Montag, 17. Februar 2014

Sarajewo 1914/2014 Gegen den Imperialismus und seine Kollaborateure

Von Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs Quelle: Partei der Arbeit Österreichs Die gegenwärtigen Proteste in Bosnien-Herzegowina richten sich gegen die sozialen Missstände im Lande, die letztlich durch die Wiedereingliederung in das kapitalistische System zwingend folgten und die in der SFR Jugoslawien – ungeachtet anderer Probleme – unbekannt waren. Damit verbunden sind, erst recht in Zeiten der globalen kapitalistischen Wirtschaftskrise, nicht nur Armut, Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, ein asoziales Gesundheits-, Bildungs- und Pensionssystem, sondern auch die Etablierung einer offen und verdeckt korrupten Regierung, die in Kollaboration mit dem EU-Imperialismus in die eigenen Taschen wirtschaftet. Doch die Menschen in BiH lassen sich nicht mehr betrügen: Sie lassen sich nicht mehr nach Ethnie, Religion oder Schrift gegeneinander aufhetzen, sondern beginnen, die tatsächlichen und gemeinsamen Feinde zu erkennen. Für den Imperialismus, seine Institutionen (IWF, Weltbank etc.) und insbesondere für die EU, die sich den Ost- und Südosteuropäern so gerne als messianische Heilsbringerin andient, ist das sehr unangenehm. Die Zerstörung Jugoslawiens und dessen Filetierung in appetitliche Häppchen hat man nicht zum Spaß betrieben, sondern zur Umsetzung imperialistischer Ansprüche und neoliberaler Ausbeutung. Um beides zu gewährleisten, waltet mit dem Österreicher Valentin Inzko (seit 2009) ein “Hoher Repräsentant”, der in Sarajewo quasi-diktatorische Vollmachten innehat und bis 2011 auch in Personalunion EU-Sonderbeauftragter war. (Wobei der Imperialismus da voll sensibel in der FYR BiH agiert: Inzko ist Angehöriger der slowenischen Minderheit in Österreich.)

Dennoch: Die imperialistische Statthalterschaft über Bosnien-Herzegowina ausgerechnet nach Wien zu vergeben, hat sich schon historisch bekanntlich nicht bewährt: Bereits der Berliner Kongress von 1878 hatte Bosnien und Herzegowina unter österreichische Verwaltung gestellt, woraufhin das Gebiet militärisch besetzt und 1908 schließlich auch ganz offiziell annektiert wurde. Da unklar war, ob BiH nun der cis- oder transleithanischen Reichshälfte zuzuordnen wäre, wurde es, nicht unoriginell, dem k.u.k. Finanzministerium unterstellt. In der Türkei, in Russland und nicht zuletzt in Serbien fand man das weniger gut, die Folgen sind bekannt: 1914 wurde der österreichische Thronfolger in Sarajewo erschossen, womit der willkommene Anlass für Österreich und Deutschland vorlag, den Ersten Weltkrieg zu beginnen – einen imperialistischen Krieg um Herrschaftsgebiete und Einflusssphären, die nicht nur politisch und geostrategisch, sondern auch ökonomisch von Bedeutung waren. Das ist heute, ziemlich genau 100 Jahre später, nicht anders. Die österreichischen Banken und Konzerne sind der mit Abstand größte “Investor” in BiH – sie waren und sind es daher auch, die von allen aufgezwungenen Privatisierungen, Liberalisierungen und “Reformen”, unter denen die bosnische Bevölkerung nun leidet, am meisten profitierten und profitieren. Zwar fehlt dem heute kleineren, aber durchaus engagierten österreichischen Imperialismus in seinem westbalkanischen Hinterhof die militärische Durchschlagskraft, aber die kann man sich ja von der EU leihen (zumal auch Deutschland und Italien hier ihre Interessen sichern müssen). Die letzten drei vor Ort amtierenden Befehlshaber der EU-Militärmission “Operation Althea” in BiH stellt(e) das österreichische Bundesheer, dessen eigentliche Abordnung, auch aufgrund der im Kosovo gebundenen Kräfte, relativ gering bleibt, wie das gesamte EUFOR-Kontingent zuletzt reduziert wurde. Aber, sollte die vorhandene militärische Präsenz nicht ausreichen, so stehen in der EU sowie aus den Reihen der KFOR unterstützende Truppen permanent bereit. Und die EUFOR könnte auch durchaus zur “Befriedung” von BiH eingesetzt werden, wie Inzko in all seiner imperialistischen Überheblichkeit schon medial verlautbaren ließ. Das passt geradezu brillant: Die imperialistischen Okkupanten und Unterdrücker von 1878-1918 (und die faschistischen Kriegsverbrecher von 1941-1945) stehen wieder im Lande, militärisch und ökonomisch, und haben es fest im Würgegriff, assistiert durch einheimische Kollaborateure, fälschlich auch als Regierung bezeichnet. Sie alle wurden bereits in der Vergangenheit zweimal besiegt und vertrieben. Die antifaschistische Befreiung Sarajewos jährt sich dann im April nächsten Jahres zum 70. Mal – das wäre zwar ein sehr hübscher Anlass, dass auch Inzko und seine einheimischen Handlanger endlich aus ihren Serails und die EU-Besatzungsmacht aus ihren Kasernen und von den bosnischen Straßen verschwinden, aber besser, es wird nicht mehr so viel Zeit verschwendet. In Österreich gilt es – nicht nur für progressive jugoslawische Migranten, sondern auch für alle Demokraten, Linke und Antiimperialisten -, maximale Solidarität mit den sozialen Protesten in BiH, die sich mittlerweile auch auf die Nachbarstaaten ausweiten, zu üben. Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs

Kaukasische Zwischenbilanz (I)

MOSKAU/BERLIN german-foreign-policy vom 12.02.2014 – Anlässlich der Olympischen Spiele in Sotschi verweisen Berliner Regierungsberater auf die anhaltenden Unruhen im russischen Nordkaukasus. Moskaus Entschluss, die Spiele in Sotschi und damit am Rande einer Art „Aufstandszone“ abzuhalten, sei „eine Geste“ gewesen, „die sagen sollte: Wir haben alles im Griff“, erklärt der Kaukasus-Experte Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Stelle man in Rechnung, dass die Olympiade jetzt quasi „in einem Belagerungszustand durchgeführt“ werde, „ist diese Geste nicht gelungen“. Bereits im vergangenen Jahr hat die SWP darauf verwiesen, dass Russland, während es auf internationaler Ebene eine „Eurasische Union“ anstrebe, im Inland teils große Schwierigkeiten habe, die Kontrolle zu behalten – etwa im Nordkaukasus oder auch im Wolgagebiet. Deutschland ist daran nicht unbeteiligt: Noch vor wenigen Jahren hielten nicht nur nichtstaatliche Organisationen aus der Bundesrepublik, sondern auch offizielle Stellen – darunter die Auslandsspionage (BND) – Kontakt zu tschetschenischen Separatisten. Man habe sich im deutsch-russischen Machtpoker „tschetschenische Karten“ sichern wollen, berichtet ein Experte. Die von Bonn und Berlin geförderte Destabilisierung schwächt Russland noch heute. Die „Vielvölkerzivilisation“ Berlin hat die Entwicklung im krisengeschüttelten russischen Nordkaukasus bereits seit vielen Jahren systematisch im Blick. Zuletzt zeigten dies beispielsweise mehrere Analysen zu der Region, die in den vergangenen Jahren von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) veröffentlicht wurden. Russland trete „außenpolitisch als ein Motor für Integration in Eurasien auf“, hieß es 2013 in einer Kurzanalyse der SWP; man dürfe jedoch nicht übersehen, dass sich „Integrationsanforderungen … auch an die russische Innenpolitik“ richteten. Denn „besonders mit Blick auf den muslimischen Bevölkerungsteil“ und auf Gebiete, „die vom Islam (mit)geprägt sind“ – insbesondere im Nordkaukasus und in der Wolgaregion -, stelle sich „die Frage, wie gefestigt die ‘Vielvölkerzivilisation’ Russland ist“.[1] Terminus und Duktus deuten an, Russlands Bemühungen um eine „Eurasische Union“ könnten im Inland auf schwachen Füßen stehen und keine stabile Zukunft haben. Russlands „inneres Ausland“ Für den Nordkaukasus hatte die SWP diesen Gedanken schon 2012 exemplarisch ausformuliert. So habe zwar in Tschetschenien, dessen Sezessionskampf lange Zeit im Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit gestanden habe, bereits im Jahr 2006 „unter der Gewaltherrschaft Ramzan Kadyrows“ der „Wiederaufbau“ begonnen, hieß es in einem SWP-Papier. Dafür prägten nun „Gewalt und Aufruhr“ vor allem diejenigen „Abschnitte des Nordkaukasus, die zuvor als ‘ruhig’ gegolten hatten“. Im Jahr 2011 seien „bei bewaffneten Konflikten und Gewaltereignissen in der Region 750 Menschen ums Leben“ gekommen. Zwar habe Moskau 2010 einen Strategiewechsel eingeleitet und versucht, auf „Entwicklungspolitik und Modernisierung“ zu setzen. Doch habe dies „die prekäre Sicherheitslage in der Region nicht verbessern“ können.[2] Die Anschläge kurz vor Beginn der Winterolympiade in Sotschi haben gezeigt, dass selbst der salafistische Terrorismus in der Region ungebrochen fortbesteht. Über die Stellung Russlands im nördlichen Kaukasus befand die SWP im Jahr 2012: „Diese Region ist zu seinem ‘inneren Ausland’ geworden, gleichzeitig zu einer Zone ausgreifender Gewalt am Rande Europas“. Modell Kosovo Bundesdeutsche Organisationen, teilweise auch staatliche Stellen haben in der Vergangenheit den tschetschenischen Separatismus unterstützt und in Deutschland für ihn um Sympathien geworben. Unter den nichtstaatlichen Organisationen hat sich dabei vor allem die Deutsch-Kaukasische Gesellschaft hervorgetan, die enge Verbindungen in verschiedenste Teile des Kaukasus unterhält – unter anderem nach Tschetschenien. Einer der Anführer des tschetschenischen Sezessionismus, Ahmed Sakajew, konnte schon im Jahr 1998 die Bundesrepublik bereisen – auf Einladung der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, der damals die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur Seite stand. Sakajew, der in den zwei tschetschenischen Abspaltungskriegen ab 1994 an der Waffe kämpfte, führte seit 2001 im Auftrag der Separatisten hochrangige Gespräche in Europa – darunter auch in Deutschland, wo er sich etwa im Januar 2004 auf Einladung zweier SPD-Bundestagsabgeordneter zu informellen Verhandlungen mit teils einflussreichen Außenpolitikern aufhielt. Sakajew äußerte noch 2009 im Interview mit prominenten deutschen Medien, er sei „Premierminister eines unabhängigen Tschetscheniens“, während es sich bei der von Russland bestellten Regierung um „eine Okkupationsstruktur auf dem Territorium der Republik“ handele.[3] Die Deutsch-Kaukasische Gesellschaft bewarb vor Jahren den Vorschlag eines tschetschenischen Separatistenführers, die Abspaltung Tschetscheniens von Russland nach dem Modell der Trennung des Kosovo von Jugoslawien zu erkämpfen.[4] Tschetschenische Karten Dass auch deutsche Behörden zumindest zeitweise mit tschetschenischen Separatisten kooperierten, bestätigte bereits 2004 der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Demnach pflegte die deutsche Auslandsspionage (BND) um die Mitte der 1990er Jahre über ihre Moskauer Residentur Kontakte zur sezessionistischen tschetschenischen Opposition. Deutschland habe „trotz der engen Bindung an Russland tschetschenische Karten für den zukünftigen Machtpoker am Kaukasus in der Hand haben“ wollen, erklärte Schmidt-Eenboom.[5] Im Jahr 2002 konnten sogar tschetschenische Terroristen von Deutschland aus operieren. Wie es in einem Pressebericht aus dem Jahr 2004 heißt, hielt sich ein gewisser Arbi Daudow im Juli 2002 in Dresden auf und hielt telefonischen Kontakt zu konspirativen Wohnungen in Moskau. Bei diesen handelte es sich dem Bericht zufolge um Verstecke, in denen damals die berüchtigte Geiselnahme in einem Moskauer Musicaltheater im Oktober 2002 vorbereitet wurde, die mit mehr als 120 Toten endete. Daudow habe sich in Deutschland frei bewegen können, obwohl die deutschen Sicherheitsbehörden von russischen Stellen gewarnt worden seien, hieß es weiter.[6] Der Fall ist bis heute nicht abschließend geklärt. Separatismus im Landesinnern In Russland dehnen sich destabilisierende Kräfte, wie sie im Nordkaukasus auch mit deutscher Hilfe erstarken konnten, inzwischen in weiteren Regionen aus. Dies betrifft besonders die Wolgaregion. Der dort recht starke Islam habe lange als „offen gegenüber Modernisierung“ gegolten, heißt es in einer Analyse der SWP. Seit 2012 werde dort jedoch „eine politische Radikalisierung festgestellt“. Im Juli 2012 wurde, berichtet der Berliner Think-Tank, ein hochrangiger islamischer Geistlicher ermordet, der als „engagierter Kämpfer gegen extremistische Tendenzen“ salafistischer Prägung bekannt gewesen sei. Recht rasch sei von einer Verbindung zu Salafisten im Nordkaukasus die Rede gewesen. Ob dies zutreffe, sei unklar, urteilt der Autor des SWP-Papiers, Uwe Halbach: „Unbestritten“ sei aber, „dass salafistische Einflüsse sich auch im Innern Russlands ausbreiten“. In Tatarstan verbänden sie sich mit nationalistischen Strömungen. Das Erstarken eines tatarischen Separatismus lässt sich offenbar nicht ausschließen: Auch dort und damit weit im russischen Landesinnern stelle sich nun die Frage, heißt es in dem Papier, „wie gefestigt die ‘einzigartige Vielvölkerzivilisation’ ist“.[7] Ein neuer Hebelpunkt Die Bundesregierung, die seit den 1990er Jahren mehrfach „tschetschenische Karten“ nutzte, um Russland, mit dem sie ökonomisch teils eng zusammenarbeitet, gelegentlich unter Druck zu setzen, behält die Spannungen im Nordkaukasus zwar weiter im Blick, hat allerdings ihren hauptsächlichen Hebelpunkt gegenüber Moskau in der letzten Zeit verschoben. german-foreign-policy.com berichtet am morgigen Donnerstag. [1] Uwe Halbach: Muslime in der russischen Föderation. Wie gefestigt ist die „Vielvölkerzivilisation“ Russland? SWP-Aktuell 24, April 2013. [2] Uwe Halbach: Trennlinien und Schnittstellen zwischen Nord- und Südkaukasus. SWP-Aktuell 31, Juni 2012. [3] Sakajew prophezeit ein freies Tschetschenien. www.welt.de 15.08.2009. [4] S. dazu Modell Kosovo. [5] S. dazu Tschetschenische Karte. [6] S. dazu Deutsche Tschetschenen. [7] Uwe Halbach: Muslime in der russischen Föderation. Wie gefestigt ist die „Vielvölkerzivilisation“ Russland? SWP-Aktuell 24, April 2013.

Universitätsstudenten können gute Schachspieler sein

Da In England ist öffentliches Betteln gesetzlich verboten ist, hat ein Obdachloser eine kreative Idee entwickelt um dennoch an etwas Geld zu gelangen. Nach Metro-Berichten hält sich der Mann wie ein gewöhnlicher Bettler auf die Straße auf, doch anstatt lediglich Geld zu verlangen, bietet er interessierten Passanten an eine Partie Schach gegen ihn zu spielen. ... Durch das lange Training ist der Obdachlose zudem mittlerweile ein ziemlich guter Schachspieler geworden, der regelmäßig gegen Universitätsstudenten gewinnt. Dass er seine Einkünfte gern für Alkohol ausgibt, versucht er indes nicht zu verheimlichen. Laut eigenen Angaben spielt er im betrunkenen Zustand sogar besser. http://www.sportal.de/dreierkette/no-sports/17.02.2014,englischer-bettler-umgeht-bettelverbot-indem-er-schachpartien-anbietet Universitätsstudenten können gute Schachspieler sein. In der Regel sind sie es aber nicht.

[Chiapas98] Zwei Veranstaltungen in Frankfurt/Main (26./27. 2.2014)

Mittwoch, 26.Februar 2014 in der Raumstation Wir zeigen den Dokumentarfilm “Aufstand der Würde”, der die Entstehung, Organisation und Entwicklung der zapatistischen Bewegung darstellt. Einlass ab 19:30 Uhr, Film läuft etwa von 20:10- 21:15 Uhr! Viele Informationen und ein Trailer aus dem Film: http://www.zwischenzeit-muenster.de/2012-materialien-filme-aufstand.hzum Raumstation Rödelheim, Auf der Insel 14, Hinterhof, 60489 Frankfurt/Main siehe auch:http://www.insel14.de/ Donnerstag, 27.02.2014 ab 20:00 Uhr im Café Exzess, Leiziger Str. 91, 60487 Frankfurt-Bockenheim Veranstalter: Ya-Basta Rhein-Main seit sommer 2013 organisieren die zapatistas im süden mexikos die "kleine zapatistische schule". dort sollen interessierte menschen erfahren, wie die menschen in den zapatistischen gebieten organisiert sind, welche rolle die frauen spielen, wie sie ihre justiz handhaben und was sie unter demokratie verstehen. bisher gab es 4 kurse, die sowohl in den befreiten gebieten, als auch über lifestream überall in der welt abgehalten wurden. die kleine zapatistische schule ist ein weiterer schritt der zapatistas, um mit menschen und bewegungen weltweit in kontakt zu kommen und für transparenz zu sorgen. auf der veranstaltung werden zwei leute von der "kleinen zapatistischen schule" berichten. einer war vor ort in chiapas, eine hat die kleine schule per lifestream verfolgt. wir können einen spannenden abend versprechen, der viele fragen - auch für hier - aufwirft und sicherlich viel diskussionsstoff liefert. _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

Tote in Caracas

Venezuela: Rechte Opposition provoziert gewaltsame Auseinandersetzungen. Behördengebäude angegriffen. Präsident Nicolás Maduro warnt vor »nazifaschistischem Putsch« junge Welt v. 14.02.2014 André Scheer Bei schweren Ausschreitungen von oppositionellen Demonstranten sind am Mittwoch (Ortszeit) in Caracas drei Menschen getötet und 66 verletzt worden. Die Krawalle im Zentrum der venezolanischen Hauptstadt begannen nach einer von Regierungsgegnern organisierten Demonstration aus Anlaß des »Tages der Jugend«, mit dem Venezuela alljährlich am 12. Februar an die »Schlacht von La Victoria« erinnert. 1814 hatten Truppen des Generals José Félix Ribas im Unabhängigkeitskrieg einen Angriff der Kolonialarmee zurückgeschlagen. Ribas war dabei von Schülern und Studenten aus Caracas unterstützt worden. In der Tradition dieser Jugendlichen sehen sich heute die Anhänger des revolutionären Prozesses in Venezuela, die am Morgen zu Tausenden ihre Unterstützung für die Regierung von Präsident Nicolás Maduro demonstriert hatten. Aber auch studentische Oppositionsgruppen präsentieren sich als Nachfolger der damaligen Freiheitsbewegung. Aus ihren Kreisen war für den Mittwoch zu einer Kundgebung gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung aufgerufen worden, an der sich schließlich mehrere tausend Menschen beteiligten. Sie sei bis zum Schluß friedlich verlaufen, erklärten Sprecher des Oppositionsbündnisses MUD am Mittwoch abend. Erst nachdem sich die meisten Teilnehmer zerstreut hätten, sei es vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft im Zentrum der Hauptstadt zu den Zusammenstößen gekommen. Diese hätten nichts mehr mit der Jugenddemonstration zu tun gehabt. Die Nachrichtenagentur AFP behauptete demgegenüber noch am Donnerstag, die Demonstration sei von Sicherheitskräften aufgelöst worden. Tatsächlich kam es zu der Gewalt­eskalation allerdings, als rund 50 teilweise vermummte Männer – von denen einige Schußwaffen bei sich trugen – nach dem Ende der Oppositionskundgebung versuchten, das Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft zu stürmen. Dabei wurden Brandsätze und Steine geschleudert. Ebenfalls angegriffen wurden das Gebäude des staatlichen Fernsehens VTV, die Telekommunikationsbehörde CONATEL, das Wohnungsbauministerium und andere Einrichtungen. Die Behörden machen führende Vertreter der Opposition für die Gewalt verantwortlich. In Venezuela sei eine »nazifaschistische Strömung« entstanden, die versuche, die Lage für einen Staatsstreich zu bereiten, warnte Präsident Nicolás Maduro. Zugleich zeigte er sich jedoch überzeugt: »Hier wird es keinen Putsch geben!« Im ganzen Land wurden am Donnerstag Einheiten der Nationalgarde und der Polizei mobilisiert, um öffentliche Gebäude und Plätze zu schützen. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz informierte am Donnerstag, daß bis zu diesem Zeitpunkt 69 Personen wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen festgenommen worden seien. Haftbefehl erlassen wurde auch gegen die früheren Diplomaten Fernando Gerbasi und Iván Carratú Molina. Diese hatten sich schon Tage zuvor telefonisch über die zu erwartende Gewalt unterhalten und offenbar eine Situation wie die während des Putsches vom 11. April 2002 erhofft. Der Mitschnitt war am Dienstag abend von VTV veröffentlicht worden. Einem Bericht der rechten Tageszeitung El Universal zufolge fahndet die Polizei inzwischen auch nach Oppositionsführer Leopoldo López, dem Anstiftung zur Gewalt zur Last gelegt wird. URL: www.jungewelt.de/2014/02-14/058.php

Sonntag, 16. Februar 2014

Novelle zur Wiener Mindestsicherung: Online-Petition fordert Umsetzung sozialer Menschenrechte

(Wien/Graz 17.12.2013) Im Oktober hat die MA 40 der Gemeinde Wien (Magistratsabteilung 40 Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht) eine Novelle des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zur Begutachtung ausgeschickt, die für Invalide und chronisch Kranke de facto eine Zwangsrehabilitation ohne Mitwirkungsrechte vorschreibt. Dank Intervention der „Aktiven Arbeitslosen“ bei der Grünen Sozialsprecherin Birgit Hebein konnte eine rasche Umsetzung der menschenrechtswidrigen Novelle vorerst zwecks weiterer Verhandlungen gestoppt werden. Bezeichnend ist, dass die Wiener Grünen von Ihrem Koalitionspartner bei diesem sozial sehr sensiblen Thema überhaupt nicht einbezogen worden sind und gar nichts von der Novelle wussten. Wiener SPÖ pfeift auf soziale Menschenrechte Eine Antwort der SPÖ Wien auf einen ersten offenen Brief zeigt deren Unverständnis für Menschenrechte: Die Ausweitung des menschenrechtswidrigen Sanktionenregimes rechtfertigt die SPÖ damit, dass dieses im Sozialversicherungssystem verankert sei und daher auch bei der Mindestsicherung „systematisch notwendig und für die Erreichung des angestrebten Ziels unabdingbar“. Doch die Mindestsicherung ist keine Sozialversicherungsleistung und hat als allerletzte Existenzsicherung daher das Menschenrecht auf soziale Sicherheit besonders zu gewährleisten. Selbst dass vor kurzem die UNO in ihrer alle 8 Jahre statt findenden Staatenüberprüfung die Mindestsicherung als zu niedrig und mit zu vielen Zugangshürden behaftet kritisiert hatte, scheint die PolitikerInnen und BürokratInnen im Rathaus nicht zu kümmern. Online-Petition fordert: Soziale Menschenrechte bei der Mindestsicherung umsetzen Damit soziale Menschenrechte endlich bei der Wiener Mindestsicherung umgesetzt werden haben die Aktiven Arbeitslosen Wien eine Online Petition mit folgenden Forderungen gestartet: Keine Zwangsrehabilitation oder ärztliche Zwangsbehandlung für Invalide und chronisch Kranke. Mindestsicherung anheben damit die realen Lebenskosten abgedeckt werden, keine Diskriminierung der Selbständigen, denen eine „aufstockende Mindestsicherung“ prinzipiell verweigert wird. Sanktionenregime überdenken und – wenn schon nicht abschaffen - zumindest entschärfen. Verfassungsrecht auf aufschiebende Wirkung von Berufungen gegen die Existenz gefährdenden Bezugskürzungen endlich umsetzen. Betroffene auch über ihre Rechte aktiv informieren. Einrichtung einer Arbeitslosen- und Sozialanwaltschaft. Petitionslink: http://www.change.org/de/Petitionen/wiener-landesregierung-soziale-menschenrechte-bei-der-wiener-mindestsicherung-umsetzen-zwangsrehabilitation-verhindern http://chn.ge/1hgC0QN (Kurzlink) Rückfragehinweis: Mag. Ing. Martin Mair Obmann „Aktive Arbeitslose Österreich“ Tel.: +43 676 3548310 kontakt@aktive-arbeitslose.at Weitere Informationen: Offener Brief an die Mitglieder des Sozialausschusses des Wiener Gemeinderates http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20131115_offener_brief_novelle_wiener_mindestsicherungsgesetz.html Begutachtungsentwurf: http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/begutachtung/pdf/2013021.pdf Abgegebene Stellungnahmen: http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/begutachtung/stellungnahmen.htm#2013021 Soziale Menschenrechte: UNO kritisiert AMS-Sanktionen, niedrige Mindestsicherung und fehlende Mitbestimmung der Betroffenen (9.12.2013) http://www.aktive-arbeitslose.at/news/20131209_uno-kritisiert_oesterreich_wegen_verletzung_sozialer_menschenrechte_ams-bezugssperren_mindestsicherung.html Bericht und Empfehlungen der UNO zur Umsetzung der sozialen Menschenrechte in Österreich (Genf, 29.11.2013) http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2FC.12%2FAUT%2FCO%2F4&Lang=en UNO: General Comment No. 19, The right to social security (art. 9) http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2fC.12%2fGC%2f19&Lang=en Weitere Informationen: Concluding observations on the fourth periodic report of Austria* (E/C.12/AUT/CO/4) http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2fC.12%2fAUT%2fCO%2f4&Lang=en Statement der Aktiven Arbeitslosen in Genf plus weiter führende Links (am Ende des Artikels) http://www.aktive-arbeitslose.at/menschenrechte/wsk-rechte/statement_committee_on_social_conomic_and_culturural_rights.html Fotos der Aktiven Arbeitslosen aus Genf (Fotocredit: Aktive Arbeitslose Österreich/Karin Rausch) http://www.flickr.com/photos/martinmair/sets/72157638084992355/ Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte („WSK-Pakt“) (BGBl Nr. 590/1978) http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000629

Pussy Riot: "Wir haben zwei Freundinnen verloren"

Wir, die anonymen Mitglieder von Pussy Riot, möchten uns bei all den Leuten bedanken, die uns unterstützt haben. Jenen, die die Freilassung unserer Mitglieder gefordert haben, die mit uns mitgefühlt haben und unsere Überzeugung teilen. Wir sind euch allen sehr dankbar. Wir wissen den Beitrag jedes und jeder Einzelnen zur Pussy Riot Kampagne sehr zu schätzen und haben tiefen Respekt davor. Unsere gemeinsamen Bemühungen waren nicht umsonst: Wladimir Putin musste sich dem Druck der internationalen Gemeinschaft beugen und Nadia und Masha freilassen. Deshalb war der 23. Dezember ein Freudentag für uns – der Tag der Befreiung der politischen Gefangenen und der Befreiung von Pussy Riot. Aber der Straferlass bedeutet keinesfalls das Ende unserer Wünsche. Wir fordern wirkliche Gerechtigkeit: die vollständige Rücknahme des Urteils und das Eingeständnis, dass der gesamte Strafprozess gegen Pussy Riot nicht gerechtfertigt war. Wir hoffen, dass am 21. Februar die Gerechtigkeit wieder hergestellt wird – dem Jahrestag unserer provozierenden Performance in der Christ-Erlöser-Kathedrale mit dem Song „Mother of God, put Putin away!“ Wir sind sehr froh über die Freilassung von Masha und Nadia. Wir sind stolz auf ihren Widerstand gegen die Schauprozesse, denen sie sich aussetzen mussten, und auf ihre Entschlossenheit, unter allen Umständen den Kampf fortzusetzen, den sie während ihrer Zeit in den Straflagern begonnen haben. Bedauerlicherweise für uns, waren sie dort so sehr mit den Problemen russischer Gefängnisse beschäftigt, dass sie darüber die Bestrebungen und Ideale unserer Gruppe vollkommen vergessen haben – Feminismus, unabhängigen Widerstand, den Kampf gegen autoritäre Systeme und Personenkult. All die Dinge, die ihnen ihre unrechtmäßigeBestrafung eingebracht haben. Es ist kein Geheimnis, dass Masha und Nadia kein Teil unserer Gruppe mehr sind und an unseren radikalen Aktionen nicht weiter teilnehmen werden. Sie engagieren sich jetzt in einem neuen Projekt, als institutionalisierte Verteidigerinnen von Häftlingsrechten. Aber diese Art der Vertretung ist mit radikalen politischen Statements und provokanten Kunstwerken kaum vereinbar – ebenso wenig wie Gender-Konformismus mit radikalem Feminismus vereinbar ist. Das institutionalisierte Eintreten für andere kann es sich kaum erlauben, die fundamentalen Normen und Regeln zu kritisieren, die der modernen patriarchalen Gesellschaft zugrunde liegen. Als institutioneller Teil der Gesellschaft kann eine solche Interessenvertretung nicht mit dem Regelsystem der Gesellschaft brechen. Ja, wir haben zwei Freundinnen verloren, zwei ideologische Teammitglieder, aber die Welt hat zwei starke Menschenrechtskämpferinnen gewonnen, die sich für die Rechte russischer Häftlinge einsetzen. Leider können wir ihnen nicht persönlich gratulieren, da sie den Kontakt mit uns verweigern. Aber wir verstehen ihre Entscheidung und wünschen ihnen auf diesem neuen Weg von Herzen alles Gute. Im Moment werden wir Zeugen eines unfassbaren Widerspruchs: Obwohl Nadia und Masha im Fokus der Medien und der internationalen Gemeinschaft stehen und Heerscharen von Journalisten an ihren Lippen hängen, hört bisher niemand wirklich zu. In fast jedem Interview wiederholen sie, dass sie die Gruppe verlassen haben, dass sie nicht mehr zu Pussy Riot gehören, dass sie in ihrem eigenen Namen handeln, dass sie an radikalen künstlerischen Aktivitäten nicht mehr teilnehmen. Trotzdem steht in den Schlagzeilen immer noch überall unser Gruppenname, alle öffentlichen Auftritte der beiden werden als Pussy Riot Performances dargestellt, und ihr persönlicher Rückzug aus der Gruppe wird als das Ende des gesamten Projekts behandelt. Damit wird die Tatsache ignoriert, dass vor der Kanzel der Christ-Erlöser-Kathedrale nicht zwei, sondern fünf Frauen in Balaklavas standen und dass an der Performance auf dem Roten Platz acht Frauen teilnahmen. Der Höhepunkt dieses Missverständnisses war die Erklärung von Amnesty International, bei dem Erscheinen von Masha und Nadia im Barclays Center in New York handele es sich um den ersten legalen Auftritt von Pussy Riot. Hinzu kommt, dass das Poster von diesem Event nicht die Namen von Nadia und Masha zeigte, sondern ein Bild von einem Mann in Balaklava mit E-Gitarre unter dem Namen Pussy Riot, während die Organisatoren die Menschen geschickt zum Kauf teurer Tickets animierten. All das steht in extremem Widerspruch zu den ureigensten Prinzipien des Pussy Riot Kollektivs: Wir sind ein komplett weibliches, autonomes Kollektiv – kein Mann kann uns repräsentieren. Weder auf einem Poster, noch in der Realität. Wir sind antikapitalistisch – wir fordern von niemandem Geld, um unsere Kunst zu sehen, alle unsere Videos werden im Netz kostenlos zur Verfügung gestellt, die Zuschauer unserer Performances sind spontane Spaziergänger und wir verkaufen nie Tickets für unsere „Shows“. Unsere Performances sind immer illegal, werden nur an unvorhersehbaren Orten aufgeführt und nur an öffentlichen Orten, die nicht für traditionelle Unterhaltung vorgesehen sind. Die Verbreitung unserer Videos erfolgt immer über kostenlose und unzensierte Medienkanäle. Wir sind anonym, weil wir uns gegen jeden Personenkult wenden und gegen Hierarchien, die durch Erscheinung, Alter und andere sichtbare soziale Attribute entstehen. Wir bedecken unsere Köpfe, weil wir gegen die Idee sind, mit weiblichen Gesichtern als Markenzeichen für irgendwelche Waren oder Dienstleistungen zu werben. Die Vermischung des rebellischen Feminismus-Punk-Images mit der institutionalisierten Unterstützung für Häftlingsrechte schadet uns als Kollektiv und schadet auch der neuen Rolle, die Nadia und Masha übernommen haben. Hört endlich auf sie! Da sich Nadia und Masha entschieden haben, nicht mehr bei uns zu sein, bitten wir darum, ihre Entscheidung zu respektieren. Merkt euch: wir sind nicht mehr Nadia und Masha, sie sind nicht mehr Pussy Riot. Die Kampagne „Free Pussy Riot“ ist vorbei. Wir als Kunstkollektiv haben das moralische Recht, unsere künstlerische Praxis, unseren Namen und unsere äußerliche Identität zu bewahren und uns von anderen Organisationen abzugrenzen.

Menschenrechte sind wichtig – Die Profite sind wichtiger

Ukraine, Russland, Syrien oder die Wächter über die Humanität bei uns Von Günter Ackermann Man fragt sich ernsthaft, ob die Rationalisierung des Pressewesens schon soweit geht, dass nur eine Hand voll Journalisten die Meldungen machen und die anderen schreiben nur ab oder quasseln im Radio und Fernsehen nur noch nach. Da kommt im Regionalprogramm des Mittelwestdeutschen Rundfunks die Meldung, die Skilangläuferin Christl Schihstöckl aus Niederkufladen führe auch nach Sotschi. Sie habe die den letzten Winterspielen Platz 97 erreicht und rechne sich nun aus, Platz 81 zu schaffen. Der Sprecher fragt sie: „Was meinen Sie darüber, dass diese Spiele die teuersten aller Zeiten sind: „Ja m ei, schlimm. Aber mein Lieferant will für das Amphetamin nicht mehr haben.“ Klappe. Bärbel Schmalzkaas, Eiskunstläuferin und Tochter des Besitzers der bekannten Quarkfabrik auf die Frage des Reporters, was sie davon halte, dass die Arbeiter ihren Lohn nicht regelmäßig bekommen hätten: „Ich finde das moralisch verwerflich. Zumindest manchmal hätten die doch die Euros sehen können. Bei uns jedenfalls ist es so. Russland ist eben kein Rechtsstaat.“ Und in Sternzacke-TV sagt der Riesenslalom-Läufer Alois Ziegenbart aus Oberhammelberg zur Frage, was er davon halte, dass Putin sich bombastische Spiele genehmigt habe: „Das finde ich schlimm. Immerhin laufen wir auf Bombastic-Skiern und die Skifirmen investieren Millionen. Denen gehört die Öffentlichkeit,“ sagt’s, dreht seine Skier so ujm, dass man den gr0ßen Firmenaufdruck sehen kann. Jetzt soll man nicht glauben, diese oder ähnliche Meldungen seien vereinzelt – nein, auf allen Kanälen und immer und immer werden die gleichen oder ähnliche wiederholt. Gebetmühlenartig. Auch entdeckte der Gerneraldackel der UNO, Ban Ki-moon, seine Sympathie für Schwule. Jedenfalls meinte er, dass es ein Verstoß gegen die Menschenrechte sei, wenn Schwule verfolgt würden. Im UNO-Mitgliedsland, Hätschelkind des Westens und Großkunde auch für deutsche Waffen, Saudi Arabien, kann es passieren, dass Schwule dem Henker übergeben werde oder – wie geschehen im Jahr 2007 – zu 7000 Peitschenhieben (in Worten: siebentausend) verurteil werden. Aber nicht nur da. Im besten aller Vaterländer, in unserem, wurde noch 1984 der General Kießling aus der Bundeswehr gefeuert, weil er unter Verdacht stand, schwul zu sein. Ob er es war oder nicht, wurde nicht bekannt – und ist auch unwichtig. In der BRD wurden allein in der Zeit von 1950 bis 1969 von deutschen Gerichten 50.000 Männer wegen Homosexualität in den Knast geschickt. Erst 1994 wurde der Schwulenparagraf 175 aufgehoben. Folglich wunden die Olympischen Spiele von München in einem Land abgehalten, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten wurden. In Russland wurde jüngst ein Gesetz verabschiedet – auf Betreiben der russisch-orthodoxen Kirche – das sich gegen Schwule richtet. Aber nicht so, wie Ban Ki-moon in die Welt schwadronierte – die Presse laberte dann einfach nach. Die Duma hat nur ein Gesetz verabschiedet, dass Propaganda für Homosexualität bei Kindern und Jugendlichen verbietet. Über Sinn und Unsinn solch einer Bestimmung kann man streiten, aber z.B. Pornografie – schwul, lesbisch und stino – bei Minderjährigen ist bei uns ja auch verboten. Verstoß gegen die Menschenrechte? An den Olympischen Spielen – Sommer- und Winterspiele – gibt es viel zu kritisieren. Ganz oben angefangen: Das IOC ist ein korrupter Verein und vergibt die Spiele an den Meistbietenden. Wer nicht genug zahlt, zahlen kann oder will, fällt durch. Denn die Spiele sind ein gigantisches Geschäft und da wollen die Oberolympioniken kräftig mit verdienen. Auch die Politik – oder einzelne Firmen – benutzen sie zu Propagandazwecken. Allgemein bekannt ist, dass Hitler die Spiele von 1936 vor seinen Propagandawagen spannte. Aber auch die Spiele von München 1972 sollten der Welt zeigen, wie demokratisch und friedlich Deutschland sei. Dass dann der Schwarze September zuschlug, war nicht im Sinne der Regie. 1996 in Atlanta, USA, gabs dann die Coca Cola-Spiele. Der Ami-Brause-Konzern Coca Cola trug die Spiele faktisch aus und das in der Stadt seines Firmensitzes. Darüber regten sich die Gazetten nicht auf. Als dann am 27. Juli ein Bombenattentat verübt wurde, bei dem zwei Menschen getötet und 111 verletzt wurden, folglich die Sicherheitsvorkehrungen erhöht wurden, fand das allgemeine Zustimmung. Die US-amerikanische Presse ging soweit, dass sie eine Hetzkampagne gegen den Entdecker der Bombe startete, obwohl der damit Menschenleben rettete. Die Sicherheitsvorkehrungen in Sutschi aber ist es lt. Presse schlimm. Was also soll das Propagandageschrei der gleichgeschalteten Massenmedien? Putin ist ebenso wenig ein Superdemokrat wie es die Merkel bei uns, der Hollande in Frankreich, Obama oder sonst wer ist. Die Merkel erpresst Griechenland, damit die Regierung z.B. die staatliche Telekommunikation für einen Appel und e in Ei an die deutsche Telekom verkauft – genannt Privatisierung; Hollande schickt die Fremdenlegion nach Afrika um dort für Ruhe und Ordnung zu sorgen – immerhin gilt es riesige Bodenschätze für französische Konzerne zu sichern; Obama lässt seinen Geheimdienst weltweit schnüffeln damit er dann auch Ziele für seine Drohnen zum Ermorden hat und Putin, na ja, der hat ne Olympiade (die hatte 1972 Bundeskanzler Brandt aber auch) und Putin hat das umstrittene Anti-Schwulen-Gesetz. Putin ist der starke Mann eines Staates, in dem die Oligarchen sich auf Kosten des Volkes bereichern – die unsrigen tun es seit 150 Jahren und zettelten dabei zwei Weltkriege an. Aber, während der Säufer Jelzin, der schon mal bei Staatsbesuchen nicht wusste, wo er ist, steht Putin für den Teil der Oligarchen, die sich an den russischen Reichtümern selbst bereichern wollen. Bei Jelzin kamen ganze Kohorten von Goldsuchern westlicher Konzerne und wollten sich russisches Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten usw. unter den Nagel reißen. Dem Treiben machte Putin ein Ende. Unverzeihlich! Die Medien beten aber all das herunter, was ihnen vorgegeben wird. Nicht nur die Springer-Presse, auch seriöse Zeitungen, wie FAZ, Süddeutsche usw. stoßen ins Horn. War es vor Jahrzehnten noch verständlich, wenn sie gegen die Russen hetzten, immerhin regierten dort die Erzfeinde der Konzerne, die Kommunisten, ist das heute anders. Jetzt geht’s nicht um Ideologie, es geht um Handfestes, Dollars, Rubel, Euros und das, woraus die sind: Die Schätze des russischen Volkes. Die zu besitzen streiten sie sich und, weil Putin sie den Deutschbänkern , Wallstreet-Spekulanten und Hedgefonds nicht raus gibt, was sie so gern hätten, sind sie sauer und rufen: „Putin der Antidemokrat und Menschenrechtsverletzer.“ G.A.

Gespräch zwischen Vize-Staatssekretärin Victoria Nuland und Botschafter der USA in Ukraine

Das abgehörte Staatsstreichgeflüster zwischen Obamas stellv. Außenministerin und dem US-Botschafter in Kiew – Peinlich! Aus: Voltaire-Net Ein auf YouTube aufgetauchtes abgefangenes Gespräch zwischen Vize-Außenministerin Victoria Nuland und ihrem Botschafter in der Ukraine hat einen starken Konflikt zwischen Washington und Brüssel ausgelöst. Aber das wichtigste ist woanders: das Gespräch zeigt, dass die Vereinigten Staaten nicht an den offiziellen Slogans der Demonstranten von dem Maidan Platz (Anschluss zur Europäischen Union) interessiert sind, sondern dass sie für den Regimewechsel arbeiten, um einen von ihren Männern an die Macht zu bringen und Unruhen zu verbreiten. Hier finden Sie die Übersetzung eines Telefongesprächs zwischen Victoria Nuland, Unter-Staatssekretärin der Vereinigten Staaten, und Geoffrey R. Pyatt, US-Botschafter in der Ukraine. Dieses Gespräch ist zwischen dem 22. und 25. Januar 2014 geführt worden. Es ist auf mysteriöse Weise auf YouTube geladen worden, was vorerst ein Dementi des State-Departments auslöste. Dann, als nach der Veröffentlichung eines Artikels im Kyiv Post der Skandal in Schwung kam, hat sich Victoria Nuland bei der Europäischen Union entschuldigt, aber mit der Bemerkung, dass das Abhören eines privaten Gespräches durch den russischen Geheimdienst gemacht worden sein könnte, – eine wirklich spaßige Bemerkung seitens eines Staates, der die Kommunikation fast der ganzen Welt ausspioniert-. Victoria Nuland ist eine neo-konservative Diplomatin, Ehefrau des Historikers Robert Kagan. Sie war der wichtigste Berater in Außenpolitik von Vizepräsident Dick Cheney, bevor sie von George W. Bush zum Botschafter bei der NATO ernannt wurde. Hillary Clinton machte aus ihr den Sprecher des Außenministeriums, und John Kerry danach seine Assistentin für Europa und Eurasien. Sie ist es, die die Destabilisierung der Ukraine leitet. In diesem Gespräch gibt sie in trivialer englischer Sprache Anleitungen, wie auf den Vorschlag von Präsident Janukowitsch, die Opposition eine Regierung bilden zu lassen, zu reagieren sei. Ihr zufolge müsste man Arseniy Yatsenyuk platzieren, Wladimir Klitschko aus dem Spiel halten und den Naziführer Oleh Tyahnybok umgehen, weil er unangenehm wird. Nebenbei erfährt man, dass der ehemalige amerikanische Diplomat Jeffrey Feltman, jetzt Stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen, in dieser Organisation ernennt, wen er will, und er die Vereinten Nationen dazu nutzt, um den verdeckten Aktionen der USA einen legalen Anstrich zu verleihen. So konnte er den Niederländer Robert Serry, ehemaligen Leiter der NATO-„Operationen“, zum Vertreter der Vereinten Nationen ernennen. Letztlich ist es nicht so gelaufen, wie geplant war und die Opposition hat keine Regierung gebildet. Das abgehörte Staatsstreichgeflüster zwischen Obamas stellv. Außenministerin und dem US-Botschafter in Kiew Victoria Nuland: Was denkst du? Geoffrey R. Pyatt: Ich denke, wir spielen. Die Klitschko-Figur ist natürlich hier das komplizierteste Elektron, vor allem, da er als stellvertretender Ministerpräsident angekündigt wurde. Kennst du meine Notizen über die Probleme der Ehe derzeit, wir versuchen, eine sehr schnelle Lesung zu bekommen, um zu erfahren, ob er ein Teil des Teams ist. Aber ich denke, dass Deine Argumentation was ihn betrifft, was du ihm sagen musst – ich glaube, das ist der nächste Anruf, den Du organisieren willst – ist genau der, den Du schon Yats [Jazenjuk][1] gegeben hast. Ich bin froh, dass Du ihn ins Gebet genommen hast (…) Er gehört zu diesem Szenario. Und ich bin sehr froh, dass er sagte, was er gesagt hat. Victoria Nuland: Gut. Ich glaube nicht, dass Klitsch [Klitschko] in der Regierung sein sollte. Ich glaube nicht, dass er notwendig sei, ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist. Geoffrey R. Pyatt: Ja, ich möchte sagen, ich denke…… In Bezug auf seine Nicht-Beteiligung an der Regierung, ich bin der Meinung ihn draußen zu lassen, damit er sich seinen politischen Pflichten widmet. Ich tue nichts als nachdenken, um die Optionen zu sortieren um weiter zukommen, wir wollen die gemäßigten Demokraten zusammen halten. Das Problem wird Tyahnybok und seine Jungs sein. Und weißt du, ich bin sicher, dass dies ein Teil der Berechnung von Janukowitsch ist. Victoria Nuland: Ich denke Yats, das ist der Kerl. Er hat wirtschaftliche Erfahrung und Erfahrung zu regieren. Er ist der Kerl. Weißt du, was er braucht, ist, dass Klitsch und Tyahnybok draußen bleiben. Wir müssen mit ihnen viermal pro Woche reden. Weißt du, ich denke gerade, dass wenn Klitschko hineinkommt, er auf dieser Ebene mit Jazenjuk arbeiten muss, und es ist gerade das, dass das nicht funktionieren wird… Geoffrey R. Pyatt: Ja, ja, ich denke, es ist wahr. OK gut. Willst du, dass wir einen Anruf mit ihm als nächste Etappe organisieren? Victoria Nuland: Meine Auffassung des Anrufs, von dem Du sprichst, ist, dass die drei Großen an ihrer eigenen Sitzung teilnehmen und dass Yats ihnen in diesem Zusammenhang anbietet. Weißt Du, ein Gespräch „drei plus eins“ oder „drei plus zwei“ wenn Du teilnimmst. Verstehst Du das so? Geoffrey R. Pyatt: Nein, ich denke, dass es das ist, was er vorgeschlagen hat, aber da wir ihre interne Dynamik kennen, als Klitschko der dominante Hund war, wird er sich Zeit nehmen, bevor er in einer ihrer Sitzungen auftaucht und muss bereits dabei sein mit seinen Jungs zu reden. Also ich denke, wenn Du Dich direkt an ihn wendest, würde es helfen, Persönlichkeits-Verwaltung mit den drei zu machen. Das gibt Dir auch die Möglichkeit, das alles schnell zu behandeln, und wird uns erlauben dahinter zu sein, bevor sie sich zusammensetzen und er erklärt, warum er nicht einverstanden ist. Victoria Nuland: Okay. Gut. Ich bin glücklich. Warum kontaktierst Du ihn nicht um zu sehen, ob er vor oder nachher reden will. Geoffrey R. Pyatt: OK, ich werde es tun. Vielen Dank. Victoria Nuland: Ich erinnere mich nicht, ob ich dir gesagt habe, oder ob ich darüber nur mit Washington gesprochen habe: als ich heute Morgen mit Jeff Feltman sprach, hatte er einen neuen Namen für den Typ der Vereinten Nationen: Robert Serry. Ich habe Dir darüber heute Morgen geschrieben. Geoffrey R. Pyatt: Ja, ich habe das gesehen. Victoria Nuland: Okay. Er bekam heute bestätigt, von beiden, Serry und Ban Ki-Moon, dass Serry Montag oder Dienstag kommen wird. Das wäre toll, glaube ich, es würde helfen, dieses Projekt zu Schweißen und die Hilfe der Vereinten Nationen zum Schweißen zu haben, und, weißt Du was, die Europäische Union zu ficken. Geoffrey R. Pyatt: Nein, genau. Und ich denke, dass wir etwas tun müssen, um sie an uns zu kleben, weil Du sicher sein kannst, dass wenn sie beginnt, Höhe zu gewinnen, die Russen hinter den Kulissen arbeiten werden, um zu versuchen die Sache zu torpedieren. Und noch einmal, die Tatsache, dass es jetzt auf dem öffentlichen Platz ist, in meinem Kopf, bin ich immer noch dabei zu versuchen zu verstehen, warum Janukowitsch (…). In der Zwischenzeit gibt es jetzt ein Treffen der Partei der Regionen und ich bin sicher, dass es eine sehr lebhafte Diskussion in dieser Gruppe zu diesem Thema gibt. Aber auf alle Fälle können wir den Pfannkuchen auf die richtige Seite schmeißen, wenn wir schnell handeln. Also lass mich an Klitschko arbeiten und wenn Du nur beibehalten kannst… Ich denke, wir sollten einfach versuchen, jemanden mit einer internationalen Persönlichkeit zu finden, um unser Projekt zu entbinden. Die andere Frage betrifft Janukowitsch, aber wir werden morgen darüber reden, wir werden sehen, wie die Dinge beginnen sich zu arrangieren. Victoria Nuland: Also, zu diesem Punkt, Jeff, als ich den Hinweis schrieb, hat mir Sullivan [Jacob Sullivan, der Berater von Joe Biden gewesen war, ist einer der Unterhändler des Rates der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten] in einer sehr formalen Weise geantwortet, indem er sagte, dass ich Biden bräuchte, und ich sagte, wahrscheinlich morgen, für die Bravos und um die Einzelheiten zusammen zu stellen. Also, Biden ist bereit. Geoffrey R. Pyatt: Okay. Sehr gut, Danke. Übersetzung Horst Frohlich Quelle Oriental Review [1] Arsenij Petrowytsch Jazenjuk, wirtschaftsliberaler Politiker und Jurist in der Ukraine. Jazenjuk war früher Banker und stellv. Boss bei der AT AvalBank (gehört jetzt zur österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI). Jazenjuk ist das derzeitige Lieblingskind der USA in der Ukraine.

Der sowjetfeindliche Marschall

Eine seltsame Vorgeschichte Von S. Golik Quelle: http://izhvkpb.narod.ru/tuh/statja.html Übersetzung aus dem Russischen: W. Schindler Laut der Mehrheit seiner Biografen habe der junge Leutnant der Leibgarde des Semjonowsker Regiments, Michail Tuchatschewski[1], im 1.Weltkrieg heldenhaft gekämpft. Bevor er in deutsche Gefangenschaft geriet, habe er sechs Kampforden bekommen. Aber auch hier soll er Heldenmut gezeigt haben: er habe vier mißlungene Fluchtversuche unternommen und sei daraufhin in die Festung Ingolstadt verbracht worden, wo die Deutschen die besonders unruhigen Kriegsgefangenen verwahrten, die mehrfach zu fliehen versucht hatten. Der fünfte Fluchtversuch Tuchatschewskis aus diesem furchtbaren hochgeschützten Ort jedoch sei gelungen, und von Erfolg gekrönt! Er habe am 18. September 1917 die schweizerische Grenze überschritten und sei am 12. Oktober in Paris bei dem russischen Militärattaché A.Ignatjew eingetroffen. Am 20. November war er bereits in Petrograd und im Februar 1918 in Moskau. Hier blieb er im Haus eines einstigen Bekannten, N.N. Kuljabko, eines ehemaligen Musikers, im März 1918 wurde er Mitglied des Gesamtrussischen Zentralen Exekutivkomitees (GZEK). Und schon diente Tuchatschewski in der Militärabteilung des GZEK. „Ich sah, daß er schon fest auf den Positionen der Bolschewiki steht“, erinnerte sich Kuljabko, „hörte seine begeisterten Kommentare über Wladimir Iljitsch Lenin und schlug ihm deshalb vor, in die Reihen der kommunistischen Partei einzutreten.“ Am 5. April trat Tuchatschewski in die Allunions-KP(B) ein, und als an der Wolga der Aufruhr der Belotschechen entbrannte, stellte Kuljabko ihn Lenin vor. Lenin habe der junge Offizier offenbar gefallen, und so wurde der ehemalige Oberleutnant schon am 28. Juni 1918 zum Befehlshaber der 1. Armee der Östlichen Front ernannt! In der Festung Ingolstadt Diese vorliegende Beschreibung der Vorgänge entstand während der Welle der stalinfeindlichen Hysterie Chruschtschows. Zu dieser Zeit war es üblich, alle angeblich unschuldig hingerichteten „Strategen“ zu „heroisieren“. Lange Zeit wurde die Wahrhaftigkeit der Ereignisse über die schwindelerregende Karriere Tuchatschewskis nicht in Zweifel gezogen, weil die Archive verschlossen waren. Aber es gibt Tatsachen, die vor kurzem aufgedeckt wurden, die dazu zwingen, die Persönlichkeit und den Sturz des berühmten Marschalls auf ganz neue Weise zu sehen. Die Festung Ingolstadt, unweit von München, wo die Deutschen die besonders unruhigen Kriegsgefangenen festhielten, die mehrfach versucht hatten, zu entkommen, erwies sich in Wirklichkeit als ein Lager der Anwerbung und Vorbereitung jener gefangenen Offiziere, auf die der deutsche Geheimdienst oder die deutschen politischen Behörden aus diesem oder jenem Grunde „ein Auge“ geworfen hatten. Unter den namhaftesten Gefangenen dieses Lagers befanden sich der zukünftige Marschall der Sowjetunion Tuchatschewski und Gamelin[2], der künftige Chef des französischen Generalstabs, der 1940 den Militäreinsatz gegen Hitler schimpflich verlor. Obwohl er über ein ernsthaftes Übergewicht an Kräften verfügte, hat Gamelin übrigens alle Warnungen des französischen Geheimdienstes vor einer Aggression Hitlers ignoriert, und er sabotierte nicht weniger erfolgreich alle Versuche der UdSSR die militärische Zusammenarbeit mit Frankreich in Ordnung zu bringen, einschließlich in 1937. Übrigens stimmen die Anschuldigungen an die Adresse von Tuchatschewski Punkt für Punkt mit dem überein, was drei Jahre nach seiner Erschießung auch Gamelin vorgeworfen wurde: er hat die militärische Verpflichtung gegenüber seiner Heimat schändlich versäumt. Tuchatschewskis geheimnisvolle „Fluchten“ und ein Aufenthalt in der Schweiz Die Konzentration der wichtigsten oder wenigstens einigermaßen aussichtsreicher Kriegsgefangenen, insbesondere Offiziere, ist nicht neu. Dieser Methode bedienten sich alle Geheimdienste der Welt, um sich beizeiten auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Und dazu müssen Geheimagenten und Agentennetze usw. vorbereiten. Seinen Worten nach sei Tuchatschewski, bevor er nach Ingolstadt kam, viermal geflohen (?). Über die ersten drei Versuche ist nichts nicht bekannt. Einige Nachrichten sind nur über die vierte Flucht aus dem Lager Bad Stuer erhalten geblieben. Nach alldem zu urteilen: Das alles entspricht in etwa der allgemeingültigen Methode der Legendenbildung bei der Organisation von Fluchten der „eigenen“ Leute. Mit anderen Worten, die Verbreitung von Gerüchten über die verschiedenen Fluchten Tuchatschewskis ist nicht mehr als eine Legende, die sein Erscheinen in der Festung von Ingolstadt rechtfertigt, von wo aus es ohne weiteres möglich war, gegen Unterschrift und Ehrenwort zu einem Spaziergang in die Stadt zu gehen. Damit ist auch sein fast einmonatiger Aufenthalt nach der Flucht in der Schweiz verbunden. Er tauchte am 18. September 1917 dort auf, und er erschien erst am 12. Oktober vor dem russischen Militärattaché A. Ignatjew in Paris. Man fragt sich, was tat er einen ganzen Monat in der Schweiz, wenn es ihn so nach Hause zog, daß er fünfmal wegzulaufen versuchte? Von der Schweiz aus bis nach Frankreich ist es doch nur ein Katzensprung. So werden Agenten gemacht Und wenn man sich daran erinnert, daß in der Schweiz mächtige Residenturen des deutschen Geheimdienstes saßen, dann hat alles seinen Platz und aller Nebel wird zerstreut. Ganz zu schweigen davon, daß ihm gerade die fünfte Flucht ausgerechnet rechtzeitig bis zum Oktober gelang. Und zugleich entsteht auch die Frage: Warum hat er sich nicht, und nicht sofort, an den russischen Militärattaché in der Schweiz, Generalmajor Golowan[3], damit ihm jener ihm schneller helfe, nach Rußland zurückzukehren? Nein, Tuchatschewski wurde aus unbekannten Gründen genötigt, durch die ganze Schweiz und Frankreich zu fahren, um dann gerade dort vor Ignatjew zu erscheinen. Ja, weil den Deutschen wohlbekannt war, daß Golowan nicht nur seine Bitte um die Abreise nach Hause erfüllt hätte, sondern vor allem, weil er den aus der Gefangenschaft entlaufenden Leutnant Tuchatschewski sorgfältig geprüft hätte, weil er über ein kleines, aber sehr wirksames Agentennetz zur Beobachtung aller illegalen Beziehungen von Deutschen nach Rußland verfügte. Die Agentur Golowans bescherte dem deutschen Geheimdienst nicht wenig Unruhe. Und Ignatjew in Paris war aufgrund seiner enormen Belastung als Vertreter beim Stab des verbündeten Kommandos der Entente[4] aus Zeitmangel offenbar nicht imstande, sich mit einer solchen Prüfung zu befassen, gleichzeitig war er eine gewisse Autorität: Ignatjew schickte ihn nach Hause! Der künftige „Stratege“ der Reichswehr in Rußland Nach alledem sind die Berechnungen genau aufgegangen – schon am 20. Oktober 1917 war der künftige „Stratege“ in Rußland. Im Februar 1918 fand dann das „wunderbare“ Treffen Tuchatschewskis mit N.N. Kuljabko statt, dem Mitglied des GZEK für die Arbeit mit den Militärkommissaren, welcher gleichzeitig Militärkommissar für die Verteidigung Moskaus war. Im April 1918 wurde Tuchatschewski Mitglied der Allunions-KP (B), dorthin hatte ihn ein alter Freund der Familie empfohlen, ein bewährter „Revolutionär“ und ehemaliger Oberstleutnant der Sonderabteilung der Gendarmerie, der ehemalige Chef der Kiewer Schutzabteilung – derselbe N.N. Kuljabko! Wenn Tuchatschewski als Mitarbeiter Frunses[5] nach Deutschland gekommen wäre, so wäre es für jeden, und nicht nur für den deutschen Geheimdienst eine Sünde gewesen, wenn er die einzigartige Chance nicht genutzt hätte. Gerade 1925 geschah dann der endgültige Abbruch der Beziehungen der Deutschen zu Tuchatschewski. Und zwar in dem Sinne, daß der deutsche Geheimdienst zu jener Zeit entsprechend einem Hinweis aus höchsten Kreisen der deutschen Generalität den zweckmäßigsten Charakter der weiteren Nutzung der Beziehungen mit seinem „Strategen“ festlegte. Doch paßte er schon mehr nicht in die Rolle eines gewöhnlichen Spions, denn die Perspektive war ja viel zu verlockend, in naher Zukunft für die globalen geopolitischen Kombinationen der Reichswehr einen mächtigen Agenten von strategischem und militär-politischem Einfluß zu bekommen. Der künftige „Stratege“ der Reichswehr in Sowjetrussland Bis 1931 war die Militärspionageabwehr, das heißt die besondere Abteilung, der Obersten Militärführung des Landes unterstellt – dem revolutionären Militärrat der Republik. Und die Führung der Militärspionageabwehr jener Zeit wurde zum Kreis der Hauptteilnehmer der militärischen Verschwörung. Deshalb gelang es damals, und eine längere Zeit auch nicht, Tuchatschewski und seine Hauptkomplizen der Wühl- und Spionagetätigkeit zu überführen. Es gibt in der schmutzigen und käuflichen Presse unzählige Auslassungen darüber, daß Stalin die klügsten und talentiertesten Heerführer vernichtet habe, was die Niederlagen der Roten Armee in den ersten Kriegsjahren bedingt habe. Doch das ist alles Demagogie. Stützen wir uns also besser auf die Tatsachen und auf die historischen Ereignisse. Tuchatschewski und die fünfte Kolonne Worin bestand das „Talent“ solcher Leute wie Tuchatschewski, Kork, Feldman, Ejdeman, Jakir, Gamarnik u.a.? Es ist nicht bekannt, wofür und gegen welche reguläre Armee eines anderen Staates sie im Krieg begabt gewesen sein sollten. Denn die erste Begegnung Tuchatschewskis mit der polnischen Armee im Bürgerkrieg endete mit der völligen Vernichtung seiner Truppen! Anstelle der Zerschlagung Polens und der Wiederherstellung des Hoheitsgebiets Rußlands, geschah das „Wunder an der Weichsel“, bei dem Tausende Rotarmisten in Gefangenschaft gerieten und vernichtet wurden. Und man sollte hier auch nicht unerwähnt lassen: durch die Polen wurden Zehntausende Gefangene vernichtet! Als erster zog der notorische Stalinfeind N.Chruschtschow Tuchatschewski aus dem Nichts hervor und verklärte seine farblose Mittelmäßigkeit zum militärischen Genie. Und da es schon immer genügend Speichellecker in unserem Land gab, haben sie – gemeinsam mit Tuchatschewskis Kumpanen aus den Reihen der fünften Kolonne – begonnen, Chruschtschows Hirngespinste nachzubeten. Die „Reformvorschläge“ eines Maulwurfs In Februar 1964 jammerte Marschall S.S.Birjusow in der „Militärhistorischen Zeitschrift“ darüber, daß das Genie M.N.Tuchatschewski noch 1927 an Stalin einen Brief geschrieben habe und darin das Programm der tiefen Reorganisation der Roten Armee und der Entwicklung der Luftflotte, der Artillerie, der Luftlande- und Panzertruppen dargelegt habe. Jedoch wurden alle diese Vorschläge Tuchatschewskis nicht nur von Woroschilow und Stalin für wertlos erachtet und nicht unterstützt, sondern sogar als feindlich eingeordnet. Mehr noch – Tuchatschewski beharrte auf seiner Meinung, und Stalin mußte sich seiner erwehren, wie einer lästigen Fliege. Tuchatschewski gab jedoch nicht nach, so daß Stalin ihn schließlich vom Posten des Stabschefs der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee enthob. Die Vorschläge Tuchatschewskis wurden nicht bewertet, nicht verstanden. 1937 wurde der große „Stratege“ Tuchatschewski verhaftet, und während des Gerichtsverfahrens gegen ihn erinnerte man sich auch an seine Versuche, die Rote Armee zu reformieren. Nunja, würde beispielsweise ein Stallknecht oder ein Militärkoch, der weder etwas von Militärkunst, noch von militärisch-industriellen Zusammenhängen versteht, eine solche Einschätzung abgeben – aber das schreibt so etwas wie ein Marschall… Mangelnde Intelligenz und unverständliche Begriffe Häufig treffen wir im Leben auf Menschen, die sich bemühen, ihre geistigen Unzulänglichkeiten hinter unverständlichen Fremdwörtern oder selbsterfundenen Begriffen zu verstecken, die für Umgebung unbekannt sind, um ihre „Gelehrsamkeit“ oder „Belesenheit“ zu zeigen. Auch Tuchatschewski litt unter dieser Krankheit, oder genauer gesagt an einem Minderwertigkeitskomplex. In dem Buch „Die Säuberung“ werden viele solcher Perlen des „Militärgenies“ aufgeführt, wie beispielweise „Polemostrategie“. Niemand verstand den von Tuchatschewski erdachten Begriff, deshalb hielten ihn die Minderbemittelten für ein Genie. Wie man nur auf so einen Begriff kommt! Es bedeutet absolut nicht, aber es klingt so! Oder eine andere Wortschöpfung von ihm: „Entflüchtigung“…. Oder beispielsweise: „dabei vergrößert sich der Eisenbahn-Fakultativ“, „der sich nicht verdichtende Verteidigungsvorhang“, oder: „die Harmonika der Zergliederung der Kräfte“. Ein beliebiger Leiter, um so mehr auf staatlichem Niveau, soll seine Gedanken kurz und verständlich erklären, was ganz gewiß auch vom Vorhandensein seines Intellekts zeugt. Stalin verfügte über Humor und einen klaren Verstand Stalin beherrschte vollkommen diese Klarheit des Gedankens und die Kürze seiner Darlegung. Harry Hopkins, der persönliche Vertreter F.Roosevelts traf Stalin in den schwersten Kriegstagen, so auch im Juli 1941. Er erinnerte sich: „Stalin wiederholte sich nicht ein einziges Mal. Er sprach scharf und direkt. – Es schien, als spräche man mit einer außerordentlich ausgeglichenen Maschine… Seine Fragen waren klar, kurz und direkt… Seine Antworten waren schnell und unzweideutig…“ Winston Churchill: „Stalin verfügte über einen großen Sinn für Humor und Sarkasmus, sowie der Fähigkeit genau, die Gedanken zu äußern. Seine Artikel und Reden schrieb Stalin schrieb, und in ihnen klang eine gigantische Kraft.“ Eine ebensolche Einschätzung Stalins gibt auch der Marschall Shukow: „Ich habe hier immer diese Kürze geschätzt, und es ist unmöglich, sie nicht zu schätzen, mit der er verstand, seine Gedanken zu erklären und Aufgaben zu stellen, ohne auch nur ein überflüssiges Wort zu sagen. Und diese Kürze schätzte er seinerseits auch bei anderen, und er verlangte inhaltsreiche und kurze Berichte. Er konnte überflüssige Worte nicht ertragen und zwang einen in solchen Fällen sofort, zum Wesen der Sache überzugehen.“ („Militär-historische Zeitschrift“. 1987, №9, S.55). Diese Qualitäten Stalins haben viele Marschälle und Generäle gewürdigt, wie z.B. A.M. Wassilewski, I.S. Konew, K.K. Rokossowski, den M.W. Sacharow, A.I. Jeremenko, S.M. Schtemenko und andere. Sie würdigten die Selbstbeherrschung, das phänomenale Gedächtnis, die Fähigkeit zur Analyse und zu Verallgemeinerungen, worin ihn keiner seiner Zeitgenossen übertreffen konnte, die Willensstärke, und seine wesentlichste Fähigkeit, seine Gedanken kurz und klar zum Ausdruck zu bringen. Die irrwitzigen Ideen Tuchatschewskis Es ist geradewegs so, daß das intellektuelle Niveau Stalins, der klar dachte und deutlich sprach, das Niveau von Tuchatschewski bei weitem übertraf, so daß eine Zusammenarbeit einfach undenkbar war. Was soll man also über jene irrwitzigen Vorschläge sagen, die Tuchatschewski in seinen Projekten zur Reform der Roten Armee dargelegt hatte. Beispielsweise hatte Tuchatschewski im Dezember 1927 Stalin eine ganze Reihe irrwitziger Ideen unterbreitet – unter anderem: 1928 im Laufe von nur einem (!) Jahr 50.000 – 100.000 Panzer produzieren zu lassen! Sogar am 1. September 1939, als Hitler den Zweiten Weltkrieg begann, hatte Deutschland nur 2.937 Panzer, wobei sie nicht in einem Jahr gebaut worden waren. Überdies hat Deutschland während der gesamten Kriegszeit (1939-45) 24.241 Panzer produziert, wobei es die Wirtschaftsmacht des ganzen unterworfenen Europa nutzte. 100.000 Panzer für den Sperrmüll Was soll man dazu sagen, wenn die Sowjetunion 1928 nicht nur keine Panzerfabriken, sondern auch keinen Schwermaschinenbau, keinen Motorenbau und auch sonst keine Produktionsmöglichkeiten für die Produktion von 2.000 Panzern hatte. Außerdem bestand damals eine Panzerbesatzung aus 3 Personen, also hätte man schon Anfang 1929 sofort 150.000-300.000 Panzersoldaten haben müssen. Wie hätte man auch Kolchosbauern oder Fabrikschlosser in einen Panzer setzen sollen? Für die Vorbereitung einer solchen großen Anzahl von Panzersoldaten, hätten militärische Ausbildungseinrichtungen geschaffen werden müssen, außerdem wäre für die Panzertruppen eine riesenhafte Infrastruktur, Reparaturwerkstätten, eine umfangreiche bedienenden Technik, der Tankfahrzeuge, Zisternen aus feuerfestem Material usw. erforderlich gewesen. Und für die Panzer hätte man viele Millionen Geschosse und Patronen benötigt, Pioniere, die ihnen Weg anlegten, eine ganze Armee zur Verteidigung, Truppen zur Unterstützung usw., was bedeutet hätte, für 150.000-300.000 Panzersoldaten zusätzlich noch 1.800.000-2.400.000 Militärangehörige, 20.000-30.000 Traktoren, ebenso viele Ausrüstungen und 200.000-300.000 Kraftfahrzeuge zur Verfügung zu haben. Die Sowjetunion wäre schon 1928 überwältigt worden… Ich denke, dem Leser ist die „geniale“ Idee Tuchatschewskis jetzt klarer geworden. Und das Entscheidendste – um selbst die Produktion einer großen Serie von einigen tausend Panzern in Angriff zu nehmen, muß man ein geeignetes Muster haben. Aber 1928 hatte noch niemand in der Welt ein geeignetes Muster eines Panzers für die Zukunft. Es gab Panzerautos. Beispielsweise war die Rote Armee 1928 mit Panzerfahrzeugen „MS-1“ mit einer Motorleistung von 35 PS ausgerüstet. Das war der „Saporoshez“ der Sowjetzeiten. Dieser Panzer war genietet und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h. Und wenn wir uns nun vorstellen, daß die Erde nach einer solchen Bestellung von 50.000 Panzern zugepflastert wäre, was würden wir dann einige Jahre später damit anfangen, wenn die ersten brauchbaren Muster von Panzern aufkämen? Außerdem wäre die Sowjetunion durch die Produktionskosten einer solcher Anzahl Panzer zerstört und schon 1928 überwältigt worden, und das Volk zum Aussterben verdammt! Weitere sinnlose Vorschläge Oder – wie beispielsweise die Zeitung „Krasnaja Swesda“ am 20. August 1994 schrieb, brachte Tuchatschewski Anfang 1930 ein neues Projekt hervor, (in jener friedlichen Zeit) 260 Schützen- und Kavalleriedivisionen, 50 Artilleriedivisionen mit den leistungsfähigen Waffen und Granatwerfern, 225 Maschinengewehrbataillone, 40.000 Flugzeuge und 50.000 Panzer aufzustellen. Die wahnwitzigen Panzerideen hatten wir schon betrachtet, wenden wir uns nun den Flugzeugen zu. Ein Fliegerregiment besteht aus 30-40 Flugzeugen, das bedeutet also: mindestens 1.000 Regimenter. Für jedes Regiment muß man einen Hauptflugplatz haben und einige Ersatzflugplätze, das bedeutet, insgesamt braucht man 3.000 Flugplätze und die gesamte Infrastruktur plus ihre Verteidigung durch Flakartillerie. Und für die Flieger braucht man Militärflugbildungseinrichtungen, Schulen sowie die entsprechenden Lehrer. Und was braucht man da noch allen an Fallschirmen, Pelzjacken, Funkgeräten, Zehntausende Fahrzeuge für die Versorgung mit Treibstoff, Kampfvorrat, Ersatzteilen, Werkstätten usw. Und woher soll man plötzlich Zehntausende von Technikern nehmen? Und Tausende Flugplätze müssen vom Schnee befreit werden usw. u.ä. Und das gleiche mit 50 Artilleriedivisionen. Insgesamt schlug Tuchatschewski während der Friedenszeit vor, 310 Schützen-, Kavallerie- und Artilleriedivisionen zu haben. Das ist mehr als 25 Mal (!) soviel, wie Deutschland damals hatte. Schon darin zeigt sich, was für ein „Genie“ die deutsche Reichswehr hervorgebracht hat. Frinowski, Jakir und die anderen Banditen Die anderen „Strategen“ aus diesem Verein in der Armee, die wegen der Vorbereitungen und ihrer Teilnahmen an der militärischen Verschwörung erschossen wurden, befanden sich auf dem gleichen Niveau. So kam zum Beispiel M. Frinowski aus einem kriminellen Umfeld und hatte eine Banditenvergangenheit, woran die blauen Tätowierungen an seinen Händen erinnerten… Jona Jakir war ein ehemaliger Student, der sich der Front im 1.Weltkrieg entzog. Nach der Februarrevolution verwandelte er sich schnell in einen Revolutionär, einfacher gesagt, er wurde Bandit. Mehr noch, dieser ehemalige Student wurde zum Anführer einer Bande von Folterknechten, Sadisten und Mördern… Besonders wurde Jakir vom Henker am Don verehrt, wo er Direktiven zur prozentualen Vernichtung der männlichen Bevölkerungen herausgab. Und alle diejenigen Schergen, die nicht zum Tode verurteilt worden waren und ihre Nachkommenschaft, welche N. Chruschtschow ausnehmend freundlich behandelte, haben diese Bandenführer und Söldner, diese Folterknechte und Sadisten, die Feinde des Volkes und Verräter zu Helden und unschuldigen Opfern Stalins erklärt. Tuchatschewskis Sabotageaktionen Tuchatschewski hatte vorgeschlagen, die Armee mit „Panzertraktoren“ zu überschwemmen, welche in der Umgebung des Generals auch „Mechanisator“ benannt wurden – d.h. an Kolchostraktoren eine „Panzerung“ zu befestigen und ein Maschinengewehr aufzustellen. Er schloß das Konstruktionsbüro Schawyrins für Granatwerfer, sabotierte bei der Einführung der Panzerabwehrkanonen Grabins (mit denen der Krieg gewonnen wurde) in die Rote Armee und bei der Pistolen-Maschinenpistole Degtjarow (PPD). Er störte dann 1933 auf jede Weise bei den Luftstreitkräften die Annahme des neuesten Jagdflugzeugs „I-16“. Und sein Schüler Pawel bremste schon 1940 die Ausrüstung der Armee mit dem Panzer „T-34″. Und die Sabotageliste „großen Strategen“ ließe sich lange fortsetzen! Talentierte sowjetische Heerführer So haben die ersten Kriegsmonate einerseits gezeigt, welches Ausmaß die Schädlingstätigkeit hatte, die die fünfte Kolonne in unserem Land bewirkte, und andererseits, daß die Sowjetunion in dieser schweren Zeit dennoch in der Lage war, talentierte Heerführer hervorzubringen. Unter der Leitung der sowjetischen Heerführer A.M. Wassilewski, L.A. Goworow, K.K. Rokossowski, G.K. Shukow, I.Ch. Bagramjan, F.I. Tolbuchin, Malinowski, K.A. Merezkow, A.I. Jeremenko, A.I. Antonow, N.G. Kusnezow und anderer hat unser Volk die Elite der deutschen Kriegsherren, die ganz Europa unter ihre Stiefel traten, vernichtet: Bock, Brauchitsch, Kleist, Keitel, Kluge, Guderian, List, Model, Rundstedt, Scherner, Manstein usw. So unterhielt der “Bonaparte-Kandidat” Tuchatschewski, indem er den Sturz Stalins plante, auch geheime Kontakte zum militärischen „Partner“ Deutschland, der in Opposition zu Hitler stand. Zu dieser „Partei“ gehörten der Generalstabschef W. Beck, der Kriegsminister W. v.Blomberg, der Oberbefehlshaber des Heeres W. v.Fritsch u.a. Das unrühmliche Ende der Verschwörer Stalin verfügte offenbar schon vor 1936 über umfangreiche Informationen über die Rolle der obersten militärischen Spitze bei der Verschwörung gegen die Allunions-KP(B) und das Land. Der Mai 1937 wurde schicksalhaft für sie. Am 22. Mai 1937 wurde Einheitskommandeur Eideman verhaftet, und am 24. Mai der Einheitskommandeur Feldman. Nach Aussage von Augenzeugen sah Tuchatschewski in diesen Tagen sehr schlecht aus. Und das war klar. Denn er sah, wie der Ring sich um ihn schloß, wie nacheinander die Hauptfiguren der Verschwörung, seine Komplizen, seine Sympathisanten, seine Unterstützer fielen. Am 26. Mai 1937 traf Tuchatschewski in Kuibyshew ein, um dort Dybenko auf dem Posten als Befehlshaber des Bezirkes zu ersetzen. Am nächsten Tag begab er sich in den Stab des Bezirks, doch man bat ihn, unterwegs noch beim Gebietkomitee der Partei vorbeizukommen, wo er dann verhaftet wurde. In Moskau wurde der Armeebefehlshaber Uborewitsch verhaftet, wohin man ihn am 29. Mai von Smolensk aus hergerufen hatte. Und am 30. Mai rief Woroschilow Jakir an und bat ihn, sofort nach Moskau zur Sitzung des Kriegsrats zu kommen. Jakir fuhr gleichentags von Kiew aus nach Moskau. Am frühen Morgen des 31. Mai stiegen während eines Zugaufenthaltes in Brjansk Mitarbeiter des NKWD in den Zug, legten ihm den Haftbefehl vor, setzten ihn in ein Fahrzeug und brachten ihn nach Moskau. Und am 31. Mai erhielt Gamarnik, der sich wegen einer Krankheit zu Hause aufhielt, Besuch von Bulin und einem weiteren Kommandeur. Sie berichteten ihm von der Verhaftung Jakirs und der Absetzung Gamarniks als Leiter der politischen Verwaltung der Roten Armee. Als er sah, daß die Verschwörung endgültig geplatzt war und auch er bald an die Reihe kommen werde, erschoß er sich nach dem Weggang seiner Gäste. Das Geständnis Unter dem Druck der unwiderlegbaren Beweise sagten Tuchatschewski und die anderen Militärs am 11. Juni 1937 aus und gestanden ihre Schuld. Auf 143 eigenhändig geschrieben Seiten legte Tuchatschewski der Aussagen mit gewissenhafter Handschrift so feine Nuancen der Geschichte dar, wie man sie auf Druck des NKWD, alles zu erklären, nicht hätte erhalten können. Um so mehr, als die Aussagen in einer gut leserlichen Handschrift, und mit Anwendung aller Interpunktionszeichen des Russischen geschrieben worden war. Nach der Zerschlagung gab es keine so gleichmäßige Handschrift mehr, ganz zu schweigen von der Deutlichkeit und Klarheit der Darlegung! Und tatsächlich war das neunte Lager, aus dem der junge Leutnant während des 1. Weltkriegs seltsamerweise flüchtete, eigentlich nicht einfach nur ein Kriegsgefangenenlager, sondern ein Stützpunkt zur Anwerbung und Vorbereitung des Offizierskorps. In die Rote Armee der Arbeiter und Bauern trat Tuchatschewski ein, leicht und mittels Protektion. Er präsentierte ein halbes Dutzend Medaillen, die er für Tapferkeit bekam, wobei jüngere Offiziere nicht mit solchen Medaillen belohnt wurden. Geheime Beziehungen zur Reichswehr Und was das angebliche Fehlen jeglicher Beziehungen Tuchatschewskis zum deutschen Generalstab und zum deutschen Geheimdienst anbelangt, so ist das ein beliebtes Gefasel aller Antistalinisten. Nun, wie hätte er diese Beziehungen auch nicht haben können, wenn es von 1921 an bis einschließlich Anfang 1933, zwischen der Roten Armee und der deutschen Reichswehr eine nicht die zur Schau gestellte, geheime Zusammenarbeit gab. Schon aufgrund dessen hatten Tuchatschewski und Konsorten offizielle Beziehungen zum deutschen Geheimdienst und zum deutschen Generalstab. Außerdem fuhr er offiziellen Angaben zufolge sogar zweimal – 1925 und 1932 – nach Deutschland auf einen Lehrgang zur Teilnahme an Militärmanövern der Reichwehr und hatte außerdem offiziellen Kontakt zu Vertretern der Reichswehr in der UdSSR. Ganz davon abgesehen hat Tuchatschewski praktisch während des ganzen 1.Weltkriegs in deutscher Gefangenschaft zugebracht. Während des Strafprozesses 1937 haben die Beschuldigten ihre Verbindungen zu Deutschland eingestanden, und daß sie den Deutschen versichert hatten, ihnen territoriale Zugeständnisse zu machen, den Zugang zu deutschem Kapital im Land zu ermöglichen, und im Falle des Krieges gegen Deutschland, Sabotageaktionen in der Industrie und an der Front durchzuführen. Trotzki schrieb an Radek: „Man muß zugeben, daß vor dem Block die Machtfrage am realsten nur nach einer Niederlage der UdSSR im Krieg stehen wird. Darauf soll sich der Block energisch vorbereiten.“ Die Verurteilung der Verschwörer Das Finale war kurz. In der Zeitung „Prawda“ erschien am 13. Juni 1937 die folgende offizielle Mitteilung: „Gestern, am 12. Juni, wurde in einer besonderen Verhandlung vor dem Obersten Gericht der UdSSR in Bezug auf die Verbrecher M.H. Tuchatschewski, I.E. Jakir, I.P Uborewitsch, A.I. Kork, R.P. Eideman, B.M. Feldman, W.M. Primakow und W.K. Putny zum Schutz der Gesellschaft das Urteil mit dem Höchstmaß durch Erschießung vollstreckt.“ In der Folge ging eine Welle von Verhaftungen durch jene Bezirke und Armee-Einheiten, in denen sie befehligten. Gleichzeitig wurden in der Armee, im NKWD und in den Reihen der Partei Säuberungen vorgenommen. Es wurden alle diejenigen verhaftet, die mit der trotzkistischen Opposition und der Verschwörung verbunden waren. Die bei uns von der „fünften Kolonne“ über die Prozesse der Jahre 1937-1938 verbreitete Lüge (die Verhafteten hätten angeblich unter Zwang ausgesagt) hält aus zwei Gründen keiner Kritik stand: Erstens, selbst nachdem sie unter Zwang ausgesagt und lügenhafte Erklärungen abgegeben hatten, konnten die Verhafteten vor Gericht offen berichten… Solche Vorbehalte „wir hofften, das Leben zu behalten“, „die Familie zu retten“ usw. sind nicht schlüssig, weil sie wußten, das Urteil wird eindeutig ausfallen. Das Beispiel von Kamenjew und Sinowjew war noch frisch. Und zweitens stimmten die Aussagen überein, die von unterschiedlichen Personen in verschiedenen Städten und Wirkungsbereichen abgegeben wurden. Das werden wir den Feinden des Volkes nie vergessen… Wir erinnern uns alle noch sehr gut daran, als mit der Öffnung der Schleusen der „Glasnost“ Presse und Fernsehen unseres Landes, vom Westen kontrolliert, die Henkersknechte unseres Volkes, ihre Komplizen, die durch Gerichtsurteile in den Jahren 1937-1938 wegen ihrer Teilnahme an der militärischen Verschwörung Hingerichteten zu rechtfertigen begannen, und Stalin der Organisation des Terrors beschuldigten. Und was soll man noch zu Stalin zu sagen, wenn die Anstifter des Pogroms über die russisch-sowjetischen Geschichte im Verlaufe ihres Vernichtungsfeldzuges nicht einmal davor zurückschreckten, die Person Juri Gagarins in den Schmutz zu ziehen! Man kann die Völker nur eine gewisse Zeit für dumm verkaufen, doch später tritt die Einsicht unvermeidlich ein. Im „postsowjetische Raum“ tritt diese Einsicht bereits heute ein. Nachdem sie die Feinde und die Henker unseres Volkes gerechtfertigt haben, sind die Mutanten aus der volksfeindlichen Presse und aus dem Fernsehen selbst zu Feinden des Volkes geworden. Die Stunde ist nicht fern, wenn diese Speichellecker der Interventen für die Schändung der sowjetischen Geschichte zum Wohlgefallen des Westens, der zwei Weltkriege vom Zaune gebrochen hat, die strenge Strafe unseres Volkes erwarten wird! S.Golik [1] M.N. Tuchatschewski (1893-1937) entstammte einer Adelsfamilie aus dem Smolensker Gebiet [2] M. Gamelin (1872-1952) General, war später mitverantwortlich für die schnelle Niederlage Frankreichs während der faschistisch-deutschen Okkupation [3] S.A. Golowan (1872-1927), zaristischer Offizier, blieb nach der Oktoberrevolution in der Schweiz. [4] Entente: Bündnissystem der imperialistischen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Rußland vor und während des 1.Weltkriegs. [5] Michail Wassiljewitsch Frunse 1885-1925) hervorragender sowjet. Arbeiterführer und Feldherr, kämpfte gegen Koltschak und Wrangel, reorganisierte 1924/25 die sowjetischen Streitkräfte

Myanmar (Burma): Der Deal der Militärs mit dem Westen

NAYPYIDAW/BERLIN german-foreign-policy vom 11.02.2014 – Mit seinem aktuellen Besuch in Myanmar stärkt Bundespräsident Gauck die geostrategischen Positionen des Westens im Machtkampf gegen China. Gauck, der bereits am Sonntag in dem südostasiatischen Land eingetroffen ist und dort bis zum morgigen Mittwoch Gespräche führt, eröffnet offiziell eine Außenstelle des Goethe-Instituts sowie ein Delegiertenbüro der deutschen Wirtschaft. Die westlichen Aktivitäten in Myanmar, die auf eine stärkere westliche Kontrolle über die chinesische Rohstoffversorgung zielen, gehen auf Geheimverhandlungen im Schatten der Tropensturm-Katastrophe im Jahr 2008 zurück, die in eine Öffnung des Landes für westliche Einflussarbeit mündeten – im Gegenzug gegen Investitionen. Während westliche Politiker, jetzt auch Gauck, erklären, Myanmar sei auf dem besten Weg, eine Demokratie zu werden, halten die Militärs faktisch die Macht auch weiterhin in den Händen; schon seit Jahren beschweren sich Menschenrechtsorganisationen massiv darüber. Eine aktuelle Analyse lässt erkennen, dass sich die myanmarischen Militärs insbesondere die Kontrolle über die Wirtschaft des Landes gesichert haben – eine Art Bestandsgarantie für ihre Macht in der Phase der Kooperation mit dem Westen. Deutsche Einflussapparate In Myanmar lässt sich gegenwärtig der Aufbau der üblichen Einflussapparate der deutschen Außenpolitik wie im Zeitraffer beobachten. Am heutigen Dienstag wird Bundespräsident Joachim Gauck in der Wirtschaftsmetropole Yangon offiziell ein Goethe-Institut und ein Delegiertenbüro der deutschen Wirtschaft eröffnen. Das Delegiertenbüro solle vor allem kleineren und mittleren Unternehmen aus der Bundesrepublik Hilfestellung bei ihren künftigen Aktivitäten in Myanmar leisten, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Bereits im vergangenen Sommer hat das Bundesentwicklungsministerium Schritte eingeleitet, die ebenfalls kleinere und mittlere deutsche Unternehmen bei der Expansion in das südostasiatische Land unterstützen sollen – mit Mitteln sogenannter Entwicklungshilfe (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Um ein günstiges Klima für deutsche Firmen zu schaffen, erhält Myanmar nun einen Schuldenerlass von 500 Millionen Euro. Die parteinahen Stiftungen eröffnen Repräsentanzen; zuletzt hat die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) ihre Außenstelle in Myanmar eingeweiht. Auch auf die Regierungsapparate nimmt Berlin Einfluss. So hat das Auswärtige Amt letztes Jahr Trainingsprogramme für Mitarbeiter mehrerer Ministerien Myanmars gestartet, darunter auch Mitarbeiter des Außenministeriums. Man wolle die myanmarische Regierung auf die Übernahme des ASEAN-Vorsitzes [2] vorbereiten, hieß es zur Erklärung.[3] Myanmar hat den ASEAN-Vorsitz zu Jahresbeginn übernommen. Das Malakka-Problem Hintergrund der mit Hochdruck betriebenen Einflussaktivitäten sind insbesondere geostrategische Erwägungen, die mit der eskalierenden Rivalität zwischen dem Westen und der Volksrepublik China zu tun haben. Chinas Rohstoffzufuhr und sein Außenhandel mit Südasien, Afrika und Europa werden in hohem Maße über Schiffstransporte abgewickelt, die ihren Weg durch die „Straße von Malakka“ zwischen Indonesien, Malaysia und Singapur nehmen müssen. Weil der Westen, insbesondere die USA, dort militärisch stark präsent ist und die Straße relativ leicht sperren könnte [4], ist sie aus chinesischer Sicht ein strategisch gefährlicher Schwachpunkt. Chinas damaliger Staatspräsident Hu Jintao sprach bereits 2003 vom „Malakka-Problem“. Beijing trieb deshalb Planungen voran, die alte „Burma Road“ erneut zu nutzen. Dabei handelt es sich um eine Landverbindung aus der damaligen britischen Kolonie Burma bis nach China, die Großbritannien und die USA im Zweiten Weltkrieg nutzten, um China gegen ihren gemeinsamen Feind Japan zu unterstützen. Letztes Jahr hat die Volksrepublik eine Erdöl- und eine Erdgaspipeline in etwa entlang der alten „Burma Road“ fertiggestellt; sie machen es nun möglich, zumindest Energierohstoffe direkt aus dem Indischen Ozean nach China zu liefern – unter Vermeidung der Straße von Malakka. Im geostrategischen Einflusskampf reagiert der Westen darauf mit Bemühungen, auch diese Route der chinesischen Energieversorgung unter seine Kontrolle zu bekommen. Geheimverhandlungen Nachdem sich im Spätsommer 2007 Überlegungen als undurchführbar erwiesen hatten, eine Armutsrevolte in Myanmar zu einer „Farbenrevolution“ nach dem Modell der Umstürze in Georgien (2003) und der Ukraine (2004) zu entwickeln [5], nutzte der Westen die Verwüstungen durch den Tropensturm Nargis im Jahr 2008, um seinen Druck auf das myanmarische Militärregime weiter zu erhöhen [6]. Mit dem ersten US-Flugzeug, das Hilfsgüter in das Katastrophengebiet brachte, sei „nicht nur der Chef der Entwicklungsagentur der US-Regierung“ nach Myanmar gekommen, „sondern auch Admiral Timothy Keating“, der Kommandeur des US Pacific Command, berichtet der Publizist Thant Myint-U.[7] Zunächst seien geheime, ab Ende 2009 dann auch offizielle Verhandlungen geführt worden, die in einen Deal mündeten, dessen Inhalt inzwischen immer deutlicher zutage tritt: Der Westen forderte Einfluss im Land, stellte dafür Investitionen in Aussicht, verlangte aber gleichzeitig zumindest vordergründige Maßnahmen zum Menschenrechtsschutz, um die Wiederaufnahme der Kooperation gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Der allenfalls halbherzige Charakter dieser Maßnahmen wird von Menschenrechtsorganisationen seither regelmäßig scharf kritisiert. Kritisiert wird insbesondere, dass die myanmarischen Militärs sich ihre Macht bislang sichern konnten – unter zivilem Deckmantel und gänzlich ohne Widerspruch aus dem Westen (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Die Strategie der Militärs Zentrale Elemente der ökonomischen Grundlage des Deals zwischen dem Westen und Myanmar lässt nun eine knappe Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Myanmars erkennen, die die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung vor kurzem veröffentlicht hat. Demnach habe das Militärregime „insbesondere seit 2009“ – damals zeichnete sich ab, dass die Verhandlungen mit dem Westen zum Erfolg führen könnten – „einen Prozess“ in die Wege geleitet, „bei dem Staatsvermögen systematisch an Unternehmen mit engen Verbindungen zu Militärfunktionären veräußert wurden“. 2010 sei vom „größten Ausverkauf von Staatsvermögen in der Geschichte des Landes“ berichtet worden, der ein „Teil einer Strategie des Militärs“ sei, „seinen Einfluss hinter den Kulissen zu festigen“. In der Tat ist es den Generälen bislang gelungen, sich maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaft des Landes zu sichern. „Die Mehrheit der Wirtschaftszweige wird von einem Geflecht aus Militärunternehmen, Staatsbetrieben und privaten Konglomeraten dominiert, deren Marktmacht auf jahrzehntelangem Nepotismus und Korruption beruht“, heißt es weiter. Der „jahrzehntelange Nepotismus“[1] betrifft die Zeit, in der das Militärregime absolute Kontrolle über das Land hatte.[9] Schlüsselstellungen Entsprechend heißt es bei der Naumann-Stiftung weiter: „Die in den neunziger Jahren gegründeten militärischen Beteiligungsgesellschaften nehmen zum Beispiel weiterhin Schlüsselstellungen in lukrativen Geschäftszweigen ein“; das gelte vom „Tourismus über den Bankensektor bis hin zur Schwerindustrie“. „Militärgesellschaften“ seien zudem etwa am „Aufbau der Thilawa Sonderwirtschaftszone beteiligt, die nach ihrer geplanten Fertigstellung im Jahr 2015 zu den größten Wirtschaftszonen Südostasiens gehören soll“. Berücksichtigt werden müsse auch, „dass ein Großteil des Wirtschaftswachstums nach wie vor in den Energie- und Rohstoffindustrien produziert wird, die traditionell von Staats- und Militärbetrieben sowie einflussreichen Privatunternehmen mit Regierungsnähe kontrolliert werden“. „Das Erbe der jahrzehntelangen Militärdiktatur“, resümiert die Stiftung, sei „tief in der Wirtschaftsstruktur verankert“.[10] Bleibende Missstände Der Autor verhehlt nicht, dass ihn vor allem Sorgen um „fairen Wettbewerb und die Entwicklung des Privatsektors“ treiben; tatsächlich kommen zum Beispiel kleinere und mittlere deutsche Firmen wegen „Rechtsunsicherheit“ und staatlicher Willkür in Myanmar noch nicht so recht zum Zug. Doch bestätigt die Analyse auch, die – ökonomisch fundierte – Machtsicherung des Militärs führe dazu, dass die menschenrechtliche Rhetorik nur unzulänglich „in die Realität“ umgesetzt werde. In den langjährigen Bürgerkriegsgebieten im Norden und Osten Myanmars könnten sich „historische Missstände zwischen der Regierung und ethnischen Minderheiten“ sogar „verschärfen“ – begleitet von immer engerer Kooperation zwischen den myanmarischen Militärs und dem Westen.[11] Weitere Berichte und Hintergrundinformationen zur deutschen Myanmar-Politik finden Sie hier:Wandel durch Spaltung, Das pazifische Jahrhundert (II), Ein alter Partner der Militärs, In Chinas Einflusszone (II), Mörderische Partner, Die Prioritäten der Machtpolitik, Unter zivilem Deckmantel, Chinas Einfluss zurückdrängen, Chinas Lebenslinien (II) und Chinas Landbrücke. [1] S. dazu Chinas Lebenslinien und Chinas Landbrücke. [2] Dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) gehören Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam an. [3] S. dazu Chinas Einfluss zurückdrängen. [4] S. dazu Chinas Lebenslinien. [5] S. dazu Prestigeträchtig und Mit langem Atem. [6] S. dazu Im Schatten der Katastrophe, Offen oder verdeckt und Das Recht des Stärkeren. [7] Thant Myint-U: Where China Meets India. Burma and the New Crossroads of Asia. London 2011. [8] S. dazu Mörderische Partner, Die Prioritäten der Machtpolitik und Unter zivilem Deckmantel. [9], [10], [11] Chris Kip: Wie stehen die Chancen auf fairen Wettbewerb in Myanmar? www.freiheit.org. http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58795

Bravo Frau Merkel! Sie führen den Kampf gegen den Hunger der Ärmsten!

Leistung wird sich wieder lohnen! Quelle: lowerclassmagazine.blogsport.de 10. Februar 2014 (leicht modifiziert) Die Große Koalition packt eine längst überfällige Sozialreform an: Endlich sollen die Diäten der Bundestagsabgeordneten erhöht werden. Das Hungern im Plenarsaal hat nun ein Ende. Kaum im Amt hat die große Koalition sich den wirklich drängenden Fragen unserer Zeit zugewandt. Der Berufsgruppe der Bundestagsabgeordneten soll unter die Arme gegriffen werden. Seit langem kritisiert die International Labour Organisation (ILO) der Vereinten Nationen den Umgang mit Abgeordneten in Deutschland: „Wird ein Bürger Abgeordneter, so sieht er sich plötzlich mit einem massiven Abrutschen in Armut und Not konfrontiert. Die Diätenzahlungen von 8252 Euro monatlich reichen in den seltensten Fällen zum Leben. Viele der Abgeordnete sind auf Spenden aus der Industrie angewiesen, bleiben diese aus, musizieren sie oft in Fußgängerzonen oder lungern bettelnd auf Hauptbahnhöfen herum“, so der Generalsekretär der ILO, Dr. Johnny Jabruti, gegenüber lower class magazine. „Auch die zusätzliche Kostenpauschale von 4029 Euro monatlich deckt kaum die Grundbedürfnisse eines Abgeordneten. Zwei Geschäftsessen im Königshof, eine Nacht im Ritz-Carlton und kurz mal im Edelpuff der Wahl vorbeigegangen – und schon muss man aus der eigenen Tasche nachfinanzieren.“ Das habe zu vielen armutsbedingten Krankheitsbildungen geführt, Unterernährung sei weit verbreitet. Zudem steige die Beschaffungskriminalität. „Wenn wir mit unseren Kollegen aus anderen Ländern zusammentreffen, müssen wir ja zumindest den Schein wahren. Dafür beschaffen sich immer mehr Abgeordnete Gelder außerhalb des legalen Rahmens“, erzählt uns Claudia R. von den Grünen, die lieber anonym bleiben will. „Ladendiebstähle bei Hugo Boss und Tiffany´s, Heroin-Deals mit afghanischen Warlords, wenn gar nichts mehr geht, dann Rotlicht“, berichtet sie unter Tränen. Da muss nachgebessert werden, vor allem die Sozialdemokraten wollen der großen Koalition ja ein volksnäheres Profil geben. Und so sollen die Diäten nun auf 9082 Euro monatlich angehoben werden. „Endlich können wir wieder den richtigen Kaviar kaufen, nicht den Scheissdreck von Aldi“, kommentierte der doch sehr bescheidene Peer Steinbrück die Entscheidung in einer ersten Stellungnahme. „Wie sie wissen, war ich ja schon zuvor dazu gezwungen, mir den Weg aus der absoluten Armut mit Honorarvorträgen zu erarbeiten, ein Tagelöhnerwerk, härter als jeder Minenarbeiter-Job, sag ich Ihnen“, so der Hobbybankenretter. Und tatsächlich: Recherchen zeigen, wie hart Steinbrück für seine Nebenverdienste arbeiten musste. Knapp 15 000 Euro für ein Referat bei der Deutschen Bank, 15 000 bei Sal Oppenheim, 15 000 bei der „Denk ich an Deutschland“-Konferenz der Alfred Herrhausen Gesellschaft (AHG). (3) Wer soll davon leben können? Steinbrück sieht aber auch die jetzt angekündigte Diäten-Erhöhung nur als Zwischenlösung. „Wir als Sozialdemokraten haben immer schon gesagt: Leistung muss sich lohnen. Was so ein Abgeordneter den ganzen Tag zu tun hat, ist nicht wenig! Morgens muss er schon seinen Mitarbeiter-Stab anweisen, was ansteht. Und dann geht’s erst richtig los. Geschäftsessen, Essen, bei denen Geschäftliches zu besprechen ist, und bisweilen sogar abends noch Restaurant-Runden. Dazwischen die unzähligen Empfänge, Bälle, Gala-Diners – überall wird von uns erwartet, nicht nur anwesend zu sein, sondern auch üppig ins Buffet zu wamsen. Das ist Stress pur.“ Der Sozialdemokraten-Chef weiß aber auch, dass eine weitere Erhöhung schwer zu haben sein könnte. „Ja, klar, die Arschlöcher regen sich immer auf. Wir sind die Sündenböcke der Gesellschaft. Rechnen Sie sich lieber aus, was Ihnen die Hartz-IV-Lumpen oder die Flüchtlinge vom Teller fressen. Wir Abgeordnete werden jedenfalls weiter für unser Recht auf den Maxi-Lohn mit Hyper-Pauschale eintreten. Parlamentarier aller Länder korrumpiert euch!“ Anmerkungen (1) https://www.bundestag.de/service/faq/abgeordnete.html#frage6 (2) (2) http://www.focus.de/politik/deutschland/diaeten-steigen-pensionen-fallen-9082-euro-regierung-will-diaeten-auf-richterniveau-anheben_id_3604227.html (3) (3) http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/rede-honorare-die-teuersten-vortraege-von-peer-steinbrueck/7320570.html

Stalin und der Kampf für demokratische Reformen Teil 1

Grover Furr Deutsche Übersetzung: Gerhard Schnehen Englisches Original: http://eserver.org/clogic/2005/furr.html. Einleitung 1. Diese Abhandlung gibt einen Überblick über Stalins Bestrebungen - angefangen in den 30iger Jahren bis zu seinem Tod – die Regierung der Sowjetunion zu demokratisieren. 2. Diese Feststellung und dieser Aufsatz selbst werden viele erstaunen und einige empören. Tatsächlich hat mich das Erstaunen über die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen, von denen ich an dieser Stelle berichte, veranlasst, diesen Artikel zu schreiben. Schon lange hatte ich vermutet, dass die sowjetische Geschichte, so wie sie im Kalten Krieg vermittelt wurde, erhebliche Mängel aufwies. Ich war jedoch nicht auf die Menge an Unwahrheiten gefasst, die mir als ‚Fakten‘ vermittelt wurden. 3. Diese Geschichte ist in Russland bekannt, wo Respekt, ja sogar Bewunderung für Stalin weit verbreitet sind. Juri Schukow, der bedeutendste russische Historiker, der die These von ‚Stalin als Demokrat‘ vertritt und dessen Werke für diese Abhandlung die wichtigste Quelle darstellen – obschon nicht die einzige – ist dort eine anerkannte Persönlichkeit und eng mit der Akademie der Wissenschaften verbunden. Seine Bücher werden von vielen gelesen. 4. Jedoch ist diese Geschichte und die Fakten, auf denen sie beruht, praktisch außerhalb Russlands unbekannt, wo das Paradigma des Kalten Krieges von ‚Stalin dem Bösen‘ so sehr alles, was dazu veröffentlicht wird, dominiert, dass die hier zitierten Werke kaum Beachtung finden. Das führt dazu, dass sehr viel Sekundärliteratur, die in dieser Arbeit zitiert wird, aber auch sehr viele Quellen und Dokumente verständlicherweise nur in Russland verfügbar sind.1 5. Dieser Artikel macht den Leser nicht nur einfach mit neuen Fakten und Auslegungen zur Geschichte der UdSSR bekannt. Vielmehr stellt er einen Versuch dar, eine nichtrussische Leserschaft mit den Ergebnissen neuer Forschungen, basierend auf sowjetischem Archivmaterial zur Stalin-Periode, aber auch zu Stalin selbst, vertraut zu machen. Die hier diskutierten Fakten reihen sich ein in eine ganze Reihe von Paradigmen zur sowjetischen Geschichte, aber helfen auch, einige andere Deutungen und Auslegungen zu widerlegen. Sie sind ganz und gar inakzeptabel, um nicht zu sagen empörend, für jene, deren politische und historische Anschauungen auf irrtümlichen und ideologisch motivierten Vorstellungen des Kalten Krieges von sowjetischem ‚Totalitarismus‘ und stalinistischem ‚Terror‘ basieren.2 6. Die Sichtweise der Chruschtschow-Anhänger von Stalin als machthungrigen Diktator oder als Verräter an Lenins Erbe wurde geschaffen, um den Bedürfnissen der Nomenklatura der Kommunistischen Partei in den 50iger Jahren entgegenzukommen. Aber sie hat auch starke Ähnlichkeit und teilt viele Grundannahmen mit dem standardisierten Diskurs über Stalin, der aus der Zeit des Kalten Krieges stammt und der dem Wunsch der kapitalistischen Eliten nachkommt, zu argumentieren, dass kommunistische Kämpfe oder sogar jedes Ringen um Arbeitermacht unweigerlich zu einer Art Horrorszenarium führen müssen. 7. Dies kommt auch den Trotzkisten entgegen, die argumentieren, dass die Niederlage Trotzkis, des ‚wahren Revolutionärs‘, nur dadurch herbeigeführt werden konnte, dass ein Diktator jedes einzelne Prinzip, für das die Revolution geführt wurde, mit Füßen trat. Die Denkmuster der Chruschtschow-Anhänger, der Antikommunisten des Kalten Krieges und der Trotzkisten ähneln sich was die sowjetische Geschichte angeht und benötigen die Dämonisierung Stalins, seiner Führung und die der UdSSR zu seiner Zeit, um überhaupt existieren zu können. 8. Die Einschätzung von Stalin in diesem Artikel steht nicht im Widerspruch zu einer Reihe anderer, abweichender historischer Sichtweisen. Die antirevisionistischen, nach-maoistischen kommunistischen Auslegungen der sowjetischen Geschichte sehen Stalin als einen kreativen und logisch handelnden Nachfolger Lenins, auch wenn er mitunter Fehler beging. Inzwischen wird Stalin sogar von vielen russischen Nationalisten respektiert, die, wenn sie Stalins Leistungen als Kommunist auch nicht anerkennen, ihn dennoch als jemand achten, dem es wie kein anderer gelang, Russland zu einer wichtigen Industrie- und Militärmacht zu machen. Stalin ist für beide eine zentrale Figur, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise. 9. Dieser Artikel unternimmt nicht den Versuch, Stalin zu ‚rehabilitieren‘. Ich stimme Juri Schukow zu, wenn er schreibt: „Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich Stalins Rehabilitierung ablehne, weil ich Rehabilitierungen im Allgemeinen ablehne. Nichts und niemand sollten in der Geschichte rehabilitiert werden. Wir müssen aber die Wahrheit aufdecken und sie aussprechen. Aber seit Chruschtschow sind die einzigen Opfer von Stalins Repressionen, von denen man hört, diejenigen, die sich selbst daran beteiligten, die sie förderten oder die sich ihnen nicht entgegenstellten.“ (Schukow, KP, 21. November 2002). Ich möchte auch nicht so verstanden werden, dass, wenn Stalin seinen Willen bekommen hätte, all die zahlreichen Probleme beim Aufbau des Sozialismus oder Kommunismus in der UdSSR hätten ohne weiteres gelöst werden können. 10. In dem von diesem Artikel abgehandelten Zeitabschnitt kümmerte sich die Stalin-Führung nicht nur darum, die Demokratie innerhalb des Regierungsapparates zu entwickeln, sondern auch die innerparteiliche Demokratie selbst zu entfalten. Dieses wichtige und verwandte Thema verdient eine eigene Untersuchung, womit sich dieser Aufsatz jedoch nicht direkt beschäftigt. Wie immer man auch den Begriff ‚Demokratie‘ verstehen mag, er wird im Kontext einer demokratisch-zentralistischen Partei von freiwilligen Mitgliedern eine andere Bedeutung haben als in einem riesigen Staat von Bürgern, in dem keine Basis für eine politische Übereinkunft vorausgesetzt werden kann.3 11. In diesem Artikel wurden, soweit es möglich war, Primärquellen verwendet. Jedoch bezieht er zu einem großen Teil die wissenschaftlichen Arbeiten russischer Historiker mit ein, die Zugang zu bislang unveröffentlichten oder erst in jüngster Zeit veröffentlichten Dokumenten aus sowjetischen Archiven besitzen. Viele sowjetische Dokumente von großer Tragweite stehen nur Wissenschaftlern zur Verfügung, die über einen bevorzugten Zugang verfügen. Sehr viele andere bleiben völlig unzugänglich und sind nach wie vor ‚streng geheim‘, einschließlich der größte Teil von Stalins Privatarchiv, einschließlich der Materialien von Voruntersuchungen, des Untersuchungsmaterials zu den Moskauer Prozessen von 1936-38 oder der Protokolle zu den militärischen Säuberungen im Rahmen der sog. Tuchatschewski-Affäre und vieles andere. 12. Juri Schukow umschreibt die Archivlage so: „Mit dem Einsetzen der perestroika und ihrem Slogan von glasnost … wurde das Kremlarchiv, das Forschern verschlossen geblieben war, aufgelöst. Man begann, seine Bestände zu verlagern (in verschiedene öffentliche Archive – GF). Dieser Vorgang wurde jedoch nicht abgeschlossen. Ohne irgendein öffentliches Aufsehen zu erwecken, wurden 1996 die wichtigsten Dokumente erneut verschlossen und im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation aufbewahrt. Schon bald wurde deutlich, welche Gründe dafür ausschlagend gewesen waren: Es erlaubte die Wiederauferstehung einer der beiden alten, abgenutzten Legenden.“ (Repressii, S.6). Damit meint Schukow die Mythen von ‚Stalin dem Schurken‘ und von ‚Stalin dem großen Führer‘. Nur mit dem ersten dieser beiden Mythen sind die Leser der westlichen antikommunistischen Geschichtsschreibung vertraut. Heute sind jedoch beide Schulen in Russland und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gut vertreten. 13. Eines von Schukows Bücher, auf dem ein Teil dieses Artikels basiert, trägt den Titel Inoi Stalin – ein anderer Stalin – anders im doppelten Sinne: anders als der Mythos und näher dran an der Wahrheit. Es ist ein Werk, das auf unlängst veröffentlichten Archivdokumenten beruht. Der Buchumschlag zeigt ein Foto von Stalin und ihm gegenüber dasselbe Bild im Negativformat: das Gegenteil davon. Nur sehr selten benutzt Schukow Sekundärliteratur. Er zitiert größtenteils aus bislang unveröffentlichtem Archivmaterial, das erst jüngst freigegeben und veröffentlicht wurde. Das Bild, das er von der Politik des Politbüros zwischen 1934 und 1938 zeichnet, unterscheidet sich grundlegend von den beiden Mythen, die er zurückweist. 14. Schukow schließt seine Einleitung mit den folgenden Worten: „Ich erhebe weder Anspruch auf letzte Weisheiten noch auf Unbestreitbarkeit. Ich versuche nur, eine Aufgabe zu erledigen: vorgefasste Ansichten zu vermeiden, beide Mythen zu vermeiden; ich versuche, die Vergangenheit zu rekonstruieren, die einst so bekannt war, die aber heute absichtlich vergessen worden ist, die bewusst nicht mehr erwähnt werden darf und die von allen ignoriert wird.“ Genauso versucht auch dieser Aufsatz, beide Mythen zu vermeiden. 15. Unter solchen Umständen müssen alle Schlussfolgerungen vorläufig bleiben. Ich habe versucht, alle Materialien gewissenhaft zu verwenden – gleich ob sekundärer oder primärer Natur. Um den Text nicht zu unterbrechen, habe ich Quellenangaben an das Ende jedes Absatzes gestellt. Ich habe Fußnoten nach traditioneller Art durchnummeriert, aber nur dort verwendet, wo ich der Meinung war, dass längere erklärende Anmerkungen gemacht werden mussten. 16. Die Forschungsergebnisse, die von diesem Artikel zusammengefasst werden, haben wichtige Folgen für jene von uns, die darauf bedacht sind, eine Klassenanalyse der Geschichte vorzunehmen – die Geschichte der Sowjetunion eingeschlossen. 17. Einer der besten US-amerikanischen Forscher der Stalin-Periode in der UdSSR, J. Arch Getty, hat die historische Forschung, die zur Zeit des Kalten Krieges betrieben wurde, ‚Propagandaprodukte‘ genannt – eine ‚Forschung‘, bei der es keinen Sinn macht, sie zu kritisieren oder im Einzelnen zu korrigieren, sondern die ganz wieder von vorne beginnen muss.4 Ich stimme mit Getty überein, würde aber hinzufügen, dass diese politisierte, unehrliche Tendenzforschung heute immer noch betrieben wird. 18. Das Kalte-Kriegs-Paradigma der Chruschtschow-Anhänger ist das dominierende Weltbild für die Geschichte der ‚Stalin-Jahre‘. Die Forschungsergebnisse, über die hier berichtet wird, können zu einer ‚Flurbereinigung‘, zu einem ‚vollständigen Neuanfang‘ in dieser Beziehung beitragen. Die Wahrheit, die sich schließlich daraus ergeben wird, wird auch für das marxistische Projekt eines Weltverständnisses große Bedeutung haben, um diese Welt zu verändern, um eine klassenlose Gesellschaft, basierend auf sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit, zu errichten. 19. Im Schlussteil des Aufsatzes habe ich einige Themen für weitere Forschungen umrissen, die sich aus den Ergebnissen dieses Artikels ergeben. 20. Im Dezember 1936 billigte der Achte Außerordentliche Sowjetkongress den Entwurf für eine neue Verfassung. Er sah geheime und freie Wahlen mit Gegenkandidaten vor. (Schukow, Inoi, S. 307-9). 21. Nicht nur aus der Bolschewistischen Partei, die damals Allunions-Kommunistische Partei (Bolschewiki) genannt wurde5, sollten Kandidaten zugelassen werden, sondern auch aus anderen zivilen Organisationen, basierend auf Wohnort und Mitgliedschaft, wie zum Beispiel in religiösen Vereinigungen oder Organisationen am Arbeitsplatz. Diese letzte Bestimmung wurde nie umgesetzt. Freie Wahlen mit Gegenkandidaten wurden auch nie abgehalten. 22. Die demokratischen Aspekte der Verfassung wurden auf ausdrücklichen Wunsch Stalins mit aufgenommen. Zusammen mit seinen engsten Anhängern im Politbüro der Bolschewistischen Partei kämpfte er zäh darum, diese Bestimmungen beizubehalten. (Getty, Staat). Er und sie gaben erst nach, als sie sich der vollständigen Blockade des Zentralkomitees ausgesetzt sahen und als nach der Aufdeckung gefährlicher Komplotte mit dem deutschen und japanischen Faschismus, die das Ziel hatten, die sowjetische Regierung zu stürzen, Panik entstand. 23. Im Januar 1935 übertrug das Politbüro Avel Jenukidse6 die Aufgabe, die Grundzüge einer neuen Verfassung auszuarbeiten. Er machte einige Monate später den Vorschlag, offene Wahlen ohne Gegenkandidaten zuzulassen. Unmittelbar darauf, am 25. Januar 1935, brachte Stalin seine Missbilligung des Vorschlags zum Ausdruck und bestand auf geheimen Wahlen. (Schukow, Inoi, S. 116-21). 24. Stalin brachte dann anlässlich eines Interviews vom März 1936 mit dem US-amerikanischen Pressezaren Roy Howard auf drastische Weise öffentlich seine Missbilligung zum Ausdruck. Er bestand darauf, dass die sowjetische Verfassung garantieren müsse, dass alle Wahlen geheime Wahlen sind. Auch gleiche Wahlen sollten garantiert sein, wobei die Stimme eines Arbeiters genauso viel zählen sollte wie die eines Bauern.7 Es sollten Wahlen sein, die wie im Westen auf dem gesamten Territorium stattfinden sollten, und nicht mehr wie noch unter dem Zaren auf der Grundlage des sozialen Status oder des Arbeitsplatzes. Es sollten direkte Wahlen sein: Sämtliche Sowjets sollten von den Bürgern selbst gewählt werden und nicht indirekt über Vertreter. (Stalin-Howard-Interview, Schukow, ‚Repressii‘, S. 5f). Eine neue Verfassung Stalin: „Wir werden unsere neue Verfassung wahrscheinlich gegen Ende des Jahres verabschieden. Die Kommission, die ernannt wurde, um die Verfassung zu entwerfen, arbeitet und sollte bald ihre Arbeiten abgeschlossen haben. Wie bereits angekündigt, werden die Wahlen allgemein, gleich, direkt und geheim sein. (Stalin-Howard-Interview, S. 13). 25. Und was das Wichtigste war: Stalin erklärte, dass bei allen Wahlen mehrere Kandidaten antreten würden: „Es mag Sie erstaunen, dass nur eine Partei bei den Wahlen antreten wird. Sie sehen nicht, wie auch unter solchen Umständen Wahlkämpfe stattfinden können. Natürlich werden auch andere Organisationen außer der Kommunistischen Partei, darunter alle möglichen öffentlichen Nicht-Partei-Organisationen das Recht haben, Kandidaten aufzustellen. Und wir haben Hunderte davon. Wir haben keine miteinander konkurrierenden Parteien mehr, weil wir keine kapitalistische Klasse mehr haben, die gegen eine Arbeiterklasse kämpft, die von den Kapitalisten ausgebeutet wird. Unsere Gesellschaft besteht ausschließlich aus freien Werktätigen der Städte und auf dem Lande aus Arbeitern, Bauern und Intellektuellen. Jede dieser Schichten darf ihre besonderen Interessen haben und darf sie auch durch die verschiedenen öffentlichen Organisationen, die es bei uns gibt, zum Ausdruck bringen“. (Ebd., S. 13f). Die verschiedenen zivilen Organisationen würden das Recht haben, eigene Kandidaten gegen die der Kommunistischen Partei aufzustellen. Stalin erklärte Howard, dass die Bürger einfach nur die Namen aller Kandidaten auszustreichen brauchten, außer den Namen desjenigen, für den sie sich entscheiden wollten. 26. Er betonte auch die Wichtigkeit von Wahlen mit Gegenkandidaten, um die Bürokratie zu bekämpfen: „Sie meinen anscheinend, dass es keine Wahlkämpfe geben wird. Aber es wird sie geben, und ich sehe sehr lebhafte Wahlkämpfe voraus. Es gibt nicht wenige Einrichtungen in unserem Lande, die schlecht arbeiten. Es gibt Fälle, wo diese oder jene örtliche Verwaltung bei ihrer Aufgabe versagt, einige der mannigfaltigen und ständig anwachsenden Bedürfnisse der Werktätigen in Stadt und Land zu befriedigen. Haben Sie eine gute Schule gebaut? Haben Sie die Wohnverhältnisse verbessert? Sind Sie ein Bürokrat? Haben Sie dazu beigetragen, unsere Arbeit effektiver und unser Leben kultivierter zu gestalten? Das sind einige der Kriterien, anhand derer Millionen von Wähler die Kandidaten messen werden, anhand derer sie die ungeeigneten ablehnen, ihre Namen aus den Kandidatenlisten streichen und nur die besten nach vorne bringen und ernennen werden. Ja – die Wahlkämpfe werden lebhaft geführt werden. Bei ihnen wird es um die zahllosen drängenden, größtenteils praktischen Probleme gehen, die für das Volk von erstrangiger Bedeutung sind. Unser neues Wahlsystem wird sämtliche Institutionen und Organisationen durchrütteln und sie zwingen, ihre Arbeit zu verbessern. Die allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen in der UdSSR werden eine Peitsche in der Hand der Bevölkerung gegen diejenigen Regierungsorgane sein, die schlecht arbeiten. Meiner Ansicht nach wird unsere neue sowjetische Verfassung die am meisten demokratische Verfassung der Welt sein.“ 27. Das war die Ausgangsposition, von der aus Stalin und seine engsten Mitarbeiter im Politbüro, Wjatscheslaw Molotow und Andrej Schdanow, sich bei allen Diskussionen innerhalb der Parteiführung für geheime Wahlen mit Gegenkandidaten einsetzten. (Schukow, Inoi, S. 207-10, Stalin-Howard-Interview). 28. Stalin bestand auch darauf, dass vielen Sowjetbürgern die Bürgerrechte, die man ihnen entzogen hatte, wieder zurückgegeben werden sollten. Dies schloss Mitglieder der ehemaligen Ausbeuterklassen wie Grundbesitzer ein, aber auch solche Menschen, die während des Bürgerkrieges von 1918-21 als sog. Weißgardisten gegen die Bolschewiki gekämpft hatten sowie Personen, die wegen bestimmter Verbrechen verurteilt worden waren (ähnlich wie in den USA heute). Zu diesen Entrechteten, auch lischensi genannt, zählten zwei Gruppen: zum einen die ‚Kulaken‘, die wohl wichtigste und umfangreichste Gruppe, die das Hauptziel der Kollektivierungsbewegung, die einige Jahre zuvor stattgefunden hatte, gewesen war und zum anderen jene, die sog. Gesetz der drei Ähren8 aus dem Jahre 1932 verletzt, die also öffentliches Eigentum entwendet hatten – häufig lediglich Korn und mitunter nur, um überleben zu können. (Schukow, Inoi, S. 187). 29. Diese Wahlreform wäre unnötig gewesen, wenn die Führung unter Stalin nicht den Wunsch gehabt hätte, die Art und Weise, wie die Sowjetunion regiert wurde, zu ändern. Sie wollte die Kommunistische Partei von der direkten Beteiligung an den Regierungsgeschäften in der Sowjetunion verdrängen. 30. Während der Russischen Revolution und der darauf folgenden kritischen Jahre war die UdSSR von einer gewählten Hierarchie von Sowjets (Räten) regiert worden – angefangen auf örtlicher bis hinauf auf die nationale Ebene , wobei der Oberste Sowjet die Legislative auf nationaler Ebene darstellte, der Rat der Volkskommissare die Exekutive und der Vorsitzende dieses Rates das Staatsoberhaupt war. Aber in Wirklichkeit befand sich die Wahl dieser Offiziellen auf allen Ebenen in den Händen der Bolschewistischen Partei. Wahlen wurde durchgeführt, aber die direkte Ernennung von Parteiführern, auch ‚Kooptation‘ genannt, war ebenfalls weit verbreitet. Die Wahlen wurden insofern von der Partei kontrolliert, als niemand sich zur Wahl für ein Amt stellen konnte, ohne dass die Parteiführer vorher ihre Zustimmung gegeben hatten. 31. Für die Bolschewiki war dies durchaus sinnvoll. Es war die Regierungsform, die die Diktatur des Proletariats unter den besonderen revolutionären und postrevolutionären historischen Bedingungen der Sowjetunion angenommen hatte. Unter der NÖP9, der Neuen Ökonomischen Politik, wurden Arbeitskraft und Kompetenz ehemaliger und bestehender Ausbeuter gebraucht. Aber sie wurden in den Dienst der Diktatur der Arbeiterklasse gestellt, für den Aufbau des Sozialismus. Sie wurden nicht gebraucht, um kapitalistische Verhältnisse über ein gewisses Maß hinaus wieder einzuführen und auch nicht dafür, die politische Macht wieder abzugeben. 32. In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts und den frühen Dreißigern rekrutierte die Bolschewistische Partei offensiv in der Arbeiterklasse. Gegen Ende der zwanziger Jahre waren die meisten Parteimitglieder Arbeiter, und ein hoher Prozentsatz an Arbeitern war Mitglied der Partei. Diese massive Anwerbung, verbunden mit großen Anstrengungen, eine politische Erziehung durchzuführen, fanden in einer Zeit statt, als es während des Ersten Fünfjahrplans zu schweren Umbrüchen gekommen war, aber auch zu einer Industrialisierung im Rekordtempo sowie zu einer größtenteils erzwungenen Kollektivierung von Einzelhöfen in Kollektive (Kolchosen) oder Sowjetfarmen (Sowchosen). Die Bolschewistische Führung war ehrlich daran interessiert, die eigene Partei zu ‚proletarisieren‘, was ihr in hohem Maße gelang. (Rigby, S. 167f, S. 184, S. 199). 33. Stalin und seine Anhänger im Politbüro gaben für die Demokratisierung der Sowjetunion eine Reihe von Gründen an. Diese Gründe widerspiegelten den Glauben der Führung unter Stalin, dass ein neues Stadium des Sozialismus erreicht worden sei. 34. Die meisten Bauern arbeiteten in Kollektivfarmen. Da die Zahl der Einzelbauern jeden Monat abnahm, war die Führung unter Stalin der Meinung, dass, objektiv gesehen, die Bauern nicht mehr eine gesonderte sozio-ökonomische Klasse darstellten. Die Bauern besaßen nun mehr Gemeinsamkeiten mit den Arbeitern als sie sich von ihnen unterschieden. 35. Stalin war der Meinung, dass, bedingt durch das schnelle Anwachsen der sowjetischen Industrie und besonders weil die Arbeiterklasse durch die Bolschewistische Partei die Macht ausübte, die Bezeichnung ‚Proletariat‘ nicht mehr angemessen sei. Das Wort Proletariat, so Stalin, beziehe sich auf die Arbeiterklasse unter Bedingungen kapitalistischer Ausbeutung oder unter der Vorherrschaft kapitalistischer Produktionsverhältnisse, so wie sie in den ersten zehn Jahren der Sowjetunion, besonders unter der NÖP, existiert hatten. Da aber nun die direkte Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten abgeschafft sei, sollte die Arbeiterklasse nicht mehr ‚Proletariat‘ genannt werden. 36. Danach existierten keine Ausbeuter von Arbeit mehr. Die Arbeiter – durch die Bolschewistische Partei – regierten das Land in ihrem eigenen Interesse und unterschieden sich von dem traditionellen ‚Proletariat‘. Deshalb sei der Begriff ‚Diktatur des Proletariats‘ keine angemessene Bezeichnung mehr. Diese neuen Bedingungen erforderten einen neuen Staat. (Schukow, Inoi, S. 231, 292; Stalin, Entwurf, S. 800-1). 37. Die Führung unter Stalin machte sich auch Gedanken über die neue Rolle der Partei in diesem Stadium des Sozialismus. Stalin selbst setzte den Kampf gegen den ‚Bürokratismus‘ schon in seinem Bericht an den 17. Parteitag im Januar 1934 auf die Tagesordnung.10 Stalin, Molotow und andere bezeichneten das neue Wahlsystem als ‚Waffe gegen die Bürokratisierung‘. 38. Parteiführer kontrollierten die Regierung sowohl dadurch, dass sie darüber bestimmten, wer in die Sowjets kam, als auch dadurch, dass sie verschiedene Methoden der Aufsicht und Kontrolle über die Ministerien der Regierung zur Anwendung brachten. Als Molotow am 6. Februar 1935 vor dem 7. Kongress der Sowjets sprach, wies er darauf hin, dass geheime Wahlen ‚bürokratischen Elementen einen schweren Schlag und einen heilsamen Schock versetzen werden‘. Jenukidses Bericht hatte geheime Wahlen und die Ausweitung des Wahlrechts nicht empfohlen, geschweige denn auch nur erwähnt. (Stalin, Bericht an den 17. Parteitag; Schukow, Inoi, S. 124). 39. Minister der Regierung und ihre Mitarbeiter benötigten Informationen über die Angelegenheiten, die sie leiteten, wenn sie effektive Arbeit leisten wollten. Das setzte Ausbildung, in aller Regel eine Spezialausbildung auf ihrem Gebiet voraus. Jedoch machten Parteiführer häufig allein durch ihren Aufstieg innerhalb der Partei Karriere. Keinerlei Spezialkenntnisse waren für diesen Aufstieg vonnöten. Es wurden nur politische Kriterien angelegt. Diese Parteibeamten übten Kontrollfunktionen aus, obwohl sie häufig nicht über die Fachkenntnisse verfügten, die sie erst in die Lage versetzt hätten, eine effektive Aufsicht auszuüben. (Stalin-Howard-Interview; Schukow, Inoi, S. 305; Schukow, Repressii, S. 6). 40. Dies ist offensichtlich das, was die Führung unter Stalin unter dem Begriff ‚Bürokratismus‘ verstand. Obwohl sie ihn als eine Gefahr ansahen – so wie dies alle Marxisten tun – glaubten sie, dass er keine unvermeidliche Erscheinung sei und waren der Ansicht, dass er durch den Wandel der Rolle der Partei in der sozialistischen Gesellschaft überwunden werden könne. 41. Die Vorstellungen von Demokratie, die Stalin und seine Anhänger in der Parteiführung in der Sowjetunion einführen wollten, mussten unweigerlich zu einem Wandel der Rolle der Bolschewistischen Partei in der Gesellschaft führen. Schukow: „Jene Dokumente, die den Forschern zugänglich waren, versetzten uns durchaus in die Lage zu verstehen …, dass bereits Ende der dreißiger Jahre entschlossene Versuche unternommen wurden, die Partei vom Staat zu trennen und ihre Rolle im Leben der Gesellschaft erheblich zu begrenzen“. (Schukow, Taynu- Geheimnis, S. 8). Stalin und seine Anhänger setzten diesen Kampf energisch gegen den Widerstand anderer Kräfte in der Bolschewistischen Partei bis zu seinem Tod fort, mussten aber erkennen, dass die Chancen auf Erfolg mit der Zeit immer mehr abnahmen. Lawrenti Berijas Entschlossenheit, diesen Kampf fortzuführen, scheint der wahre Grund dafür gewesen zu sein, dass Chruschtschow und andere ihn ermordeten – entweder durch einen Scheinprozess mit erfundenen Beschuldigungen im Dezember 1953 oder, worauf zahlreiche Dinge hindeuten, durch buchstäblichen Mord schon im Juni des gleichen Jahres. 42. Artikel 3 der Verfassung aus dem Jahre 1936 lautet: ‚In der UdSSR geht alle Macht vom arbeitenden Volk in den Städten und auf dem Lande aus, ausgeübt durch die Arbeit der Volksvertreter in den Sowjets‘. Die Kommunistische Partei wird in Artikel 126 als ‚die Avantgarde der Arbeiterklasse bei der Stärkung und Entwicklung des sozialistischen Systems bezeichnet und stellt den Führungskern aller leitenden Organisationen der arbeitenden Menschen in Verwaltung und Staat‘. Das bedeutete nichts anderes, als dass die Partei die Organisationen leiten sollte, jedoch nicht die gesetzgebenden oder ausführenden Organe des Staates. (Verfassung von 1936; Schukow, Taynu, S. 29f). 43. Stalin scheint angenommen zu haben, dass, wenn die Partei erst einmal keine direkte Kontrolle mehr über die Gesellschaft besitzt, sich ihre Rolle auf Agitation und Propaganda sowie auf die Beteiligung bei der Auswahl von Kadern beschränken kann. Was hätte dies bedeutet? Vielleicht dies: Die Partei hätte sich ihrer ureigenen Aufgabe, Menschen für die Ideale des Kommunismus – so wie sie ihn verstand – zu gewinnen, zuwenden können. Dies hätte das Ende von einträglichen Ruheposten und eine Rückkehr zu dem disziplinierten Arbeitsstil und der selbstlosen Hingabe bedeutet, der für die Bolschewiki in der Periode der Zarenherrschaft, der Revolution, des Bürgerkriegs, der Zeit der NÖP oder während des sehr schwierigen Zeitabschnitts der rapiden Industrialisierung und der Kollektivierung typisch gewesen war. In dieser Zeit bedeutete Parteimitgliedschaft für die allermeisten harte Arbeit und Opfer, oft auch bei Unorganisierten, die den Bolschewiki feindlich gegenüber standen. Dies erforderte, sich unter den Massen eine solide Basis zu verschaffen. (Schukow, KP, 13. November, 2002; Muchin, Ubiystvo – Mord). 44. Stalin forderte, dass Kommunisten hart arbeitende, gebildete Leute zu sein hatten, die in der Lage sind, einen echten Beitrag zur Produktion und zur Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft zu leisten. Stalin selbst war ein unermüdlicher Student.11 45. Zusammengefasst belegen die Fakten, dass Stalin mit dem neuen Wahlsystem folgende Ziele verfolgte: Sicherzustellen, dass nur noch Leute mit einer fachlichen Ausbildung führende Positionen in der Produktion und in der sowjetischen Gesellschaft insgesamt ausüben konnten; Sicherzustellen, dass die Bolschewistische Partei nicht weiter entartete und Parteimitglieder, besonders führende, auf in ihre ursprüngliche Funktion zurückgeführt wurden, die politische und moralische Führung der Gesellschaft durch das eigene Beispiel und durch das Mittel der Überzeugung zu garantieren; Sicherzustellen, dass die Massenarbeit der Partei funktionieren konnte; Sicherzustellen, dass die Bürger des Landes sich hinter die Regierung stellten; Sicherzustellen, dass die Grundlage für eine klassenlose, kommunistische Gesellschaft errichtet werden konnte. Stalins Niederlage 46. Im Verlaufe des Jahres 1935 wurden unter der Leitung von Andrej Wyschinski, dem damaligen Generalstaatsanwalt der UdSSR, viele Bürger der Sowjetunion, die in die Verbannung geschickt oder inhaftiert worden waren und die kein Wahlrecht mehr besaßen, wieder in ihr alten Rechte eingesetzt. Hunderttausende ehemalige reiche Bauern, auch Kulaken genannt, waren das Hauptziel der Kollektivierungskampagne gewesen, und jene, die verhaftet oder in die Verbannung geschickt worden waren, weil sie sich in der einen oder anderen Form gegen die Kollektivierung gewehrt hatten, wurden wieder freigelassen. Wyschinski kritisierte das NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten, einschließlich Innere Sicherheit) wegen ‚einer ganzen Serie der größten Irrtümer und Fehleinschätzungen‘, in deren Folge fast 12.000 Menschen aus Leningrad nach der Ermordung von Kirow im Dezember 1934 deportiert worden waren. Er erklärte dann, dass von nun an das NKWD niemanden mehr verhaften könne ohne seine vorherige Zustimmung. Die Zahl der Wahlberechtigten nahm dadurch um mindestens Hunderttausende von Menschen zu, die Gründe genug hatten, der Meinung zu sein, dass sie von Staat und Partei unfair behandelt worden waren. (Thurston, S. 6-9; Schukow, KP, 14. & 19. November; Schukow, Inoi, S. 187; ders., Repressii, S. 7). 47. Stalins ursprünglicher Vorschlag für eine neue Verfassung hatte Wahlen mit Gegenkandidaten nicht vorgesehen. Er kündigte ihn zuerst in dem Interview mit Roy Howard am 1. März 1936 an. Auf dem Zentralen Plenum des ZK im Juni 1937 erklärte einer der Mitglieder des ZK, der mit Stalin zusammen am engsten am Entwurf für die neue Verfassung gearbeitet hatte, nämlich Jakowlew, dass von Stalin selbst der Vorschlag für Wahlen mit Gegenkandidaten gekommen sei. (Schukow, Inoi, S. 223). Der Vorschlag scheint auf verbreiteten, wenn auch stillen Widerstand von Seiten regionaler Parteiführer und der Ersten Sekretäre (auch ‚Partokratie‘ genannt – Schukow) gestoßen zu sein. Nach dem Howard-Interview gab es noch nicht einmal einen höflichen Beifall für Stalins Stellungnahme zugunsten von freien Wahlen mit Gegenkandidaten in den zentralen Presseorganen, die unter der direkten Kontrolle des Politbüros standen. Die Prawda schrieb dazu nur einen einzigen Artikel, und zwar am 10. März 1936, und ignorierte darin den Vorschlag. 48. Daraus folgert Schukow: „Das konnte nur eines bedeuten: Nicht nur die ‚breite Führerschaft‘ (sprich die regionalen Ersten Sekretäre), sondern zumindest ein Teil des ZK-Apparats, darunter Agitprop unter Stetzki und Tal, akzeptierten Stalins Vorschlag nicht, wollten ihn nicht einmal in einer rein formalen Fassung billigen. Freie Wahlen mit Gegenkandidaten waren für viele gefährlich, was sich aus jenen Worten Stalins ergab, die von der Prawda hervorgehoben worden waren: Sie bedrohten direkt die Positionen und die reale Macht der Ersten Sekretäre, die Zentralkomitees der nationalen kommunistischen Parteien, die regionalen, die Bereichs- und Stadt- sowie Gebietskomitees. (Inoi, S. 211). 49. Die Ersten Sekretäre der Partei bekleideten Parteiämter, aus denen sie nach keiner Wahlniederlage bei Wahlen zu den Sowjets wieder entfernt werden konnten. Aber die ungeheure Macht, die sie auf örtlicher Ebene besaßen, ergab sich hauptsächlich aus der Kontrolle der Partei über jeden einzelnen Aspekt der Ökonomie und des Staatsapparates, über Kolchosen, Fabriken, Ausbildung und Militärwesen. Das neue Wahlsystem hätte dazu geführt, dass sie nicht mehr automatisch Delegierte zu den Sowjets gewesen wären und hätte ihnen die Macht entzogen, einfach die Delegierten auszusuchen. Die eigene Niederlage oder die ‚ihrer‘ Kandidaten (der Parteikandidaten) bei Wahlen zu den Sowjets wäre ein Volksentscheid über ihre Arbeit gewesen. Ein Erster Sekretär, dessen Kandidaten bei einer Wahl von Nicht-Parteikandidaten besiegt worden wäre, wäre als jemand entlarvt worden, der nur eine schwache Verankerung unter den Massen besaß. Bei Wahlkämpfen hätten Oppositionskandidaten ganz sicher Fälle von Korruption, Autoritarismus oder Inkompetenz, die ihnen unter Parteioffiziellen aufgefallen wäre, ausgeschlachtet. Unterlegene Kandidaten wären als Kommunisten mit ernsthaften Schwächen bloßgestellt worden, was wahrscheinlich zu ihrer Absetzung geführt hätte. (Schukow, KP, November, 13, 2002; Inoi, S. 226; vgl. auch Getty, Excesses – Auswüchse, S. 122f). 50. Hochrangige Parteiführer waren in aller Regel Parteimitglieder, die schon jahrelang in der Partei gedient hatten, waren Veteranen aus wirklich gefährlichen zaristischen Zeiten, aus Zeiten der Revolution, des Bürgerkrieges und der Kollektivierungen, als Kommunist sein hieß, mit großen Gefahren und Schwierigkeiten fertig werden zu müssen. Viele besaßen nur eine geringe formale Ausbildung. Außer Stalin, Kirow und Berija waren, so scheint es, die wenigsten bereit oder in der Lage, sich durch Selbststudium ‚auf Vordermann zu bringen‘. (Muchin, Ubiystvo, S. 37; Dimitroff, S. 33f; Stalin Sastolnye – Tischgespräche, S. 235f). 51. All diese Männer waren langjährige Weggefährten Stalins gewesen. Sie waren es gewesen, die die rigorose Kollektivierung der Bauernschaft, in deren Verlauf Tausende deportiert wurden, durchführen halfen. In den Jahren 1932-1933 waren viele Menschen, vielleicht bis zu drei Millionen, durch eine Hungersnot umgekommen, die nicht von Menschen herbeigeführt wurde. Aber es war eine Hungersnot, die für die Bauernschaft durch die Kollektivierung und durch die Ablieferungspflicht für Getreide, um die Arbeiter in den Städten zu ernähren sowie durch bewaffnete Bauernaufstände verschlimmert wurde, denen auch zahlreiche Bolschewiki zum Opfer fielen. Diese Parteiführer leiteten die stürmische Kollektivierung unter schwierigen Bedingungen, bei schlechten Wohnverhältnissen, bei unzureichender medizinischer Versorgung, bei Unterversorgung mit Lebensmitteln, bei geringem Lohn und nur wenigen Konsumgütern, die man dafür kaufen konnte. (Tauger; Anderson & Silver; Schukow, KP, 13. November 2002). 52. Und nun waren sie mit Wahlen konfrontiert, bei denen jenen, denen man früher das Wahlrecht entzogen hatte, weil sie auf der falschen Seite der sowjetischen Politik gestanden hatten, urplötzlich dieses Wahlrecht wieder zugestanden werden sollte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie befürchteten, dass viele gegen ihre Wunschkandidaten oder sogar gegen jeden bolschewistischen Kandidaten stimmen würden. Falls dies eintreten sollte, liefen sie Gefahr, degradiert zu werden oder hatten sogar Schlimmeres zu befürchten. Natürlich würden sie in diesem Fall immer noch irgendeine Funktion in der Partei erhalten oder schlimmer noch: irgendeinen Job erhalten. Die neue ‚Stalin‘-Verfassung garantierte jedem Sowjetbürger das Recht auf Arbeit, zusammen mit ärztlicher Versorgung, einer Rente, einer Ausbildung usw. Aber diese Männer (es waren praktisch nur Männer) waren Macht und Privilegien gewohnt, die allesamt im Falle eines Durchfallens ihrer Kandidaten bei den Wahlen bedroht waren. (Schukow, KP, 13. November, 2002; 1936iger Verfassung, Kapitel 10; vgl. Getty, Excesses – Auswüchse, S. 125, über die Bedeutung religiöser Gefühle im Land). 53. Die Pläne für die neue Verfassung und für die Wahlen waren auf dem Juni-Plenum des Zentralkomitees entworfen worden (1936). Die Delegierten billigten einmütig den Verfassungsentwurf. Aber niemand sprach sich dafür aus. Dass noch nicht einmal Lippenbekenntnisse für Stalins Vorschlag abgegeben wurden, deutet darauf hin, dass es eine ‚unterschwellige Opposition in der Führungsschicht bzw. einen demonstrativen Mangel an Interesse‘ dafür gab. (Schukow, Inoi, S. 232, S. 236; Repressii, S. 10f). 54. Auf dem Achten Allrussischen Sowjetkongress im November/Dezember 1936 betonten Stalin und Molotow erneut den Stellenwert einer Ausweitung des Wahlrechts sowie von geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten. Ganz im Sinne von Stalins Interview mit Howard unterstrich Molotow erneut die für die Partei segensreiche Wirkung der Zulassung von nichtkommunistischen Kandidaten bei den Wahlen zu den Sowjets: Prozesse, Verschwörungen, Repressionen „Dieses System … kann nur dazu beitragen, dass jene, die zu Bürokraten geworden sind, die sich von den Massen entfernt haben einen Denkzettel bekommen, … dass neue Kräfte leichter nach vorne kommen können …, um rückwärtsgewandte und verbürokratisierte (ochinovnishimsya) Elemente zu ersetzen. Unter dem neuen Wahlsystem ist es möglich, dass feindliche Elemente gewählt werden. Aber selbst diese Gefahr kann uns letzten Endes nur nützen, weil sie für bestimmte Organisationen, die dies nötig haben, sowie für schläfrige (Partei)-Arbeiter als Peitschenhieb dienen können (Schukow, Repressii, S. 15). 55. Stalin drückte sich sogar noch drastischer aus: „Einige sagen, dass dies gefährlich sei, weil sich Elemente, die der Sowjetmacht feindlich gesonnen sind, in die höchsten Ämter einschleichen könnten, also einige der ehemaligen Weißgardisten, der Kulaken, Priester u. a.. Aber was gibt es da wirklich zu fürchten? ‚Wenn du vor Wölfen Angst hast, dann geh‘ nicht in den Wald‘! Erstens sind nicht alle ehemaligen Kulaken, Weißgardisten und Priester der Sowjetmacht feindlich gesonnen und zweitens: Wenn die Menschen da und dort feindliche Kräfte wählen, dann bedeutet dies nur, dass unsere agitatorische Arbeit schlecht organisiert war und dass wir diese Schmach vollkommen verdient haben“. (Schukow, Inoi, S. 293; Stalin, Entwurf). 56. Einmal mehr legten die Ersten Sekretäre unterschwellige Feindseligkeit an den Tag. Am 4. Dezember 1936 traf sich das Plenum des ZK. Die Sitzung überschnitt sich mit der des Sowjetkongresses. Es gab praktisch keine Diskussion über den ersten Tagesordnungspunkt: den Verfassungsentwurf. Jeschows Bericht ‚Über die trotzkistischen und rechten antisowjetischen Organisationen‘ war für die Mitglieder des ZK weit mehr von Belang. (Fragmentii, S. 4f; Schukow, Inoi, S. 310f). 57. Am 5. Dezember 1936 billigte der Kongress den Entwurf für die neue Verfassung. Aber es gab kaum eine echte Diskussion. Stattdessen betonten die Delegierten (sprich Parteiführer) die Bedrohung durch Feinde aus dem In- und Ausland. Statt sich zu der Verfassung positiv zu äußern, ignorierten die Delegierten buchstäblich den wichtigsten Tagesordnungspunkt, über den Stalin, Molotow, Schdanow, Litwinow und Wyschinski berichtet hatten. Es wurde eine Kommission zwecks weiterer Prüfung des Entwurfs eingesetzt, aber zu den freien Wahlen mit Gegenkandidaten wurde nichts weiter beschlossen. (Schukow, Inoi, S. 294, S. 298, S. 309). 58. Die internationale Lage war tatsächlich sehr angespannt. Der Sieg des Faschismus im Spanischen Bürgerkrieg war nur noch eine Frage der Zeit. Die Sowjetunion sah sich von feindlichen Mächten umgeben. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre herrschten in all diesen Ländern ausnahmslos streng autoritäre, militaristische, antikommunistische und antisowjetische Regimes. Im Oktober 1936 hatte Finnland über die sowjetische Grenze geschossen. Im gleichen Monat wurde die ‚Achse Berlin-Rom‘ durch Hitler und Mussolini gegründet. Einen Monat später schloss sich Japan Nazideutschland und dem faschistischen Italien an. Es entstand der ‚Anti-Komintern-Pakt‘. Sowjetische Bemühungen, militärische Bündnisse gegen Nazideutschland zu schließen, trafen in den Hauptstädten des Westens auf Ablehnung. (Schukow,Inoi, S. 285-309). 59. Während sich der Kongress mit der neuen Verfassung beschäftigte, befand sich die sowjetische Führung zwischen den beiden ersten großen Moskauer Prozessen. Sinowjew und Kamenjew standen zusammen mit einigen anderen im August 1936 vor Gericht. Der zweite Prozess fand im Januar 1937 statt, auf dem sich einige der wichtigsten Anhänger Trotzkis, angeführt von Juri Pjatakow, zu verantworten hatten. Pjatakow war noch vor kurzer Zeit stellvertretender Kommissar für die Schwerindustrie gewesen.12 60. Das Februar-März-Plenum des ZK (1937) zeigte den dramatischen Widerspruch auf, mit dem es die Parteiführung zu tun hatte: auf der einen Seite die Notwendigkeit, den Kampf gegen den inneren Feind führen zu müssen und auf der anderen die Notwendigkeit, sich auf geheime Wahlen mit Gegenkandidaten unter der neuen Verfassung bis Jahresende vorzubereiten. Die allmähliche Entdeckung immer neuer Gruppierungen, die gegen die Sowjetregierung konspiriert hatten, verlangte nach dem Einsatz der Sicherheitskräfte. Aber die Vorbereitung auf wahrhaft demokratische Wahlen und die Ausweitung der innerparteilichen Demokratie – ein Thema, das von den engsten Mitarbeitern Stalins immer wieder angeschnitten wurde – verlangte nach dem genauen Gegenteil: nach Offenheit gegenüber Kritik und Selbstkritik, nach geheimen Wahlen von führenden Parteipolitikern durch die Parteibasis und nach einem Ende der Kooptation durch die Ersten Sekretäre. 61. Diese Vollversammlung, die längste, die je in der Geschichte der Sowjetunion abgehalten wurde, zog sich zwei Wochen hin. Und dennoch drang bis 1992 fast nichts darüber an die Öffentlichkeit, als das umfangreiche Protokoll des Plenums in Voprossi Istorii – Fragen zur Geschichte – endlich veröffentlicht wurde, wozu die Zeitschrift fast vier Jahren benötigte. 62. Jeschows Bericht über die andauernden Untersuchungen von Verschwörungen im Land wurde überschattet durch das Auftreten von Nikolai Bucharin, der versuchte, sich wortreich zu seinen eigenen Untaten aus der Vergangenheit zu bekennen und sich gleichzeitig von ehemaligen Verbündeten zu distanzieren und nicht müde wurde, seine Loyalität zu bekunden und sich dadurch nur noch tiefer verstrickte. (Thurston, S. 40-42; Getty und Naumow stimmen dem zu, S. 563). 63. Drei Tage danach sprach Schdanow über die Notwendigkeit von mehr Demokratie – sowohl im Lande als auch in der Partei, und rief zum Kampf gegen die Bürokratie und die Herstellung engerer Verbindungen zum Volk, innerhalb und außerhalb der Partei, auf. „Das neue Wahlsystem wird einen gewaltigen Schub bringen für die Verbesserung der Arbeit der Sowjets, für die Liquidierung verbürokratisierter Organe, für die Überwindung bürokratischer Erscheinungen und von Mängeln in der Arbeit unserer sowjetischen Organisationen. Und diese Mängel sind, wie Ihr wisst, sehr erheblich. Unsere Partei muss für den Kampf an der Urne bereit sein. Bei den Wahlen werden wir es mit feindlicher Propaganda zu tun bekommen, aber auch mit feindlichen Kandidaten.“ (Schukow, Inoi, S. 343). 64. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Schdanow, der für die sowjetische Führung sprach, echte Wahlkämpfe voraussah, bei denen Nicht-Partei-Kandidaten auftreten würden, die klar gegen die Entwicklung in der Sowjetunion waren. Diese Tatsache steht in krassem Widerspruch zu den Darstellungen der Kalten Krieger und der Chruschtschow-Anhänger. 65. Schdanow betonte auch in aller Ausführlichkeit die Notwendigkeit, innerhalb der Bolschewistischen Partei demokratische Normen zu entwickeln. „Wenn wir wollen, dass unsere sowjetischen und Parteiarbeiter unsere Gesetze respektieren und wenn wir wollen, dass die Massen die sowjetische Verfassung achten, müssen wir die Umstrukturierung (perestroika) unserer Parteiarbeit auf der Grundlage einer unzweifelhaften und vollständigen Verwirklichung der Grundelemente einer innerparteilichen Demokratie, so wie sie in den Statuten unserer Partei niedergelegt sind, garantieren.“ Er zählte die wesentlichen Maßnahmen dafür auf, die schon in dem Resolutionsentwurf zu seinem Bericht enthalten waren: Die Beseitigung der Kooptation, das Verbot der Wahl von Vorschlagslisten, eine Garantie des ‚uneingeschränkten Rechts von Mitgliedern der Partei, die nominierten Kandidaten abzulehnen sowie das uneingeschränkte Recht, diese Kandidaten zu kritisieren‘. (Schukow, Inoi, S. 345). 66. Jedoch ging Schdanows Bericht in den Diskussionen zu anderen Tagesordnungspunkten – hauptsächlich über ‚Feinde‘ – völlig unter. Eine Reihe Erster Sekretäre reagierte alarmiert und befürchtete, dass jene, denen man zutrauen könnte, sich am eifrigsten auf die Wahlen vorzubereiten, Feinde der Sowjetmacht seien: Sozialrevolutionäre, die Priesterschaft und andere ‚Feinde‘.13 67. Molotow antwortete mit einem eigenen Bericht und unterstrich erneut die Notwendigkeit, die ‚Selbstkritik zu entfalten und zu festigen‘ und verurteilte die Suche nach ‚Feinden‘, wenn er ausführte: „Es macht keinen Sinn nach Leuten zu suchen, denen man die Schuld geben kann, Genossen. Dann kann man allen von uns die Schuld geben, wenn man es drauf anlegt – angefangen von den zentralen Institutionen der Partei bis hinunter zu den untersten Parteiorganisationen“. (Schukow, Inoi, S. 349). 68. Aber diejenigen, die ihm auf das Podium folgten, ignorierten seinen Bericht und betonten erneut die Notwendigkeit, ‚Feinde aufzuspüren, Saboteure zu entlarven und den Kampf gegen Sabotage fortzusetzen‘ (Inoi, S. 352). Als er noch einmal sprach, drückte Molotow seine Verwunderung darüber aus, dass fast niemand auf den Inhalt seines Berichts eingegangen war, den er dann noch einmal wiederholte. Aber bevor er dies tat, fasste er zusammen, was gegen interne Feinde gerade unternommen wurde. 69. Stalins Rede an diesem 3. März war ähnlich zweigeteilt. Zum Schluss kam er darauf zu sprechen, dass es wichtig sei, die Parteiarbeit zu verbessern, unfähige Parteimitglieder zu verdrängen und sie durch neue zu ersetzen. Aber auch sein Bericht wurde wie der Molotows größtenteils mit Schweigen übergangen. Dazu Schukow: „Von Anbeginn der Diskussionen zeigten sich Stalins Befürchtungen als gerechtfertigt. Es schien, dass er auf eine Mauer des Unverständnisses gestoßen war, auf die fehlende Bereitschaft der ZK-Mitglieder gestoßen war, die nur das, was sie aus seinem Bericht herausgelesen hatten, diskutieren wollten. Von den 24 Leuten, die sich an der Diskussion beteiligten, sprachen 15 von den ‚Volksfeinden‘, sprich den Trotzkisten. Sie sprachen aus Überzeugung und aggressiv, so wie sie es nach den Berichten von Schdanow und Molotow vorher schon getan hatten. Sie reduzierten alle Probleme auf eines: auf die Notwendigkeit, ‚Feinde‘ auszumachen, und praktisch niemand ging auf Stalins wichtigste Punkte ein: die Mängel in der Arbeit der Parteiorganisationen und die Vorbereitung der Wahlen zum Obersten Sowjet.“(Schukow, Inoi, S. 357). 70. Die Stalin-Führung verstärkte ihre Angriffe gegen die Ersten Sekretäre. Jakowlew kritisierte den Chef der Moskauer Parteiführung, Chruschtschow, aber auch andere, weil sie ungerechtfertigte Parteiausschlüsse vorgenommen hatten. Malenkow schloss sich seiner Kritik an den Parteisekretären wegen ihrer Gleichgültigkeit gegenüber einfachen Mitgliedern an. Danach sprachen die ZK-Mitglieder erst einmal nicht mehr von den Feinden und gingen dazu über, sich selbst zu rechtfertigen. Immer noch gab es keine Reaktionen auf Stalins Bericht. (Schukow, Inoi, S. 358-360). 71. In seiner Schlussansprache am letzten Tag des Plenums, am 5. März, sah Stalin wenig Veranlassung, Feinde zu jagen, auch nicht die Trotzkisten, von denen viele, so Stalin, sich inzwischen der Partei zugewendet hätten. Sein Hauptthema war die Notwendigkeit, Parteioffizielle davon fernzuhalten, alle Bereiche des Wirtschaftslebens zu kontrollieren, bestand darin, die Bürokratie zu bekämpfen und das politische Niveau von Parteiarbeitern anzuheben. Mit anderen Worten: Stalin rückte den Ersten Sekretären auf den Pelz. „Einige Genossen unter uns meinen, wenn sie Narkom sind (Volkskommissar), dass sie dann alles wissen. Sie meinen, dass der Rang, den sie bekleiden, ihnen automatisch unerschöpfliches Wissen verleihe. Oder vielleicht meinen sie auch: Wenn ich Mitglied des Zentralkomitees bin, dann bin ich das ja nicht durch Zufall, dann muss ich ja alles wissen. Dies ist aber nicht der Fall.“ (Stalins Schlussansprache, Schukow, Inoi, S. 360f). 72. Eine Bemerkung Stalins muss für alle Parteioffiziellen, einschließlich der Ersten Sekretäre, sehr bedrohlich geklungen haben: Er schlug vor, dass jeder von ihnen sechsmonatige politische Weiterbildungskurse, die demnächst eingerichtet würden, besuchen sollte. In dieser Zeit sollten zwei Kader ihrer Wahl ihren Platz einnehmen. Es kann durchaus sein, dass die Parteisekretäre befürchteten, dass Ihnen während ihrer Abwesenheit neue Aufgaben zugeteilt werden sollten, was ihren ‚Familien‘ (ihrer Anhängerschaft und damit dem Herzen der Bürokratie) das Rückgrat hätte brechen können. (Schukow, Inoi , S. 362). 73. Thurston beurteilt Stalins Rede als ‚wesentlich moderater‘. Er betont darin die ‚Notwendigkeit, von den Massen zu lernen und Kritik von unten Gehör zu schenken‘. Die Resolution, die dann basierend auf Stalins Rede gefasst wurde, beschäftigte sich mit den ‚Feinden‘ nur kurz und ging hauptsächlich auf die Mängel der Arbeit in den Parteiorganisationen und die ihrer Führungen ein. Nach Schukow, der aus der unveröffentlichten Resolution zitiert, handelt nicht ein einziger der 25 Punkte von den sog. Feinden. (Thurston, S. 48f; Schukow, ebd., S. 362-364).14 74. Nach der Vollversammlung probten die Ersten Sekretäre buchstäblich den Aufstand. Zuerst Stalin und dann das Politbüro gaben Verlautbarungen heraus, in denen die Notwendigkeit unterstrichen wurde, geheime Parteiwahlen durchzuführen, mit der Kooptation Schluss zu machen und die innerparteiliche Demokratie zu entwickeln. Die Ersten Sekretäre würden sich ungeachtet der Resolutionen des Plenums in den alten, ausgefahrenen Gleisen bewegen. 75. In den dann folgenden Monaten versuchten Stalin und seine engsten Mitarbeiter den Schwerpunkt von der Jagd auf den inneren Feind – die Hauptsorge der ZK-Mitglieder – auf den Kampf gegen die Parteibürokratie zu verlagern und die Wahlen zu den Sowjets vorzubereiten. Zwischenzeitlich taten die örtlichen Parteiführer alles in ihrer Macht Stehende, was im Rahmen (und teilweise auch außerhalb dieses Rahmens) der Parteidisziplin möglich war, um die Wahlen aufzuhalten oder zu modifizieren‘. (Getty, Excesses, S. 126; Schukow, Inoi, S. 367-371). 76. Die plötzliche Aufdeckung einer scheinbar breit angelegten militärischen und sicherheitspolitischen Verschwörung führte dazu, dass die Stalin-Regierung panikartig reagierte. Genrich Jagoda, der Chef der Sicherheitspolizei und Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, wurde Ende März 1937 verhaftet und begann im April Geständnisse abzulegen. Im Mai und Anfang Juni gestanden hochrangige Militärführer, mit dem Deutschen Generalstab zusammengearbeitet zu haben, um die Rote Armee im Falle einer Invasion durch Deutschland und seine Verbündeten zu besiegen. Sie gaben auch zu, mit den Verschwörungen bestimmter politischer Führer verbunden gewesen zu sein, darunter solche, die immer noch hohe Positionen bekleideten. (Getty, Excesses, S. 115, 135; Thurston, S. 70, 90, 101f; Genrich Jagoda)15. 77. Diese Lage war weit komplizierter als irgendeine andere, mit der die sowjetische Regierung bisher konfrontiert gewesen war. Bei den Moskauer Prozessen von 1936 und 1937 nahm sich die Regierung noch Zeit, um die Fälle vorzubereiten und um einen öffentlichen Prozess mit größtmöglicher Publizität zu organisieren. Mit der Militärverschwörung ging man jedoch ganz anders um. Nur drei Wochen vergingen nach der Verhaftung von Michail Tuchatschewski Ende Mai bis zum Prozess und bis zu seiner Erschießung sowie der sieben anderer hochrangiger Kommandeure am 11. und 12. Juni. In dieser Zeit wurden Hunderte von hohen Militärführern nach Moskau einbestellt, wo man ihnen die Beweise gegen ihre Kollegen vortrug, die ihre Vorgesetzten gewesen waren und mussten sich die alarmierenden Einschätzungen von Stalin und Marschall Woroschilow, dem Volkskommissar für Verteidigung und damit dem höchsten Militärführer des Landes, anhören. 78. Zur Zeit des Februar-März Plenums des ZK waren weder Jagoda noch Tuchatschewski schon verhaftet. Stalin und das Politbüro hatten vorgehabt, dass Thema Verfassung zum wichtigsten Tagesordnungspunkt zu machen und wurden durch die Tatsache in die Defensive gedrängt, dass die meisten diesen Punkt ignorierten und stattdessen den Kampf gegen ‚Feinde‘ in den Vordergrund stellen wollten. Das Politbüro hatte auch vor, die Verfassungsreform auf dem bevorstehenden Juni-Plenum (1937) zum zentralen Tagesordnungspunkt zu machen. Aber im Juni war die Lage schon wieder anders. Die Entdeckung der Verschwörungen durch die Leitung des NKWDs und die Tatsache, dass die prominentesten Militärführer geplant hatten, die Regierung zu stürzen und ihre Mitglieder zu ermorden, bewirkten einen grundlegenden Wandel in der politischen Atmosphäre. 79. Stalin befand sich in der Defensive. In seiner Rede vom 2. Juni vor der erweiterten Sitzung des Militärsowjets (sie tagte vom 1. bis 4. Juni) stellte er die Serie der neu entdeckten Verschwörungen16 als begrenzt hin. Man habe sie im Prinzip erfolgreich beendet. Schon auf dem Februar-März-Plenum hatten er und seine Anhänger die ernsten Besorgnisse wegen der internen Feinde seitens der Ersten Sekretäre heruntergespielt. Stalin entglitt die Lage ‚allmählich, aber entschieden‘, wie Schukow anmerkt. (Stalin, Vystuplenie – Rede; Schukow, Inoi, Kap. 16, siehe dort, S. 411). 80. Das Plenum des Zentralkomitees vom Juni 193717 begann mit Vorschlägen, sieben ständige ZK-Mitglieder und Kandidaten wegen ‚Mangels an politischer Vertrauenswürdigkeit‘ auszuschließen; sodann sollten noch weitere 19 Mitglieder und Kandidaten wegen ‚Verrats und aktiver konterrevolutionärer Aktivitäten‘ ausgeschlossen werden. Diese letzten 19 sollten vom NKWD verhaftet werden. Nimmt man die zehn Mitglieder hinzu, die wegen ähnlicher Beschuldigungen schon vor dem Plenum nach einer Befragung der Mitglieder des ZK ausgeschlossen worden waren – einschließlich jene Militärführer, die bereits vor Gericht gestanden hatten, verurteilt und erschossen waren – so bedeutete dies, dass insgesamt 36 der 120 ZK-Mitglieder und Kandidaten seit dem 1. Mai entfernt worden waren. 81. Jakowlew und Molotow kritisierten, dass es die Parteiführer unterlassen hatten, unabhängige Wahlen zu den Sowjets anzusetzen. Molotow betonte sogar die Notwendigkeit, dekorierte Revolutionäre zu verdrängen, wenn sie nicht mehr bereit seien, den Anforderungen der Stunde zu genügen. Er stellte in seiner Rede heraus, dass sowjetische Offizielle nicht ‚zweitrangige Arbeiter‘ seien. Offensichtlich behandelten bestimmte Parteiführer Arbeiter in dieser Weise. 82. Jakowlew entlarvte und kritisierte die Unterlassung der Ersten Sekretäre, geheime Wahlen für Parteiämter durchzuführen. Stattdessen verließen sie sich lieber auf Ernennungen (‚Kooptationen‘). Er betonte, dass Parteimitglieder, die als Delegierte für die Sowjets bestimmt waren, nicht unter die Parteidisziplin außerhalb der Sowjets geraten dürften. Die Ersten Sekretäre dürften ihnen nicht Vorschriften darüber machen, wie sie zu wählen hätten. Sie hätten unabhängig zu sein. Und Jakowlew betonte mit entschiedenen Worten die Notwendigkeit, ‚auf die reichen Reserven an neuen Kadern zurückzugreifen, um jene zu ersetzen, die korrumpiert und verbürokratisiert seien‘. All diese Erklärungen stellten einen deutlichen Angriff auf die Ersten Sekretäre dar. (Schukow, Inoi, S. 424-427; Tayny, S. 39f, Archivmaterial zitierend). 83. Die Verfassung wurde schließlich fertiggestellt, und als Datum für die ersten Wahlen wurde der 12. Dezember 1937 gewählt. Die Stalin-Führung wies erneut auf die Vorteile hin, die mit einem Kampf gegen die Bürokratie und mit der Herstellung von festen Verbindungen zu den Massen verbunden seien. Jedoch – um dies zu wiederholen – war der bisher beispiellose und sehr rasche Ausschluss von 26 ZK-Mitgliedern vorausgegangen, von denen 19 direkt des Verrats und der konterrevolutionären Tätigkeit beschuldigt wurden. (Schukow, Inoi, S. 430). 84. Vielleicht ist die folgende Bemerkung Stalins, die von Schukow wiedergegeben wird, sehr aufschlussreich: „Gegen Ende der Diskussion, als es um die Suche nach einem fairen Verfahren der Stimmenauszählung ging, merkte Stalin an, dass dieses Problem im Westen dank des Mehrparteiensystems nicht existiere. Unmittelbar darauf machte er plötzlich eine Bemerkung, die in einer Versammlung wie dieser recht merkwürdig anmutete: ‚Wir haben keine unterschiedlichen politischen Parteien. Glücklicherweise oder unglücklicherweise haben wir nur eine Partei‘. (Schukows Hervorhebung). Und dann schlug er vor – aber dies nur als vorläufige Maßnahme -, dass, um eine neutrale Wahlbeobachtung zu garantieren, alle existierenden sozialen Organisationen, ausgenommen die Bolschewistische Partei, Wahlbeobachter entsenden sollten. … Der Fehdehandschuh war der Parteiautokratie vor die Füße geworfen worden. (Schukow, Inoi, S. 430f, Hervorhebung von mir; Tayny, S. 38). 85. Die Bolschewistische Partei befand sich in einer schweren Krise, und es war unmöglich zu erwarten, dass die Dinge glatt ablaufen würden. Es war die ungünstigste Atmosphäre entstanden, in der es nun galt, sich auf demokratische, geheime und allgemeine Wahlen mit Gegenkandidaten zu einigen. Stalins Pläne für eine Reform der sowjetischen Regierung und für eine veränderte Rolle der Bolschewistischen Partei in ihr waren zum Scheitern verurteilt. 86. Nach dem Ende des Plenums traf sich Robert Eiche, der Erste Sekretär der Westsibirischen Region (eine Region der russischen Republik), privat mit Stalin. Es folgten andere Erste Sekretäre. Sie verlangten wahrscheinlich außerordentliche Vollmachten von Stalin, die ihnen wenig später gewährt wurden: die Vollmacht, sog. Troikas bilden zu dürfen, also Gruppen aus drei Personen, um weit verbreitete Verschwörungen gegen die sowjetische Regierung in ihren Gebieten bekämpfen zu können.18 Diese Troikas erhielten das Recht, Erschießungen vorzunehmen, ohne dass gegen die ihnen zugrunde liegenden Urteile geklagt werden konnte. Es wurden Obergrenzen, was die Zahl der Exekutionen anging, festgelegt, aber auch für Verhaftungen. Aber als diese ausgeschöpft waren, erhielten die Ersten Sekretäre weitere Kontingente. Schukow nimmt an, dass Eiche im Namen einer inoffiziellen Gruppe von Ersten Sekretären gehandelt hat. (Getty, Auswüchse, S. 129, Schukow, Inoi, S. 435). 87. Wer waren die Zielscheiben dieser drakonischen Troika-Gerichte? Schukow meint, es müsse sich um die lischensis gehandelt haben, also um die gleichen Leute, deren Bürgerrechte, einschließlich Wahlrecht, erst kürzlich wiederhergestellt worden waren und deren Stimmen die größte potenzielle Bedrohung für die Ersten Sekretäre und ihr weiteres Verbleiben an der Macht darstellten. Schukow bestreitet generell die Existenz von Verschwörungen. Jedoch weisen Dokumente aus Archiven, die unlängst in Russland veröffentlicht wurden, eindeutig darauf hin, dass die zentrale Führung ständig glaubwürdige Berichte von Seiten der Sicherheitskräfte über Verschwörungen erhielt, einschließlich Protokolle von Geständnissen. Stalin und Molotow waren ganz sicher der Meinung, dass diese Verschwörungen tatsächlich existierten. Meine Einschätzung ist die – ohne Schukow nahe treten zu wollen – dass zumindest einige dieser angeblichen Verschwörungen real waren und dass die Ersten Sekretäre an sie glaubten. (Schukow, KP, 13. November 2002; Inoi, Kap. 18; Repressii, S. 23; Lubianka B). 88. Eine andere Hypothese besagt, dass jeder, der zu irgendeiner oppositionellen Bewegung gehörte, wahrscheinlich als ‚Feind‘ angesehen wurde und Angst haben musste, verhaftet oder vom NKWD verhört zu werden, das stets durch ein Mitglied in den Troikas vertreten war. Eine andere Gruppe bestand aus Leuten, die ganz offen ihr Misstrauen oder ihren Hass gegen das Sowjetsystem insgesamt zum Ausdruck brachten. Thurston zitiert Beweise, die belegen, dass diese Personen oft sofort verhaftet wurden. Jene jedoch, die einfach nur örtliche Parteiführer kritisierten, zum Beispiel auf Versammlungen, die eigens zu diesem Zweck angesetzt wurden, wurden nicht verhaftet, während oft jene, die kritisiert wurden, einschließlich Parteiführer, manchmal mit Verhaftung zu rechnen hatten. (Thurston, S. 94f). 89. Jene, die argumentieren, dass die Verschwörungen nur Symptome von Stalins Paranoia oder gar fabrizierte Lügen gewesen seien, um Stalins größenwahnsinniges Festhalten an der Macht zu rechtfertigen, sehen sich mit sehr vielen Beweisen dafür konfrontiert, dass solche Verschwörungen wirklich existierten. Dafür sprechen Berichte von Verschwörern, denen es später gelang, ins Ausland zu fliehen. Der riesige Umfang an polizeilichen Dokumentationen, die Verschwörungen betrafen, von dem bislang nur wenig veröffentlicht wurde, spricht sehr stark gegen die Vorstellung, dass all dies Produkte von Fälschungen waren. Auch Stalins Anmerkungen auf diesen Dokumenten beweisen, dass er fest daran glaubte, dass es sie wirklich gab. (Getty, Excesses, S. 131-134; Lubianka B). 90. Getty fast den unlösbaren Widerspruch folgendermaßen zusammen: „Stalin war noch nicht bereit, von Wahlen mit Gegenkandidaten Abstand zu nehmen, und am 2. Juli 1937 enttäuschte die Prawda zweifellos die regionalen Sekretäre, als sie den ersten Bericht über die neuen Wahlregeln brachte, womit sie die allgemeinen und geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten unterstützte. Stalin war jedoch bereit, einen Kompromiss einzugehen: An dem gleichen Tag, als das Wahlgesetz veröffentlicht wurde, billigte das Politbüro den Beginn einer Massenoperation gegen jene Elemente, über die sich die örtlichen Parteiführer beschwert hatten, und nur wenige Stunden später schickte er den Parteiführern in der Provinz ein Telegramm, worin er eine Operation gegen Kulaken anordnete (also gegen die lischensi – GF). Es fällt schwer, daraus nicht zu folgern, dass Stalin diesen Verfolgungen und Deportationen von ‚gefährlichen Elementen‘ seine Zustimmung gab, um die Parteiführer auf diese Weise zu zwingen, Wahlen abzuhalten. (Getty, Excesses, S. 126). 91. Stalin scheint geglaubt zu haben, dass solche Säuberungen, darunter standrechtliche Erschießungen und Deportationen, nötig gewesen seien, um dadurch günstige Bedingungen für Wahlen mit Gegenkandidaten zu schaffen. Andererseits untergruben solche Aktivitäten gerade die Voraussetzungen für die Abhaltung von Wahlen. 92. Zuerst versuchte das Politbüro noch, die Säuberungskampagne zu begrenzen, als es anordnete, sie innerhalb von fünf Tagen abzuschließen. Irgendetwas zwang es, dem NKWD zu erlauben, die Zeitspanne auf vier Monate, vom 5./15. August bis zum 5./15. Dezember, auszudehnen. War es die große Zahl der Verhafteten? War es die Überzeugung, dass die Partei mit weit verbreiteten Verschwörungen konfrontiert war, also mit einer erheblichen inneren Bedrohung? Uns sind die Einzelheiten darüber, wie und warum sich diese Massenrepression in einem solchen Umfang ausbreiten konnte, unbekannt. 93. Dies war genau der Zeitraum, in dem eigentlich der Wahlkampf stattfinden sollte. Obwohl das Politbüro mit seinen Vorbereitungen für die Wahlen fortfuhr, indem es zum Beispiel Regeln festlegte, wie Wähler ihre Wahlentscheidung deutlich kennzeichnen konnten, wie Offizielle Stichwahlen zu organisieren hatten, kontrollierten eben diese örtlichen Offiziellen stattdessen die Repressionen. Sie durften festlegen, welche Art von Opposition gegen die Partei, falls es sie gab, als ‚loyal‘ zu betrachten sei und welche nicht, auf welche mit Repression, Verhaftung oder Todesstrafe zu reagieren war und auf welche nicht. (Getty, Excesses, s. dort; Schukow, Inoi, S. 435). 94. Originaldokumente belegen, dass Stalin und die Führung des zentralen Politbüros überzeugt waren, dass antisowjetische Verschwörer aktiv waren und dass man etwas gegen sie unternehmen musste. Darauf hatten die regionalen Parteiführer während des Februar-März-Plenums gedrungen. Dort hatte die Stalin-Führung diese Gefahr heruntergespielt und versucht, die Aufmerksamkeit auf die Verfassung zurückzulenken, sich auf die neuen Wahlen vorzubereiten und ‚verbürokratisierte‘ Elemente sowie alte Führungen durch neue zu ersetzen. 95. Auf dem Juni-Plenum waren die Ersten Sekretäre nun in der Lage zu sagen: ‚Wir haben es ja gleich gesagt! Wir hatten Recht und ihr habt Unrecht gehabt! Und wir haben immer noch Recht, denn gefährliche Verschwörer sind immer noch aktiv und sind kurz davor, den Wahlkampf für eine Revolte gegen die Sowjetregierung zu nutzen‘. War dies so? Es scheint Sinn zu ergeben, aber wir können nicht sicher sein. 96. Stalin und die zentrale Führung hatten keine Vorstellung davon, wie eingewurzelt diese Verschwörungen waren. Sie wussten nicht, was Nazideutschland oder das faschistische Japan tun würden. Am 2. Juni hatte Stalin der erweiterten Versammlung des Militärsowjets mitgeteilt, dass die Tuchatschewski-Gruppe die operative Planung der Roten Armee an den deutschen Generalstab verraten hatte. Das bedeutete, dass auch die Japaner, die zu der antikommunistischen Militärallianz, der ‚Axe‘, gehörten (zum sog. Antikomintern-Pakt, der in Wirklichkeit ein Anti-Sowjetpakt war und zu dem auch das faschistische Italien gehörte) zweifellos nun auch diese Pläne besaßen. 97. Stalin erklärte vor den Militärführern, dass die Verschwörer die UdSSR in ein ‚zweites Spanien‘ verwandeln wollten. Eine Fünfte Kolonne habe ihre Aktionen mit den faschistischen Armeen abgestimmt. Angesichts dieser enormen Gefahr war die sowjetische Führung entschlossen, hart und entschieden zu reagieren. (Stalin, ‚Vystuplenie‘). 98. Gleichzeitig gibt es viele Hinweise darauf, dass die zentrale Führung um Stalin sowohl darum bemüht war, die Repressionen der ‚Troikas‘, so wie sie von den Ersten Sekretären gefordert wurden, einzudämmen, als auch die geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten, so wie sie die neue Verfassung vorsah, durchzuführen. Vom 5. bis zum 10. Juli schlossen sich die übrigen Ersten Sekretäre Eiches Vorpreschen an und reichten genaue Zahlen für jene ein, die sie durch Exekutionen (Kategorie eins) oder Gefängnisstrafen (Kategorie zwei) loswerden wollten. Dann, am 12. Juli, schickte der Stellvertretende NKWD-Kommissar M. P. Frinowski ein dringendes Telegramm an alle örtlichen Polizeibehörden: „Nicht damit anfangen, ehemalige Kulaken zu verhaften! Ich wiederhole: nicht anfangen!“ (Getty, Excesses, S. 127f). 99. Örtliche NKWD-Führer wurden nach Moskau zitiert, um an Konferenzen teilzunehmen, wo der Befehl Nr. 00447 ausgegeben wurde. Diese sehr lange und detaillierte Anweisung weitete einerseits die Kategorie für diejenigen aus, die wie Priester und Kriminelle ,der Sowjetmacht Widerstand geleistet hatten, aber andererseits senkte sie die von den Provinzsekretären angeforderten Höchstzahlen.19 All dies Hin und Her deutet auf Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen dem ‚Zentrum‘ auf der einen Seite – Stalin und Politbüro – und den Ersten Sekretären in den Provinzen auf der anderen Seite hin. Stalin war ganz eindeutig nicht Herr der Lage. (Befehl Nr. 00447; Getty, Excesses., S. 126-129). 100. Das Plenum des Zentralkomitees vom Oktober 1937 sprach sich schließlich für die Beendigung der Pläne für Wahlen mit Gegenkandidaten aus. Ein Musterwahlzettel mit mehreren Kandidaten war schon entworfen worden. Einige davon haben in verschiedenen Archiven überlebt.20 Stattdessen wurden die Wahlen zu den Sowjets mit Kandidatenlisten abgehalten, auf denen Kandidaten der Partei zusammen mit etwa 20-25% Nicht-Partei-Kandidaten zu sehen waren – mit anderen Worten: Wahlen ohne Gegenkandidaten, dafür aber auf der Grundlage eines ‚Bündnisses‘. Ursprünglich sollte es solche gemeinsamen Kandidatenlisten nicht geben. Es sollten nur Einzelpersonen gewählt werden können – eine weitaus demokratischere Methode. Schukow hat tatsächlich das entscheidende Dokument gefunden, das von Molotow unterzeichnet worden war, datiert vom 11. Oktober, 6 Uhr abends, womit er die Wahlen mit Gegenkandidaten ad acta legte. Das bedeutete für Stalin und seine Anhänger im Politbüro einen enormen, aber unvermeidlichen Rückschlag. (Schukow, KP, 19. November 2002; Schukow, Taynu, S. 41; Schukow, Inoi, S. 443). 101. Auf dem gleichen ZK-Plenum im Oktober wurde auch der erste Protest gegen die Massenrepressionen vorgebracht : durch Peskarow, den Ersten Sekretär von Kursk: „Sie (wer ist gemeint – das NKWD oder die Troikas? – GF) verurteilen die Leute wegen irgendwelcher Lappalien … illegal, und als wir … das dem ZK mitteilten, haben Stalin und Molotow uns entschieden verteidigt und haben eine Arbeiterbrigade des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft hingeschickt, um diese Fälle zu überprüfen … , und es stellte sich nach nur drei Wochen Arbeit heraus, dass 56% der Urteile in 16 Rayons von der Brigade als illegal eingestuft werden mussten. Und obendrein: Bei 45% der Urteile hatte sich herausgestellt, dass überhaupt keine Verbrechen begangen worden waren.“ (Schukow, Taynu, S. 43, Hervorhebungen von mir). 102. Auf dem Plenum im Januar 1938 übte Malenkow scharfe Kritik daran, dass eine riesige Zahl von Parteimitgliedern ausgeschlossen worden war und dass einfache Bürger verurteilt wurden, ohne dass überhaupt Namenslisten existierten, sondern nur auf der Grundlage von Zahlen! Postyschew, der Erste Sekretär von Kuybischew, wurde daraufhin als Kandidat des Politbüros entfernt, weil er der Meinung gewesen war, dass es ‚kaum einen einzigen ehrlichen Mann‘ unter den Parteibeamten gebe. 103. Das NKWD schien außer Kontrolle geraten zu sein, zumindest in vielen Gebieten der Provinz, aber auch die Ersten Sekretäre waren es. (Schukow, KP, 19. November 2002; Taynu, S. 47-51; Thurston, S. 101f, S. 112). Das Politbüro war jedoch immer noch besorgt darüber, dass es tatsächlich Verschwörungen gab, denen man sich stellen musste. Das ganze Ausmaß der NKWD-Auswüchse wurde jedoch verkannt. Auf Malenkows Bericht, in dem er Karrieristen innerhalb der Partei für die Massenausschlüsse und -verhaftungen verantwortlich machte, folgten die Berichte von Kaganowitsch und Schdanow, die wieder den Kampf gegen die Feinde betonten und nur am Rande von ‚Naivität und Ignoranz in der Arbeit ehrlicher Bolschewiki‘ sprachen. 104. Die Prawda, die sich unter der direkten Kontrolle der Stalin-Führung befand, setzte sich immer noch dafür ein, der Partei die direkte Kontrolle über wirtschaftliche Angelegenheiten zu entziehen und betonte die Notwendigkeit, Unorganisierte in führende Positionen zu bringen. (Schukow, Taynu, S. 51f). Währenddessen wurde Nikita Chruschtschow, der noch 1937 als Vorsitzender der Partei in Moskau um die Vollmacht nachgesucht hatte, 20.000 ungenannte Personen zu exekutieren, in die Ukraine versetzt, wo er schon nach einem Monat darum bat, sogar 30.000 Menschen verhaften zu dürfen. (Schukow, Taynu, S. 64, siehe auch Anm. 23 unten). 105. Nikolai Jeschow, der 1936 die Führung des NKWD von Genrich Jagoda übernahm, scheint eng mit den Ersten Sekretären zusammengearbeitet zu haben.21 Die Massenrepressionen von 1937-38 sind so eng mit seinem Namen verbunden, dass sie immer noch ‚Jeschowschina‘ genannt werden. Jeschow wurde am 23. September 193822 der Rücktritt nahegelegt und im November 1938 von Lawrenti Berija abgelöst. 106. Unter Berija wurden viele der NKWD-Offiziere und Ersten Sekretäre, die für die Tausenden und Abertausenden von Exekutionen und Deportationen verantwortlich waren, vor Gericht gestellt und häufig auch hingerichtet, dafür dass sie unschuldige Menschen verhaften, foltern und exekutieren ließen. Protokolle von solchen Prozessen, bei denen einige dieser Sicherheitskräfte, die foltern und hinrichten ließen, auf der Anklagebank saßen, sind veröffentlicht worden. Viele der Verurteilten, die inhaftiert, deportiert oder in Lager geschickt worden waren, wurden freigelassen. Berija soll später gesagt haben, dass er den Auftrag erhalten habe, ‚die Jeschowschina zu liquidieren‘. Stalin teilte dem Flugzeugkonstrukteur Jakowlew mit, dass Jeschow hingerichtet worden sei, weil er viele unschuldige Menschen umbringen ließ. (Lubianka B, Nrn. 344, 363, 375; Muchin, Ubiystwo, S. 637; Jakowlew). 107. Der sowjetischen Regierung, der Bolschewistischen Partei und der sowjetischen Gesellschaft war unermesslicher Schaden entstanden. Dies ist natürlich seit langem bekannt. Was aber bislang nicht bekannt war, ist, dass die Einrichtung der Troikas und die hohen Quoten für Exekutionen und Deportationen auf Verlangen der Ersten Sekretäre erfolgten, jedoch nicht auf Verlangen Stalins. Schukow meint, dass der enge Zusammenhang zwischen dieser Jeschowschina und den drohenden geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten und die Tatsache, dass es dem Zentralkomitee gelang, die Stalin-Führung zu zwingen, diese Wahlen abzusagen, darauf hindeute, dass der mögliche Hauptgrund für die Massenverhaftungen und Exekutionen das Bestreben war, diese ‚Bedrohung‘ durch freie Wahlen abzuschütteln.23 (Schukow, KP). 108. Nichts kann Stalin und seine Anhänger jedoch von einem Teil der Verantwortung für die Hinrichtungen, die dann folgten – offensichtlich einige hunderttausend24 – freisprechen. Wenn diese Leute nur gefangengenommen worden wären, statt erschossen zu werden, hätten fast alle überleben können. Viele hätten ihre Verfahren überprüfen lassen und wären wieder freigekommen. Für unsere Zwecke hier besteht die Hauptfrage jedoch in Folgendem: Warum hat Stalin dem Verlangen der Ersten Sekretäre nach der Einrichtung von Schicksal spielenden ‚Troikas‘ überhaupt nachgegeben? Obwohl es dafür keine Entschuldigung gibt, hat es gewiss Gründe dafür gegeben. 109. Keine Regierung kann auf den gleichzeitigen Verrat durch die höchsten Militärkommandeure, durch hochrangige Personen sowohl in der nationalen als auch in wichtigen Regionalregierungen, aber auch durch den Chef der Geheimpolizei und des Grenzschutzes vorbereitet sein. 110. Eine ganze Serie von Verschwörungen, in die sowohl noch amtierende als auch ehemalige hochrangige Parteiführer verwickelt waren, die im ganzen Land Verbindungen unterhielten, war gerade eben erst entdeckt worden. Am verhängnisvollsten jedoch war die Tatsache, dass die höchsten Militärs darin verwickelt waren und dass sie geheime Militärpläne an den faschistischen Feind verraten hatten. Diese militärischen Verschwörer besaßen Kontakte überall in der UdSSR. Die Verschwörung umfasste auch die höchsten Stellen des NKWD, einschließlich Genrich Jagoda, der von 1934 bis 1936 an der Spitze des NKWD gestanden hatte und vor 1934 stellvertretender Vorsitzender gewesen war. Es war schlicht unmöglich zu wissen, wie verzweigt die Verschwörung war und wie viele Personen darin verwickelt waren. Es war am klügsten, das Schlimmste anzunehmen.25 111. Das Politbüro und Stalin selbst befanden sich an der Spitze von zwei großen Hierarchien: an der der Bolschewistischen Partei und der Regierung. Was sie über die Lage im Land wussten, war das, was ihnen ihre Untergebenen mitteilten. Im Laufe der nächsten 12 Monate maßregelten sie zahlreiche Erste Sekretäre, von denen mehr als die Hälfte verhaftet wurde. Die genauen Vorwürfe gegen die meisten dieser Leute sowie die Protokolle ihrer Vernehmungen und Prozesse sind größtenteils immer noch unter Verschluss – selbst im postsowjetischen, antikommunistischen Russland. Wir besitzen jedoch inzwischen genügend Untersuchungsmaterial, das damals für Stalin und das Politbüro zugänglich war, um eine ungefähre Vorstellung von der alarmierenden Lage zu bekommen, mit der sie konfrontiert waren. (Lubianka B). 112. Die Bolschewistische Partei besaß einen demokratisch-zentralistischen Aufbau. Trotz seiner Position und seiner Popularität im Lande hätte Stalin (wie jeder andere Parteiführer auch) durch eine Mehrheit im Zentralkomitee abgewählt werden können. Er war nicht in der Lage, dringende Appelle seitens einer großen Zahl von ZK-Mitgliedern zu ignorieren. 113. Um zu illustrieren, dass Stalin nicht imstande war, die Ersten Sekretäre daran zu hindern, die Prinzipien demokratischer Wahlen zu missachten, erwähnt Schukow einen Vorfall aus dem immer noch nicht veröffentlichten Protokoll des ZK-Plenums vom Oktober 1937. J. A. Krawtzow, der Erste Sekretär im Gebiet von Krasnodar und Vorsitzender des dortigen kraikom (Regionalkomitees – GF), war der einzige, der zugab, und dies sogar im Detail, was seine Kollegen insgeheim seit ein paar Wochen schon trieben. Er beschreibt die Auswahl der stellvertretenden Kandidaten für den Obersten Sowjet der UdSSR, die den Interessen der ‚breiten Führung‘ entsprach, so: „Wir präsentierten unsere Kandidaten für den Obersten Sowjet“, erklärte Krawtzow offenherzig. „Wer sind diese Genossen?“ „Acht sind Mitglieder der Partei; zwei sind nicht in der Partei oder Mitglieder des Komsomol (Kommunistische Jugendorganisation). Auf diese Weise kamen wir dem Prozentsatz von Nicht-Partei-Kandidaten nach, wie er in dem Entschließungsentwurf des ZK vorgesehen ist. Nach ihrem Beruf zu urteilen, ergibt sich folgendes Bild: vier Parteiangestellte, zwei Sowjetangestellte, ein Kolchos-Vorsitzender, ein Mähdrescherfahrer, ein Traktorfahrer, ein Ölarbeiter …“. Stalin: „Wer noch außer diese Mähdrescherfahrer?“ Krawtzow: „Unter den zehn befindet sich auch Jakowlew, der Erste Sekretär des kraikom und der Vorsitzende des Exekutivkomitees des krai.“ Stalin: „Wer hat sie dazu beauftragt, dies zu tun?“ Krawtzow: „Ich muss zugeben, Genosse Stalin, dass sie mir dies hier im ZK geraten haben.“ Stalin: „Wer Krawtzow: „?“Wir im ZK beauftragten dafür den Genossen Simotschkin, unseren Vorsitzenden im Exekutivkomitee des krai, und er erhielt die Zustimmung im ZK-Apparat.“ Stalin: „Wer riet ihnen das?“ Krawtzow: „Ich kann es nicht sagen. Ich weiß es nicht.“ Stalin: „Es ist schade, dass Sie es nicht sagen. Sie haben sich falsch beraten lassen.“ (Schukow, Inoi, S. 486f). 114. Ganz offensichtlich haben alle Ersten Sekretäre das getan, was nur Krawtzow offen zugab: die Prinzipien geheimer Sowjetwahlen verletzt – ein Prinzip, für das sie selbst noch auf dem vorangegangenen Plenum gestimmt hatten, aber hinter dem sie nie wirklich gestanden hatten. Dies markiert Stalins endgültige Niederlage in dieser Frage, der Frage der Verfassung und der Reform des Wahlsystems, für die er und die zentrale Führung seit mehr als zwei Jahren gekämpft hatten. 115. Die demokratische Reform wurde verhindert. Das alte politische System blieb. Stalins Pläne für Wahlen mit Gegenkandidaten waren für immer vom Tisch. ‚So endete der Versuch Stalins und seiner Gruppe, das politische System der Sowjetunion zu reformieren, mit einer völligen Niederlage‘. (Schukow, Inoi, S. 491). 116. Schukow glaubt, dass wenn Stalin sich geweigert hätte, den Appellen der Ersten Sekretäre nachzugeben, ihnen außerordentliche ‚Troika‘-Vollmachten einzuräumen, er aller Wahrscheinlichkeit nach abgewählt, als Konterrevolutionär verhaftet und hingerichtet worden wäre, … und heute würde er zu den Opfern der Repressionen von 1937 gehören und ‚Memorial‘ und die Kommission von A. N. Jakowlew hätten sich schon seit langem für seine Rehabilitation stark gemacht!‘. (Schukow, KP, 16. November 2002). 117. Im November 1938 trat Lawrenti Berija an die Stelle von Jeschow als Chef des NKWD. Die ‚Troikas‘ wurden abgeschafft. Außergerichtliche Hinrichtungen wurden eingestellt und jene, die für die vielen schrecklichen Exzesse verantwortlich waren, wurden selbst vor Gericht gestellt, hingerichtet oder verhaftet.26 Aber der Krieg nahte. Die französische Regierung weigerte sich, sogar die schwache Version einer sowjetisch-französischen Allianz fortzusetzen, der sie vorher zugestimmt hatte. Die Sowjetunion hatte ein viel engeres Bündnis angestrebt. Die Alliierten überließen die Tschechoslowakei Hitler und die polnischen Faschisten ergaben sich nach und nach kampflos. Nazideutschland besaß eine Militärallianz mit dem faschistischen Polen, die darauf abzielte, in die Sowjetunion einzufallen. Der Kampf um die Spanische Republik, die von der Sowjetunion so energisch unterstützt worden war, war verloren. Italien überfiel Äthiopien, und der Völkerbund blieb untätig. Frankreich und Großbritannien ermunterten eindeutig Hitler, wobei der größte Teil Osteuropas auch noch hinter ihm stand, die UdSSR zu überfallen. (Lubianka B, Nr. 365; Leibowitz). 118. Japan, Italien und Deutschland besaßen ein militärisches Beistandsabkommen, aber auch einen ‚Anti-Komintern-Pakt‘. Beide Bündnisse richteten sich direkt gegen die UdSSR. Alle europäischen Länder, die an die Sowjetunion angrenzten – Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Finnland, Estland, Lettland und Litauen – waren halbfaschistische Diktaturen. Im Jahre 1938 verloren etwa 1.000 Soldaten der Roten Armee ihr Leben bei einem japanischen Angriff am Chasan-See. Im nächsten Jahr wurde ein noch größerer japanischer Angriff am Chalkin-Gol von der Roten Armee zurückgeschlagen. Es gab 17.000 Verwundete auf sowjetischer Seite; fast 5.500 Soldaten verloren ihr Leben – kein Kleinkrieg! Wie sich später herausstellte, war dieser Krieg entscheidend gewesen, denn die Japaner haben sich danach nie wieder mit den Sowjets angelegt. Aber die Sowjetregierung konnte dies nicht im Voraus wissen. (Rossia I SSSR v Voynakh – Russland und die SSSR im Krieg). 119. Nach 1938 versuchte die Regierung Stalin nicht noch einmal, das demokratische Wahlsystem aus der 1936iger Verfassung ins Spiel zu bringen. War diese Unterlassung ein Hinweis auf die andauernde Pattsitution zwischen Stalin und den Ersten Sekretären im Zentralkomitee? Oder ergab sich dies aus der Einschätzung heraus, dass angesichts des schnell herannahenden Krieges weitere Anstrengungen in Richtung Demokratie für eine Zeit nach dem Kriege zu warten hatten? Die heute vorliegenden Dokumente geben keinen genauen Aufschluss darüber. 120. Als Berija jedoch Jeschow als Chef des NKWD (formal im Dezember 1938, aber tatsächlich etwa drei Wochen später) abgelöst hatte, setzte ein ständiger Strom von Rehabilitationen ein. Er befreite mehr als 100.000 Gefangene aus den Lagern und Gefängnissen. Es folgten Prozesse gegen NKWD-Leute, denen vorgeworfen wurde, die Folter praktiziert und außergerichtliche Hinrichtungen vorgenommen zu haben. (Thurston, S. 128f). Ende Teil eins Anmerkungen 1Leo Trotzkis Version von der sowjetischen Geschichte geht der von Chruschtschow voraus und hat sich mit dieser zu einer Art ‚linker‘ Version vermischt, obwohl ihr außerhalb trotzkistischer Zirkel nur wenig Glauben geschenkt wird. Sowohl die Darstellungen der Chruschtschow-Anhänger als auch die der Trotzkisten stellen Stalin in einem äußerst negativen Licht dar. Das Wort ‚Dämonisierung‘ wäre wohl kaum eine Übertreibung. Zu Trotzki, siehe McNeal. 2Der weitverbreitete Gebrauch des Begriffs ‚Terror‘, um die sowjetische Geschichte von etwa Mitte 1937 bis 1939-40 zu umschreiben, kann auf die unkritische Übernahme der Thesen aus Robert Conquests einseitigem und tendenziösem Buch aus dem Jahre 1973, The Great Terror, zurückgeführt werden. Der Begriff ist ungenau und polemisch, siehe Robert W. Thurston, ‚Angst und Glaube während des Großen Terrors in der UdSSR, 1935-1939‘. Slavic Review 45, 1986, S. 213-234. Thurston reagierte auf Conquests Versuch, den Begriff zu verteidigen, in: ‚On Desk-Bound Parochialism , Commonsense Perspectives, and Lousy Evidence: A Reply to Robert Conquest‘, Slavic Review 45, 1986, S. 238-244; siehe auch: Thurston, ‘Social Dimensions of Stalinist Rule: Humor und Terror in the USSR, 1935-1941’. Journal of Social History 24, Nr. 3, 1991, S. 541-562; Life and Terror, Chap. 5, S. 137-163. 3Die marxistisch-leninistische Lehre weist die kapitalistische ‘repräsentative Demokratie‘ als Rauchvorhang für Elitenkontrolle zurück. Viele nicht-marxistische politische Wissenschaftler stimmen dem zu. Ein Beispiel gibt Lewis H. Lapham (Herausgeber von Harper’s Magazine), in: ‚Lights, Camera, Democracy! On the conventions of a make-believe republic‘, Harper’s Magazine, August 1996, S. 33-38. 4Zitiert von Juri Schukow in ‘Zhupel Stalina’, Komsomolskaia Prawda, 5. November 2002. Prof. Getty bestätigte dies in einer E-Mail an mich. 5Der Name der Partei wurde 1952 in Kommunistische Partei der Sowjetunion abgeändert. 6Jenukidse, ein alter Revolutionär, georgischer Landsmann und Freund Stalins, hatte lange Zeit eine hohe Position in der sowjetischen Regierung inne und war nie mit irgendeiner Oppositionsgruppe der 20iger Jahre in Verbindung gekommen. Zu dieser Zeit unterstand ihm auch die Kremlgarde. Innerhalb weniger Monate gehörte er zu den ersten, denen man nachweisen konnte, dass sie geplant hatten, gegen die Stalin-Führung eine ‚Palastrevolte‘ zu inszenieren. Schukow (siehe KP, 14. November 2002) stellt fest, dass dies für Stalin besonders niederschmetternd gewesen sein muss. 7Teil II, 3. Kap., Art. 9 der Sowjetischen Verfassung von 1924. Die damals gültige Verfassung gab den städtischen Einwohnern einen weit größeren Einfluss in der Gesellschaft: ein Sowjetdelegierter kam auf 25.000 Wahlberechtigte in den Städten, während auf dem Land ein Delegierter auf 125.000 Wähler kam. Dies entsprach der weit größeren Unterstützung für den Sozialismus unter Arbeitern, aber auch der marxistischen Anschauung vom Staat als Diktatur des Proletariats. 8Dies ist eigentlich kein Gesetz, sondern eine ‚Entscheidung des Zentralexekutiv-Komitees des Rats der Volkskommissare‘, d. h. der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt der Regierung. Die Tatsache, dass es üblicherweise selbst unter Wissenschaftlern ‚Gesetz‘ genannt wird, zeigt, dass die meisten, die sich darauf beziehen, es überhaupt nicht gelesen haben. Es ist in Tragedia Sovetskoy Derevni. Kollektivizasiia I Raskulachivanie. Documenty I Materialy, 1927-1939, Tom 3. Konets 1930-1933 (Moscow: ROSSPEN, 2001), Nr. 160, S. 453-4 und in Sobranie zakonov I rasporiazhenii Raboche-Krest’ianskogo Pravitel’stva SSSR, chast’ 1, 1932, S. 583f abgedruckt. Mein Dank gilt Dr. G. bor T. Rittersporn für dieses Zitat. 9Um die Wirtschaft so schnell wie möglich nach den Verwüstungen des Bürgerkrieges und der darauf folgenden Hungersnot wieder aufzubauen, ließen die Bolschewiki den Kapitalismus aufblühen und förderten Geschäftsleute, die Gewinne machen wollten, was jedoch unter der Aufsicht der Regierung stattfand. Dies wurde ‚Neue Ökonomische Politik‘ genannt. 10Stalin, ‚Bericht an den 17. Parteitag‘, S. 704ff, 716, 728, 733, 752ff, 756, 758. 11Dies wissen die wenigsten und wird auch nicht verstanden. Unsere Sicht von Stalin ist vor allem von jenen geprägt worden, die ihn hassten (McNeal, S. 87). Stalin war ein ausgezeichneter Student am Priesterseminar von Tiflis, Georgien, gewesen, auf das ihn seine Mutter geschickt hatte. Weil er seit seiner Jugendzeit sein Leben der revolutionären Arbeiterbewegung widmete, hat er nie Gelegenheit gehabt, eine höhere Ausbildung zu genießen. Er war jedoch hoch intelligent und besaß einen unstillbaren Lesehunger. Seine Interessen reichten von der Philosophie bis zu rein technischen Gebieten wie der Metallurgie. Zeitzeugen berichten, dass er sich mit Einzelheiten beschäftigte und versuchte, sich ein gründliches Wissen auf vielen verschiedenen technischen Gebieten anzueignen. Ein russischer Wissenschaftler, der sich Stalins Bibliothek genauer ansah, kam zu folgenden Ergebnissen: Stalin besaß nach dem Kriege auf seiner Datscha 20.000 Bände. In 5.500 Bänden, die man nach seinem Tod dem Institut für Marxismus-Leninismus übergab, waren Anmerkungen und Unterstreichungen. (Ilisarow). Roy Medwedjew, der Stalin hasst, muss zerknirscht zugeben, dass Stalin sehr viel gelesen hat. (Medwedjew, ‚Litschnaja‘). Viele der Leute, die er als seine engsten Mitarbeiter auswählte, besaßen das gleiche Bestreben, an sich zu arbeiten. Sergei Kirow, der Leningrader Parteichef und enge Verbündete Stalins, den man 1934 ermordete, war bekannt dafür, dass er in der Literatur sehr bewandert war (Kirilina, S. 175). ‚Nach dem Mord an Kirow fotografierten Experten alles, was der Untersuchung helfen konnte – auch seinen Schreibtisch. Auf der rechten Seite lag ein Handbuch für das Ingenieurwesen, auf der linken ein Stapel wissenschaftlich-technischer Zeitschriften, deren ganz oben liegender Titel ‚Brennbarer Schiefer‘ lautete. Dieser Parteiarbeiter, wie Stalin auch, besaß eine große Interessensphäre‘. (Muchin, Ubiystwo, S. 625). Im Jahre 1924 schrieb Lawrenti Berija nach mehreren Jahren sehr gefährlicher revolutionärer Untergrundarbeit, darunter als bolschewistischer Agent in antikommunistischen kaukasischen nationalistischen Gruppen, seine Autobiografie. Der Zweck seiner Aufzeichnungen – man hatte ihn mit 20 zum General befördert – bestand nicht darin, sich um eine ruhige Arbeit zu bewerben, wie dies bei den meisten Bolschewiki der Fall war – eine Arbeit, die sie dann auch meistens erhielten -, sondern darin, darum zu beten, seine Studien als Ingenieur fortsetzen zu dürfen, um dadurch einen Beitrag für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft zu leisten. (Beria: Konets Kar’ery, S. 320-325). 12Die Kapitel 2 bis 4 bei Thurston stellen die in ihrer Art beste Zusammenfassung der Beweise dar, die Moskauer Prozesse betreffend. Dieser Aufsatz befasst sich nicht direkt mit diesen Prozessen, dem Prozess und der Hinrichtung von Marschall Tuchatschewski und anderer hochrangiger Militärführer im Juni 1937 oder mit den Verbindungen zwischen all den antisowjetischen Verschwörungen, die es angeblich gab. Wie Dokumente aus den Moskauer Archiven deutlich machen, waren Stalin und andere hohe Sowjetführer davon überzeugt, dass diese Verschwörungen existierten und die Vorwürfe, die bei den Moskauer Prozessen erhoben wurden, waren zumindest zum Teil gerechtfertigt. 13Getty weist darauf hin, dass ZK-Mitglieder sich strikt weigerten, auf Schdanows Rede zu antworten, was Andrejew, der den Vorsitz führte, in Verwirrung brachte. (‚Excesses‘, S. 124). Schukow betont dies nicht so sehr, da Eiche und andere Erste Sekretäre auf der folgenden Sitzung tatsächlich antworteten und den Kampf gegen sog. Feinde unterstrichen. (Inoi, S. 345). 14Was die Resolution angeht, siehe Schukow, Inoi, S. 362f; Stalin, Saklutschitjelnaja. Ähnlich wie die Resolution (die nicht freigegeben wurde) berührte Stalins Rede nur sehr kurz das Thema der ‚Feinde‘ und warnte das ZK gleichzeitig davor, auf jeden ‚einzuschlagen‘, der früher einmal Trotzkist war. Er erwähnte dabei besonders Felix Dserschinski. 15Dieser Band (Genrich Jagoda) enthält hauptsächlich Vernehmungen von Jagoda durch die Untersuchungsbeamten sowie die einiger seiner Komplicen und seine Geständnisse, an einer Verschwörung zur Durchführung eines Putsches gegen die Sowjetregierung beteiligt gewesen zu sein. Er enthält Angaben zu Trotzkis führender Rolle bei der Verschwörung und im Allgemeinen all das, was Jagoda während des 1938iger Prozesses zugab. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Geständnisse nicht echt waren. Die Herausgeber des Bandes sind der Ansicht, dass die Fakten, die in den Vernehmungen zitiert werden, alle nicht stimmen und bezeichnen die Untersuchungen als ‚fabriziert‘. Aber sie führen keinerlei Beweise dafür an. Jansen und Petrow (S. 226, Anm. 9), die sehr anti-Stalin sind, geben diesen Band als Beleg an – ohne weiteren Kommentar. Darüber hinaus gibt es schlüssige Beweise dafür, dass diese Verschwörungen tatsächlich existierten, dass die abgelegten Geständnisse echt und nicht erzwungen waren und dass die wichtigsten Vorwürfe gegen die Angeklagten zutrafen. Ein weiterer Band mit Originaldokumenten aus dem Jahre 2004 enthält eine ganze Reihe von NKWD-Berichten über Verschwörungen und Texte von Vernehmungen (siehe Lubianka B). Die plausibelste Erklärung für die Existenz aller dieser Hinweise besteht darin, dass zumindest einiges davon zutrifft. 16Von NKWD-Vernehmern und heutigen russischen Historikern auch Klubok (Netz) genannt. 17Ein Protokoll über das Juni-Plenum wurde nie veröffentlicht. Einige Autoren haben behauptet, dass kein Protokoll geführt wurde. Jedoch zitiert Schukow reichlich aus einigen archivierten Protokollen, die anderen nicht zugänglich sind. 18Der Befehl, eine ‚Troika‘ in Eiches westsibirischer Region einzusetzen, existiert. Eiches Anfrage wurde nicht gefunden, aber er muss eine solche Anfrage entweder schriftlich oder mündlich gestellt haben, siehe Schukow, Repressii, S. 23, Anm. 60; Getty, Excesses, S. 127, Anm. 64). 19Getty, Excesses, S. 131-134. Dort diskutiert er einige Statistiken dazu; siehe Befehl Nr. 00447. 20Der gleiche Wahlzettel findet sich bei Schukow,Inoi, 6. Bild. 21Noch bis zum 1. Februar 1956, weniger als vier Wochen vor seiner ‚Geheimrede‘ an den 20. Parteitag, bezog sich Chruschtschow immer noch auf Jeschow als ‚zweifellos unschuldig – ein ehrlicher Mann‘. Rehabilitatsia: Kak Eto Bylo. Mart 1953-Fewral 1956 (Moskau 2000, S. 308). 22Sein Rücktritt wurde erst am 25. November 1938 formal bestätigt; siehe Lubianka B, Nrn. 344 und 364. 23Chruschtschow verlangte, ‚20.000 Leute zu exekutieren‘, Schukow, KP, 3. Dezember 2002. Jakowlews Kritik an Chruschtschows Massenausschlüssen wird oben zitiert. Eiche wurde im Oktober 1938 verhaftet, vor Gericht gestellt, verurteilt und im Februar 1940 hingerichtet. Nach Chruschtschow hat Eiche sein Geständnis widerrufen. Er behauptet, dass er nur gestand, nachdem er geschlagen (also gefoltert) worden war. Schukow vermutet, dass der eigentliche Grund für Eiches Schicksal seine führende Rolle bei den Massenhinrichtungen von 1937-1938 war; siehe Jansen und Petrow, S. 91f. Sowohl das Politbüro als auch das ZK-Plenum vom Januar 1938 begannen, Parteisekretäre, die einfache Parteimitglieder gemaßregelt hatten, zu attackieren. (Getty, Origins, S. 187f). Alle Materialien zu Eiches Untersuchung und zu seinem Prozess sind immer noch nicht freigegeben. Der Wunsch, von sich und seinen Genossen Parteisekretären die Aufmerksamkeit abzulenken, gehört zu dem Fundament der Lügen in seiner ‚Geheimrede‘. 24Getty (Excesses, S. 132) zitiert Hinweise, wonach 236.000 Hinrichtungen von ‚Moskau‘, sprich von der Stalin-Führung, genehmigt worden seien, dass aber eine weit größere Zahl, nämlich 387.000 Menschen, von den örtlichen Behörden exekutiert wurde. 25Auf dem Prozess von 1938 gestand Jagoda seine Verwicklung in den versuchten Putsch gegen die Sowjetregierung; er gestand seine Beteiligung an dem Mord an Maxim Gorki und seinem Sohn sowie andere scheußliche Verbrechen, stritt aber energisch die Beschuldigung der Staatsanwaltschaft ab, Spionage verübt zu haben. Die Tatsache, dass die Anklage der Spionage noch ein Jahr nach seiner Verhaftung aufrechterhalten wurde, zeigt, dass die Sowjetregierung davon ausging, dass Jeschow solche Informationen an eine ausländische feindliche Macht (Deutschland, Japan, Polen) weitergegeben haben könnte. Als Chef des Innenministeriums, einschließlich Geheimpolizei und Grenzschutz, war Jagoda in der Lage, der sowjetischen Sicherheit unermesslichen Schaden zuzufügen, falls er solche Informationen ausländischen Regierungen zukommen ließ. 26Thurston bietet die beste englische Auseinandersetzung damit in: Life and Terror, S. 128ff. Zusätzliche Anmerkungen Anmerkung zu Schukows Arbeiten: Bis heute gibt es einen einzigen umfassenden wissenschaftlichen Angriff auf Schukows Arbeiten – den von Prof. Irina W. Pawlowa: ‚1937, Vybory kak mistifikatsiia, terror kak real’nost‘, Voprosy Istorii 10, 2003, S. 19-36. Pawlowa ist eine entschiedene Antikommunistin der Totalitarismus-Schule, deren ideologische Gegnerschaft zum Kommunismus ihre historischen Recherchen beeinträchtigen. So hat sie zum Beispiel über Gettys Forschungen die Unwahrheit gesagt, um ihn zu diskreditieren. Pawlowa betreibt Propaganda, keine Geschichtsforschung. Pawlowa bezieht sich nur auf Schukows Abhandlungen in KP. Sie schrieb ihre Abhandlung vor Erscheinen von Inoi Stalin. Ihre Kritik basiert auf der Annahme, dass die Moskauer Prozesse, der Prozess gegen Tuchatschewski etc., allesamt ein abgekartetes Spiel waren und dass die ganze Verfassungskampagne sowie die Wahlreform nur ein Deckmantel für die Repressionen gewesen seien. Pawlowa behauptet auch, dass Wahlen mit Gegenkandidaten dem Obersten Sowjet ohnehin keine reale Macht verliehen hätten, weil er keine Macht besaß. Wenn Pawlowa unter ‚Macht‘ die Fähigkeit versteht, die Bolschewistische Partei aus ihrer dominanten Position in der UdSSR zu verdrängen und den Sozialismus rückgängig zu machen, hätte sie zweifellos Recht. Stalin hatte ganz sicher keine Absicht, eine Konterrevolution über den Weg der Verfassungsreform zuzulassen. Auch wird dies in keinem bürgerlich demokratischen Land zugelassen. Wenn sie jedoch unter ‚Macht‘ versteht, die Politik der Regierung zu beeinflussen und innerhalb bestimmter Grenzen Einfluss auf die Gesellschaftspolitik auszuüben und auf die Bolschewistische Partei selbst – was den Beeinflussungsmöglichkeiten in bürgerlichen Demokratien entspricht – dann kann sie unmöglich Recht haben. Anmerkung zu Juri Muchin, Ubiystvo Stalina i Beriia – Mord an Stalin und Berija: Dieses Buch wird häufig von jenen abgelehnt, die mit seinen Schlussfolgerungen nicht einverstanden sind, mit der Begründung, dass der Verfasser Bemerkungen machte, die man als antisemitisch ansehen könnte. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass er jedoch in seinem Buch den Antisemitismus zurückweist. Die vorliegende Abhandlung bezieht sich auf keine der Seiten seines Buches, in denen man ihm antisemitische Äußerungen vorwerfen könnte. Muchin hat auch auf anderen Gebieten ausgefallene Positionen bezogen, mit denen sich sein Buch aber nicht beschäftigt. Ich beziehe mich auch auf keine dieser Arbeiten. Das Gleiche könnte und sollte gesagt werden, wenn antikommunistische Wissenschaftler zitiert werden: Die Tatsache, dass sie antikommunistische Vorurteile besitzen, schließt nicht aus, dass sie mitunter wertvolle Erkenntnisse zutage fördern. Und natürlich ist Antikommunismus normalerweise eng mit Antisemitismus verbunden. Weil Muchin weder Kommunist noch Jude ist, zeigt er sich gelegentlich beiden gegenüber feindselig. Aber er ist kein gewöhnlicher Antikommunist und auch kein Antisemit. Muchins Analyse von sekundären und primären Quellen ist oft sehr scharf, und ich benutze sie, wenn ich dies für zweckmäßig erachte. Wenn ich dies aber tue, dann bedeutet dies nicht, dass ich auch mit den Teilen seiner Untersuchung übereinstimme, die ich nicht zitiere. Auch ist Muchin nicht dafür verantwortlich zu machen, wie ich seine Forschungen verwertet habe. Ich habe sämtliche Hinweise von Muchin und anderen Wissenschaftlern, die hier zitiert worden sind, nachgeprüft, außer im Fall von Primärquellen, die nur denen verfügbar sind, die in Archiven arbeiten. Bibliografie Anmerkung: Ich habe URLs von Online-Versionen von zitierten Texten mit in die Bibliografie aufgenommen, wenn ich sie auffinden konnte. Alikhanov, Sergei, ‚Bagazh na brichke‘, Kontinent. http://www.kontinent.org/art_view.asp?id=2020. Beria: Konets Kar’ery. Moscow: Izd. Politicheskoy Literatury, 1991 Beria, Lavrentii, Rede auf Stalins Beerdigung. http://leader.h1.ru/beria.htm. Muchin zitiert die ursprünglich in der Komsomolskaya Pravda, Nr. 59, 1953, S. 1-3 (Ubiystvo, S. 282) veröffentlichte Version. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mir diese Version anzusehen, jedoch sind die Passagen, die Muchin zitiert, mit der Online-Version identisch, zitiert als ‚Beria, Speech‘. Beria, Sergo, Moy Otets Lavrentii Beria.Orig. ed. Moscow: Sovremennik, 1994. http://www.duel.ru/publish/beria/beria.html. Bivens, Matt and Jonas Bernstein, ‚Teil 2: The Russia You Never Met‘, Johnson’s Russia List # 3068, 24. Februar 1999. http://www.cdi.org/russia/johnson/3068.html. Brandenberger, David, ‘Stalin, The Leningrad Affair and the Limits of Postwar Russocentrism’, Russian Review, S. 63, 2004, S. 241-255. Constitution of 1924. Auf Russisch: http://www.hist.msu.ru/ER/Etext/cnst1924.htm. Auf Englisch: in Rex A. Wade, Hrsg., Documents of Soviet History, vol. 3, Lenin’s Heirs, 1923-1925. 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