Donnerstag, 28. Mai 2015

[Chiapas98] Zapatistischer Lehrer Galeano (Maestro Zapatista Galeano)

2. Mai 2015. Compañeros und Compañeras der zapatistischen nationalen Befreiungsarmee: Compañeroas, Compañeras, Compañeros der Sexta: Menschen, die uns besuchen: Ich wurde beauftragt, zum Compañero und zapatistischen Lehrer Galeano zu sprechen. Zu ihm sprechen, damit er im Wort lebt. Über ihn zu euch sprechen, damit ihr dann vielleicht unsere Wut versteht. Und wir sagen » maestro zapatista Galeano = zapatistischer Lehrer Galeano«, denn das war der Posten oder die Position oder die Arbeit, die der Compañero innehatte, als er ermordet wurde. Für uns Zapatistinnen und Zapatisten ist der Compañero Maestro Galeano eine Verkörperung einer kompletten anonymen Generation von Zapatist¨*innen. Anonym gegen außen, aber tragender Vorkämpfer bei der Erhebung und dann im Lauf dieser mehr als 20 Jahre der Rebellion und des Widerstands. Jene Generation, die als Jugendliche in den sogenannten sozialen Organisationen mitwirkten und dort die Korruption und Verlogenheit kennenlernten, die ihre Anführer auszeichneten, sie haben sich dann im Untergrund vorbereitet, sie haben die Waffen gegen die Regierung ergriffen, sie haben an unserer Seite Verrat und Verfolgung widerstanden und sie haben den Widerstand der Generation, die heute die Posten in den indigenen Gemeinden bekleiden, geleitet. Der Tod, gewalttätig, absurd, unbarmherzig, grausam, ungerecht hat ihn auf dem Posten des Lehrers erreicht. Ein wenig später und er hätte ihn als autonome Autorität erreicht. Ein wenig früher und er hätte ihn als Berater erreicht. Und davor hätte der Tod den Milizionär ermordet. Viele Monde früher wäre der Tote ein Jugendlicher gewesen, der das Nötige und genügend über das System wusste und der so wie viele andere auch, noch nach der richtigen Form suchte, um es herauszufordern. Vor einem Jahr hat ein Journalistentrio der bezahlten Medien, Lakaien der Regierung des Arier Velasco und seines verfaulten Hofstaates, eine Lüge um seine Ermordung verbreitet. Wer die erbärmlichen Fotos der angeblichen geschlagenen und vorsichtig verbundenen Mörder machte, erhielt als Preis eine Reise nach New York, um mit anderen Freibeuter-Fotos Urlaub zu machen. Jene die ohne Skrupel die Scheisse der Regierung schluckten und sie auf der Titelseite veröffentlichten, haben jetzt ihr Echo bei denen, die die Nachrichten retuschieren und seinen Mord als das Ergebnis eines Zusammenstoßes darstellen. Jene, die in komplizenhaftes Schweigen verfielen, weil es ihnen finanziellen Vorteil bringt oder aus politischem Kalkül, machen uns weiterhin vor, dass sie Journalismus betreiben und nicht eine schlecht verborgene Werbung. Erst vor wenigen Tagen haben wir in der bezahlten Presse gelesen, dass die ´heldenhafte´, ´selbstlose´, ´professionelle´ und ´makellose´ Polizei der Stadt Mexiko einen ´Zusammenstoß´ hatte, so nannten sie es, und zwar mit einer Gruppe von Blinden. Die bösen Blinden stürmten mit ihren ´Waffen´, ihren Blindenstöcken auf die armen Polizisten los, die nichts anderes machten als ihren Dienst erfüllen und so mussten sie mit Knüppelschlägen antworten, mit dem Schild vor der Brust, damit sie sehen, diese Sehlosen, dass das Gesetz Gesetz ist für die von unten, für oben existiert es aber nicht. Und ebenso ist es nicht lange her, dass − unter dem Deckmantel der je nach Jahreszeit auftretenden Spekulationen die nicht nur das Journalistengremium ergreifen sondern auch die Social Media, wenn das Sprechen über etwas nur dazu dient, zu verbergen, dass man nichts Wichtiges zu sagen oder zu informieren hat − eine Journalistin, der man nachsagt, dass sie ´professionell´ und ´objektiv´ sei, über den Tod des Kampfbruders und Regensammlers Eduardo Galeano geschrieben hat. Und sie hat es geschafft, eine falsche Beziehung zwischen dem Schriftsteller Galeano und Galeano dem Maestro, Milizionär und Zapatist herzustellen. Beim Schreiben über den zapatistischen Compañero Galeano hat diese bezahlte Journalistin darauf bestanden, dass er bei einem Zusammenstoß ums Leben gekommen sei und hat sich dabei auf die Fotos ihrer Touristenkollegin in New York berufen. Dass es sich um eine Journalistin handelte hebe ich nicht aus Misogynie hervor sondern wegen folgendem: in den Kommunikationsmedien ist es schon allgemein üblich, so üblich, dass es oft nicht einmal eine Notiz wert ist, dass die Ermordung von Frauen auch kaschiert wird, denn man sagt es sind ´Verstorbene´ und nicht ´Ermordete´. Nehmen wir irgendeinen Fall, irgendein Heim oder eine Straße, irgendeine Geographie, irgendeinen Kalender: da gibt es eine Diskussion, einen Streit, oder oft nicht einmal das. Nur weil es so sein muss, weil er befiehlt, der Mann greift die Frau an, die Frau verteidigt sich und schafft es, den Mann zu kratzen, der Mann ermordet sie, mit Schlägen, oder mit Stichen oder mit Verachtung. Der Mann wird behandelt, die Wunden werden verarztet und verbunden. Darüber würde die ´professionelle und objektive´ Journalistin folgende Notiz schreiben: ´eine Frau starb bei einem Zusammenstoß mit ihrem Partner, der Mann ist auf Grund des Kampfes verletzt. Wir zeigen Fotos des armen verletzten Mannes, nachdem er im Krankenhaus versorgt wurde. Die Familie der angreifenden Frau hat nicht erlaubt, von ihrem Körper Fotos zu machen´. Ende der Notiz und die Bezahlung abholen. So sehen die journalistischen Notizen heutzutage aus: Blinde, mit Stöcken bewaffnet greifen Polizisten an, die mit Schildern, Schlagstöcken und Tränengas agieren. Frauen, die mit ihren Fingernägeln bewaffnet sind, greifen Männer an, die Messer, Knüppel, Pistolen und Penes haben. Das sind die ´Zusammenstöße´, über die man in den bezahlten Medien hört, wobei sich einige als freie Medien verkleiden, wie die, die sich hier auf diese Weise eingeschrieben haben. Sie dachten, wir würden sie nicht kennen und wir würden sie nicht zulassen, wenn sie sich als bezahlte Medien eingeschreiben würden. Aber wir kennen sie, und sie sind hier, um über dieses Event zu berichten. Der zapatistische Compañero Maestro Galeano starb nicht bei einem Zusammenstoß. Er wurde gekidnappt, gefoltert, ausgeblutet, geprügelt, mit der Machete erstochen, ermordet und nochmals gemordet. Seine Angreifer hatten Feuerwaffen, er nicht. Seine Angreifer waren mehrere, Männer und Frauen, er war allein. Die ´professionelle und objektive ´ Journalistin wird Fotos verlangen und eine Obduktion, und sie wird weder das eine noch das andere erhalten. Denn wenn sie sich selbst nicht achtet und auch nicht ihre Arbeit und daher das schreibt was sie schreibt ohne dass jemand das hinterfragt und außerdem dafür auch kassiert, dann achten wir Zapatistinnen und Zapatisten im Gegensatz dazu unsere Toten sehr wohl. Vor mehr als zwanzig Jahren wurden in der Schlacht von Ocosingo, die 4 Tage dauerte, zapatistische Kämpfer von der Armee exekutiert, nachdem sie im Kampf verwundet worden waren. Die Waffen der Zapatisten wurden gegen Waffen aus Holz ausgetauscht. Die Presse wurde gerufen um das erhaltene Honorar abzuarbeiten und sie durften unter Aufsicht der Armee ihre Fotos machen. So ist das Märchen entstanden, welches bis zum Erbrechen wiederholt wurde und bis in unsere Tage anhält, welches besagt, dass die Truppen der EZLN mit Waffen aus Holz der schlechten Regierung gegenüber traten. Aber klar, das kleine Problem dabei ist, dass jemand Fotos machte, als die gefallenen Zapatist*innen nichts an ihrer Seite liegen hatten. Und dann hat der diese Fotos denen gegenübergestellt, die in der offiziellen Presse erschienen sind. Viel Geld wurde bezahlt damit die Fotos, die die Wahrheit abbildeten, nicht verbreitet wurden. Nun, in der modernen Zeit der Wirtschaftskrise der bezahlten Kommunikationsmedien wurde eine Kunst, die journalistische Fotografie, in eine schlecht bezahlte Ware verwandelt, die oft nicht mehr als Übelkeit verursacht. Ich werde nicht alle dem Compañero Galeano zugefügten Verletzungen einzeln anführen, noch werde ich Fotos seines geschunden Körpers zeigen. Ich werde den erzählerischen Zynismus nicht wiedergeben, mit dem seine Mörder das Verbrechen schilderten, so als ob sie eine Heldentat erzählen würden. Die Zeit wird kommen. Die Geständnisse der Henker werden bekannt werden. Alle Details der Folter werden bekannt werden, das Fest, das sie mit jedem Blutstropfen veranstalteten, der Rausch des grausamen Mordens, die anschließende Euphorie, der moralische und alkoholische Kater der darauffolgenden Tage, die Schuld, die sie verfolgt, die Gerechtigkeit, die sie einholt. Der Compañero maestro zapatista Galeano wird den zapatistischen Comunidades immer in Erinnerung bleiben, ohne Radau, ohne Lärm, ohne Titelseiten. Sein Leben und nicht sein Tod wird unserem Kampf viele Generationen lang Freude bedeuten. Hunderte von Kindern, Tojolabales, Tzeltales, Tzotziles, Choles, Zoques, Mames und Mestizen werden seinen Namen tragen. Und es wird auch die Mädchen geben, die »Galeana« heißen werden. Die drei Mitglieder des dekadenten Medienadels, die zum Krieg aufgerufen haben, indem sie eine Lüge verbreiteten, die voller Feigheit geschwiegen haben und die ´professionelle und objektive´ Journalistin werden weiterhin Mittelmaß sein, mittelmäßig werden sie leben, mittelmäßig werden sie sterben und die Geschichte wird weiter ihren Lauf nehmen und niemand wird sie vermissen. Und nur um endlich mit dummen Vermutungen Schluss zu machen: der Compañero Maestro Zapatista Galeano hat seinen Namen nicht vom nie müde werdenden Sammler der Worte von unten, Eduardo Galeano, übernommen. Diese Verbindung haben die Medien erfunden. Wenn es auch sonderbar erscheinen mag, der Compañero hat seinen Kampfnamen vom Aufständischen Hermengildo Galeana übernommen, der war aus Tecpan, dem heutigen Bundesland Guerrero, er war seinerzeit der Stellvertreter eines der großen Anführer im Kampf um die Unabhängigkeit José María Morelos y Pavón. Hermenegildo Galeana gehörte zu den aufständischen Truppen, als sie am 2. Mai 1812 die Belagerung der Stadt Cuautla durch das königliche Heer durchbrachen, und auf diesem Feldzug bezwangen sie auch die Truppen des General Félix María Calleja. Der aufständische Widerstand schrieb damals eine brillante Seite in der Militärgeschichte. In den zapatistischen Dörfern ist es üblich, dass sowohl Männer als auch Frauen den Artikel auf ihre spezielle Art und Weise verwenden. So ist zum Beispiel ´die´ Landkarte, ´der´ Landkarte. Was der Compañero getan hat war, den Nachnamen Galeana zu ´vermännlichen´ und so entstand Galeano. Das geschah viele Jahre bevor wir an die Öffentlichkeit traten. -*- Viel mehr werde ich nicht über den Compañero Maestro Zapatista Galeano sagen. Seine Familienangehörigen und Compañeros und Compañeras, die uns heute mit ihrer Anwesenheit beehren werden es besser sagen können, ebenso wie das auch der Subcomandante Insurgente Moisés tun wird. Ich kann nur sagen, dass mir seine Abwesenheit noch immer sehr weh tut. Ich kann mir die Grausamkeit und Wut, mit der sie ihn angriffen noch immer nicht erklären, sie wollten ihn mit Waffen und mit journalistischen Berichten ermorden. Ich kann das komplizenhafte Schweigen und das Desinteresse jener, die von ihm aufgehoben wurden und von ihm großzügige Hilfe erhalten haben noch immer nicht verstehen, und dann haben sie seinem Tod die kalte Schulter gezeigt, nachdem sie sein Leben gebraucht haben. Daher glaube ich, nachdem wir sein Leben erheben, dass es besser wäre, dass der Compañero Galeano zu euch sprechen würde. Die folgenden Fragmente, die ich lesen werde, stammen aus dem Tagebuch des Compañero Galeano. Das Tagebuch, mit diesen und anderen Aufzeichnungen wurde von den Familienangehörigen des Compañero, der uns heute so sehr fehlt der Generalkommandatur der EZLN übergeben. Offensichtlich hat er im Jahr 2005 zu schreiben begonnen und die letzten Aufzeichnungen sind vom Jahr 2012. Es geht los: ¨Für alle die diese brillante Geschichte lesen werden und damit meine Kinder und meine Compañeros nicht eines Tages sagen müssen, dass sie nur Schall und Rauch war. Schreibe ich üeber meine Taten und mein Fortschreiten im Kampf, aber ich bin auch kritisch, denn so werden sie meine Fehler kennenlernen, damit sie diese nicht wiederholen. Aber das heisst nicht, dass ich nicht ein Compañero bin. Gut, ich werde damit beginnen, wie mein Leben in jungen Jahren und im früheren zivilen Leben war. Als ich 15 Jahre alt war, nahm ich immer an den Arbeiten und Aktionen einer Organisation namens »Unión de Ejidos de la Selva« teil. Ich wusste auch, dass ich ein Ausgebeuteter war, denn die Wucht der Armut, die auf meine verbrannten Schultern lastete genügte, um zu verstehen, dass die Ausbeutung noch immer fortbestand und dass eines Tages jemand kommen werde um uns zu erheben und uns den Weg zu zeigen, um uns zu leiten. Gut, wie ich euch zu Beginn sagte, nahm ich an einer Reise teil, die (unlesbare Ziffer) Indigene unternahmen, um Gedanken über produktive Arbeiten auszutauschen. Das war der Name des Programmes, welches sie machten, so sagten es uns unsere Berater dieser obgenannten Union, in der wir aktiv waren. Gut, ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt. Als erstes habe ich gemerkt, wie sie versuchten, uns zu belügen, diese verdammten Berater Juárez und Jaime Valencia und alle anderen. Wir fuhren nach Oaxaca, an einen Ort, wo auch indigene Compañeros wie wir leben und die auch einer Organisation angehörten mit dem Namen X, welche von einem Priester geleitet wurde, der an ihrer Seite stand. Aber auch sie sind in der gleichen Situation der Unterdrueckung wie wir. Gut, wir haben verschiedene Städte im ganzen Land besucht. Dabei habe ich gesehen, wie viele Menschen auf der Strasse betteln, kein Dach über dem Kopf haben und nichts zu essen. Tatsächlich erwachte da in mir die Idee, dass das Ziel unseres Gedankenaustausches die Forderung um ein würdiges Leben für alle sein müsste, die durch die Schuld der schlechten Regierungen in demütigender Armut leben,. Und noch etwas wurde mir klar, das mich sehr störte und was mich veranlasste, nie mehr von diesen verlogenen und manipulativen Männern abhängig zu sein, die angeblich auf der Seite derer von unten stehen. Sie haben alle diese Bewegungen nur dazu gegründet, um sich auf unsere Kosten zu bereichern, die jeweils zuständigen Trotteln, die ihren manipulativen und falschen Ansagen glaubten. Warum sage ich das? Nun ihr werdet schon sehen, wie die Dinge waren. Sie haben nämlich Regierungsprogramme hergenommen um uns zu begaunern, damit wir dann wiederum die Menschen unserer Comunidades betrügen. Für diese Exkursion hat die Regierung Unterstützung in Höhe von 7 Millionen Pesos gegebem, das ist eine grosse Ziffer, denn man sprach als Geldeinheit damals von Tausendern und nicht wie jetzt, wo man über Pesos spricht. Sie sagten uns also, dass die Regierung 7 Millionen zur Verfügung gestellt habe, aber dass sie uns nicht alles geben würden, nur 3 Millionen, und der Rest würde für die weiteren Reisen verwendet werden, und dann haben wir nie wieder gehört, was mit diesem Geld geschehen ist. Klar, sie haben es uns nicht gesagt, aber dieses Geld blieb in den Taschen dieser verdammten Berater und während wir Totopos mit einem kleinen Stück Käse gegessen haben, damals in Oaxaca, und im Gang des Rathauses von Ixtepec, Oaxaca schliefen, wo waren sie? Nun seht mal, sie übernachteten in guten Hotels und haben in guten Restaurants gegessen. Und so fuhren wir dann nach Chiapas zurück. Wir erreichten Puerto Arista. Dort kauften sie viele Kartons mit Bier, um weiter zu verschwenden. Als die sogenannten 3 Millionen, die die Zuständigen für die Reisekosten zur Verfügung hatten verbraucht waren. Da sagten sie, dass wir uns jetzt von Keks und Saft ernähren müssten, denn es gab kein Geld mehr. Aber ich wusste, dass das nicht stimmte, dass die, die mit der Verwaltung der Reisekasse beauftragt waren uns nur vorspielten, dass alles verbraucht war, denn sie hatten schon ein Übereinkommen mit diesen Berater-Hyänen gemacht. Ich sagte, sie sollen doch nachrechnen um zu sehen, ob es wirklich stimmte, dass das Geld alle war. Mein Vorschlag wurde nicht akzeptiert und sie sagten, die Reise wäre jetzt zu Ende, das war in Motozintla. Sie gaben mir 40.000 Pesos (von damals, [Anmerkung Uebersetzung: vor der Abwertung]), damit ich damit nach Hause fahren kann. Sie hätten es schon ausgerechnet, das wäre das, was ich für die Fahrt bis Margaritas brauchen würde, dann bis La Realidad soll ich selber schauen, wie ich weiterkäme. Das war ganz schön beschissen, 40.000 Pesos von den alten, die der Salinas umgewandelt hat und das sind heute 40 neue Pesos. Und so bin ich in mein Dorf zurückgekehrt, gleichzeitig traurig und wütend. Dann 1989 lernte ich ich einen echten Berater kennen, ein Mann, der wie ein bescheidener Arbeiter daher kam, er verkaufte Papageien. Wir waren bereits fast Freunde, aber obwohl wir uns schon gut kannten, hatte er mir nie gesagt, wer er war und was er war und was er wirklich vor hatte. Wir trafen uns oft am Cerro Quemado, wir sprachen viel miteinander und ich sah, dass er einen bunten Rucksack trug und da drinnen war sein Arbeitserkzeug verstaut. Zumindest hat das mein Kumpel gesagt. Wie viele Menschen hörten die Geschichte meines Freundes, ohne dass sie die Wahrheit wussten, denn mein Freund erzählte damals viele Lügen. Lügen um der Wahrheit willen, Lügen um die Realität zu verwirklichen, wahre Lügen. Er war mein Freund, und ich war so tolpatschig, dass ich nicht verstand, was los war. Bis ich eines Tages meinen Freund wieder traf, aber dieses mal war er nicht als bescheidener Arbeiter gekleidet, noch trug er seinen bunten Rucksack und auch keinen Käfig mit Papageien. Was denn sonst? Nun seht, da war mein Freund, mein Kumpel, schwarz und braun gekleidet, mit Rucksack und Stiefeln und eine Waffe über die Schulter. Das heisst, mein Freund war ein mutiger Guerrillero und Soldat des Volkes. Ich war sehr üeberrascht und ich kehrte ganz traurig nach Hause zurück denn ich verstand noch immer nicht, was da los war. Das war mein Fehler, nicht gleich zu verstehen, was dieser Mann wollte. Und da erfuhr er, dass ich ihn bereits entdeckt hatte und sie liessen mich holen, um in das Sicherheitshaus von ihnen zu kommen, zusammen mit meinen Eltern und Geschwistern. Aber mein Vater wollte nicht gleich mitmachen, meine Brüder auch nicht aber für mich war alles klar. So kam es, dass ich der Organisation beitrat. Sie brachten mich zur Ausbildung. Zu der Zeit waren bereits fast alle Zapatist*innen. Wir gingen also zur Ausbildung. Dann erhielt ich den Dienstgrad Korporal und dann sind alle meine Familienmitglieder eingetreten. Bis dann der Tag kam, an dem ich erfuhr, wer mein lügender, echter Freund war und wie er hiess: er war der aufständische General Z. Das war der Mann, der alle Dörfer der Indigenen in Chiapas besuchen musste, alle Berge, alle Flüsse und Schluchten. Er bewegte sich in der Nacht wie ein Guerrillero, tagsüber war er der bescheidene einfache Arbeitssuchende, und Schritt für Schritt säte er den Samen der Freiheit, bis er wuchs und Früchte trug. Wie gross war sein Leiden, aber welch schöne Früchte hat er geerntet und mitgenommen. Und es war nur recht, dass er den Grad des Major bekam für seine Intelligenz und seine wertvolle Vorbereitungsarbeit. Aber da war nicht nur er, da gab es einen anderen grossen und mutigen und unvergesslichen Revolutinär in der Geschichte unserer Zeit im Untergrund, der sogenannte und viel geliebte Subcomandante Insurgente Pedro, »der Onkel«, so wurde er von all unseren Kampfgefähren voller Respekt genannt. Er war bei allen beliebt, denn er war uns ein echtes Beispiel, er teilte uns seine revolutinäre Weisheit mit. Er war ein echter Meister der Disziplin und Kameradschaftlichkeit. Beispielhaft, denn er sagte, dass er im Kampf an vorderster Front stehen werde und falls es nötig sein sollte, für unser Volk zu sterben, dann würde er es tun. Am 28. Dezember (des Jahres 1993) sagte der Compañero Sup I. Pedro zum mir, dass ich nach Margaritas fahren solle um Benzin und Batterien zu kaufen und sage dem Compañero Alfredo, dass er den »Amigo«, das heisst, das Auto der Comunidad mitbringen soll, aber sage ihm nicht, dass der Krieg beginnen wird. Und ich tat das. Wir sammelten schnell abgerebelten Mais, damit der Fahrer keinen Verdacht schöpfte, denn es war eine unvorbereitet dringende Bewegung. Aber der wusste es schon, aber nur den Klatsch, dass der Krieg beginnen würde und er fragte und fragte aber ich sagte gar nichts. Das war der Befehl und ich hielt mich daran, obwohl der Chauffeur mein Compadre war. Nicht einmal meinen Eltern erzählte ich, was bevor stand, sie lebten zu der Zeit schon in Margaritas. Die Fahrt dauerte eine ganze Nacht und einen ganzen Tag. Am 29. (Dezember 1993) kamen wir so um 4.00 Uhr nachmittag nach La Realidad zurück. Ich hatte meine erste Mission erfüllt. Ich meldete mich und er sagte zu mir: ¨bereite dich vor, wir werden kämpfen, in einer Stunde haben wir die Polizei von Margaritas bezwungen¨. Das ist mir immer in Erinnerung geblieben. Das und andere Heldentaten des Sup C. I. Pedro. Und bis heute erinnere ich mich an den 30. (Dezember 1993), die Abfahrt nach Margaritas. Es gab auch viele Unfälle auf dem Weg. Das Vorrücken unserer Truppen war unglaublich. Ohne dass der Feind etwas merkte, rückten wir vor, wie ein Gespenst, in der stockfinsteren Nacht, die einzige Beleuchtung waren die Scheinwerfer der zapatistischen Autos und Autobusse. Bevor man nach Las Margaritas kommt, gibt es einen Ort, der heisst Zaragoza. In der Nähe dieses Dorfes bekam jeder seine revolutinäre Aufgabe zugeteilt: erste Gruppe, Besetzen des Rathauses; zweite Gruppe, besetzen und sperren der Verbindung Margaritas-Comitán; dritte Gruppe, besetzen und sperren der Strasse San José Las Palmas-Altamirano; vierte Gruppe, Verbindungsstrasse Independencia-Margaritas; fünfte Gruppe, Besetzen von Radio Margaritas. Das war im Morgengrauen jenes glorreichen 1. Jänner, als wir nicht mehr Phantome waren, die aus der Nacht kamen, da waren wir bereits die EZLN im Tageslicht der ganzen Welt. Alle sahen uns erstaunt und voller Achtung, wegen unserer mutigen Aktion. Und da fiel der Sup C. I. Pedro im Kampf mit der Polzei. Er starb wie ein grosser Held, er tötete einige Polizisten. Er ganz allein konfrontierte sie. Seine Wut auf die Mörder des Volkes war so gross, dass er sich nicht um sein eigenes Leben kümmerte und so erfüllte er, was er gesagt hatte: für das Volk sterben oder für das Vaterland leben. Meine Überraschung war sehr gross, als sie uns mitteilten, dass unser geliebter Anführer gefallen war. Ich verspürte einen immensen Schmerz, aber er hatte seine Mission erfüllt und er hatte auch für seine Nachfolge gesorgt. Denn er wusste, dass er kämpfen würde und dass diese Dinge in einem Krieg normalerweise vorkommen. In diesem Moment übernahm mein Freund der Major Insurgente Z die Befehlsgewalt und wieder sah man seine mutigen und umsichtigen Aktionen dieses Guerrillero. Daher wurde unsere Mission, wegen des schmerzhaften Verlustes unseres grossen Chefs, vom Major I. Z. angeführt. Eine Grupp besetzte den Gutshof des General Absalón Castellanos Domínguez. Sie nahmen ihn gefangen und brachten ihn in die Berge um ihm dann einen Prozess zu machen für alle Verbrechen, die er während seiner Regierungsperiode begangen hatte, denn er war der Kopf, der hinterall diesen Verbrechen stand. Trotz alledem, was er getan hatte, trotz der grossen Schuld und obwohl er der Mörder von vielen Kindern, Frauen und Alten in Wololchán war, wurden seine Rechte als Kriegsgefangener immer geachtet. Er wurde niemals gefoltert. Ganz im Gegenteil, was die Truppe zu essen bekam, das bekam auch er. Damit zeigte unser Kamerad einmal mehr seine gute militärische Ausbildung, die er in seiner Zeit im Untergrund erhalten hat. Die Achtung des Lebens der politischen Gefangenen muss respektiert werden. Und alle, die unsere Geschichte lesen, müssen sich immer dessen bewusst sein, dass man Achtung erwirbt, wenn man die von unten achtet, aber auch die von oben, wenn sie die von unten respektieren. Danke. Sterben um zu leben. Galeano.¨ (Fortsetzung) »In Las Margaritas war ich für die Strassensperre Margaritas San José las Palmas eingeteilt.. Von dort wurden wir zur Strasse Margaritas-Comitán abgeordnet. Dort verbrachten wir den ganzen 1. Jaenner und auch die ganze Nacht, bis uns ein anderer Befehl erreichte, das Lager der Conasupo in Espíritu Santo einzunehmen. Wir machten das zusammen mit anderen aufständischen Compañeros, um Essen für die Truppen zu organisieren. Dann erfolgte der Befehl zum Rückzug in die Berge, wir bewegten uns hin und bezogen Position in Guadalupe Tepeyac. Dann machten wir einen Hinterhalt auf dem Kilometer 90 vor La Realidad, am Quemado, dann erhielt ich den Befehl einen 3-Tonnen-LKW zu bergen, der einem Typen namens J aus Guadalupe Los Altos gehörte. Ich konnte nicht gut fahren. Ich kannte nur die Theorie, wie man ein Fahrzeug lenkt und jetzt musste ich es praktisch ausführen und das Fahrzeug vorwärts bewegen. Bis nach La Realidad fuhr ich nur mit der ersten. Sie warteten schon auf mich, die Compañera General L und mehrere andere Aufständische und sie sagten zu mir »Fahren wir los Galeano« und ich sagte »ich bin noch nicht gefahren und schon gar nicht, mit einer vollen Ladung. Sterben um zu leben. Galeano.« (zwischen 2005 und 2009) (Fortsetzung) »Macht nichts, im Krieg ist alles erlaubt«, antwortete die Compañera und wir fuhren los. Weiter vorne, dort beim Cerro Quemado war ich schon sicherer und ich begann, schneller zu fahren. Aber in einer Kurve drehte ich das Volant zu weit und wir landeten in einem Graben, ca. 15 Meter von der Strasse entfernt. Aber gut, irgendwie schaffte ich es wieder, auf die Strasse zurück zu kommen und fuhr weiter, um meine Mission zu erfüllen. Von diesem Tag an musste ich täglich fahren, bis wir eines Tages von einem Hubschrauber entdeckt wurden und sie schossen auf mich. 10 oder 20 Minuten haben sie geschossen, aber ich war schon gut unter einem Felsen versteckt. Nur Staub und der Geruch nach Stein und Pulver erreichten mich. Und erst als sie das Feuer einstellten und der Hubschrauber verschwand, kletterte ich aus meinem Versteck und setzte meine Mission fort. Meine Mission bestand darin, die Milizionäre aus Momón abzuholen. Ich fuhr hin und kehrte zusammen mit meinem Freund und Militärchef und Compañero Major Insurgente Z zurück. In den Tagen des Krieges waren wir immer zusammen, selbst als es zum Waffenstillstand kam. Bei den Arbeiten für das erste Aguascalientes in Guadalupe Tepeyac musste ich die Menschen kontrollieren, die zur Convención Nacional Democrática kamen. Ich wurde als Geleitschutz ausgebildet und versah dann diesen Posten für unsere Befehlshaber. Dann kam der Tag des Verrates von Zedillo, am 9. Februar sperrten wir die Strasse in Cerro Quemado. Die Armee war bereits in Guadalupe Tepeyac. Trotzdem bewegten wir uns im Schutz der Dunkelheit vorwärts und stellten Sperren auf und schnitten Bäume um, um der Armee den Zutritt nach La Realidad zu vereiteln. Dann zogen wir uns einige Tage lang in die Berge zurück, bis sich das mexikanische Volk und das Volk auf der ganzen Welt wieder mobilisierte und die Verfolgung unserer Compañeros Befehlshaber der EZLN bremsen konnten. Nach einigen Tagen und Nächten, die wir in den Bergen campierten, kehrten wir dann in unsere Dörfer zurück. Ich nahm an allen Meetings teil, die unsere Organisation abhielt. Ich war Begleitschutz für unsere Militärchefs. Ich nahm am Marsch der 1111 Zapatist*innen nach Mexiko City teil. Bei allen Aufmärschen war ich immer stolzer Fahrer des »Hasen«, des »Tata«, der »Schokolade«. Immer brachte ich unsere Compañeros zu den Märschen, wo wir unsere Forderungen vorbrachten. Als alle Unteroffiziere sich zurückzogen, blieb ich und ich erhielt den Grad des Unteroffiziers. Ich war Regionalvertreter der Jugendgruppen sowohl im Untergrund als auch während des Krieges. Wir haben den Krieg gegen den Feind auf Tausende Arten geführt, aber die schlechte Regierung hat dasselbe getan. Aber wir müssen den weiten Weg würdigen, den wir gegangen sind, ohne uns über Opfer und Entbehrungen zu beklagen. Das hat uns nur stärker gemacht und das erlaubt mir, auf dem Weg des Kampfes zu bleiben, bis wir die Freiheit erobern, die unser Volk braucht. Es fehlt noch viel, denn er ist lang und schwer, vielleicht nahe, vielleicht weit weg, aber wir werden siegen. Dann kamen die Juntas de Buen Gobierno, und ich wurde zum Chauffeur des ersten Fahrzeuges, den die JBG bekam, ernannt. Er hiess »der Teufel«. Dann wurde ich zusammen mit einem anderen Compañero gekidnappt, sie fesselten uns in unserem Fahrzeug, das war die CIOAC-Histórica. Ich war mehrere Stunden gefesselt und dann brachten sie mich in ein Gefängnis in Saltillo. Danach brachten sie mich nach Justo Sierra, sie gaben mir nichts zu essen, ich konnte mit niemand kommunizieren und war noch immer festgebunden. Sie wollten, dass ich die Freilassung eines Kriminellen fordere, aber ich akzeptierte nicht, dass ich ausgetauscht würde, denn ich war unschuldig, er dagegen ein Dieb, einer von denen, die es immer haufenweise in den Sozial-Organisationen gibt. Ich war 9 Tage gefangen bis sie merkten, dass sie Probleme bekommen werden, sowohl mit den Menschenrechten als auch mit der EZLN. Und schlussendlich haben sie unser Fahrzeug freigegeben, nachdem sie es 3 Monate festgehalten hatten. Und dann haben wir unserem Fahrzeug einen anderen Namen gegeben, wir nannten es ¨der historische Entführte¨. Damals begannen die Arbeiten der JBG und die Autonomie. Sterben um zu leben. Galeano«. (24. Jänner 2012)« Das ist das letzte Mal, dass er Aufzeichnungen in seinem Heft gemacht hat. Ausser dieser kurzen Autobiographie finden sich einige Gedichte, möglicherweise hat er sie geschrieben, einige Liebeslieder und all diese Dinge. Mir bleibt nur hinzuzufügen, dass der Compañero maestro zapatista Galeano so war, wie irgendein zapatistischer Compañero, irgendeine zapatistische Compañera, jemand für den es wohl wert ist zu sterben, damit er wieder leben kann. Am Schluss dieser Zeilen gibt es vielleicht eine Antwort auf eine unterschwellige Frage.Eine Frage, die auf halbem Weg der Geschichte ausgesät wurde, die nicht mit Worten geschrieben wird. Wer oder was machte es möglich, dass an einem Ort des Kampfes der zapatistische Philosoph und der zapatistische Indigene ineinander üebergehen? Wie konnte es sein, dass der Maestro, ohne diese Funktion niederzulegen, der Philosoph Zapatist wurde und der Indigene, ohne dass er vom Zapatismus liess, Maestro wurde? Irgendetwas ist auf dieser Welt passiert, die solche und andere Absurditäten möglich macht. Warum, um zu leben, vererbt einer den Seinen ein verstecktes Stück des Puzzle seiner Geschichte? Warum, um nicht zu gehen, hinterlässt uns der Andere in Buchstaben seinen Blick, gerichtet auf sich und seine Geschichte mit uns Zapatistinnen und Zapatisten? Darauf versuchen wir eine Antwort zu geben, jeden Tag, zu jeder Stunde, in allen Winkeln. Jetzt, wo ich beinahe am Ende dieser Worte angekommen bin, fällt mir ein, dass die Antwort, oder zumindest ein Teil der Antwort hier an diesem Tisch sitzt, in denen ist, die vor oder hinter mir sitzen, in den Welten ist, die zur unseren sich herbeugen, wegen des Kampfes derjenigen, die mit heimlichem Stolz sich selbst Zapatist*innen nennen, Profesionelle der Hoffnung, Übertreter des Gesetzes der Schwerkraft, Menschen die unaufgeregt auf jedem Schritt zu sich selber sagen und sagen: UM ZU LEBEN STERBEN WIR. Aus den Bergen des Südostens von Mexiko Subcomandante Insurgente Galeano. Mexiko, 2. Mai 2015. Ich üebergebe das Wort an die Compañera zapatistische Hörerin Selena … Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/02/maestro-zapatista-galeano-apuntes-de-una-vida/

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