Samstag, 31. August 2013

Syrien: Die Wahrheit ist politisiert

Waffen werden den Syrienkonflikt nicht lösen Die schrecklichen Bilder aus Damaskus haben uns verstört und betroffen gemacht, auch wenn dies ein Wort ist, das sich im syrischen Kontext schon längst abgenutzt hat. Die schrecklichen Zahlen sind bekannt: zwei Millionen Flüchtlinge im benachbarten Ausland, mindestens vier Millionen Binnenvertriebene, dazu mindestens 100.000 Tote. Ohne zu wissen, welche todbringende Substanz in Syrien zum Einsatz kam und wer das zu verantworten hat, habe ich doch beim Anblick der Toten an Halabja denken müssen, die kurdische Stadt im Nordirak, die vor 25 Jahren von Saddam Hussein mit Senfgas, Sarin und VX beschossen wurde. Damals starben 5.000 Menschen im Gas und Zehntausende wurden verletzt. Damals erstickten besonders diejenigen, die in Kellern Schutz vor den Bombardierungen gesucht hatten. Denn das Gas war schwerer als die Luft und setzte sich knapp über der Erde ab. Auch in den Vororten von Damaskus starben offenbar die Opfer in Hauseingängen und unteren Etagen. Das spricht für den Einsatz eines Kampfstoffes und man kann nur hoffen, dass die UN-Inspekteure tatsächlich die Zeit bekommen zu ermitteln, welches Giftgas dort zum Einsatz kam. Denn erst dann läßt sich tatsächlich schlussfolgern, wer dieses abscheuliche Verbrechen zu verantworten hat. Doch offenbar wird diese Zeit nicht mehr eingeräumt, denn die Wahrheit ist bereits politisiert. Und wer nun behaupten wird die Wahrheit herausgefunden zu haben, wie immer sie aktuell auch sein mag, wird von der „anderen Seite“ der Lüge bezichtigt werden. Denn die Diskussionen um die „richtige“ Reaktion kreisen nur noch um die Frage des Zeitpunkts und des Ausmaßes, wie in Syrien militärisch interveniert wird. Eine exemplarische „Bestrafungsaktion“ oder doch eine längerfristige Bombardierung? Aber was heißt das für die syrische Bevölkerung? Was haben diejenigen davon, die sich vor den Todesschwadronen des syrischen Regimes fürchten und was bedeutet es für all jene, die sich vor den Rebellen und den immer stärker werdenden dschihadistischen Kämpfern ängstigen? Wird irgendjemand nach den kommenden Angriffen sicherer leben? Gibt es dadurch eine Perspektive auf ein freies Syrien ohne Despotie und klerikalen Terror? Nein, die syrische Tragödie ist kein Einakter und kann nicht mit Cruise Missiles, sondern tatsächlich nur politisch gelöst werden. Das klingt banal, bleibt aber dennoch richtig. Dafür aber müssen alle politischen Akteure im Land selbst und alle "regionalen Interessensmächte" einbezogen werden – auch der neue iranische Präsident Hasan Rohani, der ebenfalls den Giftgasangriff scharf verurteilt hat. Dass die USA aber diese Gespräche bislang konsequent abgelehnt haben und nun stattdessen eine militärische Bestrafungsaktion vorziehen, macht erneut deutlich, dass es in Syrien eben um mehr geht, als nur um die humanitären Belange der Syrerinnen und Syrer. Es geht eben auch um Geostrategie, Einflusszonen und Machtkonstellationen. Der Iran muss offenbar in jedem Fall isoliert bleiben und dafür wird letztlich auch die syrische Bevölkerung ihren Tribut entrichten. Auch das ist westliche Weltpolitik. Veröffentlicht von Martin Glasenapp am 28.08.2013

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