Sonntag, 12. Oktober 2014

Zehntausende in Düsseldorf gegen den IS

12.10.2014: Nach Angaben des Veranstalters demonstrierten am Samstag 80.000 Menschen in Düsseldorf gegen die Kopfabschneider des »Islamischen Staates« und solidarisierten sich mit dem Widerstand der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten der YPG und der YPJ. Wie Civaka Azad berichtet, riegelte die Düsseldorfer Polizei einige Minuten nach dem Start des Demonstrationszuges ab und ließ aus Sicherheitsgründen keine weiteren Menschen mehr in Richtung Abschlusskundgebung weiterlaufen. Zehntausende mussten an der Rheinpromenade stehenbleiben. Unübersehbar und unüberhörbar wurde die in deutschen Medien verbreitete Berichterstattung zurückgewiesen, dass die KurdInnen ein militärisches Eingreifen der Türkei fordern würden. Civaka Azad hat zu dieser falschen Berichterstattung kürzlich erklärt: "Dieser Argumentationsstrang ist blanker Hohn gegen die Menschen, die seit Tagen auf den Straßen von Nordkurdistan und der Türkei ihr Leben riskieren, um sich mit dem Widerstand von Kobanê zu solidarisieren. Die Menschen gehen nicht auf die Straßen, um die Türkei nach Kobanê zu bewegen. Sie gehen auf die Straßen, damit die Türkei endlich ihr Handeln und ihre schmutzige Politik in Kobanê und in ganz Rojava einstellt. Vor diesem Hintergrund ist die Medienberichterstattung über Kobanê in Deutschland nicht nur merkwürdig und schlichtweg falsch, sie ist auch äußerst gefährlich. Denn die Türkei möchte seit Anbeginn des syrischen Bürgerkrieges militärisch im Nachbarland intervenieren. Ein wichtiger Grund hierfür sind die Selbstverwaltungsstrukturen der Kurdinnen und Kurden in Rojava. Diese möchte die AKP-Regierung schlichtweg nicht dulden. Deswegen fordert sie eine Pufferzone an der Grenze, für die dann die Türkei Sorge zu tragen hat. So könnte die Türkei nicht nur die Gebiete von Rojava kontrollieren, im besten Falle könnte sie die Region sogar perspektivisch in ihr eigenes Staatsgebiet einverleiben." Lautstark wurde die Forderung der Bevölkerung Kobanês unterstützt, einen unter UN-Kontrolle stehenden Korridor durch türkisches Gebiet nach Kobanê einzurichten. Der Sprecher für Auswärtige Angelegenheiten des Kantons Kobanê, Îbrahîm Kurdo, der selbst auch aktiv am Widerstand von Kobanê teilnimmt, hatte gestern in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Hawarnews bekräftigt: “Dieser Korridor sollte weder unter der Kontrolle der Türkei noch eines anderen Staates stehen, sondern unter Kontrolle der Vereinten Nationen. .. Dieser Korridor muss so schnell es geht aufgestellt werden. Wer sich dagegen ausspricht, unterstützt leider die Angriffe des IS auf die Bevölkerung Kobanês.” Die Forderung nach Errichtung eines Korridors nach Kobanê wird auch in einer Petition, die an das türkische Parlament und an die türkische Regierung gerichtet ist, von namhaften Erstunterzeichner wie Noam Chomsky, Murathan Mungan, Ahmet Ümit und Fatih Akin unterstützt. Wolfgang Gehrke kritisierte in seiner Rede auf der Kundgebung in Düsseldorf die Heuchelei der Bundesregierung: "Ich bin empört über die Bundesregierung. Ihre Heuchelei übersteigt das Maß des Erträglichen angesichts der furchtbaren Situation an der türkisch-syrischen Grenze. Die Bundesregierung traut sich nicht, die türkische Politik und den türkischen Präsidenten ernsthaft zu kritisieren." Er forderte die sofortige Aufhebung des PKK-Verbots. Die Bundesregierung müsse sich öffentlich für die Freilassung von Abdullah Öcalan einsetzen, verlangte der Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion. An die türkische Regierung gerichtet, sagte er: "Die Türkei betreibt ein mieses doppeltes Spiel. Sie setzt ihre Kraft nicht ein, um den IS zu stoppen, sondern sie will Assad stürzen und bei dieser Gelegenheit die PYD zerschlagen. Eine autonome, demokratisch verfasste kurdische Selbstverwaltung in Rojava, ein demokratisches, sozial orientiertes kurdisches Gebiet im Irak und Autonomierechte für die Kurdinnen und Kurden in der Türkei – das ist nicht das Ziel der türkischen Regierung. ... Wenn die USA von Sicherheit sprechen, dann meinen sie den Zugriff auf Bodenschätze und Märkte. Wenn die türkische Regierung von Demokratie spricht, meint sie eine Staatsverfassung, wo Kurdinnen und Kurden nichts zu sagen haben. Wenn Deutschland von Verbündeten spricht, dann meint die Regierung auch Saudi Arabien, wohin schon wieder Panzer geliefert werden." Er forderte, dass weltweit sichergestellt werden muss, "dass der IS kein Öl verkaufen kann, keine Waffen erhält, Gelder eingefroren werden und auch Staaten wie die Türkei, Katar, Saudi Arabien gezwungen werden, auf ihren Territorien dafür zu sorgen, dass IS und andere islamistische Organisationen keine Unterstützung mehr erhalten." Gehrke weiter: "Ich wünsche mir ein Deutschland an der Seite der Kurdinnen und Kurden, mit einer legal arbeitenden PKK-Organisation und vielleicht wird Öcalan einmal Staatsgast in diesem Deutschland sein." Pressemitteilung von Civaka Azad 11.10.2014: In Düsseldorf sind am heutigen Tag mehr als 80.000 aus ganz Deutschland und Europa zusammengekommen, um gegen den Terror des sog. Islamischen Staates zu protestieren und sich mit dem Widerstand der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten der YPG und der YPJ zu solidarisieren. Die Demonstranten reisten aus der gesamten Bundesrepublik mit Bussen, Autos und mit der Bahn nach Düsseldorf. Vielerorts machten sich die Menschen bereits in der Nacht mit angemieteten Bussen auf den Weg. Bereits um 10 Uhr versammelten sich tausende Menschen auf der Festwiese in Düsseldorf-Oberkassel, wo der Protest mit einer Auftaktkundgebung ihren Anfang nahm. Die Menge wuchs bis kurz vor 12 Uhr auf rund 40.000 Menschen an. Als der Kopf des Zuges sich kurz nach 12 Uhr über die Oberkasseler Brücke in Bewegung setzte, waren weiterhin viele tausend Menschen auf dem Weg zur Demonstration. Als der vordere Teil der Demonstration bereits zur Zwischenkundgebung am Burgplatz angekommen war, konnte sich der Schluss der Demonstration erst von der Festwiese aus in Bewegung setzen. Zwischenzeitlich hat der Demonstrationszug eine Länge von rund 3 Kilometern angenommen. Die Abschlusskundgebung wurde ab etwa 14 Uhr vor dem Landtagsgebäude abgehalten. Der Platz füllte sich schnell, sodass die Polizei aus Sicherheitsgründe den hinteren Teil der Demonstration an der Rheinpromenade stoppte und nicht zur Abschlusskundgebung vorließ. Auf der Abschlusskundgebung sprachen unter anderem der Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) Salih Muslim zur Menge. Auch der Vorsitzende des Kantons Kobanê Enver Muslim sprach über eine Telefonschalte zu den anwesenden Menschen und berichtete von vor Ort über die aktuelle Lage in der Stadt. Im Namen der Linkspartei hielt der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke bei der Abschlusskundgebung eine Rede, in welcher er unter anderem die Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland forderte. Zu der Demonstration hatten neben NAV-DEM (demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland) 36 weitere Organisationen und Vereine aufgerufen. Die Polizei hatte vor der Demonstration mit etwa 12.000 Teilnehmern gerechnet. Im Laufe des Tages korrigierte sie diese Zahl auf 21.000 Demonstrationsteilnehmer hoch. Die Veranstalter sprechen von bis zu 100.000 Teilnehmern der Demonstration. Wir haben mit mehreren Personen den gesamten Demonstrationszug auf Höhe der Oberkasseler Brücke an uns vorbeiziehen lassen und kommen deshalb zu dem Schluss, dass es sich bei den Teilnehmern um mehr als 80.000 Menschen gehandelt haben muss. Die Zahl der Veranstalter ist somit weitaus realistischer als die Zahl, die von der Polizei bekannt gegeben wurde.

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