Samstag, 22. November 2014

Antifaschisten diskutierten über die Aufmärsche rechter Fußballfans

Paradoxe Folgen des Widerstands Der Auftauchen der »Hooligans gegen Salafisten« in Köln hat viele überrascht. Auch Antifaschisten und linke Fußballfans. Über Erklärungen und Gegenstrategien wurde am Donnerstag in Berlin debattiert. Seit in Köln vor einigen Wochen Tausende unter dem Label »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) auf die Straße gegangen sind, häufen sich in den Medien Berichte über diese neue Gruppierung. Glaubt man den Presseberichten sei diese »völlig überraschend aus dem Nichts aufgetaucht«. Auch viele aktive Antifaschisten waren von einem so großen Aufmarsch rechter Fußballfans überrascht. »Ich hatte gehofft, die Ära der rechten Massenaufmärsche wäre in Deutschland vorüber. Seit dem HoGeSa-Auftritt in Köln bin ich mir da nicht mehr so sicher«, brachte am Donnerstagabend ein Teilnehmer einer Veranstaltung in Berlin diese Stimmung auf dem Punkt. Die Diskussionsrunde widmete sich der Frage, wie die HoGeSa einzuschätzen ist und ob sie Vorläufer hat. Eingeladen waren Referenten von Berliner Antifagruppen und vom Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF). Dessen Vertreter Roland Zachner (Name geändert) erinnerte zunächst an die Gründungsära der BAFF vor über 20 Jahren. Nach den Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte haben sich die in vielen Fußballstadien schon länger aktiven Neonazis lautstark bemerkbar gemacht Dass Fußballfans schon viel länger zur Zielgruppe von Neonazis gehörten, verdeutlichte Zachner am Beispiel von Michael Kühnen. Der damals umtriebige Jungnazi umwarb bereits in den 1970er Jahren gezielt Hooligans. Dass der Einfluss der Rechten in den Stadien in den letzten Jahren zurückgedrängt werden konnte, sei auch das Verdienst linker Ultragruppen, sagte Zachner. Für den langjährigen BAFF-Aktivisten ist das Auftauchen der HoGeSa paradoxerweise auch eine Folge von erfolgreichem antifaschistischem Widerstand: »Nachdem immer mehr rechte Straßenaufmärsche, wie die Demonstrationen zum Jahrestag der alliierten Bombardements in Dresden oder die Aufmärsche zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess in Wunsiedel verhindert werden konnten, hätten die Rechten ihre Aktivitäten wieder vermehrt in die Fußballstadien verlegt.« Doch bleibt HoGeSa nur ein Label, das zurzeit in rechten Kreisen gerne benutzt wird und sich schnell wieder abnutzt? Diese Frage mochte niemand beantworten. Doch Nico Steinert (Name geändert) von der Berliner North East Antifa (NEA) wies auf die Heterogenität des Hooligan-Netzwerkes hin. Nach dem schlagzeilenträchtigen Aufmarsch in Köln hätten bereits die ersten Differenzierungsprozesse eingesetzt. Dabei habe die HoGeSa auch massiven Gegenwind aus den eigenen Reihen erfahren. Geplante und schon öffentlich angekündigte Aufmärsche in Hamburg und anderen Städten mussten abgesagt werden, weil die dortigen Hooligans eine Teilnahme ablehnten. Ob der HoGeSa-Aufmarsch am 15. November in Hannover für die Szene ein Erfolg war, werde intern kontrovers diskutiert. Ein Teil beschwerte sich, dass sie sich nur in dem von der Polizei abgesteckten Areal bewegen konnten. Auch die starke Präsenz rechter Parteien wie NPD und Die Rechte sorge in Teilen der Hooliganszene für Kritik. Andere wiederum sähen den Aufmarsch in Hannover als Erfolg für die HoGeSa. Schließlich zählten zu den Referenten Mitglieder rechtsbürgerlicher Parteien, die lange Zeit die Kooperation mit offenen Nazis abgelehnt hatten. So gehörte ein Münchner Aktivist der Partei »Die Freiheit« zu den Rednern. Auch die antiislamische und rechtspopulistische Internetseite Politically Incorrect (PI) zählte zu den Unterstützern der HoGeSa. Der NEA-Vertreter erklärte, er habe den Eindruck, als würden diejenigen, die in den letzten Jahren auf PI mit rassistischen oder homophoben Zuschriften aufgefallen sind, nun auf die Straße gehen. Trifft dies zu, dann ist die HoGeSa kein kurzlebiges Phänomen und Antifaschisten müssen sich noch länger mit der Gruppierung beschäftigen.

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