Samstag, 22. November 2014

Was können Kommunisten in den imperialistischen Ländern tun?

Dieser Text wurde von der dänischen Kommunistisk Arbejdsgruppe (KA) verfasst und umfasst ein eindrückliches Kapitel aus ihrem Buch “Imperialismen idag” (Kopenhagen, 1983). Die deutsche Übersetzung des Textes wurde einer neueren Veröffentlichung “Bankraub für Befreiungsbewegungen. Die Geschichte der Blekingegadebande” (Münster, 2013) entnommen. Die Rechte der Übersetzung liegen beim UNRAST-Verlag. Die Möglichkeiten für uns, als Einwohner eines der reichsten Länder der Welt [Dänemark], den Sozialismus global voranzutreiben, unterliegen sehr speziellen Bedingungen. In den reichen imperialistischen Ländern gibt es momentan keine Klassen, die ein objektives Interesse daran haben, das imperialistische System zu stürzen. In diesen Ländern profitieren alle Klassen vom herrschenden System. Jede soziale Bewegung in den reichen imperialistischen Ländern ist unter dieser Perpektive zu betrachten. Eine Massenbewegung hat nur eine sozialistische Perspektive, wenn sie gegen den Imperialismus gerichtet ist. Eine solche Massenbewegung existiert in den imperialistischen Ländern nicht. Jahrezehntelang haben linke Parteien in Westeuropa und Nordamerika es sich zur Aufgabe gemacht, den Kampf der Arbeiterklasse für höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen zu führen. Die besondere Position, welche die Arbeiterklasse der imperialistischen Länder im globalen Zusammenhang einnimmt, nämlich die einer Arbeiteraristokratie, wurde dabei nicht berücksichtigt. Das machte diese Parteien zu reformistischen, unabhängig davon, welche Namen sie tragen oder ob sie pro-sowjetisch, pro-chinesisch oder pro-albanisch sind. Es kann nicht die Aufgabe von Kommunisten sein, für die Aufrechterhaltung oder gar die Steigerung der Privilegien der Arbeiteraristokratie zu kämpfen. Unterstützt die antiimperialistischen Bewegungen in den ausgebeuteten Ländern! Nachdem antiimperialistische Massenbewegungen nur dort zu finden sind, wo der Imperialismus Ausbeutung und Verarmung bedeutet, ist es die Aufgabe von Kommunisten, die Bewegungen in diesen Ländern zu unterstützen. Die effektivste Praxis, die Kommunisten in imperialistischen Ländern haben können, ist es, antiimperialistische Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt zu unterstützen, die gegen Kapitalismus und internationale Ausbeutung und für den Sozialismus kämpfen. Wenn wir Bewegungen mit einer deutlich antiimperialistischen Politik unterstützen, die eine Massenbasis und damit politische Stärke haben (oder zumindest die Möglichkeit, eine solche zu entwickeln), dann können wir unseren Teil zur Schwächung des Imperialismus beitragen. Wenn wir die revolutionären Volksbewegungen in den Entwicklungsländern unterstützen, dann deshalb, weil diese Bewegungen den größtmöglichen sozialen Fortschritt für diese Länder versprechen und weil sie durch den Versuch des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft in ihrem eigenen Land einen Schritt hin zum Aufbau des Sozialismus in der ganzen Welt tun, selbst wenn der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft im eigenen Land nicht unmittelbar gelingen sollte. Es gibt keinen direkten oder einfachen Weg von einer unterentwickelten und ausgebeuteten Ökonomie zu einer sozialistischen. Trotzdem stellen die Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt gegenwärtig die größte Gefahr für das imperialistische System dar. Sie tragen zu Krisen des Imperialismus bei – Krisen, die notwendig sind, wenn es auch in den reichen Ländern zu einer revolutionären Situation kommen soll. Im Gegensatz zum Kapital und zur Arbeiteraristokratie sind die Kommunisten an Krisen interessiert. Wenn es zu diesen Krisen kommt, ist es nicht ihre Aufgabe, die Privilegien der Arbeiteraristokratie zu verteidigen und das kapitalistische System zu verteidigen. Kommunisten in den imperialistischen Ländern sollten also nicht versuchen, die Auswirkungen der Krisen (Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen usw.) abzuschwächen. Bereits angesichts der gegenwärtigen ökonomischen Krise, die nur eine minimale Verschlechterung des Lebensstandards in den reichen Ländern verursacht, breitet sich eine panische Angst vor weiteren Krisen aus. Viele Linke – von den Sozialdemokraten bis zu sich radikal gebärdenden linken Gruppierungen – konkurrieren mit den “bürgerlichen” Parteien darum, die besseren Methoden zur Krisenbewältigung zu entwickeln. Ihr Anliegen ist es, den herrschenden Lebensstandard zu verteidigen. Die revolutionäre Perspektive der Krise gerät völlig in Vergessenheit. Dabei sind Krisen aus revolutionärer Perspektive notwendig – und wenn eine richtige Krise ausbricht, dann müssen Kommunisten gegen Chauvinismus, Rassismus und Fremdenhass agitieren und gleichzeitig die antiimperialistischen Bewegungen und progressiven Staaten der Dritten Welt unterstützen. können die Krisen nur beseitigt werden, wenn der Kapitalismus eliminiert und durch eine revolutionäre sozialistische Entwicklung ersetzt wird. Es ist jedoch klar, dass die Arbeiteraristokratie dies erst dann begreifen wird wenn es zu dieser Entwicklung kommt. Solange die Arbeiteraristokratie den Imperialismus mitverwaltet, kann sie nicht durch blosse Aufklärungsarbeit und Propaganda in eine revolutionäre Klasse verwandelt werden. Es ist die ökonomsiche Entwicklung, die die Politik der Klassen formt. Unterstützt die Befreiungsbewegungen materiell! Es gibt viele Arten, auf die die Kommunisten der imperialistischen Länder Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt unterstützen können. Die Möglichkeiten unterscheiden sich von Land zu Land. Aber eines gilt überall: wenn die Unterstützung von irgendeiner Bedeutung sein soll, muss sie in erster Linie materiellen Charakter haben. Ende der 1960er Jahre nahmen Mitglieder unserer Organisation an großen Demonstrationen gegen den Krieg der USA in Vietnam teil. Aber obwohl der Krieg medial sehr präsent war, stark diskutiert wurde und selbst in einem kleinen Land wie Dänemark Tausende von Gegnern hatte, war die materielle Unterstützung, die für vietnamesische Befreiungsbewegung geleistet wurde, überraschend gering. Die Linke erklärte sich zu jener Zeit mit vielen Befreiungsbewegungen solidarisch, doch das Resultat war immer das gleiche: es gab einen eklatanten Gegensatz zwischen den militanten und kompromisslosen Parolen und dem minimalen Nutzen, den Befreiungsbewegungen aus diesen Solidaritätsbekundungen ziehen konnten. Der Grund war, dass es den meisten Linken nicht in erster Linie darum ging, diese Bewegungen wirklich zu unterstützen. Vielmehr ging es ihnen darum, das Thema dafür zu verwenden, mehr Anhänger zu gewinnen: Menschen, die sich dann in die Kämpfe der Arbeiteraristokratie in Dänemark einspannen ließen in dem illusorischen Glauben, dass uns ein Kampf um Lohnerhöhungen dem Sozialismus näher bringt. Die Entwicklung in den 1970er Jahren bestätigte dies. Nach dem Ende des Vietnamkrieges war es nicht mehr möglich, die früheren Antiimperialisten für die Unterstützung der Befreiungskämpfe im südlichen Afrika oder in Palästina zu gewinnen. Die Linke hatte sich nun anderen Themen zugewandt, etwa der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Atomkraft, der Umweltverschmutzung, Wohnungsfragen und Arbeitslosigkeit. Der Antiimperialismus als zentraler Aspekt linken Aktivimus verschwand. Heute lassen sich nur sehr wenige Menschen in Dänemark für antiimperialistische Aktionen mobilisieren. Doch ist positiv zu vermerken, dass es trotzdem immer wieder Gruppen in den imperialistischen Ländern gibt, die der materiellen Unterstützung der Befreiungsbewegungen einen besonderen Stellenwert zuschreiben. Das stärkt die Möglichkeiten dieser Bewegungen, den Imperialismus zu besiegen. Gespräche mit Befreiungsbewegungen und Besuche bei ihnen haben bestätigt, wie wichtig die materielle Unterstützung ist. Oft mangelt es vor Ort an den elementaren Voraussetzungen, um den Kampf zu führen und das Leiden der Massen zu lindern. Wofür arbeiten wir? Unser Ziel ist es, Antiimperialismus für den Kampf gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen der Dritten Welt zu gewinnen. Angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse wird es sich dabei notwendigerweise um Einzelpersonen handeln, da es für Massenbewegungen mit antiimperialistischer Perspektive im heutigen Dänemark keine objektive Basis gibt. Die Solidarität, die wir propagieren, beruht nicht auf Mitleid oder bürgerlichem Humanismus, sondern auf dem Bewusstsein, dass die Befreiung des Proletariats in den ausgebeuteten Ländern eine Voraussetzung für die Zerstörung des imperialistischen Systems und der Einführung des Sozialismus in Dänemark ist. Die zwei Aspekte des politischen Kampfes, Theorie und Praxis, sind für uns untrennbar. Wenn wir unsere Unterstützung so effizient wie möglich gestalten wollen, kommen wir nicht umhin, die globalen ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen zu analysieren. Wir müsen wissen, welche Widersprüche die zentralen sind, um so viel wie möglich für den Sozialismus tun zu können. Es ist auch wichtig für uns, uns mit antiimerpialistischen Bewegungen und Staaten in der Dritten Welt sowie mit antiimperialistischen Gruppen und Organisationen in den reichen Ländern auszutauschen. Insbesondere wollen wir unsere Ansicht zur Rolle des Imperialismus und zu den ökonomischen und politischen Bedingungen in Westeuropa kundtun. Die meisten europäischen Linken behaupten seit Langem die Solidarität der europäischen Arbeiterklasse mit den Befreiungsbewegungen. Sie vermitteln Bilder, die mit der Realität in Europa nichts zu tun haben. Wir werden den Befreiungsbewegungen daher weiterhin erklären, dass sie nicht mit der Unterstützung der Arbeiteraristokratie rechnen können. Sie müssen vielmehr Widerstand erwarten: nicht aufgrund von Imformationsmangel und Unwissenheit, sondern weil die westliche Arbeiterklasse eine Aristokratie und damit Teil einer globalen Oberschicht ist. Die Unterdrückten und Ausgebeuteten werden siegen!

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