Sonntag, 8. Februar 2015

Der dritte Weg führt nach rechts

Neonazis aus dem Süden Deutschlands haben sich unter einem neuen Namen organisiert. Die neue Partei nennt sich „Der Dritte Weg“. Sie sieht sich durch die Pegida-Aufmärsche bestätigt. Auch in Hessen treten Rechtsradikale unter dem neuen Label in Erscheinung. Sie nennt die Bundesrepublik nur Merkelland, warnt mit Flugblättern vor „Volkstod“ und „Asylmissbrauch“ und strebt die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“ an. Die neue Partei „Der Dritte Weg“ bietet Neonazis aus Süddeutschland eine neue Heimat. Die meisten von ihnen kommen aus dem im Juli 2014 verbotenen Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS), der bis dato wichtigsten Organisation der rechten Szene Bayerns. Um die Wirkung des Verbots abzumildern, sei es den Rechtsextremen gelungen, mit dem Dritten Weg früh parallele Strukturen aufzubauen, erklärt Thomas Witzgall von den Jusos in Bayern, der das Projekt „Endstation Rechts“ betreut. „Das sind dieselben Leute, dieselben Aktionen und Fixtermine, dieselben Bilder“, hat er beobachtet. Bereits beim Rudolf-Heß-Gedenken in Wunsiedel im November 2013, ein Dreivierteljahr vor dem FNS-Verbot, seien Aktivisten des Netzwerks mit dem Banner des Dritten Wegs marschiert. Und die FNS-Internetplattform sei bereits im Mai 2014 stillgelegt worden, sagt Witzgall. Da waren die meisten regionalen Stützpunkte des Dritten Wegs bereits gegründet. „Das zeigt, dass Verbote allein nicht ausreichen, sondern eben nur ein Teil der Arbeit gegen rechts sein können“, stellt Witzgall klar. Die Landesregierung müsse deshalb künftig mehr auf politische Bildung und Prävention setzen und weniger auf Polizei und Verfassungsschutz. Deutlicher wird die Rechtsextremismus-Expertin der bayerischen Grünen, Katharina Schulze. „Die Behörden haben ein Jahr gebraucht von der großen Razzia gegen FNS bis zum Verbot. Die Rechten hatten alle Zeit der Welt, sich neu zu organisieren“, kritisiert sie. Das landeseigene Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus sei „miserabel aufgestellt“ und – für ein reiches Land wie Bayern – „schlecht ausgestattet“. Das Konzept müsse dringend evaluiert, die zivilgesellschaftlichen Initiativen stärker gefördert werden. „Aufklärung an Schulen zum Beispiel ist eine gute Idee, aber sie bringt nichts, wenn das Geld nur für eine Handvoll Schulen reicht“, moniert Schulze. Zwar wird gegen den Dritten Weg wegen der Fortführung einer verbotenen Einrichtung ermittelt. Doch die Rechtsextremen wollen den Behörden ein Schnippchen schlagen. So bemühen sie sich um den Parteienstatus und haben beim Bundeswahlleiter bereits die nötigen Unterlagen hinterlegt. Dadurch würde die Hürde für ein Verbot höher. Zugleich sind führende FNS-Kader wie Matthias Fischer und Tony Gentsch zwar regelmäßig bei Veranstaltungen präsent, doch im fünfköpfigen Vorstand der neuen Partei sitzt laut Verfassungsschutz kein Aktivist der bayerischen rechten Szene. Wegen der Ausbreitung des Dritten Wegs über Bayerns Grenzen hinaus, müssen die Behörden sich zudem länderübergreifend abstimmen. Denn inzwischen hat die Neonazi-Partei längst ihre Fühler nach Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen ausgestreckt. So organisiert der Dritte Weg in diesem Jahr die große 1.-Mai-Kundgebung im thüringischen Saalfeld und beteiligte sich an rechten Konzerten in Saalfeld und Kahla, beides braune Hochburgen. Dass sich Abgeordnete der NPD, etwa in Kahla, zunehmend von der etablierten Partei distanzieren, könnte ein Indiz für einen Dritter-Weg-Ableger in Thüringen sein, mutmaßt die Rechtsextremismus-Expertin der Linken in Thüringen, Katharina König. Plätzchen und Flugblätter Auch in Hessen haben die Neonazis in letzter Zeit politisch ihre Fühler ausgestreckt. Seit einem Jahr unterhält Der Dritte Weg mit seinem „Stützpunkt Westerwald“ ein Standbein nah der hessischen Landesgrenze. Im Sommer vergangenen Jahres waren die Neonazis mehrfach in kleineren Ortschaften in Mittelhessen unterwegs, um mit Flugblättern mit dem Titel „Asylflut stoppen“ Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Ende Dezember 2014 sorgten Aktivisten des Dritten Weges sogar für Aufsehen auf dem Sternschnuppenmarkt in Wiesbaden. Als Weihnachtsmänner kostümiert, verteilten sie Plätzchen an Passanten. Die waren zum Teil völlig entsetzt, als sie neben Keksen auch Neonazi-Flugblätter in den kleinen Tüten fanden, in denen gegen „Multi-Kulti-Umerzieher“ gewettert wurde. Kontakte scheint Der Dritte Weg inzwischen auch zur hessischen Kameradschaftsszene zu unterhalten. Auf der Webseite von „Freies Netz Hessen“, einem Netzwerk militanter Neonazigruppen, wurden zuletzt immer wieder Texte des Dritten Weges veröffentlicht, außerdem gab es dort auch Werbung für Aktionen der Gruppe in Rheinland-Pfalz. Die steigenden Aktivitäten könnten auf eine Hoffnung des Dritten Weges hindeuten, in Hessen politisch Fuß fassen zu können. Die NPD ist in Hessen derzeit eher schwach aufgestellt, der 2012 gegründete Landesverband der Partei „Die Rechte“ des Hamburger Neonazi-Funktionärs Christian Worch hat seine Aktivität im März vergangenen Jahres wieder eingestellt. Möglicherweise glaubt Der Dritte Weg, in Hessen sei aktuell Platz für eine neue extrem rechte Partei. Auftrieb verleihen den alten Rechtsradikalen mit dem neuen Label auch die Pegida-Aufmärsche. Der Dritte Weg, der eine interaktive Karte aller Asylunterkünfte in Deutschland auf seiner Homepage platziert hat und darunter den Leitfaden „Wie be- bzw. verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft“ sähe sich durch die Demonstrationen gegen Überfremdung „bestärkt“, meint Grünenpolitikerin Schulze. Und versuche, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Auch das würden die zunehmenden Auftritte in anderen Bundesländern zeigen.

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