Montag, 25. August 2014

Jobcenter: Kontoauszüge im Restmüll

Beim Jobcenter Deutsche Weinstraße in Neustadt hat in der vergangenen Woche ein Mülleimer auf der Straße gestanden. Er enthielt sensible persönliche Daten von Leistungsempfängern. Die Agentur für Arbeit spricht von einem bedauerlichen Fehler. Es seien Maßnahmen eingeleitet, einen solchen Fall künftig auszuschließen. Wer wissen wollte, mit was sich das Neustadter Jobcenter zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen zurzeit beschäftigt, der konnte am Abend des 11. August einen Blick in den Restmülleimer werfen. Das Gefäß war für die Müllleerung am Folgetag auf dem Bürgersteig in der Konrad-Adenauer-Straße abgestellt. Ganz oben: ein blauer Sack. Sein Inhalt: persönliche Daten von Leistungsempfängern des Jobcenters. Eine grobe Zusammenstellung der umfangreichen Unterlagen kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 32,44 Euro zahlt ein Hartz-IV-Empfänger laut Kontoauszug im Monat bei einem Neustadter Fitness-Park. Ein Arbeitsloser hat in seinem Antrag als Adresse eingetragen: Justizvollzugsanstalt Frankenthal. Er beantragt die Kostenübernahme einer Drogentherapie. Es findet sich Schriftwechsel zwischen dem Sozialverband VdK und dem Jobcenter, ein Arbeitsvertrag einer Busfahrerin. Ein Kunde des Jobcenters beschwert sich in einer Mail über einen Mitarbeiter. In einer anderen Mail fordert das Kundenreaktionsmanagement der Zentrale der Arbeitsagentur in Nürnberg das Jobcenter in Neustadt auf, eine Beschwerde vorrangig zu behandeln, weil ein vereinbarter und zugesicherter Rückruf bei dem Leistungsempfänger bislang nicht erfolgt sei. Eine Mitarbeiterin hat von einem Gespräch mit einem Leistungsempfänger eine Aktennotiz geschrieben und ausgedruckt. Ein Kollege machte sich wenigstens die Mühe, ein Urteil des Sozialgerichts zu zerreißen, ehe er es in den Mülleimer warf. Auch eine handschriftliche Notiz von einem Personalgespräch mit einem Mitarbeiter des Jobcenters taucht auf. Auch für die deutschen Single-Charts interessiert sich wohl ein Mitarbeiter des Jobcenters. Zumindest findet sich der Ausdruck aus dem Internet in dem Müllsack. Ebenfalls dabei: kiloweise Ausdrucke einer Auflistung von Prospekten fast aller Autohersteller bis zurück in die 1980er Jahre. Die Unterlagen sind der RHEINPFALZ-Redaktion mit einem Paket anonym zugeschickt worden. Der Absender schreibt, auf einen Missstand hinweisen zu wollen. Er habe am Abend des 11. August den Mülleimer geöffnet und den offenen Sack herausgenommen. „Ich bin der Ansicht, dass dieser Umstand einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll“, begründet er seine Aktion. Gleichzeitig habe er den Bundesdatenschutzbeauftragten über den Fund informiert. (wkr)

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