Donnerstag, 26. November 2015

Redebeitrag beim freiraumkonvoi in München

Beim freiraumkonvoi am 31.10.2015 in München wurde ein Redebeitrag zum Breite-Straße-Prozess gehalten und anschließend ein Lied dazu abgespielt. Wir freuen uns sehr über diese Bezugnahme und auch darüber, dass wir den Text zur Verfügung gestellt bekommen haben. Informiert uns gerne über weitere Soliaktionen und Bezugnahmen in anderen Städten.

Hier Flyer, Redebeitrag und Lied vom freiraumkonvoi:
Redebeitrag zum Prozess um die Besetzung Breite Straße 114 in Hamburg auf dem Freiraumkonvoi in München am 31.10.2015
In Hamburg beginnt demnächst der zweite Anlauf eines Prozesses gegen sechs Beschuldigte einer Hausbesetzung.
Im August 2014 fanden in Hamburg die „Squatting Days“ statt. Viele Menschen kamen in die Stadt um über die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, um über die Verdrängung von Menschen mit geringem oder ohne Einkommen an den Stadtrand und über Leerstand von Häusern zu diskutieren. Es wurde über Ideen von gemeinschaftlichem Zusammenleben nachgedacht, es wurde gemeinsam gekocht und gefeiert und es wurden Aktionen überall in der Stadt organisiert, um auf Leerstand hinzuweisen.
Während der Squatting Days wurde auch das leerstehende Haus in der Breite Straße 114 besetzt. Es liegt nicht sehr weit von den Hafenstraßen-Häusern entfernt, die in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts besetzt wurden.
Zwar sind Hausbesetzungen in Hamburg inzwischen auch nicht mehr etwas Alltägliches. Im Gegensatz zu den aber gelegentlich immer noch stattfindenden Besetzungen entschied die Hamburger Polizeiführung in der Breite Straße, sofort und ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme mit den Besetzer*innen anzugreifen. Dieser Versuch das Haus mit Gewalt zu räumen wurde mit Widerstand beantwortet.
Nach der Erstürmung durch schwerbewaffnete Polizist*innen wurden außerhalb des Hauses fünf Personen festgenommen. Während der Anhörung der Beschuldigten durch eine Haftrichterin fanden zeitgleich Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten statt. Die Anwält*innen hatten also die Wahl, entweder bei den Mandant*innen den Haftprüfungstermin wahrzunehmen, oder sie dort alleine zu lassen, um bei der Hausdurchsuchung zugegen zu sein. Schöner Rechtsstaat. Der Tatvorwurf: Versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, schwerer Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Gegen zwei Beschuldigte wurde Untersuchungshaft verhängt. Drei Monate später wurde nach Observationen und Telefonüberwachung im Umfeld der Beschuldigten eine sechste Person festgenommen und ebenfalls in Untersuchungshaft genommen. Eine siebte Person soll im Zuge der Ermittlungen zur Abgabe ihrer DNA gezwungen werden.
Unter dem Vorwand von polizeilichen Ermittlungen soll damit vor allem der Eindruck geschaffen werden, dass wir es bei Hausbesetzungen sehr schnell mit einer terroristischen Bedrohung zu tun haben.
Seit Ende August diesen Jahres läuft nun der Prozess gegen die sechs Beschuldigten. Ein selbstherrlicher Richter präsidiert im Hamburger Staatsschutzsaal, Prozessbesucher*innen müssen ihre Personalien abgeben, langwierige Einlasskontrollen über sich ergehen lassen, um dann hinter einer Panzerglassscheibe im Verhandlungsraum zu sitzen. Mittlerweile ist der erste Prozessanlauf geplatzt, in einigen Tagen beginnt wahrscheinlich das Verfahren neu.
Der Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum wächst in Hamburg seit Jahren. Städtischer Sozialwohnungsbau hat jahrelang überhaupt nicht stattgefunden. Stattdessen wurden und werden Mietshäuser in Luxusquartiere für Reiche umgewandelt. Dafür steht auch das Haus in der Breite Straße exemplarisch. Der Besitzer hat das Haus entmietet und dann jahrelang leerstehen lassen. Um eine Abrissgenehmigung zu bekommen, ließ er im Winter Dachluken offen stehen, damit das Haus schneller verrottet. Der Architekt, der vom Vermieter für die Planung des Neubaus angeheuert wurde, saß als Abgeordneter der Grünen im Bauausschuss des Stadtbezirks, als dort beschlossen wurde, dass eine Denkmalschutzwürdigkeit des Hauses nicht gegeben sei. Seit dem Frühjahr 2015 ist nun die Abrissgenehmigung da und der Weg für den Neubau von Luxuswohnungen frei.
Die sechs Beschuldigten stehen vordergründig für Widerstandshandlungen gegen die polizeiliche Räumung vor Gericht. Juristisch geschützt werden soll mit ihrer Verurteilung aber vor allem das Recht auf Privatbesitz und das Recht auf persönliche Bereicherung durch die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum. Was kriminell ist, bestimmen eben diejenigen, die die Gesetze machen.
Interessanterweise hat vor kurzem der Hamburger Senat beschlossen, leerstehenden Wohnraum auch zwangsenteignen zu können um ihn wohnungslosen Menschen zur Verfügung zu stellen. Hintergrund dieses Beschlusses ist, dass mehrere Tausend Geflüchtete in Hamburg in Zelten und provisorischen Notunterkünften leben und der Winter vor der Tür steht. Dieser Senats-Beschluss ist aber leider reine Symbolik. Er hat keine Konsequenzen für Immobilienbesitzer, denn es passiert nichts. Bisher ist noch kein einziges leerstehendes Haus enteignet worden. Das Haus in der Breite Straße steht bis heute leer, enteignet wird es nicht. Der Besitzer, der das Haus gezielt entmietet und unbewohnbar gemacht hat, bekommt seine Abrissgenehmigung. Dafür stehen aber jetzt Menschen vor Gericht, denen die Besetzung im letzten Jahr vorgeworfen wird.
Wir sind solidarisch mit denjenigen, die sich gegen Entmietung, Leerstand und Umwandlung von Wohnraum in Luxusquartiere und Renditeobjekte wehren und fordern die Einstellung des Verfahrens!
Wohnen ist ein Grundrecht, das jedem Menschen garantiert werden muss. Absurd ist das Recht, durch Spekulation mit leerstehenden oder bewohnten Häusern Profit zu machen, während tausende Menschen auf der Suche nach einem Dach überm Kopf sind.
Wir haben viele Ideen, was aus leerstehendem Wohnraum gemacht werden kann. Wir haben viel bessere Ideen, wie Wohnraum sinnvoll genutzt und selbst gestaltet werden kann, als korrupte Kommunalpolitiker*innen, feiste Luxusquartier-Architekt*innen und renditefixierte Eigentümer*innen.
Wohnen ist Grundrecht!
Leerstand zu Freiräumen!
Miethaie zu Fischstäbchen!

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