Donnerstag, 26. Mai 2016

Streik auch elektrisch


Achter Aktionstag gegen Arbeitsrechtsnovelle in Frankreich: Nach den Raffinerien Ausstände auch in allen Atomkraftwerken

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AKW Nogent sur Seine am Donnerstag: Gewerkschafter blockieren die Hauptzufahrt
Mit einem neuen Protesttag und Streiks in Atomkraftwerken haben Frankreichs Gewerkschaften sowie Studenten- und Schülerorganisationen im Konflikt um eine von der sozialistischen Regierung geplante Verschlechterung des Arbeitsrechts den Druck erhöht. Aktivisten errichteten zahlreiche neue Straßenblockaden, im ganzen Land demonstrierten Menschen, in Atomkraftwerken wurde die Stromproduktion gedrosselt. Offenbar beeindruckt von den Protesten stellte Premierminister Manuel Valls den Gewerkschaften ein Entgegenkommen in Aussicht, ohne aber konkret zu werden.
Mit dem achten landesweiten Aktionstag rund zwei Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft wurde der Konflikt endgültig zu einer der härstesten Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre. »Das Ziel ist eine wirtschaftliche Blockade, denn die Wirtschaft hat dieses Sozialdumping angeordnet«, zitierte die Nachrichtenagentur AFP Pascal Busson von der Gewerkschaft CGT. Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Blockade von Raffinerien und Treibstoffdepots zu Engpässen bei Benzin und Diesel und zu langen Schlangen an Tankstellen geführt. Nun nahmen die Gewerkschaften die Stromversorgung ins Visier: Nach Angaben der CGT hatten die Belegschaften aller 19 Atomkraftwerke des Landes für einen Streik am Donnerstag gestimmt. In einer Reihe der Energiezentralen wurde demnach bereits in der Nacht die Stromversorgung gedrosselt. Der Netzbetreiber RTE erklärte am Mittag, es gebe bislang keine Probleme bei der Stromversorgung. Auch der Eisenbahnverkehr und der Flughafen Paris-Orly waren von Streiks betroffen. Das deutsche Auswärtige Amt warnte Frankreich-Reisende vor »Verteilungsengpässen bei Benzin- und Dieselkraftstoff«. Allerdings entspannte sich die Lage an den Zapfsäulen langsam: Nach Angaben des Erdölindustrieverbandes Ufip hatte gestern noch rund ein Fünftel der etwa 11.500 französischen Tankstellen Versorgungsschwierigkeiten, zuvor war es rund ein Drittel.
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In dem Streit um die von der EU unterstützte und an die deutsche »Agenda 2010« angelehnte Verschlechterung des Schutzes für Beschäftigte fährt die Regierung von Staatschef François Hollande eine harte Linie: Sie ließ Polizei auf Demonstranten los und bekräftigte ein Festhalten an dem Vorhaben, mit dem unter anderem die Regelungen zur 35-Stunden-Woche gelockert und betriebsbedingte Kündigungen erleichtert werden sollen. Vorwand ist die hohe Arbeitslosigkeit. Premier Valls deutete am Donnerstag gegenüber den Sendern RMC und BFMTV einen taktischen Rückzug an: »Es kann immer Veränderungen und Verbesserungen geben.« Er betonte zugleich: »Es ist ausgeschlossen, den Rahmen zu ändern.« Er erklärte: »Wir werden sehen, aber an der Philosophie des Textes wird sich nichts ändern.« Finanzminister Michel Sapin brachte Änderungen an dem besonders kritisierten Vorhaben ins Spiel, Betriebsvereinbarungen bei Arbeitszeiten Vorrang vor Branchenvereinbarungen zu geben. Valls widersprach dem aber umgehend: Der entsprechende Artikel zwei der Gesetzesvorlage werde »nicht angefasst«.
Die französische Regierung hatte die Arbeitsrechtsnovelle auf Druck der Gewerkschaften schon in mehreren Punkten abgeschwächt. Vor zwei Wochen verabschiedete sie die Gesetzesvorlage unter Umgehung der Nationalversammlung. Der französische Senat wird sich ab Mitte Juni damit befassen. Am 14. Juni – mitten in der Fußball-Europameisterschaft – ist ein weiterer Aktionstag gegen die Reform geplant. (jW-Bericht)

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