Mittwoch, 22. Februar 2017

Europa von unten: Was deutsche Gewerkschaften verlernt haben und aus strategischen Erwägungen nicht mehr wirklich wollen – oder, wie man grenzüberschreitend das Gegenteil von Solidarität praktiziert.


"Was haben dem Management nahe stehende Betriebsräte und links 
angehauchte lokale und regionale Gewerkschaftskader in Deutschland 
gemeinsam? Sie verkaufen ihre Seele an den Wettbewerb und verhindern 
gezielt einen solidarischen Interessenausgleich zwischen den 
Beschäftigtengruppen, den Unternehmensstandorten, innerhalb der 
Wertschöpfungsketten und grenzüberschreitend sowieso. Sie nutzen ihre 
Kapazitäten bewusst nicht für einen breiten Interessenausgleich. Die 
Kernbelegschaft des jeweiligen Unternehmens ist zur heiligen Kuh eines 
neuen Klassenkampfs geworden. Diese Kerngruppe wird bei der 
Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg von den Beschäftigten mit 
anderem Status gezielt abgegrenzt, um den vermeintlichen Gesamterfolg 
des Unternehmens nicht zu gefährden. Die durchschlagende 
Kurzfriststrategie auf der einzelbetrieblichen Ebene hat die 
Gewerkschaftsstrukturen erschüttert, Solidarität zur unerwünschten 
Floskel degradiert und eine brutale Hierarchie im Interessenausgleich 
in der Arbeitnehmerschaft etabliert. Gewerkschaften sind hier aber 
nicht Opfer, sondern Täter. Harter Einsatz für die Kernbelegschaft 
eines Unternehmens gilt als klassenkämpferisch, auch wenn er sich 
gegen die Interessen anderer Belegschaftsgruppen oder Standorte im In- 
und Ausland richtet..." Artikel von Hardy Koch vom 14.02.2017 bei 
Makroskop
https://makroskop.eu/2017/02/europa-von-unten/

Aus dem Text: "... Weg vom Ausgleich zwischen verschiedenen 
Statusgruppen in der Arbeitnehmerschaft, weg von den Partnern in 
Europa und weg von den Prinzipien eines solidarischen 
Interessenausgleichs. In diesem Konzert gebärdet sich der DGB mit 
seinen Mitgliedsorganisationen als die Heuschrecke Europas im System 
der Interessenvertretung. Nach dem Prinzip, stark macht nur, was uns 
stark macht, hat man mit zurückhaltender Lohnpolitik, rücksichtslosem 
Standortgeschacher und der globalen Gewerkschaftszuständigkeit unter 
deutscher Führung die Konturen eines neuen Selbstverständnisses 
erkennen lassen. (...) Macht teilen oder umverteilen? Dieser Gedanke 
behagt der Avantgarde der deutschen Betriebsräte und Arbeitsdirektoren 
nicht. Interessenvertretung von unten nach oben denken? An den Orten 
der Unternehmenszentralen und betrieblichen Entscheidungszentren 
größere Verantwortung für alle Beteiligten in der europäischen 
Wertschöpfungskette übernehmen? Ja, wer sind wir denn? Weiß denn 
keiner, unter welchem enormen Druck wir stehen? Wir sind doch die 
armen Schweine des Systems. Glaubt vielleicht jemand, wir lassen uns 
zum Vergnügen korrumpieren?..."

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