Dienstag, 21. April 2015

Zur christlichen Religion

Von Joseph Welter Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek vom 8. April 2015 Das Absurdeste, was Religionen hervorgebracht haben, ist die Vorstellung ewiger Höllenqualen. Die Gründe dafür sind ziemlich klar: mit Angst und Schuldgefühlen können Menschen beherrscht werden. Noch im Alten Testament ist nirgends die Rede von einer ewigen Strafe. Vergehen können bis ins vierte Geschlecht bestraft werden (Moses, 2,20), – was allerdings auch nicht nach Gerechtigkeit aussieht. Aber in den Evangelien spricht Jesus oft von der Höllenstrafe. Er sagt zu Menschen, die seine Vorstellungen nicht akzeptieren: »Ihr Schlangen- und Natterngezücht! Wie werdet ihr der Verurteilung zur Hölle entrinnen?« Die Übeltäter und Sünder werden »in den Feuerofen geworfen«. »Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein« (Matthäus, 13). Kinder, welche noch in den fünfziger Jahren den Reli­gionsunterricht über sich ergehen ließen, wussten, dass man allein wegen eines Vergehens gegen das sechste Gebot in die Hölle wandern konnte (»Todsünde«). Zu diesem sadistischen Höhepunkt hatte sich das Christentum im Laufe der zeit gesteigert. Während es im Alten Testament beim sechsten Gebot nur heißt: »Du sollst nicht ehebrechen« (Moses, 20). Die Vorstellung einer Hölle hat in der christlichen Welt unermessliches körperliches und psychisches Leid hervorgerufen. Und dies nicht nur im Mittelalter. Die Kirche konnte sich auf Jesu Wort stützen, dass, wer »wieder den Heiligen Geist« sündigt, dem werde nie vergeben (Matthäus, 12). Und diese Sünde bestand im Unglauben. Die Inquisition wurde gegen die »Ungläubigen« im Jahr 1199 von Papst Innozenz III (dem »Unschuldigen«) eingeführt. Sie wurde in Spanien erst Anfang des 19. Jahrhunderts abgeschafft (wo noch Zeichnungen von Goya an sie erinnern, – Goya, der schließlich vor dem katholischen König Ferdinand VII in den Süden Frankreichs flüchtete, um dort die letzten Jahre seines Lebens zu verbringen). Welcher gläubige Katholik kann eigentlich heute noch akzeptieren, dass irgendein Vergehen mit endlosen Feuerqualen bestraft wird? Was die »Erbsünde« betrifft, begangen von den beiden ersten Menschen, so ist sie selbst so fragwürdig wie ihre Folgen. Die Sünde selbst – das Essen einer verbotenen Frucht – kann auch symbolisch gesehen (als Ungehorsam gegen den Allerhöchsten) doch kaum das Unheil der ganzen Menschheit nach sich ziehen. Genau das aber sagt der Heilige Augustinus (354 – 430 unserer Zeitrechnung) in seinem großen Werk »Vom Gottesstaat«: die Menschheit habe durch dieses eine vergehen die schlimmste Strafe verdient, wenn nicht Gottes unverdiente Gnade »EINIGE« davor rettete (2. Band, 14. Buch, Seite 154, dtv) Weiter: Muss nicht das »Credo quiam absurdum« des Tertullian her (»Ich glaube, weil es absurd ist«), um zu verstehen, dass oft als Mensch durch Menschen den körperlichen Tod erleiden musste, um die Menschheit von der »Erbsünde« zu befreien? Diese Erbsünde ist eher die Erbsünde des Christentums, als die der Menschen. Aber Augustinus machte sich daran, die ewigen Höllenqualen zu erklären. Wieso kann ein Mensch in der Hölle ewig brennen ohne zu verbrennen? Nun, – sehr einfach: ein Salamander lebt ja im Feuer und verbrennt nicht (Aberglaube des 1. Jahrhunderts). Und weiter: es gibt Berge in Sizilien, die von alters her bis heute in Flammen stehen und doch unversehrt bleiben (ib. 21. Buch, Seite 679)! Es ist ja wohl verständlich, dass nach der von England und Frankreich ausgehenden Aufklärung viele Europäer zur Überzeugung kamen, dass eine solche Religion nicht dem »Seelenheil« dient, sondern die Menschen in Aberglauben und geistiger Rückständigkeit festhält. Zumindest von der Inquisition bis ins 17. Jahrhundert hinein blieb das Denken in Europa regelrecht stehen. Und noch Galilei (1564 – 1642), der das geozentrische Weltbild endgültig zum Einsturz brachte und dem Experiment als eines Haupt-Werkzeuges der Wissenschaft zum Durchbruch verhalf, musste, von der Inquisition verurteilt, sein Leben in Hausarrest zu Ende führen (während Giordano Bruno noch im Jahre 1600 als Ketzer verbrannt wurde). Was zumindest von Jesus übrig bleibt, ist seine Ablehnung der alttestamentarischen jüdischen Moral: »Aug um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß«, usw. (Moses 2, 21). (Ebenso wie später im islamischen Koran: »Leben um Leben, Auge um Auge, Nase für Nase, Ohr für Ohr, Zahn für Zahn…« (Sure 5.) Denn Jesus sagt (Matthäus, 5) »Wehrt euch nicht gegen den Bösen, sondern wer dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin«. Und weiter: »Liebet eure Feinde«. (Was nicht Jesus als erster sagte, sondern vor ihm Buddha). Übrigens reicht für ein gutes Leben ja wohl die realistischere Maxime, die Jesus nach dem Alten Testament zitiert: »Was du nicht willst, dass man dir tue, das tu auch keinem andern« (Matthäus, 7,12). Eine Maxime, die es natürlich schon bei den »Heiden« gab, und die eigentlich jedes vernünftige Kind sozusagen rein »experimentell« lernt, wenn es jemanden schlägt und deshalb wieder geschlagen wird (besonders allerdings wenn der Geschlagene stärker war). Übrigens gab es nie im Buddhismus oder Hinduismus diesen fatalen Zug zu Massen-Bekehrungen, – wie am Anfang im Judentum, dann im Islam und im Christentum. Und nur im Buddhismus und im Hinduismus existieren nicht diese grotesken ewigen Strafen. (Für Buddha gab es übrigens keinen Gott, – bis er viel später selber von den Massen vergöttlicht wurde.) Kann Religion eine Art Trost bleiben? Man denkt an Goethes Wort: »Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion. Wer diese beiden nicht besitzt, der HABE Religion.« Joseph Welter Mittwoch 8. April 2015

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