Dienstag, 27. September 2016

Angriff auf Nothelfer

Dass russische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag laut der Nachrichtenagentur Interfax, weder die russische noch die syrische Armee hätten einen Luftangriff auf den UN-Konvoi geflogen. Auch sei es augenscheinlich gar nicht zu einem Beschuss gekommen.


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Syrien:

Mehrere Tote bei Attacke auf Hilfskonvoi. Verantwortung bleibt ungeklärt. Moskau: Weder Russland noch syrische Armee schuld

Karin Leukefeld, Beirut

Quelle: jungewelt. Vom  21.09.2016

»Verheerende Nachrichten: Der Syrische Arabische Rote Halbmond wurde im Umland von Aleppo angegriffen. Wir sind schockiert, dass wieder Helfer durch die Brutalität des Konflikts zu Schaden kamen.« So lautet eine über den Internetdienst Twitter verbreitete Meldung, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Dienstag morgen auf seiner Internetseite veröffentlichte. Bei nächtlichen Angriffen auf einen Hilfskonvoi waren in der Nacht zu Dienstag 18 von insgesamt 31 Lastwagen zerstört worden. Der Konvoi, der offenbar aus Fahrzeugen der UNO und des Syrischen Arabischen Roten Halbmondes (SARC) bestand, war im Westen von Aleppo unterwegs und hatte bei einem SARC-Lager in dem Ort Urem Al-Kubra Halt gemacht, um Hilfsgüter zu entladen. Bei dem Angriff kamen – nach Angaben aus Kreisen der syrischen Opposition – mindestens zwölf Menschen ums Leben. Die britische Rundfunkanstalt BBC sprach am Dienstag von 20 Opfern.
Die UNO machte keine Angaben zu getöteten Mitarbeitern. Gleichwohl stoppten die Vereinten Nationen am Dienstag aus Sorge um die Sicherheitslage in Syrien vorerst alle Hilfslieferungen in das Land. Das IKRK bestätigte, dass unter den Toten ein freiwilliger Mitarbeiter des SARC sei. Seit Beginn des Konflikts in Syrien (2011) habe der SARC 54 freiwillige Helfer verloren, sagte der IKRK-Koordinator Stephen Ryan in Beirut.
Wer für den Angriff verantwortlich ist, ist unklar. Die auf seiten der bewaffneten Opposition in und um Aleppo operierenden »Weißhelme«, die auch unter dem Namen »Syrische Zivile Verteidigungskräfte« bekannt sind, machten die Regierung unter Staatschef Baschar Al-Assad verantwortlich. Das »Regime« habe von vier Hubschraubern aus Fassbomben abgeworfen, sagte ein Helfer der »Weißhelme«, der ein Emblem des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in die Kamera hielt. Die BBC zeigte noch in der Nacht am Schauplatz entstandene Aufnahmen, die zeigen, wie Fahrzeuge in Flammen aufgehen. Im Hintergrund hört man eine Männerstimme, die mehrmals den Ausruf »Allahu akbar!« (Gott ist groß) wiederholt. Fotos bei Tageslicht zeigten die zerstörten und teilweise ausgebrannten Fahrzeuge.
Dass russische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag laut der Nachrichtenagentur Interfax, weder die russische noch die syrische Armee hätten einen Luftangriff auf den UN-Konvoi geflogen. Auch sei es augenscheinlich gar nicht zu einem Beschuss gekommen. »Wir haben Videoaufzeichnungen geprüft und keine Anzeichen festgestellt, dass die Wagenkolonne von Munition – welcher Art auch immer – getroffen wurde. Zu sehen sind keine Bombentrichter, die Wagen weisen keine Schäden durch eine Druckwelle auf. Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes«, erklärte Generalmajor Igor Konaschenkow.
Das IKRK und sein syrischer Partner SARC sind seit Beginn des Konflikts in Syrien täglich im Einsatz, betonte Stephen Ryan. Monatlich erreiche man bis zu fünf Millionen Menschen, täglich versorge man Menschen mit warmen Mahlzeiten, Wasser und Medikamenten. Anders als die UNO operiert das IKRK nicht grenzüberschreitend, wohl aber frontüberschreitend, was intensive Verhandlungen mit den verschiedenen Kriegsparteien erfordert. Während auf der syrischen Regierungsseite die Streitkräfte und das Außenministerium die Ansprechpartner für die Sicherheit der Hilfslieferungen sind, sind die Helfer auf seiten der zahlreichen bewaffneten Gruppen oft mit Dutzenden unterschiedlicher Akteure konfrontiert.
Der von den USA und Russland vereinbarte Waffenstillstand im Land ist derweil am Montag abend von der Syrischen Armeeführung für beendet erklärt worden. Die bewaffneten Gruppen hätten sich nicht an die Vereinbarung gehalten, erklärte ein Sprecher der Streitkräfte. Unmittelbar darauf flammten wieder Gefechte um die umkämpfte Metropole Aleppo auf. Dabei wurde auch eine Kamera für die Livestreamüberwachung des Waffenstillstandes, die die russische Armee montiert hatte, von den Oppositionsgruppen zerschossen.
Die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow trafen sich am Dienstag am Rande der UN-Vollversammlung in New York, um die Lage zu erörtern. Der Sprecher des US-Außenministeriums John Kirby beschuldigte zwar nicht direkt ein Land, für den Angriff verantwortlich zu sein, nahm aber dennoch eine recht eindeutige Schuldzuweisung vor. »Das Ziel dieses Konvois war dem syrischen Regime und der Russischen Föderation bekannt, und dennoch wurden diese Helfer getötet, als sie versuchten, Nothilfe an das syrische Volk zu verteilen«, erklärte er.

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