Montag, 29. Juni 2015

Vertreibungen

Von Ulrich aus Nikaragua Grundsätzlich bin ich gegen jede Vertreibung. Wie ist das nun also mit jenen Deutschen, die vor dem zweiten Weltkrieg in Ostpreuβen, Schlesien, im Banat etc. lebten und das danach nicht mehr tun konnten? Grundsätzlich als Kommunist gehe ich davon aus, dass die führenden Genossen der kommunistschen Parteien sich was dabei gedacht haben. Ich bin sicher, dass sie, genau wie ich auch, grundsätzlich gegen jede Verteibung waren, als sie bestimmte Entscheidungen diesbezüglich durchführten. Wenn es also ums Denken geht, muss man ganz genau den Finger auf jeden Posten legen und fragen: Wie kommt der da hin? (Unser geliebter Brecht) Posten Nr. 1: Nichts dabei gedacht haben sich offenbar überwiegende und flächendeckende Teile dieser Deutschen im Osten als sie frenetisch die Völkermordpolitik des heimischen Reiches aktiv oder aklamierend bis sehnsüchtig unterstützten. Und das taten sie! Das ist ein schwer zu schluckender, aber harter Fakt. Laut Wikipedia haben ein erheblicher Teil der banater Schwaben in der SS gedient oder sonst wie diesem unsäglichen deutschen Völkermordregime Beifall gezollt. (Einige Hundert haben sich aber auch den Partisanen angeschlossen und die wurden nicht „vertrieben” oder enteignet.) Es ist manchmal ein geistiger Kraftakt, sich in dieses die Phantasie übersteigende Leiden der Millionen in den Gaskammern verröchelnden und die Verzweiflung der sonst irgendwie ihres Lebensrechts und ihrer Lebensaussicht beraubten vorzustellen. Eines ist aber völlig klar: die Opfer konnten hinterher nur eins sagen: NIE WIEDER! Nur das konnten sie sagen – und konsquent durchführen. Den noch immer fruchtbaren Schoβ aus dem das kroch, musste man sich, soweit wie es geht, vom Hals halten. Und dieser Schoβ hat – in diesem Fall – ein deutsches Gesicht und auch das Gekrochene – da ist nichts zu machen. Und wer sich bei Rassismus und Völkermord nichts denkt, kann hinterher keine Toleranz erwarten, als ob er es nicht gewesen wäre. Das ist doch die tumb-taube Dreistheit des deutschen Michels, der – geistig faul und impotent – nur seinen eigenen Bauchnabel beschaut und für den die „Anderen” auf eine so gleichgültige und so unempfindliche Art einfach nicht gelten, dass einem das Frösteln kommt. Die „Anderen” muβ er dann feststellen: Die Völker des Ostens, zum Beispiel -, fanden das Alles nicht so lustig, wie er. Sie hatten die Dreistheit auch leben zu wollen. Wenn mir – als „Untermensch” – dieses „Untermenschenschicksal” passiert wäre, wäre es mir ganz sicher auch tausendmal scheiβegal, ober der da vorher gelebt hat oder nicht – nur weg damit. NIE WIEDER! Aber ganz, ganz sicher. Das ist die einzigstmögliche logische Reaktion. Das hat auβer mit Gerechtigkeit vor Allem etwas mit Selbstschutz zu tun. Denen das weh tat, trugen auch die Verantwortung. Nein? Posten Nr.2: Das fing ja nicht mit dieser „Vertreibung” an. Da war ja vorher schon was passiert und zwar gar nicht niedlich: Nämlich die völkermordende Vertreibung der Ostvölker durch deutschtümelnde Nazis – mit der angekündigten Aussicht, daβ sie als „lebensunwertes Leben” nur Ciclon B erwartet – im besten Fall, ein tierhaftes Sklavendasein. In ihr enteignetes Eigentum zogen nun die „deutschen Herrenmenschen” ein. Der Teil des Films wird immer ausgeblendet. Als die Rote Armee Hitler das Genick brach, wurde der Spieβ umgedreht. Und jetzt war plötzlich Schluβ mit lustig. Jetzt gings andersrum.Und vergleichsweise ging es ja dann den ehemaligen „Herrenmenschen” dann nicht so schlecht – trotz „Vertreibung”. Sie konnten ja frei leben und ziemlich gut – daheim im Reich, das jetzt eine Bundesrepublik war. Das Leben der „Anderen” – hingegen – war nämlich zu Asche geworden – im Krematorium nach der Gaskammer. In den fünfziger Jahren wurden dann sowieso die meisten Bestimmungen gegen sogenannte Volksdeutsche aufgehoben. Die Lage normalisierte sich. Gemessen an den Fakten ist das reichlich groβzügig und ausgesprochen humanistisch Da wurde sicher enteignet. Aber für wen? Für die geschundenen Völker! Wer wurde enteignet? Die Schinder und ihre Mitläufer! Posten Nr. 3: Wer wurde nun wirklich vertrieben? Zunächst war es das tausendjährige Reich, das die Ostkolonisatoren zu tausenden heimholte. Dann, als die rote Panzerfaust der Sovietvölker unter Führung Stalins „ante portas” war, trieb das Nazi-Deutschland Hunderttausende – oder verbrachte sie – mit einer völlig verantwortungslosen Greuelpropaganda nach Westen. Sicher war es auch das schlechte Gewissen um das, was sie getan oder gelassen hatten, und herrenmenschliche Abscheu vor den „mordenden Horden asiatischer Untermenschen”. Allemal aber war es ihr höchsteigenes und persönliches Gespinst, das sie trieb. Bei diesem verantwortungslosen und fliehenden, und völlig unnötigen Massenwahnsinn kamen abertausende ums Leben. Dafür kann nun kein „abscheulicher Kommunist” rein gar nichts. Aber sie – die „Vertiebenen” tun so, als ob. Sie waren keine Täter. Und jetzt hat dieser Alptraum von geistiger Struktur auch noch einen Nobelpreis bekommen. Oh, Deutschland, arme Mutter! (Verteibt mich doch bitte auch ein biβchen – nach rechts! – Das lohnt sich so.) (Hier im sandinistischen Nikaragua war es auch ein Bombengeschäft als politischer Flüchtling zu gelten, auch wenn dich nicht mal Deine Schwiegermutter verfolgte. Das wurde richtig gut bezahlt von den entsprechenden Organisationen. Viele haben das mehrmals wiederholt, einschlieβlich Repatriierung) Wer also noch übrig blieb, als diese Gebiete im Osten befreit wurden, das waren nicht mehr soviele. Meine Stiefmutter – ganz sicher des Kommunismus unverdächtig – ist auch Donauschwäbin. Das heiβt, sie lebte auf der serbischen Seite in Apatin. Sie verbrachte nach der Befreiung Jugoslawiens ein paar Jahre in einem sovietischen Arbeitslager. Sie hat sich zum Teil dabei die Zehen abgefroren. Das Ganze war kein Honigschlecken. Laut ihrer eigenen Schilderung, war das so zwangsweise nicht. Sie hätte sich dem durchaus entziehen können. Man forderte sie auf, als Deutsche beim Wiederaufbau der zerstörten Sowjetunion zu helfen. Es war dann so hart, wie sie es sich nicht vorgestellt hatte, wobei sie gleichzeitig einräumt, daβ das sowjetische Volk in dem zertrümmerten Land auch nicht besser lebte als sie im Lager. Die Menschen dort waren sehr solidarisch mit den Lagerinsassen und teilten häufig mit ihnen, was sie hatten. Die Lage verbesserte sich dann langsam. Allmáhlich gab es dann z.B. Kino oder wo man sonst ausgehen konnte. Das hat sie immer wieder erzählt. Sie hat den Rest ihres Lebens eine Rente aus der Sowjetunion bezogen als Entschädigung für die körperlichen Folgeschäden. Ich bin grundsätzlich gegen Verteibungen. Dabei ist es nun schlechterdings unmöglich „Vertriebene” des groβdeutschen Typs vor ihrer eigenen völkerfeindlichen Parteilichkeit zu schützen. Ich als Deutscher – und das bin ich allemal – schlage denen das eine Wort um die hoffärtige Fresse, dieses eine Wort, das sie ihr ganzes Leben lang nicht hören und wahr haben wollten: Verantwortung. Sie sind nämlich noch sehr glimpflich davongekommen. ULRICH AUS NIKARAGUA

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