Dienstag, 17. März 2015

Günter Wallraff: Die 5 schlimmsten Skandale im Jobcenter

17. März 2015, 12:00 Uhr Die Wallraff-Reportage zeigt skandalöse Zustände in den Jobcentern. Personalmangel und Überlastung produzieren teils absurde Ergebnisse. Dies sind die größten Kritikpunkte. Dass in den Arbeitsagenturen und Jobcentern nicht alles rund läuft, dürfte kaum jemanden überraschen. Was die RTL-Reportage des Team Wallraff zutage fördert, übertrifft dann aber doch die Erwartungen. Personalmangel und fragwürdige Strukturen führen dazu, dass von effizienter Arbeitsvermittlung vielfach keine Rede sein kann (einen ausführlichen Artikel zur Sendung finden Sie hier). Dies sind die krassesten Missstände, die die Reportage dokumentiert. 1. Sinnlose Maßnahmen Die absurdesten Bilder liefert die Lama-Episode. Spazierengehen mit Lamas ist allen Ernstes Teil einer Maßnahme für Hartz-IV-Empfänger. Einer der Teilnehmer des Kurses, in dem es sonst um Bewerbungen schreiben und ähnliches geht, hat die Aktivität vorgeschlagen, weil die Lamas bei ihm um die Ecke wohnen. Was das Ganze mit Arbeitsvermittlung zu tun hat, weiß keiner. Andere Hartz-IV-Empfänger landen in Motivationskursen, in denen sie alberne Spielchen machen müssen und frustrierter rausgehen als sie hereingekommen sind. 2. Überlastung der Mitarbeiter Laut der offiziellen Statistik kommen auf einen Arbeitsvermittler rund 150 Arbeitslose, hier Kunden genannt. Dem Undercover-Reporter erzählen die Mitarbeiter aber ihre tatsächlichen Kundenzahlen. 400 bis 500 sind fast normal, eine Mitarbeiterin berichtet, sie habe in der Spitze sogar mal 600 Kunden gehabt. "Man freut sich über jeden, der seinen Termin nicht wahrnimmt", sagt ein anonymer Mitarbeiter. Die Diskrepanz kommt unter anderem zustande, weil Mütter in Elternzeit, Teilnehmer in Weiterbildungsmaßnahmen und kranke Hartz-IV-Empfänger nicht mitgezählt werden. Außerdem ist der Krankenstand unter den Arbeitsvermittlern sehr hoch. 3. Schlechte Beratung Für einen Kunden haben die Arbeitsvermittler etwa eine halbe Stunde Zeit. Wegen der vielen Formalitäten bleiben für die reine Beratung aber nur fünf bis zehn Minuten. Die ausgebildete Köchin Johanna Richter berichtet, dass ihr eine Arbeitsvermittlerin nach fünf Minuten Gespräch als einzigen Ausweg eine Karriere als Nageldesignerin vorschlägt. Ein anonymer Arbeitsvermittler bestätigt den verheerenden Eindruck: Nur für ein Drittel der Kunden könne man als Berater etwas tun. Die anderen fallen hinten runter. Langzeitarbeitslose werden als "Schrankfälle" aussortiert - ihre Akten versauern im Schrank. 4. Befristung von Jobcenter-Mitarbeitern Viele der Menschen, die andere in Arbeit bringen sollen, bangen selbst um ihren Job. Die Arbeitsagentur stellt neue Vermittler in der Regel mit befristeten Verträgen ein. Nach zwei Jahren kann schon wieder Schluss sein. Oder das Spielchen geht ewig weiter, wie im Fall von Renate Hänsch: Die heutige Rentnerin erhielt 14 Zeitverträge von der Arbeitsagentur und wurde dann nicht übernommen. 5. Briefe landen ungeöffnet im Papierkorb Besonders groß scheint der Arbeitsstress in der Abteilung zu sein, die für Leistungsgewährung zuständig ist. Wegen personeller Engpässe warten manche Antragsteller monatelang auf ihr Geld. Und auch den Jobcenter-Mitarbeitern fehlt teils schlicht die Zeit, zu Unrecht gewährte Leistungen zurückzufordern. Ein Mitarbeiter erzählt, dass er Kollegen kenne, die den Stapel an Arbeit reduzierten, indem sie Post einfach ungeöffnet in den Papierkorb wandern ließen.

Warum immer mehr Flüchtlinge nach Nordkorea zurück wollen

Viele Nordkoreaner fühlen sich beim südlichen Nachbarn nicht zu Hause Son Jung-hun lebt seit mehr als zehn Jahren in Freiheit, und doch gleicht die Existenz des Wahlsüdkoreaners einem Scherbenhaufen: Die unbezahlten Rechnungen stapeln sich, seine Wohnung musste er bereits verkaufen. Seine Leber ist ruiniert, und die Ärzte geben ihm noch maximal drei Jahre. Für seinen Lebensabend hat der Nordkoreaner nur mehr einen Wunsch: in sein Heimatland zurückzukehren, einen der repressivsten Staaten der Erde. "Wenn es nicht die Strafen gäbe, würden acht von zehn Flüchtlingen wieder zurück zu ihren Familien gehen", behauptet Son. Mittlerweile leben mehr als 27.000 Nordkoreaner beim südlichen Nachbarn, doch seit einigen Jahren wandern immer mehr von ihnen ab. Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium listet nur sieben Nordkorea-Rückkehrer für das Jahr 2013 auf, doch die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Ein ehemaliger Abgeordneter behauptete jüngst, dass jedes Jahr rund hundert Flüchtlinge über China wieder nach Nordkorea einreisen. Als Abtrünnige riskieren sie Gefängnisstrafen in ihrem Heimatland, sie nehmen karge Mahlzeiten in Kauf und möchten freiwillig in einem totalitärem System leben. Für Außenstehende mag das eine abwegige Vorstellung sein – nicht jedoch, nachdem man ihre Existenzen in Südkorea näher betrachtet hat. Depressionen und Angststörungen Eine aktuelle Umfrage unter 1.750 Flüchtlingen umreißt die Eckpunkte einer tragischen Parallelgesellschaft: Die Hälfte aller Nordkoreaner werden in ihrer Wahlheimat wegen Depressionen oder Angststörungen behandelt, mehr als 20 Prozent haben Selbstmordgedanken, und fast alle fühlen sich der südkoreanischen Gesellschaft nicht zugehörig. Innerhalb einer Bevölkerung, die seit mehr als zehn Jahren die Selbstmordstatistiken aller OECD-Länder anführt, nehmen sich nordkoreanische Flüchtlinge im Schnitt dreimal öfter das Leben. Dass sie sich in ihrer Wahlheimat nicht heimisch fühlen, kann ihnen nicht verübelt werden. Viele südkoreanische Senioren hegen noch immer die latenten Feindbilder, die im blutigen Koreakrieg wurzeln und später in einem jahrzehntelangen Klima aus Paranoia und Kommunistenhetze weiterlebten. Viele Konservative halten die Flüchtlinge für Spione oder gewöhnliche Kleinkriminelle, die aus ihrer Heimat vor Haftbefehlen geflohen sind. Für die politische Linke stellen sie oftmals Landesverräter dar. Die Jugend in Südkorea interessiert sich wenig für deren Schicksal. Nur wenige Arbeitgeber sind bereit, Nordkoreaner anzuheuern. Rotlicht und Kleinkriminalität Und wenn doch, dann verrichten sie trotz abgeschlossenen Universitätsstudiums einfache Hilfsarbeiterjobs. Nicht wenige nordkoreanische Frauen enden im Rotlichtbezirk, die Männer werden in die Kleinkriminalität gedrängt. Die Arbeitslosigkeit unter nordkoreanischen Flüchtlingen ist sechsmal höher als im Landesdurchschnitt. All das führt dazu, dass immer mehr von ihnen sich von ihrer Wahlheimat abwenden. Auch Park In-sook kehrte 2012 nach sechs Jahren im Süden nach Nordkorea zurück. Auf einer Pressekonferenz berichtete sie, dass Südkorea an einer wild wuchernden Arbeitslosigkeit leide und sich alles nur ums Geld drehe: "Es gibt keine Spur von Menschlichkeit mehr." Zu Pressekonferenzen genötigt Unter vielen ihrer Landesgenossen im südkoreanischen Exil erhielt sie Applaus für ihre Aussagen – auch wenn sie diese möglicherweise nicht freiwillig getätigt hat. Rückkehrer werden in Pjöngjang dazu genötigt, eine Pressekonferenz abzuhalten, auf der ihre gescheiterte Existenz in Südkorea öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet wird. Jedes Jahr strahlt das Staatsfernsehen ein knappes Dutzend solcher Medienbeichten aus. Seit Kim Jong-uns Machtantritt vor mehr als drei Jahren gibt es verstärkt Bemühungen aus Pjöngjang, die Exilanten aus dem Ausland zurückzuholen. Aktivisten berichten immer wieder von verdeckten Sicherheitsagenten aus Nordkorea, die Flüchtlinge besuchen und ihnen eine Rückkehr in die Heimat schmackhaft machen wollen – mit satten Geldbeträgen und 15 Minuten Ruhm im Staatsfernsehen. Die Rückkehrer spielen dem Regime bei der Verteidigung seiner Menschenrechtsverletzungen in die Hände: Wenn Nordkorea wirklich so grausam ist, wieso kehren dann Leute freiwillig zurück? Genaueres Bild vom südlichen Nachbarn Breite Teile der nordkoreanischen Bevölkerung wissen längst, dass es Südkorea entgegen der Staatspropaganda zu beachtlichem Wohlstand gebracht hat. Durch die geschmuggelten DVDs und Radiogeräte vom Schwarzmarkt können sie sich ein weit genaueres Bild von der Außenwelt machen als noch ihre Eltern. Umso dringender braucht Pjöngjang die Rückkehrer aus dem Süden, um das Narrativ für die eigenen Zwecke umzumünzen: Die südkoreanische Gesellschaft mag zwar reich sein, doch sie ist auch unmenschlich und kalt. Wer dort sein Glück sucht, so lautet das Credo aus Pjöngjang, der landet unweigerlich in Schulden und sozialer Isolation. Für manche Flüchtlinge trifft das auch tatsächlich zu. Tatsächlich stellt die südkoreanische Regierung allen Nordkoreanern einen Pass aus, gibt ihnen eine eigene Wohnung und monatliche Sozialbeiträge. Da die meisten Flüchtlinge jedoch erst einmal ihre Schlepper bezahlen müssen, starten viele mit Schulden in ihre neue Existenz. Dass das Leben in Südkorea kein Zuckerschlecken ist, hat sich schnell bis in den Nordosten Chinas herumgesprochen, die erste Station für nordkoreanische Flüchtlinge. Dort überlegen sie es sich zweimal, ob sie wirklich die südkoreanische Staatsbürgerschaft annehmen wollen – oder in einem anderen Drittstaat um Asyl bitten. Immer wieder klopfen Nordkoreaner auch bei europäischen Behörden an, vor allem in Großbritannien, Belgien, Dänemark und den Niederlanden. Son Jung-hun wird seinen Traum von einer Rückkehr nach Nordkorea nicht auf legalem Weg erreichen können. Südkorea hat ihn mit einem Ausreiseverbot belegt. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 13.3.2015)

Berlin: 20.000 Stimmen gegen steigende Mieten werden gebraucht

Bezahlbaren Wohnraum gibt es in Berlin zu wenig, findet die Initiative "Mietenvolksentscheid e.V.". Der Senat habe das zwar erkannt, handle aber nicht ausreichend. Daher hat der Zusammenschluss aus Mieterinitiativen verschiedener Bezirke selbst ein Gesetz entworfen. Das soll per Volksentscheid kommen. Ab Ende März werden Stimmen gesammelt. Ein neues Gesetz soll her, damit starken Mietsteigerungen in Berlin etwas Handfestes entgegensteht. So will es der Mietenvolksentscheid e.V., ein Zusammenschluss verschiedener Initiativen unterschiedlicher Berliner Bezirke. Mit einer Pressekonferenz im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Friedrichshain haben die Initiatoren am Dienstagvormittag ein Volksbegehren für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt auf den Weg gebracht. "Berliner Wohnraumversorgungsgesetz" heißt das Gesetz, das die Initiatoren mithilfe eines Volksentscheids in Kraft setzen wollen. Damit sollen mehr Wohnungen für Einkommensschwache geschaffen werden. Zudem wird gefordert, die Mieten in öffentlich geförderten Wohnungen zu senken und Mieten am Einkommen der Mieter zu orientieren. Stadtentwicklungssenator Geisel teilt die Anliegen der Initiative grundsätzlich, befürchtet aber ein langwieriges bürokratisches Verfahren. Die Berliner Grünen hingegen begrüßen die Initiative. Die Landesvorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener kommentierten, das Volksbegehren mache das Versagen des Senats in der Wohnungspolitik deutlich. Berlin sei als bezahlbare Metropole in Gefahr. Die Stadt brauche nicht nur einen besseren Mieterschutz, sondern müsse "angesichts des Bevölkerungswachstums auch möglichst schnell für neuen und bezahlbaren Wohnraum sorgen." In Berlin gebe es vor allem für Menschen mit geringem Einkommen eine Wohnungsnot, so eine Sprecherin der Initiative. Das Land habe ein Versorgungsauftrag für diese Menschen. Auf der Webseite der Organisatoren des Volksbegehrens heißt es, "angekündigte Maßnahmen des Senats wie z.B. teure Neubaupläne, sind keine Lösung des Problems". Geisel: Berlin braucht schnelle Mietenpolitik Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel ist überzeugt davon, dass der Mietenvolksentscheid wichtige Anliegen behandelt. An vielen davon arbeite der Senat aber bereits: "Wir erhöhen das Angebot bezahlbarer Wohnungen in Berlin, haben leistungsfähige kommunale Wohnungsunternehmen und setzen uns dafür ein, dass die Mieten im sozialen Wohnungsbau auch künftig bezahlbar bleiben." Als Beispiele nannte er die Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen mit dem Wohnungsneubaufonds, dessen Mittel in den kommenden Jahren aufgestockt werden sollen, Verbesserungen durch das 2011 beschlossene Wohnraumgesetz und verwies auf die vorgesehene zügige Umsetzung der vom Bundestag beschlossenen Mietpreisbremse. Zurzeit erstellt der Senat bereits eine amtliche Kostenschätzung. Diese ist nach dem Abstimmungsgesetz notwendig, um die finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt des Landes Berlins zu ermitteln. Der Kostenschätzung könne er nicht vorgreifen, so Geisel, er habe aber den Eindruck, "dass der Vorschlag der Initiative einen für den Landeshaushalt recht teuren und auch langwierigen Systemwechsel bedeuten könnte." Berlin brauche jedoch schnell umsetzbare und eine auch kurz- und Mittelfristig wirkende Mietenpolitik . "Zielführende, umsetzbare und bezahlbare" Ideen der Initiative wolle er aber gerne diskutieren und gegebenenfalls übernehmen. Bis Mai müssen 20.000 Unterschriften her Aus Sicht der Initiative sollten sich die "Berlinerinnen und Berliner unabhängig von der etablierten Politik durchsetzen", so heißt es auf der Webseite, das funktioniere mit einem Volksentscheid "selbstorganisiert und basisdemokratisch". Bis es zu einer Abstimmung über das Gesetz kommt, liegt noch ein weiter Weg vor der Initiative. Ende März soll es losgehen, dann müssen bis Mai dieses Jahres 20.000 gültige Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren gesammelt werden, damit das Abgeordnetenhaus sich mit dem Anliegen befasst. Wird der Antrag abgelehnt, geht das Stimmen sammeln weiter: Es kommt zum Volksbegehren. Wenn das Abgeordnetenhaus das Begehren, also in diesem Fall das "Berliner Wohnraumversorgungsgesetz" nicht übernimmt, kommt es danach erst zum Volksentscheid. Vor rund einem Jahr erst verhinderten die Berliner mit einem Volksentscheid, dass die Randflächen des früheren Flughafens Tempelhofs bebaut werden. Stand vom 10.03.2015

Dutch student protests ignite movement against management of universities

On 24 February 2015, mounted police, live television crews, protestors and crowds of onlookers surrounded a building called the Bungehuis, a six storey art deco style construction that currently houses the University of Amsterdam’s humanities faculty. The building is scheduled to be converted into a luxury hotel and spa complex as part of an international chain of private members’ clubs called Soho House. Only 11 days earlier dozens of students had occupied the Bungehuis in response to a programme of sweeping changes that the university’s administration was apparently unwilling to discuss. The students’ demands for a “new university” included greater democratisation of university governance, greater transparency of the university’s finances, halting plans to restructure and cut a number of departments, a referendum on plans for departmental mergers with other universities, better conditions and protections for temporary staff, and an end to risky financial and property speculation with university funds. The pretext for the cuts and structural changes being opposed is an unprecedented crisis in the university’s finances – including a deficit rumoured to be up to €12m or €13m, according to an internal letter sent by a professor. The university board of directors responded to the Bungehuis protest by initiating a lawsuit against the occupying student seeking a fine of €100,000 per student per day. This prompted an open letter from hundreds of academic staff and a petition signed by over 7,000 people – including internationally renowned scholars such as Judith Butler, Noam Chomsky, David Graeber, David Harvey, Axel Honneth and Saskia Sassen. The scholars urged the board to reconsider their legal and financial threats and expressed sympathy for the students’ demands for democratic accountability and their challenge to the “ongoing financialisation and managerialism that is increasingly coming to dominate academic life”. The day after the police successfully evicted several dozen protesters from the Bungehuis, a mass rally of students took place in the heart of Amsterdam, challenging the university board’s assertion that it was only small and unrepresentative minority of the student population who opposed the plans. The rally culminated in the reappropriation of the Maagdenhuis, the university’s main administrative building, which is still occupied now. In a live televised discussion with Amsterdam’s mayor Eberhard van der Laan on the evening of the occupation, students urged him to use his influence to ask the university board to take concrete steps to listen to them. They called to increase the transparency and accountability of the university decision-making processes and to pause and reconsider their programme of restructuring, cuts and sell-offs. The mayor, however, failed to convince them to vacate the premises. Public support for the protest and the nascent new university movement appears to be high. The Dutch education minister says the protesters “have a point”. National newspapers and broadcasters across the political spectrum have given them sympathetic columns and coverage. Numerous political parties and trade unions have expressed their support. City residents and local organisations have contributed food and blankets for those who are remaining in the building overnight. No doubt part of the reason the occupation is eliciting such a widespread positive response is due to the lasting memory of student protests in the same building in 1969, which led to legislative changes giving students and staff a much greater say in how their universities were run. Professor Rob Hagendijk, a social scientist who recently retired from the University of Amsterdam, argued that there are many parallels between protests in the 1960s and today: The year before the occupation in 1969 there were several reports about the reform of universities, arguing that they should follow a more business-like model with stronger centralised management and that universities should be more functionalised for the economy. If you look at universities now, all of these years later, you can see that this way of structuring universities has effectively been introduced. At the time these reports came out the students were very concerned and demanded greater democratisation and participation for the students in decision-making in the university as a counter to the plans the government had. Student protests in Amsterdam and other Dutch universities in 1969 gave rise to the 1970 University Governance Reorganisation Act which established a much stronger level of student and staff representation in university governance as well as greater democratic oversight and control of university finances. In Hagendijk’s view these democratic safeguards helped to stave off some of the excesses of new public management style reforms driven by increasing efficiency, marketisation and stronger top-down management until the mid-1990s, when the Act was scrapped. He suggests that part of the reason the current student protests are gaining traction more broadly in Dutch society is because they are rejecting and calling for alternatives to market-orientated managerial changes that have taken hold in many areas of life and work, including in hospitals, housing corporations, schools and colleges. While the University of Amsterdam’s protesters’ demands are far from being met, last week the executive board issued a list of “10 starting points” on transparency and democratisation which is being cautiously welcomed as a “U-turn” by university staff. The protesters are now preparing for “a battle over detail” to ensure that their biggest concerns are not eclipsed in forthcoming negotiations. The new university movement looks like it could become a national phenomenon in the Netherlands. The energy and momentum of the Amsterdam protests has provided inspiration for similar groups being established in Delft, Groningen, Leiden, Nijmegen, Rotterdam, Tilburg and Utrecht. Students, teachers and university researchers across the country are expressing support for the protests and discussing ways to challenge the kinds of market-driven reforms that have been so aggressively pursued in the UK – and to develop alternative visions for the role of universities in society. One newspaper argued that the occupation reflects “the great ideological struggle of our time”. Another columnist wrote that the protests could represent “an important turning point” leading to a break with “protracted political apathy and democratic fatigue”. In the coming days the protestors need all of the international support they can muster as negotiations continue. If you want to back their cause you can sign and share their petition, help them to gather public statements of support, like them on Facebook or follow the @hetMaagdenhuis or @RethinkUvA accounts on Twitter. Join the higher education network for more comment, analysis and job opportunities, direct to your inbox. Follow us on Twitter @gdnhighered.

Polizisten im Einsatz bekundeten Sympathien für Pegida

Islamfeindliche Bewegung in Dresden erhält wieder Zulauf Pegida Wieder wachsender Zulauf: Vergangene Woche waren es 6.500, diese Woche über 7.000 Menschen bei Pegida in Dresden Update 14.45 Uhr: Mögliche Sympathie-Bekundungen sächsischer Polizisten gegenüber der »Pegida«-Demonstration sorgen in Dresden für Aufregung. Mit Erschütterung reagierte der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek auf einen entsprechenden Medienbericht über die Dresdner »Pegida«-Demonstration am Montagabend. Sollten die Berichte stimmen, würde dies »zu einem enormen Vertrauensverlust in die Polizei führen«, sagte Kasek am Dienstag. Die »Dresdner Neuesten Nachrichten« (Dienstagsausgabe) hatten in einem Artikel geschrieben, auch Polizisten hätten sich an der von Lutz Bachmann initiierten »Zählaktion« beteiligt. Mit der Aktion wollte der »Pegida«-Chef den offiziellen Teilnehmerzahlen begegnen, die er für zu niedrig hält. Dazu sollten Demonstrationsteilnehmer eine Münze oder anderen Gegenstand in bereitgestellte Tonnen werfen. In dem Zeitungsartikel heißt es, die »Zählaktion« habe nicht wie gewünscht funktioniert: »Schon vor dem Start des Pegida-Aufmarsches warfen aber Einzelpersonen mehrere Münzen in die Tonnen, auch danach war unklar, ob wirklich jeder Teilnehmer nur eine Münze abgab. Selbst Polizisten im Einsatz bekundeten Pegida-Sympathien. So gab es aus dem Führungsfahrzeug des Aufmarsches ebenfalls eine Teilnehmermünze.« Eine Sprecherin der Polizeidirektion Dresden sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag, der Vorgang werde untersucht. Insgesamt hätten 632 Polizisten die Versammlung abgesichert. Was letztlich bei der »Zählaktion« der fremdenfeindlichen »Pegida«-Bewegung herausgekommen ist, war am Dienstagmittag noch nicht klar. Auf der Facebook-Seite der Islamkritiker wurden zunächst nur zwei Fotos von Gegenständen, darunter neben Münzen auch Kronkorken, Feuerzeuge und Bonbons gezeigt, die für die Zählung der Teilnehmer in Tonnen geworfen wurden. Nach Polizeiangaben waren 7.700 »Pegida«-Anhänger zu der Demonstration gekommen. Gegen die »Pegida«-Kundgebung protestierten in Dresden rund 200 Menschen unter dem Motto »Dresden für alle - Für eine weltoffene, tolerante und kunstvolle Stadt«. An die Veranstaltung schloss sich ein Konzert unter dem Motto »Zivilcourage« auf dem Postplatz an. Damit wollten die Teilnehmer auch an die Ereignisse im sachsen-anhaltischen Tröglitz erinnern, wo der ehrenamtliche Ortsbürgermeister Markus Nierth (parteilos) vor rund einer Woche wegen Bedrohungen durch Rechtsextremisten zurückgetreten war. Die Postplatz-Konzerte zählen mittlerweile zu den regelmäßigen Gegenveranstaltungen der »Pegida«-Kundgebungen, die seit Herbst 2014 in Dresden stattfinden. Erstmals wollte das fremdenfeindliche Bündnis an diesem Montag eigene Teilnehmerzahlen erheben. Diese sollen am Dienstagmorgen veröffentlicht werden. Unterdessen hat »Pegida«-Chef Lutz Bachmann für Ostermontag (6. April) eine weitere Großkundgebung in Dresden angekündigt. Erwartet werden demnach bis zu 30.000 Menschen. epd/nd

Klassenkämpfe in Frankreich – März 2015

Die französische Gewerkschaft CGT begeht in diesem Jahr ihren hundertzwanzigsten Geburtstag. In ihrem Hauptsitz in Montreuil bei Paris bezeugt eine beeindruckende Ausstellung die kämpferischen Geschichte, die demnächst auch in Buchform erscheint. In der Gewerkschaftszentrale fand am 3. März auch im Rahmen einer Vortragsreihe die Debatte über „die revolutionäre Gewerkschaftsbewegung“ statt. Die lange Serie von Feierlichkeiten hält die Gewerkschaft mit ihrer erneuerten Führungsspitze aber nicht davon ab, weiterhin den Herren (und Damen) in Wirtschaft und Politik auf der Frontseite der Ausbeuter die Stirn zu bieten. Auf dem Großkampftag am 9. April wird, wie „ensemble“, die März-Ausgabe der monatlich erscheinenden Mitgliedszeitung der CGT schreibt, ein Tag der Aktion und des Streiks, zu dem ein übergewerkschaftliches Bündnis zur nationalen Manifestation gegen die EU-Austeritätspolitik der Regierung aufgerufen hat. Neben dem Widerstand gegen die Umsetzung des arbeiterfeindlichen Gesetzes „Macron“ spielt auch die Forderung nach der 35-Stunden-Woche eine Rolle, die Forderung, die Arbeitszeit zu verkürzen als ein Weg, Arbeitsplätze zu erhalten und eventuell zu schaffen. Über 100.000 Demonstranten werden in Paris erwartet. Bahnprivatisierung: Die 149.000 Beschäftigten bei SNCF und die 1.500 beim Gleiskörper-Eigner RFF sollen weiter umgruppiert werden. Bei SNCF stehen bis 2020 über 10.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die CGT, die bei den Vertreterwahlen 2014 mehr als 35 Prozent bekam, besteht darauf, „Verhandlungen über die Strukturierung der Bahn aufzunehmen“. Im Unterschied zum Juni letzten Jahres, wo auf Initiative von CGT-Cheminots und SUD-Rail die Eisenbahner ein Dutzend Tage lang gestreikt hatten, ruft allerdings diesmal nur noch die CGT zum Kampf. Vom Montag, 16.3.abends bis Mittwoch morgens werden nur 8 von 10 Regionalzügen TER fahren. In Paris werden die RER-Linien in der Region ebenso betroffen sein, während Intercity und TGV ihre Fahrpläne einhalten können, so Le Monde am 8. März. Der Rotstift kratzt auch am Bildungswesen: Wie in Deutschland die personelle Unterbesetzung bei der Altenbetreuung und in Krankenhäusern zu Mängeln in der Versorgung bis hin zu Gesundheitsgefährdungen von Patienten und Unfällen führt, liegt das Problem ähnlich bei den Schulkantinen in Marseille. Die Gewerkschaften reklamieren seit 6 Monaten in den Verhandlungen 300 Posten, um den Service aufrechtzuerhalten, dass mindestens 200 Stellen geschaffen werden müssen. Die Stadt Marseille hat allerdings nur 175 Stellen eingerichtet, darunter nur 25 Techniker und 15 Kantinenleiter. Hatten bislang nur tageweise die Kantinen geschlossen und teilweise wenigstens ein „Picknick“ angeboten, schließen nunmehr die Schulkantinen von Montag, den 9. bis Freitag den 20. März, wie die CGT gemäß der Zeitung „La Province“ ankündigte. Am 16. März legen die Lehrer am Lycee Noordover erneut einen Streiktag ein und mobilisieren mit den Elternvertretern die Öffentlichkeit, nachdem sie, wie La Voix du Nord am 10.3. berichtete, schon am 9.3. den gesamten Unterricht ausfallen ließen. Entgegen den Versprechungen der Regierung Hollande, über 50.000 neue Lehrerstellen zu schaffen, wird im entindustrialisierten Norden mit eisernem Besen gekehrt: Die Elternvertreter und Lehrer kämpfen für den Erhalt der Stellen zur Erziehungsberatung (CPE). Eine halbe Stelle soll gestrichen werden, was an einem „sensiblen“ Gymnasium mit einer Abbrecher-Quote (vor dem Abitur) von 25 Prozent fatale Folgen hätte, denn dann müsste die Psychologin sich um zwei Schulen kümmern. An den Universitäten werden im Unterschied zu Deutschland von der Mehrheit der Lehrergewerkschaften und von Unef Streiks angekündigt – gegen den Abbau von Stellen, Einschränkung der Fortbildung und gegen den Verfall des Campus durch Aufschieben von Reparaturen. Das Ministerium in Paris kürzt das Budget 2015 um 100 Millionen Euro, wohingegen das Doppelte gebraucht würde, um den Universitäten einen korrekten Wissenschaftsbetrieb zu gewährleisten. Die Gewerkschaften der Fernfahrer (CGT, FO, CFDT, CFTC, CFE-CGC), die im Dezember ihren Streik für Lohnerhöhungen unterbrochen hatten, rufen erneut ab 15. März Abend zum unbefristeten Streik auf, da die Verhandlungen seit dem 9. Februar an einem toten Punkt angelangt sind. Die Gewerkschaften verlangen auch, dass für ausländische Kollegen, die durch Frankreich fahren, der Mindestlohn gezahlt wird, auch damit diese nicht als Lohndrücker missbraucht werden können. Wie Le Monde am 16. März berichtet, werden im Zielpunkt der Aktivitäten die Logistikzentren und die Mautstellen liegen. Es ist aber nicht beabsichtigt, das ganze Land zu blockieren. In einigen Regionen sind Flugblattverteil-Aktionen geplant und die „operation escargot“, also auf Autobahnen mobile Staus mittels „Schneckenfahrten“. Brittany-Ferries: Die 14 normannische Seeleute, im Streik getreten am letzten Donnerstag Abend, haben nach zwei Tagen die Arbeit wieder aufgenommen. Die Direktion der Auto-Fähre hat sich bereit erklärt zu verhandeln. Wenn man aber die Kürzung der Erschwerniszuschläge nicht zurücknehme, werde der Streik wieder aufgenommen, so die CGT. Dann würden sich auch die Seeleute vom Mont-Saint-Michel anschließen. Das Werk Fleury-les-Aubrais von ESPA Hutchinson arbeitet seit Ende Februar nur noch mit halber Kraft, wie France 3 am 5.3. mitteilte. Das Werk produziert Kautschuk-Röhren für die Stahl- und Luftfahrtindustrie wie Boeing, Airbus oder Dassault (Mirage). Das Unternehmen prosperiert, der Umsatz ist stetig gestiegen, von 32 Mio. Euro 2011 auf 40 Mio. Euro 2014. Die 200 Beschäftigten forderten eine bescheidene Bruttolohn-Erhöhung von 30 Euro im Monat. Aber nachdem die Direktion provokativ nur 5 Euro pro Kopf anbot, legten die Kollegen die Arbeit bis auf weiteres nieder. Streik bei France Television: Am letzten Sonntag überraschte die Zuschauer der öffentlichen Sender von France Television, TF 2 ff. (TF 1 ist schon lange privatisiert) eine durch den Streik verursachte Störung am Ende der 20-Uhr-Nachrichten. Die Redaktion fand es nicht nötig, die Bürger über die Gründe des Streiks zu informieren. Die Regionalstudios von France 3 Seine-Bucht und Ober-Normandie wurden am 11. März bestreikt. Die zwölf Beschäftigten der Lokalredaktion Le Havre protestieren mit einer Streikankündigung gegen die Einstellung des Programms während der Osterferien. Sie befürchten die Zusammenlegung mit der Regionalredaktion, verbunden mit Stellenstreichungen. In dem kleinen Obstverpackungs-Unternehmen „Les Rives“ in Montauban wurden von den 13 Beschäftigten 9 gekündigt, um sie durch zeitarbeitende Saison-Arbeiter(innen) zu ersetzen, so die in den Pyrenäen erscheinende „La Depeche“ vom 27. Februar. Der belgische Eigentümer, die Gruppe Ringoot, bot Ersatzarbeitsplätze in Belgien an und weigerte sich, über Modalitäten zu verhandeln. Auszuwandern war für die Beschäftigten eine Provokation und besetzten den Betrieb. Am 8. März berichtete France 3-Midi-Pyrenee, die Lage sei immer noch angespannt, aber trotz der Arbeitsniederlegung fänden immerhin Gespräche statt.

[AGF-Info] Journalist/Autor Stephan Hebel referiert am 19.3. in VHS zum Tabubruch

"Offene Fragen und politische Aktionen angesichts der Kriege!" Für den Auftakt der 2-teilige Vortragsreihe "Frieden schaffen - mit Gewalt?" konnte Stephan Hebel, Journa­list und Autor - u.a. Frankfurter Rundschau, Publik Forum, Deutschlandradio, Autor des Buches "Deutschland im Tiefschlaf - wie wir unsere Zukunft verspielen", gewonnen werden. Er referiert am Donnerstag 19. März um 20:00 Uhr in der Volkshochschule Trier am Domfreihof zu "Tabus sturmreif schießen - Die neue deutsche Verantwortung?" 75 Jahren nach dem 2. Weltkrieg und 100 Jahre nach dem 1. Welt­krieg macht sich Deutschland auf, in eine öko­nomisch getriebene Interessen­politik. Stephan Hebel fragt, wer sich dieser Normalisierung widersetzt und die richtigen Fragen stellt: Zum Beispiel an die Abgeordneten im Bundestag: Wisst ihr, was ihr tut? Der Impuls an Friedensbewegte und Politik mit anschließender Diskussion wird von der Arbeits­gemeinschaft Frieden, der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte Kriegsdienst­gegner und der Volkshochschule Trier in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung RLP veranstaltet. Wir freuen uns über Ihr/Dein Kommen, Weiterleitung dieser Einladung erwünscht. Gruß Markus Pflüger, AGF. Hintergrund: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen antwortete im ZEIT-Interview zum The­ma Ukraine- und Irakkrieg auf die Frage, ob Deutschland an Fußballweltmeisterschaften in Russland und Katar teilnehmen solle: "Wo auch immer gespielt wird: Deutschland schickt schießendes Perso­nal." Ein zynischer Witz oder eine treffende Beschreibung, wie sich Deutschland in eine weltweit mili­tärisch agierende Macht verwandelt?, fragt Hebel. Warum löst das keinen Aufschrei in Deutschland aus? "Wichtiger als die Frage, ob und welche Waffen wir liefern, ist die Bereitschaft, Tabus beiseite zu legen," sagte die deutsche Verteidigungsministerin im Interview und spricht noch klarer aus was schon Bundespräsident Gauck und Außenminister Steinmeier mit "mehr Verantwortung" fordern. Liegt das Fehlen eines breiten Protestes am moralischen Dilemma pazifistischer Politik angesichts des "Islamischen Staats"? Wie sehen friedenspolitische Ideen heute aus? Hebel attestiert zu wenig Mut im Umgang mit der Unübersichtlichkeit der großen Konflikte, ihm fehlen gesellschaftliche Kräfte, die sich dieser Unüber­sichtlichkeit stellen - ohne fertige Antworten, aber deutlich hörbar. Er fragt, wie eine Politik aussieht, die aus der berechtigten Kritik an der jahrelangen konflikt­verschärfenden Zu­sammenarbeit westlicher Staaten mit Diktaturen die richtigen Konsequenzen zöge, die nicht nur ein Verbot von Rüstungsexporten fordert. Statt den politischen Marschbefehlen der politischen Klasse zu folgen, fordert er die Tugend des kritischen Fragens entgegenzustellen, Protest und eine öffentliche Auseinandersetzung um die existentiellen Fragen um Krieg und Frieden - statt das überwiegende Schweigen angesichts der propagierten Kriegslogik. Zum Vormerken: "Der Krieg und meine Ohnmacht" so der Titel des 2. Vortrags am 15. April. Referentin: Constanze Beierlein, Psychologin aus Frankfurt/Main; sie wird beschreiben, wie Information und konkretes Aktiv-werden Kontroll­gewinn angesichts der Verzweiflung ermöglichen. Info: www.agf-trier.de

Dopis SMKČ ambasádě Kuby v ČR

8. 3. 2015 Vážení soudruzi, chtěli bychom pogratulovat k získání Řádu hrdiny republiky Kuba a Vyznamenání Playa Giron, které udělil předseda Státní rady a rady ministrů Kuby generál Raul Castro Ruz, Vašim hrdinům, členům slavné skupiny Miami 5, bojovníkům proti terorismu: Gerardu Hernández Nordelovi, Ramónu Labañino Salazarovi, Antoniu Guerrero Rodríguezovi, Fernandu González Llortovi, Renému González Sehwerertovi. Osud těchto mužů je ukázkou možností života komunisty, vlastence a ukázkou cti jít bojovat do nepřátelské země proti strůjcům teroristických činů namířených proti lidu Kuby. Odkaz této pětice po letech věznění v Miami ve Spojených státech je odkazem boje proti impériu, boje za národní bezpečnost a důkazem vrcholně demokratického smýšlení. Pětice bojovníků roky trpěla ve vězení severoamerického impéria jen proto, že ukázala na teroristické aktivity namířené proti své vlasti. Politický proces s pěticí znovu ukázal pokřivenou podstatu severoamerické „demokracie“ ve státě vlády monopolů, oligarchie a jimi plozeného bezpráví. Obdržení nejvýznamnějších státních vyznamenání, stejně jako odvaha těchto mužů, svědčí o tom, že revoluce, jež zvítězila první den roku 1959, je stále aktuální, že její odkaz nevyčpěl. Stále může dosáhnout nových vítězství v každodenních bitvách lidu i při těchto hrdinských činech při jeho obraně. Zároveň však v tomto dopisu za mladé komunisty sdružené ve Svazu mladých komunistů Československa (SMKČ) apelujeme na ostražitost v otázce sbližování s USA a počínání s domácími zrádci placenými impériem. Naše zkušenost s vysoce negativními důsledky Chruščovovy politiky „mírového soužití“ s imperialistickou velmocí, chyby politiky nezúčastněnosti, které brilantně kriticky vystihl velitel Revoluce Fidel Castro Ruz, důsledky netřídní a odzbrojující politiky „detántu“ a následné Gorbačovovy zrady nás vedou k přesvědčení o nejvyšší možné zdrženlivosti vůči „humanistickým“ návrhům země, jež na Kubu uvalila genocidní blokádu, má na svědomí řadu teroristických činů proti ní, v sousední Venezuele několikrát podněcovala fašistický puč a svět zalila mořem krve. Byla to politika sbližování s nepřítelem, politika popírání třídních vztahů a politika trhu a kapitalizace popírající základní socialistické principy, která zdestruovala náš socialistický dům – Československo. Je to naše zkušenost s neodčinitelnými chybami, které vedly k pádu našeho socialistického systému, k restauraci kapitalismu a vzniku systému založeného na vykořisťování a podřízenosti kapitálu a impériu. Sdělujeme Vám tuto naši zkušenost z důvodu Vašeho poučení z ní. Naše země mají rozdílné podmínky, třídní základ a jeho principy jsou však všude stejné. Byl to právě Váš Fidel, který v pražském Karolinu shrnul aktuálnost naší ideologie, její sílu a pokrokovost vedoucí k vítězství. Přejeme Vaší vlasti, Vašemu lidu, Vaší komunistické straně a komunistické mládeži, aby všechny probíhající změny vedly k blahu lidu Kuby, posílení lidové moci, posílení uvědomění obyvatel a řešení všech sociálních nedostatků zaviněných blokádou. ÚR SMKČ

Rassisten-Karneval in sächsischer NPD-Hochburg

Von PETER THORMEYER Bad Schandau – Immer wieder erzielt die rechtsextreme NPD Spitzenwerte bei den Wahlen in Reinhardtsdorf-Schöna (1549 Einwohner) in der Sächsischen Schweiz. Das spiegelt sich offensichtlich auch im Karneval wieder. Jetzt tauchten in sozialen Netzwerken geschmacklose Fotos auf. Denn beim diesjährigen Faschingsumzug des Reinhardtsdorfer Karnevalsclubs e.V. (RKC) haben die Jecken die Masken fallen gelassen – das hat mit Narrenfreiheit nichts mehr zu tun! Mit geschmacklosen Kostümen und Umzugswägen wurde gegen Ausländer und Asylbewerber gehetzt. Das Faschingsmotto für diese Saison kam dabei gelegen. „Der RKC ist originell, eröffnet sein 5 Sterne-Hotel“, wurde als Parole ausgegeben. So verkleideten sich einige Narren als „Reisefreudige Afrikaner“ oder zogen mit einer „5-Sterne Asyl-Lounge“ durch den Ort in der Sächsischen Schweiz. Bürgermeister Olaf Ehrlich (46, parteilos), der gleichzeitig auch Präsident des Karnevalclubs ist, kann jedoch keinen Rassismus erkennen: „Das ist Gesellschaftskritik und Satire. Die Leute hier haben Probleme und machen so ihrem Ärger Luft. Das ist völlig normal“, so Ehrlich. Das sieht der Verband Sächsischer Carneval e.V. ganz anders. Sachsens Faschings-Chef Günther Bührichen (67, kl. Foto) zu BILD: „So etwas gehört nicht in den Karneval! Rechte Tendenzen haben bei uns keinen Platz.“ Er will den Fall in der nächsten Vorstandssitzung ansprechen. Mögliche Konsequenz: Der RKC könnte aus dem Sachsen-Verband ausgeschlossen werden. Laut Henning Homann (35, Fraktionsvize der SPD im Landtag) darf es beim Karneval schon mal deftiger zugehen: „Tradition ist es, die Reichen und Mächtigen aufs Korn zu nehmen. Das Bild von asylsuchenden Afrikanern, denen es angeblich Spaß macht nach Deutschland flüchten zu müssen, bedient aber nur ausländerfeindliche Vorurteile in der Gesellschaft.“ DAS ICH HIER MAL EINEN ARTIKEL VON BILD DRESDEN POSTEN WÜRDE, HÄTTE ICH AUCH NICHT FÜR MÖGLICH GEHALTEN!

Prohlášení OSČMS k úmrtí soudruha Cleanthise Cleanthouse

13. 3. 2015 OSČMS s hlubokým zármutkem obdrželo zprávu o úmrtí významného odborového předáka soudruha Cleanthise Cleanthouse, který podlehl zákeřné nemoci. Vyjadřujeme hlubokou soustrast jeho životní partnerce, dětem, vnoučatům a ostatním pozůstalým nejen za OSČMS, ale i řadu přátel, které v České republice měl. Zároveň vyjadřujeme i hlubokou soustrast AKEL jíž byl členem, bratské PEO a SOF. Právě jeho vysoké zapojení do SOF, kde v letech 2006 až 2011 vedl Evropské oblastní středisko SOF jej velice sblížilo s naším Odborovým sdružením Čech, Moravy a Slezska,. Vytvořilo se mezi námi hluboké přátelství a bratrské pouto. Vysoce oceňujeme jeho nesmazatelný podíl na opětovném posilování třídně orientovaného odborového hnutí v Evropě a i v České republice. Jeho památka bude proto nesmazatelně vryta do našich mysli i do naší práce a jeho odkaz je pro nás zavazující. S úctou a bratskými pozdravy Stanislav Grospič předseda OSČMS

Prohlášení SMKČ k rehabilitaci Draža Mihailoviče

16. 3. 2015 V tomto prohlášení se chceme vyjádřit ke snaze reakce rehabilitovat monarchofašistického vojenského velitele Dražu Mihailoviče u bělehradského soudu. Jsme si, stejně jako v naší zemi, vědomi, že nové státní útvary a režimy po roce 1989 jsou vybudovány jen pro uchvácení moci buržoazií a pro pokračování v quislingovském odkazu svých předchůdců. Pro své ospravedlnění v bitvě idejí potřebují mít svou „očištěnou“ mytologii – historii zbavenou jakýchkoli náznaků pravdy. Zpráva o rehabilitačním procesu spjatém s osobou velitele fašistických sil četniků nás tak silně nezaskočila. Jsme si vědomi vlny přepisování historie již od kontrarevoluce v roce 1989. Tato událost je jedním z kamínků mozaiky režimů, které očišťují vrahy, zrádce a kolaboranty s nacisty. To vše se děje jen za účelem smytí viny buržoazie a za účelem špinění odkazu odboje a protifašistického odporu, který organizovali komunisté a který se nejzásadnější měrou zasloužil o porážku fašismu v roce 1945. Jsou to však agresivní snahy kapitalistů, agresivní politika imperialismu, která nám dává na vědomí, že fašismus byl sice poražen, ale nebyl doražen. Tento úkol musí vzít spolu s očištěním odkazu mučedníků a hrdinů II. světové války za svůj nová generace komunistů a všech pokrokových a demokraticky smýšlejících lidí světa. Musíme se tedy vyjádřit ke snaze rehabilitovat osobu monarchofašisty Draži Mihailoviče, jako ke snaze o rehabilitaci válečných zločinů a především chceme říct, že nebudeme tolerovat jakoukoli formu přepisování dějin, lživých výkladů historie a hanění lidových vítězství, což není nic jiného než úprava a deformace výkladu historie ve prospěch buržoazie jako oslava jejího „významu“, který se v minulosti uplatňoval jen zločiny, podobně jako nespravedlností celá její moc a vláda. Proto se i my připojujeme k protestu proti rehabilitaci monarchofašistického velitele četniků Draži Mihailoviče. Tato rehabilitace by symbolicky poskytla alibi heroizaci všem zrádcům lidu a národa, všem Quislingům, kteří zrasovali svůj lid a sloužili fašismu a reakci v období II. světové války. Není to jen osoba Draži Mihailoviče, ale i osoby našich domácích kolaborantů a zrádců, které pravice a fašizoidní živly dosazují na piedestal, aby ukázaly, jaké je skutečné směřování buržoazní moci, moci kapitálu – směrem k fašizaci a budoucím zradám. Jakákoli rehabilitace četnického hnutí, stejně jako ustašovců, slovenského klerofašistického režimu, banderovců i českých kolaborantů, je rehabilitací zločinců II. světové války, rehabilitací zrady buržoazie a fašismu vůbec. Říkáme NE lživému výkladu dějin našich zemí, lidstva a historie protifašistického odboje. This entry was posted in Články, Prohlášení a stanoviska.

SMKČ na podporu Venezuely

17. 3. 2015 V souvislosti s posledními událostmi v Bolívarovské republice Venezuela, vydaly organizace Svaz mladých komunistů (SMKČ) a Svaz přátel Latinské Ameriky prohlášení týkající se pokusu o fašistický puč, spoluorganizovaný místní oligarchií a vládou Spojených států (http://www.komsomol.cz/?p=1950), a dále společné prohlášení se srbskými pokrokovými organizacemi podporujícími vládu lidové moci a dělnického prezidenta Venezuely Nicolase Madura (http://www.komsomol.cz/?p=1947). Naše organizace si připomenuly 2. výročí úmrtí prezidenta Cháveze, revoluční ikony moderní Latinské Ameriky. V současné době se chystá prohlášení Výboru solidarity s Venezuelou týkající se odsouzení výroků představitele severoamerického impéria Obamy a zavedení sankcí proti revoluční Venezuele ze strany USA. Za alarmující považujeme přípravy Spojených států na agresi proti Venezuele, za inspirující pak až mobilizační sepětí bratrských států regionu a pokrokových států světa na její podporu. Jako čeští občané a vlastenci rovněž uvádíme, že odmítáme přítomnost vojsk amerického impéria v naší vlasti a její příznivce hodnotíme jako vlastizrádce. Bolívarovská republika je spolu s Kubou, Sýrií a lidově demokratickou Koreou hlavní bojovnicí proti imperialismu a státnímu terorismu USA. Věc míru, nezávislosti a solidarity je v tomto roce 70. výročí vítězství nad fašismem znovu aktuální. Přinášíme zde vyjádření zástupce venezuelského velvyslanectví v České republice: „My, vláda Bolívarovské republiky Venezuela a její lid, odsuzujeme deklaraci Spojených států amerických, neboť ji považujeme za skutečnou hrozbu pro svrchovanost, mír a politickou stabilitu naší vlasti. Vnímáme jako nepřípustné vměšování fakt, že prezident Obama označil Venezuelu a její vládu za „závažnou hrozbu“ pro národní bezpečnost USA. Na hluboké demokratické a společenské změny probíhající ve Venezuele pod vedením této revoluční vlády a v duchu humanistických principů Huga Cháveze Fríase a prezidenta Nicolase Madura odpovídají Spojené státy neustálými útoky. Svými sankcemi Spojené státy evidentně porušují zásady mezinárodního práva. Jedná se o akt násilné agrese, který není jen pohrůžkou, ale představuje nebezpečí ozbrojené intervence proti Venezuele. Toto přehnané opatření hraničící s vměšováním je v protikladu k opakovanému veřejnému uznání, kterého se Venezuele dostává ze strany mezinárodního společenství jakožto mírumilovné zemi respektující lidská práva, mezinárodní dohody, svrchovanost a nezávislost ostatních států. Vyzýváme mezinárodní společenství k odsouzení imperialistických praktik vlády Spojených států amerických a k solidaritě s venezuelským lidem a jeho legitimně zvolenou vládou. Gustavo Alberto Sierra Chargé d´Affaires a.i.”

Berlinale-Film out of Berlinale (Sigurd Schulze)

In allernächster geographischer Nähe zur Berlinale, aber völlig unabhängig vom Festival zeigten die Berliner Philharmoniker im Hermann-Wolff-Saal die Dokumentation »Orchestra of Exiles« von Josh Aronson (USA 2013). Die deutsche Fassung heißt »Orchester im Exil«, doch Helge Grünewald als Macher der Filmreihe meint, richtig wäre: »Orchester der Exilierten«. Es ist die Geschichte der Gründung des Palestine Symphony Orchestra (heute Israel Philharmonic Orchestra), das der weltberühmte Geiger Bronisław Huberman 1936 in Tel Aviv aufgebaut hat. Ihm war klar, daß die Nazis ernst machen würden mit der Vernichtung der Juden, mit der Hitler bereits 1922 gedroht hatte. Huberman, ein politischer Kopf vom Format eines Carl von Ossietzky und eines Kurt Tucholsky, handelte. Er stellte seine Karriere als Virtuose zurück und arbeitete unermüdlich an seinem Projekt. Jüdischen Musikern bot er eine neue Existenz in einem Sinfonieorchester in Palästina. Er organisierte Probespiele in Warschau und Budapest und traf eine strenge Auswahl nach höchsten künstlerischen Ansprüchen. Lange mußte er zum Beispiel um den Hornisten des Orchesters des Jüdischen Kulturbunds, Horst Salomon, werben, bis dieser begriffen hatte, daß er in Deutschland gefährlich lebte. Als Jude wurde er, ein ausgezeichneter Gewichtheber, von der Olympiade ausgeschlossen. Huberman half auch Familienangehörigen seiner Musiker, dem Naziregime zu entkommen. Schließlich konnte Huberman 75 Musiker aus Polen, Deutschland, Österreich und anderen Ländern um sich versammeln und 1936 mit den Proben beginnen. Einen Verbündeten fand er in Arturo Toscanini. Auch er ein Nazigegner. 1933 hatte Toscanini die persönliche Einladung Hitlers abgelehnt, in Bayreuth zu dirigieren. Huberman aber bot er an, das Eröffnungskonzert des neuen Orchesters zu dirigieren, was diesem zu großem internationalem Prestige verhalf. Der Film berichtet von vielen Einzelschicksalen, von den Schwierigkeiten des Aufbaus eines Klangkörpers, der aus Dutzenden Konzertmeistern bestand, die nun die Disziplin einfacher Orchestermusiker lernen mußten. Bei der Grundfinanzierung half Albert Einstein. Ein weiteres Problem: Das Orchester konnte nur bei dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen der britischen Behörden existieren. Das aber lehnte der zionistisch-sozialistische Politiker Ben Gurion ab, weil ihm wichtiger war, Arbeiter und Ingenieure für den Aufbau der Wirtschaft des künftigen Staates anzusiedeln. Fast scheiterte das Projekt, doch Hubermans Hartnäckigkeit setzte sich durch. Hört und liest man Hubermans Briefe, Artikel und Statements, seine klare antinazistische Sprache, wird desto unbegreiflicher, daß sich andere große Künstler nicht vom Nazistaat trennten, zum Beispiel Wilhelm Furtwängler. War es die besondere Gabe der Juden, weise zu sein? Oder glaubte man, als Nichtjude davonzukommen? Das penetrante Einerseits und Andererseits entschied Huberman mit einem Satz: »Furtwängler behauptete, gegen die Nazis zu sein, aber dirigierte bis zum Ende weiter für Hitler.« Den deutschen intellektuellen Nichtnazis warf er vor, für die Naziverbrechen verantwortlich zu sein. Huberman verwarf auch das Engagement jüdischer Künstler im Kulturbund Deutscher Juden als Irrweg. Für ihn war der Kulturbund doch eine Form der Zusammenarbeit mit den Nazis. Seine Prophezeiung, der Kulturbund könne die Juden nicht schützen, trat ein. »Orchestra of Exiles« ist eine Dokumentation, die wie gängige Fernsehdokumentationen Szenen nachspielt. Sie sind jedoch eingebettet in den sachlichen Bericht vom Aufbau des Orchesters. Grundtenor ist Hubermans Kampf gegen den Nazismus. Hier ist nichts weißzuwaschen wie bei Historien von Rommel und Co. Der Film hat alle Eigenschaften, die ihn als Berlinale-Film qualifiziert hätten: Fakten, Spannung, sensationelle Filmdokumente, Neuheitswert und Wahrhaftigkeit. Der größte Vorzug: Er macht keine Kompromisse gegenüber »den Deutschen«. »Die Deutschen sind Tiere geworden«, urteilte Huberman. Bei Aronson werden die Nazis Nazis genannt. Er adelt sie nicht zu »Nationalsozialisten«, wie das in Deutschland bis in das neue deutschland hinein gang und gäbe ist. Merkwürdig ist eine Lücke. In der Berliner Philharmonie lief der Film als Begleitprogramm zur Ausstellung »Violinen der Hoffnung«. Darunter waren Geigen aus der Sammlung des Geigenbauers Aron Weinstein in Tel Aviv, die einst Musikern des Palestine Orchestra gehört hatten. Als den Musikern der Massenmord an den Juden bekannt wurde, verstörte und empörte es sie dermaßen, daß sie keine deutsche Musik mehr spielen, ja nicht mal mehr auf Geigen spielen wollten, die in Deutschland hergestellt waren. Sie verkauften ihre Geigen an Weinstein, der sie aufbewahrte und restaurierte. Davon wird nicht berichtet. Vielleicht eine Platzfrage. Der Film erinnert mich an eine Begebenheit. 1997 zeigte der Verein »Die ersten 100 Jahre Kino in Berlin« zum 91. Geburtstag von Camilla Spira den DEFA-Film »Die Buntkarierten«. Nach der Vorführung meinte Richard von Weizsäcker, dieser Film müsse in allen Schulen gezeigt werden. Auch »Orchester im Exil« ist dafür bestens geeignet. Zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel könnte sich das die Bundeszentrale für Politische Bildung zu eigen machen. In den USA lief der Film in den Kinos und im Fernsehen. Er ist für einen Oscar nominiert. Vor einigen Tagen erhielt er den Preis der deutschen Schallplattenkritik, jedoch hatte er in Deutschland bisher nur »kleine Einsätze«, sagt Wolfgang Schmidt-Dahlberg vom Rekord-Filmvertrieb. Beim deutschen Fernsehen besteht kein Interesse. Ist die Vergangenheit »bewältigt«? Interessenten können bei der Polyband Medien GmbH in München eine DVD erwerben.

Ein Drache namens Mascha (Heinz Kersten)

Was bleibt von der 65. Berlinale? Bei mir zuletzt ein Haufen Papier. Er stammt aus dem Keller des Berlinale-Palastes. Hier warteten Informationen über die gezeigten Filme, Filmzeitschriften, aber auch nützliche Informationen über diverse Kinematografien wie das »Hungarian Film Magazine«, »The Chinese Film Market« oder »The Arab Cinema« auf Interessenten, außerdem Tageszeitungen, von denen die taz, das neue deutschland und der Berliner Kurier immer am längsten auslagen. Auf der Titelseite des Boulevardblattes am 10. Februar die Frage »Wie versaut ist ›Fifty Shades‹?« Was auf die vor dem allgemeinen Kinostart programmierte Berlinale-Premiere der Verfilmung des skandalisierten Bestsellers zielte. Der wiederum Rekordbesuch von 144 Festivalfilmen bewies allerdings größeres Interesse an alternativer Kinokost jenseits von Hollywood. Der unvermeidliche Star-Rummel rund um den roten Teppich gehört trotzdem zur Berlinale, und manch schwacher Film kommt nur deshalb in den Wettbewerb, weil dazu eine Leinwandprominenz verfügbar ist. Jubiläen wie 65 Jahre wecken oft auch Erinnerungen. Bei mir an meinen ersten Berlinale-Bericht, den ich vor 65 Jahren für die erste Ausgabe des SDS-Organs Unser Standpunkt schrieb. Seitdem rühmt sich die Berlinale gegenüber ihren Konkurrenten Cannes und Venedig als »politischstes Festival«. Ein Markenzeichen, das man sich diesmal neben der Filmauswahl hätte verdienen können, indem vielleicht Flüchtlingen freier Eintritt gewährt worden wäre. Das filmische Überangebot zwingt jedesmal zur Konzentration auf eine Sektion. Hier deshalb der Verzicht auf eine Bilanz von Panorama und Forum. Starke Frauen sollten den Wettbewerb dominieren, und eine führte gleich der Eröffnungsfilm vor. 1908 in Grönland will die Frau des Arktisforschers Robert Peary ihren Mann treffen, der eine Route zum Nordpol sucht. Dabei präsentiert sie sich wie aus dem Ei gepellt in modischem Chic, der eher zu ihrer Wohnung in Washington paßt als in die Schnee- und Eiswüsten der Arktis. Damit es ihr darin nicht zu langweilig wird, führt sie auch ein Grammophon mit sich, das den Film der spanischen Regisseurin Isabel Coixet »Nadie Quiere La Noche« gelegentlich mit der Stimme Carusos auflockert. Glaubhafter wirkt Juliette Binoche als Josephine, wenn sie sich vor einem Schneesturm in den Iglu der Inuitfrau Allaka flüchtet, in dem diese auch noch ein Kind zur Welt bringt, dessen Vater Josephines Mann ist. Womit das Grönland-Drama die Berlinale-Tradition schwacher Eröffnungsfilme fortsetzt. Daß die Frauen wenigstens in diesen beiden Fällen nicht die Leinwand erobern konnten, lag auch an starker Konkurrenz. Dazu gehörten zwei Filme aus Chile. Provokativ für die katholische Kirche mußte Pablo Larrains »El Club« wirken. Abgeschoben in einem Haus an der Küste lebt eine Gruppe von Priestern in einer Art Wohngemeinschaft. Es stellt sich heraus, daß sie alle wegen Kindesmißbrauchs mit der Kurie in Konflikt geraten sind. Patrizio Guzmán, ein Klassiker der Kinematografie Lateinamerikas, der nach dem Sturz Allendes zu den Gefangenen im Stadion von Santiago de Chile gehörte, schlägt in seinem poetischen Dokumentarfilm »El botón de nácar« (Der Perlmuttknopf) einen Bogen von der Ausrottung der indianischen Ureinwohner Patagoniens zu den Verbrechen der Pinochet-Diktatur, die Gegner im Meer ertränkte. Von den deutschen Wettbewerbsbeiträgen erinnerte Oliver Hirschbiegels »Elser« verdient, aber allzu schlicht fernsehgerecht an den zu unrecht vergessenen Hitler-Attentäter, während Sebastian Schippers »Victoria« formal ambitionierter mit einer durchgängigen Kamerafahrt (Sturla Brandth Grøvlen) in 140 Minuten die Geschichte einer Berliner Nacht erzählt. Dabei bleibt für mich allerdings die Glaubwürdigkeit auf der Strecke. Eine noch kaum in Berlin heimische junge Spanierin lernt vor einem Club vier Kumpels kennen und wird durch sie in einen Bankraub verwickelt, bei dem sie allein einen kühlen Kopf bewahrt. Enttäuschend leider auch Andreas Dresens Verfilmung von Clemens Meyers Erfolgsroman »Als wir träumten«, ein Buch das sich eigentlich einer Verfilmung entzieht (auch ein so versierter Drehbuchschreiber wie Wolfgang Kohlhaase scheiterte daran) bei dem Versuch, das Porträt einer Jugend zu zeichnen, die in Leipzig nach dem Zusammenbruch der DDR mit der neuen »Freiheit« noch nicht zurechtkommt. Ich erinnere mich immer noch gern daran, daß ich 1992 dem frisch von der Babelsberger Filmhochschule gekommenen Sproß einer Künstlerfamilie, Andreas Dresen, seinen ersten Preis (des Kritikerverbandes) überreichen konnte, für seinen langen Debutfilm »Stilles Land«, für mich damals der überzeugendste »Wendefilm«. Seitdem verfolge ich alle sich stets durch eine sensible Menschengestaltung auszeichnenden Arbeiten des in der DEFA-Tradition stehenden Regisseurs und wurde nie enttäuscht. Dazu wollte nun die laute Atmosphäre des Berlinale-Beitrags mit Neonazi-Glatzen, Verfolgungsjagden und Boxkämpfen so gar nicht passen. Darauf einen »Whisky mit Wodka« – um mit dem Titel eines gelungenen früheren Dresen-Films zu sprechen. Bei der Preisvergabe zum Schluß bestätigte die Berlinale noch einmal ihren Nimbus als politisches Festival. Den Goldenen Bären verlieh die Jury dem iranischen Regisseur Jafar Panahi. Der wurde 2010 in seiner Heimat zu 20 Jahren Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt, drehte aber unerschrocken weiter, und es gelang immer wieder, seine Filme außer Landes zu schmuggeln. War 2013 »Closed Curtain« in seinem Haus am Meer eine eher melancholische Reflexion seiner Situation, so glänzt sein jetzt in Berlin ausgezeichneter Film »Taxi« mit heiterer Ironie. Der Regisseur selbst sitzt am Steuer seines Autos, und bei der Fahrt durch die Straßen Teherans steigen die verschiedensten Fahrgäste ein und gewähren Einblicke in die iranische Gesellschaft. Ein Kabinettstück, wie die kleine Nichte des Regisseurs dem Onkel von einem Schulprojekt erzählt, bei dem die Kinder selbst einen Film drehen sollen, die Lehrerin aber dazu strenge Regeln diktiert. Auf der Bühne des Berlinale-Palasts nimmt das Mädchen für ihren Onkel den Goldenen Bären entgegen, anfangs unter Tränen – eine bewegende Szene. Ende gut, alles gut? Nicht für mich. Ich wollte am Berlinale-Publikumstag noch etwas vom bisher Versäumten nachholen. Dazu fehlte es mir freilich an Eintrittskarten, hatte doch der Ticket-Counter schon endgültig geschlossen. Immerhin konnte ich mich mit meinem Akkreditierten-Badge legitimieren, was den freundlichen Ordnungskräften im Haus der Berliner Festspiele dann auch genügte. Gleiches hoffte ich im Friedrichstadtpalast bei Peter Greenaways Wettbewerbsbeitrag »Eisenstein in Guanajuato«. Der war von Kritikerkollegen zwar nicht gerade freundlich aufgenommen worden, behandelte aber eine wenig bekannte Episode im Leben und Schaffen des Meisters: seinen Aufenthalt in Mexiko, wo er 1931 den Film »Que viva México« drehen wollte. Leider mußte er das Projekt abbrechen, da der Finanzier, der Schriftsteller Sinclair, den Geldhahn zudrehte. Immerhin sind einige Fragmente von den Dreharbeiten übriggeblieben, aber weniger darum geht es bei Greenaway als um die Begegnung des Künstlers mit einem fremden Land und dessen sinnenfroher Kultur. All das wollte ich am letzten Berlinale-Tag nachholen. Für mich als Kenner und Liebhaber aller Eisenstein-Filme jedenfalls ein Muß. Die Hüterin der 3000 Plätze des Friedrichstadtpalastes, eine junge Dame mit dem an Tschechow erinnernden schönen Namen Mascha, zeigte für mein cineastisches Interesse aber keinerlei Verständnis. Den Hinweis auf mein Akkreditierten-Badge ignorierte sie ebenso wie den auf das weit kulantere Verhalten ihrer Kollegen vom Haus der Berliner Festspiele. Ungerührt ließ Mascha auch meine Beschwerde, sie behindere meine journalistische Arbeit. Das Wortgeplänkel gipfelte schließlich in einem Hausverweis, was wiederum mich ungerührt ließ. Allerdings wuchs meine Fassungslosigkeit über soviel Sturheit. Aber wahrscheinlich wollte Mascha an ihrem letzten Abend als Herrin des Friedrichstadtpalastes noch einmal ihre Macht genießen. Inzwischen war wohl auf der Leinwand schon Meister Eisenstein erschienen, während das kleine Drama am Palasteingang seinem Höhepunkt zustrebte. Um ihr Hausrecht durchzusetzen, alarmierte Mascha doch tatsächlich die Polizei. Was mir die Bekanntschaft mit Polizeiwachtmeisterin Nr. 24038153 (oder war das ihre Telefonnummer?) vermittelte. Mit ihr schied ich in Frieden und hatte zuletzt die politische Seite der Berlinale noch auf ganz besondere Weise kennengelernt.

Menschen-Opfer? (Monika Köhler)

Dunkelheit. Ein schriller Ton durchbricht die Stille, schreckt auf. Rauch, aus dem sich eine große schwarze Gestalt herausschält wie ein böser Geist – durch eine Scheibe vom Publikum getrennt. Seine Hände versuchen sich festzukrallen am Glas. Er brüllt Unverständliches. Bässe vibrieren im Bauch. Eine kleine Tänzerin im hochgeschürzten weißen Kleid, besonders winzig neben dem Riesen, windet sich am Boden. Wir stecken in einem bösen Traum. Dann – überraschend: Glockenklang. Und, war es der Große Schwarze, der die Worte artikulierte: »Abraham, Isaak?« Kein dunkler Zauber – Christentum? Opfer, Frühlingsopfer nannte es sich: Menschen-Opfer. Aber was bedeutet der kryptische Titel: »iTMOi« des Stücks, das der britische Choreograph Akram Khan mit seiner Company auf Kampnagel in Hamburg präsentierte? Es ist die Abkürzung von: »In the mind of Igor«, was auch einer Erläuterung bedarf. Im Sinne von Igor? Akram Khan dachte an Strawinsky, an sein Ballett: »Le sacre du printemps«, ein Stück, das schon viele zu Neuinterpretationen reizte. Hier wird auf die Musik Strawinskys verzichtet. Drei zeitgenössische Komponisten schufen die Grundlage für dieses faszinierende Tanz-Theater. Eine Mischung aus westlicher und östlicher Musik, stark rhythmusbetont, aufregend. Ein- oder zweimal scheint ganz kurz ein Motiv aus »Sacre« auf. Der Choreograph kann (oder will) seine indischen Wurzeln nicht verleugnen. Er studierte den klassischen indischen Kathak-Tanz. Der Einfluß des 500 Jahre alten südindischen Kathakali-Tanztheaters ist ebenso zu spüren, die Bemalung der Gesichter, die Gebärdensprache der Hände (Mudras) – ganz anders als zu Strawinskys Lebzeiten das Ballett inszeniert wurde. Obwohl die Musik und die Choreographie Vaslaw Nijinskys 1913 revolutionär waren und einen Skandal hervorriefen. Bilder aus dem heidnischen Rußland, so der Untertitel des »Sacre«. Strawinskys Musik kennt keine Glocken. Nicht wie bei Mussorgskys »Eine Nacht auf dem Kahlen Berge« – dort macht die christliche Glocke dem »Hexensabbat« ein Ende. Inspiriert wurde Mussorgsky durch Berlioz` »Phantastische Sinfonie«. Berlioz 1851: »Die Chinesen und die Inder würden eine der unseren ähnliche Musik haben, wenn sie überhaupt eine besäßen.« Aber, so glaubte er, sie »stecken noch in einer kindlichen Unwissenheit befangen, in der sich kaum vage Ansätze zu einem Gestaltungswillen entdecken lassen.« Die Musik der »Orientalen« sei »Katzenmusik«, meinte Hector Berlioz. Strawinsky und sein Bühnen- und Kostümbildner Nicolai Roerich (der indische und sibirische Studien betrieben hatte) wollten ein Ballett aus der »heidnischen« Vorzeit schaffen, in das auch schamanistische Klänge einfließen sollten. Strawinsky gab später Nijinsky, der als Tänzer ein Star, aber als Choreograph ein Neuling war, die Schuld an dem Aufruhr bei der Uraufführung des »Sacre«. Die Tänzer bewegten sich anders als beim klassischen Ballett: alles nach innen gekehrt, die Füße, die Arme. Das und die groben Bauernkostüme wirkten unelegant auf das mondäne, herausgeputzte Publikum. Dazu die aufwühlende Musik. Das war zu viel. Zurück zu Akram Khan und seiner elfköpfigen Truppe. Hinten aus dem Dunkel erscheint eine Tänzerin in weißem Reifrock, unwirklich wie eine Puppe. Die Brust nur halb bedeckt, das Gesicht weiß bemalt und auf dem Kopf ein Gebilde wie aus Spitze, sehr starr. Sie kommt langsam nach vorn, als hätte sie Rollen. Künstlich. Unnahbar. Ein Automat ohne Gefühlsregungen, so scheint es. Die Gegenfigur zum Großen Schwarzen, der expressiv tanzt. Die Musik, mal wild, mal sanft, sogar japanisch anmutend – eine Flöte, europäisch. Irgendwann streut die Große Weiße ein Zaubermehl über das kleine weiße Mädchen, das vor ihr kniet. Segnung, oder um es zu kennzeichnen als auserwählt, das Opfer zu sein? Ein Tänzer im violetten Rock kommt dazu, gräbt sich in das weiße Pulver. Will er sie retten, für sie leiden, ihr Los auf sich nehmen? Er verschwindet unter dem Reifrock der weißen Dame – wo er verwandelt wird. In die Musik mischt sich immer wieder die Glocke. Eine Warnung oder christliche Verheißung? Das Wesen, das hervorkriecht aus dem Rock wie eine weiße Wand – es ist ein Tiermensch geworden mit Fellbrust, animalisch. Es ist fremd, man kann ihm nicht trauen. Die Tänzer, die um ihn herumstehen, wechseln in einen Stampftanz. Für sie ist er der Andere. Sie beginnen, ihn mit Seilen zu attackieren, die sie über ihn werfen. Es ist wie Folter. Er in der Mitte zwischen einem grausamen Seil-Tanz: geschlagen, geschleift, stranguliert. Alle machen mit. Nicht die weiße Automaten-Frau. Als würde sie die Tänzerinnen hypnotisieren. Sprechgesang. Dann: eine einfache Melodie wiederholt sich. Dann eine Stille, die keine ist, das Geräusch einer Schallplatte, die sich unendlich dreht, keiner greift ein. Noch eine Tier-Figur ist plötzlich da, fast nackt, mit zwei silbrig glänzenden Hörnern – wie Riesenpenisse. Sie bewegt sich am Boden – barfuß wie alle hier. Ein Faun? Dann ein zweiter Reifrock, weniger steif, in schwarz. Ein Tänzer, der sich auch an Tieren orientiert. Er läuft wie ein Affe – seitlich – über die Bühne, schlägt Rad. Das rote Innenleben seines Rockes leuchtet auf. Ein Tanz der Füße in der Luft. Bewundernswert – aber ich verstehe nicht seine Funktion. Das kleine Mädchen, das weiß, daß es Opfer sein soll – es tanzt um sein Leben, vom Licht herausgehoben, wie ausgeschnitten. Sein Tod, vorherbestimmt oder ausgelost – heidnischer Brauch? Abraham und Isaak hatte der Große Schwarze gemurmelt. Ihr Tanz wandelt sich, sie wirkt unmerklich wie befreit, ein Kind, unschuldig, losgelöst von dunkler Zauberei. Wollte Akram Khan das? Befreit durch die Glocke? Am Schluß bewegt sich ein Paar aufeinander zu. Am Boden kommt es sich näher. Das Tier mit den Hörnern, der Faun, ist immer dabei, die Macht, die Menschen zueinander zwingt und neues Leben schafft. Akram Khan hat sich weit entfernt von Strawinskys »Sacre«, dennoch – auch durch die atemberaubende Kunst seiner Truppe – ein wunderbar märchenhaftes Traumgebilde geschaffen, das aus sich selbst heraus wirkt. Ohne daß alles verstanden werden kann und muß.

Politische Wortkunde (4) (Hans Krieger)

Steueroasen: Jene Oasen, welche die Wüstenbildung in ihrer Umgebung in Gang setzen und steuern. Gaukelei: Einstmals Fachbegriff der Geriatrie für verbale Inkontinenz. Sozialdemokratie: Etikett, mit dem Flaschen, in denen nicht drin ist, was drauf steht, als Flaschen gekennzeichnet werden. Austerität: Riskante Abmagerungskur, mit der Ärzte der merkelistischen Schule die Selbstregeneration des Organismus zu stimulieren versuchen. Wird mit Vorliebe unterernährten oder gebrechlichen Patienten verordnet. Tempolimit: Perfider Angriff auf die Existenzgrundlagen der Autoindustrie und das Freiheitsrecht des mobilen Bürgers; nur in Deutschland bisher erfolgreich abgewehrt. Farbenblindheit: Unheilbare Wahrnehmungsstörung; die davon Befallenen halten schwarz für rot und gelb für grün. Demokratie: Das größte Feigenblatt der Welt. EU-Kommission: Hauptversammlung der gärtnernden Böcke. Wertegemeinschaft: Spielcasino mit Schießstand und Bordell. Post: Einstmals öffentliche Dienstleistung für flächendeckende Kommunikation; heute Kapitalgesellschaft, die eine exorbitant hohe Eigenkapitalrendite mit modellhaft effizienter Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und reduziertem Service erwirtschaftet.

Die Aktenpuzzler (Ralph Hartmann)

Der Chef für die Verwaltung der MfS-Akten, Roland Jahn, ist traurig und ungeduldig zugleich. Dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin ist es nach 19jähriger Forschung noch immer nicht gelungen, ein Computerprogramm zu entwickeln, mit dessen Hilfe 1989 zerrissene MfS-Akten automatisch und zügig rekonstruiert werden können (s. Ossietzky 14/2007). Dank einer Förderung aus dem Bundeshaushalt in Höhe von acht Millionen Euro konnten bei der Entwicklung der weltweit einmaligen Technik einige Fortschritte erzielt werden, wozu vor allem die Entwicklung eines elektronischen Puzzlegerätes, eines ePuzzlers, gehört, aber das notwendige Scannen des zusammengepuzzelten Materials geht viel zu langsam. Nun denken die Fraunhofer Puzzler darüber nach, einen hocheffektiven Spezialscanner, eine voll automatische Scan-Straße, zu entwickeln. Für das anspruchsvolle Unternehmen wurden aus der Staatsschatulle weitere zwei Millionen Euro bereitgestellt, aber es zieht sich in die Länge. Wann das bahnbrechende Werk vollendet sein wird, ist noch nicht abzusehen. Angesichts der mißlichen Lage müssen in Zirndorf bei Nürnberg, wohin die 16.250 Säcke mit rund 600 Millionen Schnipseln verfrachtet wurden, die Puzzlespezialisten die zerrissenen Akten weiter per Hand sortieren und zusammenfügen. Aber auch das kommt äußerst langsam voran. Akten-Chef Jahn meint gar, daß mit den bisherigen Kapazitäten die Rekonstruktion noch mehrere hundert Jahre dauern würde, und faßt seine verständliche Unruhe mit den Worten zusammen: »Ich bin ungeduldig angesichts dieser Zeitprognose.« Aber wo liegt der Ausweg aus der vertrackten Lage? Er ist schnell zu finden: Man macht, auf gut Sächsisch gesagt, die Bude dicht; auf Hochdeutsch: Man schließt das Amt des Stasiaktenbundesbeauftragten! Beiläufig sei eingestanden, daß dieses Verlangen gar nicht so originell ist. Bereits 2009 hatte der der DDR-Zuneigung wahrlich unverdächtige Arnold Vaatz, seinerzeit stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, eine baldige Schließung der Behörde, verbunden mit der Übergabe aller Akten an das Bundesarchiv, verlangt. Es ist an sich schon extravagant, 25 Jahre nach dem Untergang der DDR weiter eine Mammutbehörde zu finanzieren, die alte und uralte Geheimdienstakten sichtet und verwaltet. Geradezu skurril ist es aber, zerfetzte Altakten per Hand oder irgendwann einmal mit hochmoderner Puzzletechnik wieder herzustellen. Der MfS-Unterlagenchef meint zwar, daß monatlich noch immer rund 5.000 Anträge auf Akteneinsicht gestellt würden, aber nach wie vor gibt er wie seine Vorgänger Joachim Gauck und Marianne Birthler keine Auskunft darüber, wie viele Antragsteller tatsächlich fündig werden. Die Schließung der Behörde könnte relativ leicht vonstatten gehen, da es nun eine 14köpfige Kommission gibt, die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Wolfgang Böhmer, geleitet wird und Vorschläge zur Zukunft des Gauck-Birthler-Jahn-Amtes erarbeiten soll. Aber wie das Aktenpuzzeln und die Entwicklung der Fraunhofer Scan-Straße werden sich auch die Kommissionsberatungen in die Länge ziehen, denn das Gremium debattiert darüber, was mit der Aufarbeitungseinrichtung erst nach 2019 geschehen soll. Eine alsbaldige Schließung würde nicht nur eine paradoxe Veranstaltung beenden, in der ein Staat außerordentlich aktive Geheimdienste unterhält und nicht einmal Bundestagsabgeordneten Einblick in die über sie geführten Schnüfflerakten gewährt, jedoch aufwendig die geheimdienstlichen Unterlagen einer vor zweieinhalb Jahrzehnten untergegangenen Republik verwaltet und sie zu »Forschungszwecken« für Gott und alle Welt öffnet; sie würde auch dazu beitragen, klamme Finanzkassen aufzufüllen. Immerhin sind für das Amt des Bundesbeauftragten im laufenden Jahr laut dem Bundeshaushaltsgesetz 108,96 Millionen Euro vorgesehen, die an anderen Stellen dringend benötigt werden. So könnten sie zum Beispiel für den Abbau des Sanierungsstaus in der Bundeshauptstadt eingesetzt werden, deren katastrophale marode Infrastruktur allgemein bekannt ist. Nicht nur die heruntergekommenen Straßen, auch Berliner Schulen, die meist in einem desaströsen Zustand sind, könnten davon profitieren. Lehrer, Eltern, Schüler beklagen immer wieder undichte Dächer, kaputte Fenster, bröckelnden Putz, schimmelnde Wände, verdreckte sanitäre Anlagen. Allein im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg, wo in der ehemaligen MfS-Zentrale die Akten gelagert werden und kürzlich die wunderbare Dauerausstellung »Staatssicherheit in der SED-Diktatur« eröffnet wurde, besteht in den Schulen ein dringender Sanierungsbedarf in Höhe von 90 Millionen Euro. Das ist noch nicht einmal die volle Summe, die die Akten-Behörde pro Jahr frißt. Und auch für den Behördenchef Jahn würde sich angesichts seiner Verdienste gewiß eine neue Arbeitsstelle finden, beträgt sein Jahreseinkommen doch lediglich 0,12 Prozent der Ausgaben der von ihm geleiteten Einrichtung. Aber es gäbe freilich auch noch andere nützliche Verwendungen für die eingesparten Millionen. So würde sich das Bundesamt für Verfassungsschutz, dem jährlich nur 230,78 Millionen Euro zur Verfügung stehen, über den Zufluß der Gelder gewiß freuen, könnte es dann doch noch intensiver seiner geheimdienstlichen Arbeit nachgehen, viel- und sorgfältiger beobachten, mehr V-Leute anheuern, um unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat noch wehrhafter zu schützen. Und sollte das Bundesamt eines Tages aufgelöst werden, dann müssen Akten nicht im Reißwolf oder per Hand zerrissen werden. Es genügt, die elektronischen Datenträger mit den vielen Giga- und Terabytes an Informationen zuverlässig zu schreddern, und kein ePuzzler der Welt könnte sie wiederherstellen.

Mit der Bahn bei Torgau über die Elbe (Wolfgang Helfritsch)

Fahren Sie auch lieber mit der Bahn als mit dem Auto? Ich ja, und vor allem deshalb, weil ich dabei in aller Ruhe mehrere Tageszeitungen überfliegen kann. Zugegeben, das ist eine altmodische Informationsart, aber ich mag sie. Neulich, am 7. Februar und auf der Fahrt von Cottbus nach Leipzig, habe ich mich in mehreren Blättern mit Sorge und zugleich mit zaghafter Hoffnung über das Treffen Merkel-Hollande-Putin in Moskau informiert. Bei der Suche stieß ich in der jungen Welt auf die Nachricht, daß in Jalta auf der Krim zum 70. Jahrestag des berühmten zweiten Gipfeltreffens der Anti-Hitler-Koalition ein Skulpturen-Ensemble unter dem Titel »Die großen Drei« enthüllt worden war. In anderen Zeitungen habe ich darüber nichts erfahren. Das Foto zeigte die Staatschefs Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion im nachdenklichen Gespräch über die Zukunft Europas und der Welt. In einem Grußschreiben zu dem Ereignis mahnte Rußlands Präsident Putin, »maximal die positiven Erfahrungen zu nutzen, die die Alliierten während des II. Weltkrieges sammelten«. Mir fiel dann ein, daß die Koalition nach dem Sieg über den Faschismus im Potsdamer Schloß »Cecilienhof« gemeinsam das »Potsdamer Abkommen« unterzeichnet hatte. Als ich noch darüber nachgrübelte, inwieweit und warum und von wem die Beschlüsse realisiert oder nicht realisiert worden waren, überquerte der Zug bei Torgau die Elbe und gab den Blick auf den Fluß frei. Dort hatten sich US-amerikanische Truppen am 25. April 1945 mit Verbänden der Roten Armee vereinigt. Später wurde durch eine Wiederbegegnung von Kriegsveteranen beider Seiten an gleicher Stelle nochmals an das historische Zusammentreffen an der Elbe erinnert. Und am 25. April 2010 wurde anläßlich des 65. Jahrestages im alten Krienitzer Gasthof ein »Museum der Begegnung« eingeweiht, das dem Schwur des Amerikaners Jan Polowsky an der Elbe die besondere Aufmerksamkeit widmet. Vielleicht sollte das hoffentlich nächste Treffen der Repräsentanten der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition und der Konfliktparteien an dieser historischen Stätte in der Nähe des daran erinnernden Denkmals oder im ehemaligen Gasthofsaal stattfinden. Die – wenn auch zögerliche – Realisierung der in Minsk vereinbarten Waffenruhe, der Gefangenenaustausch und der offensichtliche Beginn des Abzugs schwerer Waffen sollten trotz widersprüchlicher Gedenkreden am dritten Februar-Wochenende dazu ermutigen, einen solchen ungewöhnlichen Schritt zu tun. Und man sollte öfters mal mit der Bahn fahren, solange es noch Strecken gibt ...

»Frieden« mit der Ukraine (Jörg Wollenberg)

Mit dem Diktatfrieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) zwischen den Mittelmächten und Sowjetrußland wurde das »Mitteleuropa-Projekt« der »Kriegszielpartei« der Obersten Heeresleitung (OHL) um Ludendorff und Hindenburg Wirklichkeit. Die Vertreter der Industrie und des Handelskapitals gehörten ab 1914 mit dem AEG-Chef und späteren Außenminister Walter Rathenau zu den Propagandisten des Projektes: Aus riesigen Gebieten Rußlands entstand damals eine Pufferzone, die von Finnland und den baltischen Staaten über die Ukraine, die Krim bis jenseits des Kaukasus zur türkischen Grenze reichte. Und das Bündnis zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich ermöglichte mit Hilfe der Berlin-Bagdad-Bahn die Eroberung der Erdölfelder im Nahen Osten. Alles wurde von deutschen Truppen kontrolliert und besetzt bis zum Frieden von Versailles am 28. Juni 1919. Ein Eroberungsfeldzug, der Hitlers »Fernziel, ein deutsches Ostimperium auf den Trümmern der Sowjetunion aufzubauen«, schon 1917/18 hatte Realität werden lassen. Bereits am 9. Februar 1918 hatten das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn einen Friedensvertrag mit den Separatisten der Ukrainischen Volksrepublik geschlossen, die zuvor ihre Unabhängigkeit von Rußland erklärt hatten. So entstand aus der Zerfallsmasse des Zarenreichs die »Kornkammer Europas«. Mit dem sogenannten Brotfrieden endete der Erste Weltkrieg in Osteuropa. So hoffte die OHL, die Versorgung mit Nahrungsmitteln für die hungernde deutsche Bevölkerung zu sichern und die Frühjahrsoffensive an der Westfront im März 1918 einleiten zu können. Schon damals mit überraschenden Ergebnissen. So nahm zum Beispiel Alfred Faust, der an die Ostfront eingezogene Bremer Propagandachef von Ludwig Roselius (Kaffee HAG), als USPD-Mitglied am Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte vom 16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin teil – als Abgeordneter der Ostfront, Wahlbezirks-Heeresgruppe Kiew/Ukraine. Faust berichtete dort über »wilde Truppen« und chaotische Zustände der deutschen Heeresgruppe Kiew (Protokoll 31.1.1919, S. 205). Er wurde unter anderem begleitet von dem im August 1916 in russische Gefangenschaft geratenen Ernst Reuter, dem späteren Berliner Oberbürgermeister. Reuter hatte es als damaliger Anhänger der Bolschewiki bis zum Kommissar der autonomen Wolgadeutschen Republik gebracht. Er nahm am Gründungskongreß der KPD Ende Dezember 1918 in Berlin teil und blieb als Wortführer der »Linken« bis zum Parteiausschluß im Januar 1922 KPD-Generalsekretär – unter seinem Parteinamen Ernst Friesland. Das Handelskapital der Hansestädte auf Raubzügen im Osten Der als »historische Stunde« gefeierte Gewaltfrieden von Brest-Litowsk sicherte für kurze Zeit den Beginn einer deutschen Vorherrschaft in Osteuropa. Diese Zeit nutzte die Hanseatische Kaufmannschaft zur Gründung einer »Gesellschaft für internationale Unternehmungen«, um den deutschen Außenhandel auszudehnen und wichtige Teile der baltischen Provinzen Rußlands auszubeuten. Die Beteiligung des führenden Hamburger Bankiers Max Warburg und des Ruhrindustriellen Hugo Stinnes sicherte die Kreditbeschaffung ab. Noch im März 1918 gelang es ihnen, mit dem Bukarester Vertrag eine Neuordnung der rumänischen Erdölwirtschaft unter Einschluß der galizischen Ölfelder abzuschließen. Bereits im Dezember 1917 hatten sie eine neue Mineralöl-Handels- und Beteiligungsgesellschaft gegründet, der sich auch Albert Ballin von der Hapag für den Verein der Hamburger Reeder angeschlossen hatte. Die Raubzüge der Hanseatischen Kaufmannschaft sollten mit ihrem Drang gen Osten im Zweiten Weltkrieg einen neuen Höhepunkt erreichen. Sie profitierten ab 1941/42 von den Morden und Raubzügen in den besetzten Gebieten im Osten. Abgesichert durch die Wehrmacht und die SS-Einsatzgruppen und geschützt von den hanseatischen Polizeibataillonen und den deutschen Polizeidienststellen vor Ort gründeten die Handelshäuser ihre Niederlassungen vor allem in der Ukraine und auf der Krim, aber auch in Reval/Tallinn und Riga. Karl Schneider hat diesen Akt der Beteiligung der »Pfeffersäcke« an Kriegsverbrechen in seiner 2011 veröffentlichten Dissertation über die »Bremer Polizeibataillone und der Holocaust« dargestellt. Und die von Karl-Heinz Roth vorgelegte Studie über »Reemtsma auf der Krim« (2011) liefert weitere bedrückende Belegstücke am Beispiel der Tabakhandelsfirmen unter der Ägide der Martin Brinkmann AG und des Reemtsma-Konzerns. Beide hatten sich im Frühjahr 1942 zu einer Tabakbau- und Handelsgesellschaft zusammengeschlossen, um in der Ukraine und im Nordkaukasus ein Syndikat der Tabakproduktion zu gründen. Mit Hilfe der skandalösen Ausbeutung von Zwangsarbeitern gelang ihnen ein riesiger Profit. Sie übernahmen in der zuständigen staatlichen Zentralen Handelsgesellschaft Ost für landwirtschaftlichen Absatz und Bedarf GmbH (ZO) mit 230 deutschen Einsatzfirmen und 1500 deutschen Verwaltern in den Hauptgeschäftsstellen der Ukraine und Kaukasiens eine Vorreiterrolle beim Einsatz von rund 5500 deutschen Kadern (Sonderführern) und etwa 520.000 zur Zwangsarbeit verurteilten einheimischen Arbeitskräften. Die Kaufleute halfen dabei, die sowjetische Landwirtschaft auszuplündern, Wehrmacht und Okkupationsbehörden mit Agrarerzeugnissen zu beliefern und den Weitertransport von geraubten Waren ins Reich durchzuführen. Der »Erfolg« beruhte auch auf der polizeilich-militärischen Kollaboration und den von den SS-Sonderkommandos befehligten »Selbstschutz«-Kompanien in der Ukraine, unterstützt dabei von einheimische Verwaltungskadern, die sich nach den jeweiligen lokalen ethnischen Strukturen in der Regel aus Russen, Ukrainern und anderen Minderheiten (außer Juden) zusammensetzten. Schweigepakt bis heute Das Ausschweigen über die rigorosen Ausplünderungspraktiken und das Wissen von Mordaktionen gehört bis heute zu den kollektiven Verdrängungsmechanismen. Nach wie vor bleibt es eine ungelöste Aufgabe, Funktion und Rolle der deutschen Einsatzfirmen der Zentralen Handelsgesellschaft Ost aufzuarbeiten, die mehr als eine halbe Million Arbeitskräfte aus der Sowjetunion schamlos ausbeuteten, ohne daß bislang für eine Wiedergutmachung der Überlebenden gesorgt wurde. Ganz zu schweigen von jenen Firmen, die nach den Luftangriffen Teile der Produktion in die besetzen Länder oder in die Nähe von Konzentrationslagern umsiedelten. Die Bremer Focke-Wulf-Flugzeugbau GmbH mit dem Großaktionär Roselius errichtete beispielsweise ein großes Werk in der Nähe vom KZ Stutthof bei Danzig und ließ dort Motoren bauen. Die Weser-Flugzeugbau GmbH errichtete im Sudentenland bei Böhmisch Kamnitz einen Zweigbetrieb, in dem 650 Häftlinge Stollen für den Flugzeugbau in das Gebirge treiben mußten. Und die Firmenleitung forderte außerdem den Bau eines Barackenlagers als Außenstelle des KZ Flossenbürg. Bleibt noch anzumerken: Den »auswärts eingesetzten« NS-Tätern gelang nach 1945 in der Regel die konfliktlose Rückkehr in die Zivilgesellschaft. So wurde zum Beispiel Karl Schulz, Adjutant von Arthur Nebe, Leiter der Einsatzgruppe B, 1946 als Polizeimajor in eine Planstelle beim Stab des Chefs der Polizei in Schleswig-Holstein eingewiesen. 1952 kehrte er als Kriminaldirektor nach Bremen zurück. Und Erwin Schulz, der ehemalige Bremer Gestapo-Chef und in Nürnberg als Massenmörder zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilte Leiter eines Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD, konnte 1954 auf Bitten des Bremer Senats die Haftanstalt Landsberg vorzeitig verlassen und als verurteilter Kriegsverbrecher seine Dienstbezüge mit einem Übergangsgeld bis zu seiner Pensionierung beziehen. Zwei von zahlreichen Beispielen als Folge des in den norddeutschen Hansestädten herrschenden Schweigepaktes über die NS-Zeit zwischen Kaufmannschaft und sozialdemokratischer Arbeiterbewegung. Ein Schweigepakt, der wirkungsvoll bis heute fortbesteht.

Der Untergang des Morgenlandes (Hermann Wollner)

Seit dem Zusammenprall der Perser mit den Griechen einerseits und den Indern andererseits erlangte die antike Welt eine solche Ausdehnung und gleichzeitig einen solchen geistigen Zusammenhang, daß sie die himmels-geographischen Richtungen von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zur Bezeichnung ihrer kulturellen Verschiedenheit nutzte. Alle Landstriche, in denen man Persisch, Aramäisch oder Ägyptisch (Koptisch) sprach, gehörten zum Morgenland, und alle Territorien, in denen man Griechisch sprach, gehörten zum Abendland. Bis weit nach dem Untergang des (West-)Römischen Reiches bestand kein Grund, diese Himmelsrichtungs-Benennungen mit anderen als folkloristischen Unterschieden (Sprache, Tracht, Namen der Götter) in Verbindung zu bringen. Ob Römer, Griechen, Syrer oder Perser – alle lebten von Ackerbau und Viehzucht und betrieben vielfältige Gewerbe mit Geschick. Architektonische Relikte gelten uns auch heute noch als Beweise des (gleich) hohen kulturellen Standes dieser Völker. Ehe auch nur ein abendländisches Schiff sich etwa bis Thule wagte, hatten die Phönizier schon Afrika umrundet und die Perser Handelskolonien auf Sansibar und an der ostindischen Küste. Die Kunst der Bewässerung beherrschten babylonische und ägyptische Ingenieure bereits, als die Abendländer noch gar kein Wort für »Ingenieur« besaßen. Im siebten Jahrhundert übernahmen Araber, unausgesetzt »Allah!« rufend, die Herrschaft im Morgenland und erweiterten es kräftig über Nordafrika bis Spanien und Sizilien. Die einwohnenden Ägypter, Syrer, Perser übernahmen die Sprache als Verkehrsmittel, aber behielten selbstverständlich ihre kulturellen und technischen Werte und Güter in der nun morgenländisch-islamischen Welt. Ihr Pech war, daß sie sich mit dem ererbten Wissen begnügten; zu wenig Neugier entwickelten. Auf einem Gebiet nach dem anderen gerieten die Morgenländer wortwörtlich ins Hintertreffen. Die Franken lernten das Damaszieren der Schwerter, die Spanier lernten den Anbau medischen Klees (Luzerne) und persischer Äpfel (Pfirsiche), und die Italiener bauten 300rudrige Schiffe, mit denen im elften Jahrhundert Heerscharen fränkischer Ritter ins syrische Morgenland gerudert wurden. Syrische Christen stellten die Fußtruppen für die abendländischen Ritter im Kampf gegen islamische Emire. Das hatten die Muslime nicht vergessen, als sie Antiochia und Edessa zurückeroberten. Während im Abendland ab dem zehnten Jahrhundert unzählige Klöster und immer neue Universitäten Erfahrung und Wissen akkumulierten, gab es im ganzen Morgenland nur eine Handvoll derartiger Einrichtungen. Dort wurde immer noch mit Federkielen auf Pergament und Papyrus geschrieben, als man im Abendland schon auf leicht herstellbarem Papier und im Druckverfahren Bücher aller Wissensgebiete europaweit verbreitete. Die Schmiede des Morgenlandes brachten es im Bearbeiten von Silber und Gold zu großer Meisterschaft, aber die massenhafte Herstellung von Eisen und Schiffen war westliches Know-how. Dicht- und Erzählkunst, Musik und »Damast«-Seidenweberei auf hohem Niveau waren kein Ersatz für geometrisch kalkulierte Gebäude, Mauern, Maschinen und Meeresfahrzeuge. Die Araber hatten den Abendländern ihre arabischen Ziffern und das methodische Rechnen (»nach al-Gorithmus«) gemäß ihrem großen Mathematiker al-Ḫawārizmī (813–864) beigebracht – und machten selbst zu wenig Gebrauch davon. Während im Abendland von Laien erkannt wurde: »Zeit ist Geld«, zitierten die Morgenländer, gemütlich Pfeife rauchend: »Allah hat die Zeit erschaffen; von Eile hat er nichts gesagt.« Das Wissen abendländischer Mediziner wurde alsbald in lateinisch gedruckten Büchern über ganz Westeuropa verbreitet – Ärzte vermochten so »Gott zu spielen« – im Morgenland blieb es dabei: »Es ist Allahs Wille, ob ein Mensch gesund wird oder stirbt.« In gelehrten Zeiten, die zu allem und jedem einen »Ismus« bilden wollten, nannte man diese Weltanschauung Fatalismus (Schicksalsergebenheit). Irgendwann schlägt Quantität in Qualität um. Reisefreudige (englische) Abendländer, deren Glaube Geschäftstüchtigkeit hieß, bewogen beispielsweise den persischen Padischah im 18. Jahrhundert dazu, ihnen das Monopol auf den Tabakaufkauf zu übertragen, während das Erscheinen muslimischer Händler auf einer europäischen Messe eine Ausnahme blieb. Die Abendländer bauten im 19. Jahrhundert zwischen Port Said und Suez einen Kanal, aus dem sie blankes Gold schöpfen konnten, während die einheimischen Karawanen zusätzlich einen Fährzoll zu entrichten hatten. Im 20. Jahrhundert gab es im Morgenland keine Baustelle ohne abendländische Technik, keine Straße ohne Autos aus abendländischer Produktion. Das »islamische« Manufakturwesen hatte gegen die »christliche« Industrie verloren. Und nun wissen Sie, welches Land wirklich »untergegangen« ist.

NATO weggetreten! (II) (Jürgen Rose)

Die Folgen der Macht-, Ausplünderungs- und Gewaltpolitik westlicher Provenienz unter Rädelsführerschaft der USA für die betroffenen Länder rund um den Globus brachte der Literaturnobelpreisträger Harold Pinter in seiner – von den Konzernmedien weitgehend totgeschwiegenen – Preisrede vom 7. Dezember 2005 glasklar auf den Punkt: »In diesen Ländern hat es Hunderttausende von Toten gegeben. Hat es sie wirklich gegeben? Und sind sie wirklich alle der US-Außenpolitik zuzuschreiben? Die Antwort lautet ja, es hat sie gegeben, und sie sind der amerikanischen Außenpolitik zuzuschreiben. Aber davon weiß man natürlich nichts. Es ist nie passiert. Nichts ist jemals passiert. Sogar als es passierte, passierte es nicht. Es spielte keine Rolle. Es interessierte niemand. Die Verbrechen der Vereinigten Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben wirklich darüber gesprochen. Das muß man Amerika lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, und sich dabei als Streiter für das universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt. Ich behaupte, die Vereinigten Staaten ziehen die größte Show der Welt ab, ganz ohne Zweifel. Brutal, gleichgültig, verächtlich und skrupellos, aber auch ausgesprochen clever.« (www.nobelprize.org, Übersetzung: Michael Walter) Drängen sich an dieser Stelle erste Zweifel an einer vorgeblich den Atlantik überspannenden Interessengemeinschaft auf, so verdichten sie sich angesichts der Analyse, die der einflußreiche Geostratege und Politikberater Zbigniew Brzezinski, einst Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter, heute in Diensten von Barack Obama, liefert. Die NATO binde »die produktivsten und einflußreichsten Staaten Europas an Amerika« und verleihe »den Vereinigten Staaten selbst in innereuropäischen Angelegenheiten eine wichtige Stimme«. Europa bilde einen unverzichtbaren geopolitischen Brückenkopf der USA auf dem europäischen Kontinent. Da die verbündeten europäischen Nationen immer noch stark auf den Sicherheitsschild der USA angewiesen seien, erweitere sich »mit jeder Ausdehnung des europäischen Geltungsbereichs automatisch auch die direkte Einflußsphäre der Vereinigten Staaten. Umgekehrt wäre ohne diese engen transatlantischen Bindungen Amerikas Vormachtstellung in Eurasien schnell dahin. Seine Kontrolle über den Atlantischen Ozean und die Fähigkeit, Einfluß und Macht tiefer in den eurasischen Raum hinein geltend zu machen, wären dann äußerst begrenzt.« Es sei eine Tatsache, »daß Westeuropa und zunehmend auch Mitteleuropa weitgehend ein amerikanisches Protektorat bleiben, dessen alliierte Staaten an Vasallen und Tributpflichtige von einst erinnern«. Bediene man sich einer Terminologie brutalerer Zeitalter, »so lauten die drei großen Imperative imperialer Geostrategie: Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu schützen und dafür zu sorgen, daß die ›Barbaren‹völker sich nicht zusammenschließen«. (Zbigniew Brzeziński: »Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft.« Frankfurt am Main 2014, Übersetzung: Angelika Beck) Ganz als Fleisch vom Fleische Brzezinskis erweist sich der Gründer des US-Thinktanks Stratfor und äußerst einflußreiche sicherheitspolitische Lobbyist George Friedman, der in seiner Analyse zur Ukraine-Krise, die im April 2014 unter dem Titel »U.S. Defense Policy in the Wake of the Ukrainian Affair« (US-Verteidigungspolitik im Gefolge der Ukraine-Krise) erschien, verlauten läßt: »Die nationale Strategie der USA muß auf der Seeherrschaft gründen. Die Ozeane schützen die Vereinigten Staaten vor allem, außer vor Terrorismus und Atomraketen. Die größte Herausforderung für die US-amerikanische Seeherrschaft bilden feindliche Flotten. Die beste Gegenmaßnahme ist die Verhinderung des feindlichen Flottenbaus. Und die bewirkt man am besten durch die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Kräfte in Eurasien. Hierfür wiederum ist es ideal, für anhaltende Spannungen innerhalb Eurasiens zu sorgen, so daß dort die Ressourcen statt für den Flottenbau zur Verteidigung gegen Bedrohungen von Land her eingesetzt werden. In Anbetracht der inhärenten Spannungen in Eurasien brauchen die Vereinigten Staaten meistens gar nichts zu tun. Manchmal müssen sie einer oder beiden Seiten militärische oder wirtschaftliche Hilfe schicken, in anderen Fällen lediglich Ratschläge erteilen ... Damit diese von den Briten ererbte Strategie aufgeht, benötigen die Vereinigten Staaten eine effektive und zielführende Bündnisstruktur. Die Strategie des Gleichgewichts der Kräfte geht davon aus, daß es zentrale Bündnispartner gibt, die ein Interesse daran haben, sich mit den Vereinigten Staaten in Reih und Glied gegen regionale Gegner zu stellen.« (www.stratfor.com, Übersetzung: J. R.) Mit dieser hundertprozentig zutreffenden Analyse knüpft Friedman unmittelbar an zentrale Grundsätze US-amerikanischen geostrategischen Denkens an, erinnert sei Halford Mackinders »Heartland Theory« und Alfred Thayer Mahans »Influence of Sea Power Upon History«. Angesichts der für alle sichtbaren geostrategischen Interessenlage des Imperium Americanum ist es unfaßbar, daß es hierzulande und auch bei unseren europäischen Nachbarn immer noch ganze Geschwader (geo)politischer Blindgänger gibt, die an der Überzeugung festhalten, bei der jeweils amtierenden US-Administration handele es sich um Freunde der Europäer, die ganz und gar uneigennützig, aus altruistischen und philanthropischen Motiven heraus zum Wohle Europas Weltpolitik betrieben. Derartigen Illusionen hängt Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, dem nun wahrhaftig nicht der Ruf vorauseilt, ein Antiamerikaner zu sein, nicht an. Auf dem diesjährigen Podium der Münchner (Un-)Sicherheitskonferenz kanzelte er Moderator und Zeit-Herausgeber Josef Joffe, auf dessen Frage nach der Zukunft der NATO mit der knochentrockenen Bemerkung ab: »Mir ist das ziemlich gleichgültig, ob sie in zehn Jahren noch existiert.« Bereits gut ein Jahrzehnt zuvor hatte er zur US-amerikanischen Geostrategie angemerkt, er sei überzeugt, »daß wir Europäer uns nicht zu Instrumenten amerikanischer hegemonialer Macht machen lassen dürfen. Die Europäer müssen versuchen, im Sinne ihrer Sicht und ihrer Interessen Einfluß zu nehmen. Solange aber die supermächtigen USA darauf beharren sollten, unilateral, das heißt allein zu entscheiden und unilateral militärisch zu handeln, so müssen wir das in gelassener Würde ertragen.« (Zeit online, 2.4.2003) Und ein Jahr später sah er sich in einem Zeit-Interview gar veranlaßt, »die gegenwärtige imperialistische Einstellung der USA« zu monieren. Nimmt man die Anmerkungen des Elder Statesman Schmidt und die aufgezeigten Fakten ernst, so ergibt sich der zwingende Schluß, daß es im existentiellen Interesse Europas liegt, eine tragfähige sicherheitspolitische Alternative gegen die US-amerikanische Form von Amok-Politik zu entwickeln. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob das »Alte Europa«, wie US-Kriegsminister Donald Rumsfeld vor dem Irak-Desaster selbstgerecht höhnte, angesichts der hegemonialen Attitüden der militärischen »Hypermacht« USA unter einer globalen »Pax Americana« zu leben gewillt ist. Für eine Europäische Union, die sich vom Vasallenstatus gegenüber der atlantischen Hegemonialmacht befreien will, folgt daraus, daß der Königsweg zur Unabhängigkeit mitnichten darin bestehen kann, nun ihrerseits Status und Potenz einer globalen Militärmacht anzustreben, sondern darin, klugen Gebrauch von Diplomatie und wirtschaftlicher Stärke im Rahmen einer eigenen fundierten Strategie zu machen. Der Autor war Oberstleutnant der Bundeswehr und ist Mitglied im Vorstand des »Darmstädter Signals«, des Forums für kritische StaatsbürgerInnen in Uniform.

Transatlantische Netzwerke (Wolfgang Bittner)

Über die Unterwanderung von Politik und Medien durch transatlantische Netzwerke ist bereits einiges veröffentlicht worden. So hat der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger über die Verbindungen deutscher Alphajournalisten zu außen- und sicherheitspolitisch aktiven Eliten geforscht und seine beängstigenden Ergebnisse 2013 in dem Buch »Meinungsmacht« veröffentlicht. Und der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser (»Nato-Geheimarmeen in Europa«) hat über seine Recherchen und Erfahrungen hinsichtlich der Aktivitäten der NATO und ihrer Netzwerke berichtet. Er kam zu dem Schluß, daß in den westlichen Medien aufgrund der Vernetzung leitender Redakteure nichts Kritisches über die NATO berichtet wird. Jetzt sind in dem Buch »Die Macher hinter den Kulissen« des Politologen Hermann Ploppa weitere brisante Informationen über den Einfluß der US-Regierung und ihrer Netzwerke auf die Politik der westeuropäischen Staaten zu finden. Der Autor beweist anhand zahlreicher Beispiele, daß die Synchronisierung bundesdeutscher Eliten zu den Interessen der US-Eliten das Ergebnis einer beharrlichen, generationsübergreifenden Netzwerkarbeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist. Das habe fundamentale Auswirkungen, schreibt Ploppa. Heute stehe der parlamentarisch-demokratischen Regierungsform in Zentraleuropa (Government) die »elitäre indirekte Machtausübung durch diskrete Netzwerke« (Governance) in den angloamerikanisch geprägten Ländern gegenüber. Transatlantizismus und Neoliberalismus sind allerding nicht notwendigerweise deckungsgleich – so der Autor. Nach seiner Meinung haben die transatlantischen Netzwerke über einige Jahrzehnte eine eher keynesianische Wirtschaftspolitik gefördert (die Nachfrage regelt Produktion und Beschäftigung), seit den 1980er Jahren jedoch mehrheitlich marktradikale Strategien durchgesetzt. Inzwischen sei der Neoliberalismus von dem menschenverachtenden Marktradikalismus abgelöst worden und die fortwährende Benutzung des Begriffs »Neoliberalismus« zur Bezeichnung der gegenwärtigen marktradikalen Bestrebungen insofern irreführend. Nach Ploppa unterscheidet sich die Wirtschaftsordnung in den kontinentaleuropäischen Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz und auch in den skandinavischen Ländern grundlegend von den angloamerikanischen Gesellschaftsformen. Während dort die allermeisten öffentlichen Bereiche privatwirtschaftlich oder über philanthropische Stiftungen organisiert seien, was erhebliche Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringe, herrsche hier eine Dreiteilung, nämlich in »öffentlich-rechtlich-staatlich, genossenschaftlich und privatwirtschaftlich-profit-orientiert«. Dieser dreiteiligen Organisation liege die Erkenntnis zugrunde, daß das Profitprinzip in den Bereichen öffentlich-rechtlicher Versorgung und Infrastruktur naturgemäß kontraproduktiv sei. Ploppa schreibt, mit dem Fall der Mauer 1989 sei auch gesellschaftlich ein Dammbruch erfolgt. Die »feindliche Übernahme« und Privatisierung des DDR-Vermögens habe eine neue Kaste der Privatisierungsgewinner hervorgebracht, die mit den jetzt verfügbaren Mitteln und Möglichkeiten auch die Privatisierung der gesamten Bundesrepublik Deutschland betreibe. Dies geschehe mit der »geballten Macht des transatlantischen Netzwerkes« in Politik, Verbänden und Medien. Es werde – so der Autor – eine systematische Umwandlung Deutschlands von Government zu Governance und zur Privatisierung betrieben, und diese Umwandlung sei ein Teilaspekt der Anbindung Europas an die Interessen der Oligarchie der USA. Die Europäische Einigung sei nicht aus einer Basisbewegung entstanden, sondern aus einem »von den USA initiierten Top-Down-Projekt, zunächst zur geopolitischen Einhegung gegenüber der Sowjetunion, dann zur marktradikalen Umwandlung«. Der Autor prognostiziert, nun werde durch TTIP Europa als Ganzes dasselbe passieren wie seinerzeit der DDR bei der Übernahme durch die BRD: Europa werde zur »enthaupteten verlängerten Werkbank der USA«. Dafür spreche auch die Tatsache, daß zeitgleich mit TTIP ein transpazifisches Freihandelsabkommen geschlossen werde, das sich ebenfalls um die USA zentriert. Er ist aber dennoch der optimistischen Auffassung, Deutschland habe noch so viel Substanz, daß ein Gegenentwurf auf den »ererbten Strukturen der Dreiteilung« aufbauen, und diese mit modernen Alternativen verbinden könne. Hermann Ploppa liefert viele wertvolle Informationen, er nimmt Stellung und klärt auf. Seine Thesen überzeugen. Allerdings passen die hoffnungsvollen Schlußbetrachtungen nicht so ganz zu den bisweilen deprimierenden Befunden im Hauptteil des Buches. Hermann Ploppa: »Die Macher hinter den Kulissen«, Nomen Verlag, 200 Seiten, 14,90 €