne, prekäre Jobs, Hartz-IV-Sanktionen und ein Leben auf kümmerlichem Sozialhilfeniveau bereits nach kurzer Erwerbslosigkeit: Das hat die »Agenda 2010« den Lohnabhängigen in Deutschland beschert. Doch nun ist Wahlkampf, und deren Mitinitiatorin SPD will ihren kompletten Abstieg verhindern und hat deshalb angekündigt, die Stellschrauben ein wenig zu lockern. Aber die sozialdemokratische Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles machte am Montag deutlich, dass die geplanten Korrekturen weder am Lohndumping noch an den Repressalien gegen Langzeiterwerbslose rütteln sollen.

Nahles stellte in Berlin die frisch vom Parteivorstand beschlossenen Forderungen vor. Sie sollen in das Wahlprogramm der SPD einfließen, das die Partei am 25. Juni beschließen will. Das Konzept baut auf arbeitsmarktgerechte Weiterbildung. »Die Arbeitsagentur muss stärker darauf fokussiert sein, Qualifikationen zu erhalten und auszubauen«, sagte Nahles. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley will »moderne Antworten auf eine sich wandelnde Gesellschaft« geben.
So plant die SPD vor allem minimale Korrekturen beim Arbeitslosengeld I. Die Versicherungsleistung, für welche monatlich drei Prozent des Bruttolohns fällig werden – die Hälfte davon zahlt das Unternehmen – können unter 50jährige derzeit lediglich ein Jahr beanspruchen. Wer älter ist, dessen Anspruch auf ALG I steigt schrittweise auf 24 Monate. Nach dem Willen der SPD sollen Betroffene diesen Zeitraum verlängern können, indem sie sich qualifizieren, so Nahles. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll Betroffenen nach drei Monaten ein solches Angebot unterbreiten. Für die Dauer der Maßnahme soll es ein »Arbeitslosengeld Q« geben. Damit könne jemand die Leistung maximal 48 Monate lang beziehen. Eine solche Umschulungsbeihilfe gab es schon einmal. Sie wurde eingestampft.
Die Schwelle für den Bezug der Versicherungsleistung will die SPD ebenfalls senken. Bisher fällt jeder sofort in Hartz IV, der in den vergangenen beiden Jahren nicht mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Künftig sollen zehn Monate innerhalb von drei Jahren ausreichen. Diese Reform soll die BA nach Berechnung des Ministeriums eine Milliarde Euro jährlich mehr kosten als bisher. Allerdings verfügt sie derzeit über Rücklagen von mehr als elf Milliarden Euro. Das Geld stammt von den Beitragszahlern.
Hartz-IV-Beziehern verspricht Nahles einen höheren Selbstbehalt. Sie will ihn verdoppeln. Bisher gelten als Obergrenze 150 Euro pro Lebensjahr. Damit kann ein 50jähriger, dem die Grundsicherung für Arbeitsuchende zusteht, derzeit 7.500 Euro behalten. Darunter fällt auch Sachvermögen, zum Beispiel ein Auto. Den Rest muss er aufbrauchen, bevor es überhaupt eine Leistung gibt. Auch Wohneigentum, das eine bestimmte Quadratmeterzahl übersteigt, muss er verkaufen. Daran dürfte sich auch mit der SPD nichts ändern.
Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, lobte, die SPD korrigiere einen »Kardinalfehler«. Auch Annelie Buntenbach aus dem DGB-Vorstand sprach von einem richtigen Ansatz. Ähnlich sieht es der Vorsitzende der Linkspartei Dietmar Bartsch. Der Mitparteivorsitzenden Katja Kipping gehen die Reformwünsche jedoch nicht weit genug. Sie verlangte eine Abkehr von Sperrzeiten und Sanktionen. Hartz IV sei eine Angstmaschine. Die will nicht nur die SPD erhalten. CDU-Generalsekretär Peter Tauber kritisierte die Minipläne und warb am Montag im Wahlkampf für Angela Merkel bereits für eine »Agenda 2025«.

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