Donnerstag, 9. April 2015

Stoppt die NATO-Generalmobilmachung gegen Russland!

IMI-Standpunkt 2015/015 Rede beim Ostermarsch in Stuttgart von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 4. April 2015 Liebe Freundinnen und Freunde, als „Würfelspiel mit der Katastrophe“ hat der nicht sonderlich friedensbewegte Historiker Michael Stürmer vor einiger Zeit die NATO-Politik gegenüber der Ukraine bzw. Russland bezeichnet. Und gewürfelt wird auch und vor allem exakt hier, im European Command (EUCOM), dem Sitz des NATO-Oberbefehlshabers in Europa, US-General Philip Breedlove. Von hier aus werden wesentliche Teile der aktuellen Generalmobilmachung der NATO gegen Russland befehligt. Und genau deshalb sind wir heute hier, genau an diesem Ort, um gegen diese brandgefährliche Politik zu protestieren! Liebe Freundinnen und Freunde, auch wenn ich es langsam satt habe, scheint es dennoch nötig zu sein, es immer wieder zu wiederholen: Wenn ich und wir die NATO-Politik hier scharf kritisieren, heißt das noch lange nicht, dass wir die Rolle Russlands beschönigen wollen. Auch Russland kämpft derzeit zur Durchsetzung seiner machtpolitischen Interessen mit harten Bandagen. Aber es heißt sehr wohl, dass wir auf etwas aufmerksam machen wollen, ja müssen, wovon hierzulande augenscheinlich niemand etwas wissen will. Nämlich, dass dem Westen eine wesentliche, wenn nicht sogar die Hauptschuld an der Eskalation in der Ukraine und im Verhältnis mit Russland zukommt. Die „Ursünde“ war und ist hier der Bruch des nun 25 Jahre alten Versprechens, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Was folgte ist bekannt: Mehrere NATO-Osterweiterungen und NATO-Angriffskriege und eine aggressive Einkreisungspolitik. Liebe Freundinnen und Freunde, ohne diese NATO-Politik wäre es wohl niemals zu der aktuellen Krise gekommen. Sie hat in Russland zu der Überzeugung geführt, weiteren Versuchen, das westliche Einflussgebiet auszudehnen, hart entgegentreten zu müssen – und das schreckliche Resultat dessen, beobachten wir nun in der Ukraine. Deshalb sollten all diejenigen, die heute mit dem Finger auf Russland zeigen, sich zuerst und vor allem auch an die eigene Nase fassen. Ein weiterer Punkt erscheint mir hier wichtig. Nämlich dass Deutschland hier buchstäblich an vorderster Front kämpft. Schon vor einiger Zeit schrieb hierzu der Spiegel – Zitat: „Der Kampf um die Ukraine ist einer zwischen dem russischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin. […] Fast 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges geht es darum, wer es schafft, die früheren Sowjetrepubliken der Region in seinen Einflussbereich zu ziehen. Es geht um Geopolitik, um das ‚Grand Design‘, wie es die Experten gern nennen.“ Das wesentliche Mittel, um die Ukraine in den westlichen Einflussbereich zu zerren, war und ist das Assoziationsabkommen des Landes mit der Europäischen Union dar, hinter dem Deutschland die treibende Kraft war. Erst als sich der frei gewählte damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch im November 2013 entschied, das Abkommen nicht zu unterzeichnen, nahm die Eskalation ihren Lauf. Der Westen und v.a. auch Deutschland unterstützen daraufhin massiv die Proteste, die schließlich zum Sturz von Janukowitsch im Februar 2014 führten. Die rasch gebildete Putschregierung unter substanzieller Beteiligung faschistischer Kräfte wurde umgehend anerkannt. Was folgte war eine harte russische Reaktion, auf die die NATO mit einer weiteren Eskalation reagierte – und auch dies wird von Deutschland maßgeblich mitgetragen, ja vorangetrieben. Liebe Freundinnen und Freunde, die aktuelle NATO-Generalmobilmachung gegen Russland beruht vor allem auf zwei Pfeilern: – PERSISTENT PRESENCE 15; 2015 VJTF FUNCTIONS TESTING; FALCON VIKING; NOBLE JUMP; SIIL 15; STEADFAST JAVELIN; SABER STRIKE 2015; IRON WOLF; BALTOPS 2015; SWIFT RESPONSE; SILVER ARROW; TRIDENT JUNCTURE 2015; IRON SWORD 15; COMPACT EAGLE Das sind nur einige der NATO-Manöver, die in nächster Zeit mit Blick auf Russland abgehalten werden. Würde ich alle aufzählen, würden wir wohl noch in ein paar Stunden hier stehen. Neben den Manövern gibt es noch einen zweiten anti-russischen NATO-Pfeiler, der aktuell gestärkt wird: Die Schnelle Eingreiftruppe wird von 13.000 auf 30.000 Soldaten vergrößert. Zusätzlich wird derzeit eine neue Ultraschnelle Eingreiftruppe – auch „Speerspitze“ genannt – im Umfang von 5000 Soldaten aufgestellt. Sie ist vor allem für Einsätze im unmittelbaren Umfeld Russlands vorgesehen. Die Federführung für den Aufbau dieser Truppe hat Deutschland übernommen, das auch einen guten Teil der Soldaten stellt. Generell spielt Deutschland in der aktuellen NATO-Politik eine tragende Rolle. Kürzlich betonten zB die Regierungsberater der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ zufrieden – Zitat: „Deutschland ist das Rückgrat für die militärische Neuaufstellung der Allianz.“ In dem Zusammenhang hat uns Finanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich ein besonders faules Osterei ins Nest gelegt. Obwohl laut Sparbeschluss des Jahres 2010 der Rüstungshaushalt dieses Jahr bei 27,6 Mrd. Euro hätte liegen sollen, beläuft er sich tatsächlich auf rund 33 Mrd. Und Schäuble hat nun eine nochmalige Erhöhung um 8 Mrd. in den nächsten vier Jahren angekündigt. Als Begründung wird im sog. Eckwerte-Papier gesagt, der Konflikt mit Russland mache „die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für ein höheres NATO-Engagement und zur Stärkung des verteidigungsinvestiven Bereichs.“ Liebe Freundinnen und Freunde, einen letzten Punkt, der mir sehr wichtig ist, möchte ich noch ansprechen: Das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA. Dieses Verhältnis lässt sich leicht zusammenfassen: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich! Ich halte es für absurd, wenn teilweise so getan wird, als werde Deutschland von den USA am Nasenring durchs internationale Parkett gezogen. Deutschland ist keineswegs ein „Vasall“ der USA, es vertritt durchaus eigenständige Interessen. Und diese Interessen sind augenscheinlich nicht immer deckungsgleich mit denen Washingtons. Nur weil sich die Bundesregierung ggf. nicht an jedem Punkt durchsetzen kann, heißt das noch lange nicht, dass sie keine eigene Agenda verfolgt. Einen solchen Interessenskonflikt erleben wir augenscheinlich gerade in der Ukraine: Auf der einen Seite drängen die USA und ihre lokalen Verbündeten wie Jazenjuk auf eine weitere Eskalation. Anderseits nimmt Deutschland – sicher auch mit Blick auf die nicht unbeachtlichen Exporte nach Russland – zusammen mit seinen Verbündeten Poroschenko und Klitschko eine – etwas – moderatere Haltung ein. Dies konnte man zB an der Frage von Waffenlieferungen sehen, die von den USA befürwortet und von Deutschland abgelehnt wurden. Und Deutschland war auch wesentlich für am Zustandekommen des Minsk II-Waffenstillstandsabkommens beteiligt, das nun von allen möglichen Seiten sabotiert wird. Liebe Freundinnen und Freunde, dass sich Deutschland hier – vorerst – durchgesetzt hat, ist natürlich gut! Allerdings fällt es mir sehr schwer, die konstruktive Rolle Deutschlands allzu sehr über den grünen Klee zu loben. Um ein Bild zu bemühen kommt es mir so vor, als wurde hier mit dem Rabauken aus dem anderen Bezirk die Nachbarschaft in Brand gesetzt, um zu plündern und zu brandschatzen. Und jetzt, wo man merkt, dass das Feuer droht, auf das eigene Haus überzugreifen, wird notdürftig versucht, das Feuer einzudämmen (während der Kompagnon weiter zündelt). Das verdient nur bedingt Lob! Lob würde es verdienen, – wenn Deutschland die eigene Verantwortung für die jetzige Situation anerkennen würde; – wenn es von seiner generell anti-russischen Politik Abstand nehmen würde; – wenn die Führungsrolle bei der NATO-Mobilmachung gegenüber Russland beenden würde; und – wenn es sich ernsthaft dafür sorgen würde, dass von der NATO und auch speziell von diesem Ort hier, dem EUCOM nicht weiter der Weltfrieden gefährdet wird. Das sind unsere Forderungen an die Bundesregierung. Das Würfeln mit der Katastrophe muss ein Ende haben! Die NATO-Generalmobilmachung gegen Russland muss aufhören – und zwar sofort!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen