Samstag, 31. August 2013

Antideutsche Ideologen auf rechtsextremen Wegen!

Sie grölen auf ihren Demonstrationen zynische Parolen, wie „Palästina, knie nieder! Die Siedler kommen wieder!” oder „Wir tragen Gucci. Wir tragen Prada. Tod der Intifada!” Aber nicht nur „bedingungslose Solidarität mit Israel”, westlicher Chauvinismus, eine ausgeprägte Upper-Class-Arroganz gegenüber den schlecht Gekleideten ‚da unten’ und eine schaurige Freude am Tanz auf den Gräbern der ausgemachten Feinde – Friedensaktivisten, Kapitalismuskritiker, vor allem von ihnen als „Barbaren” titulierte Bewohner des Orients – sind signifikante Merkmale der sogenannten Antideutschen. Seit rund 20 Jahren betreiben diese Exlinken, deren Ideologie aus Versatzstücken der Bush-Doktrin, Marx’ Kritik der politischen Ökonomie und Adornos Kritischer Theorie zusammengekleistert ist, auf rabiate Weise Geschichtsrevisionismus. Sie verkehren die Begriffe Emanzipation und Aufklärung in ihr Gegenteil und schrecken auch vor Kooperationen mit Rechtsextremisten nicht zurück. Ehrbares Anliegen entsorgt „Abbruchunternehmen der Linken” wollen sie sein, formulierte einer ihrer prominenten Wortführer und Kopf ihres Zentralorgans Bahamas Justus Wertmüller vor einigen Jahren die Agenda der „Antideutschen”. Wenigstens einmal eine ehrliche Aussage. Ihr Name hingegen führt völlig in die Irre: Waren sie, damals noch Kommunisten, Anfang der 1990er Jahre aus Angst, nach der Auflösung der DDR könnte ein „Viertes Reich” entstehen und Deutschland seine Großmachtbestrebungen wiederbeleben, mit einem ehrbaren Anliegen, der Bekämpfung des deutschen Nationalismus, angetreten – inzwischen haben sie es weitgehend entsorgt. Der auf ihren Demonstrationen und sonstigen Events performte „Hass auf Deutschland” ist längst zum leeren Ritual heruntergeleierter und von Vernichtungsphantasien getragener Parolen, wie „Von der Saar bis an die Neiße: Bomben drauf und weg die Scheiße!”, verkommen. Damit kann gerade einmal das sehr junge Fußvolk bei der Israelfahnen-Stange gehalten werden. Verteidigung der Zivilisation Bereits 2006 hatte Justus Wertmüller in seiner Rede auf einer Kundgebung gegen Ahmadinedschad in Frankfurt, bei der er gemeinsam mit dem damaligen CSU-Innenminister Günter Beckstein auftrat, deutsche Fahnen schwenkende christliche Fundamentalisten und andere Rechte als „verbindliche Freunde Israels” gelobt. Und er bot der Bundesregierung generös an, es dürften „in einem Meer von israelischen” ruhig auch ein paar schwarz-rot-goldene Banner wehen. Seine Bedingung: Deutschland müsse, wie Wertmüller forderte, bloß endlich zur „Verteidigung der Zivilisation”, die es „nur an der Seite Israels gibt”, entschließen und dafür notfalls auch seine „militärischen Ressourcen ausschöpfen”, um das Atomprogramm des Iran zu stoppen. Alte Nazi-Mythen Integrale Bestandteile der neoimperialistischen Matrix der „antideutschen” Ideologie ist die synonyme Verwendung der Begriffe Antisemitismus und Antizionismus. Das Gros ihrer Anhänger stimmt dem von ihrer Freiburger Denkfabrik Initiative Sozialistisches Forum formulierten Dogma „Jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch” zu. Es vergleicht die gegenwärtige Situation der jüdischen Bevölkerung Israels mit der der europäischen Ghetto-Juden vor der Shoah, Ahmadinedschad und die Hamas mit der SS und prangert die Politik des Westens gegenüber dem Iran und den Palästinensern als „appeasement” an. Die meisten meinen, so beispielsweise der „antideutsche” Arbeitskreis Antifa der Universität Gießen, Nationalsozialismus und Sozialismus „sind Fleisch vom selben Fleisch”. Und mit der Behauptung, Hitlers „Volksgemeinschaft” sei eine klassenlose Gesellschaft gewesen, verbreiten sie die alten Nazi-Mythen weiter. Vor allem eint die „Antideutschen” die Neigung, wie der Soziologe Gerhard Hanloser diagnostiziert, zur „rituellen Hinrichtung” der von ihnen als Allzweckwaffe missbrauchten Kritischen Theorie. Ein Beispiel: Der wissenschaftliche Mitarbeiter der kriegstreiberischen Kampagne Stop the Bomb! Stephan Grigat fordert, der von Theodor W. Adorno formulierte „neue kategorische Imperativ”, seit 1945 sei unser „Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe”, müsse als „zionistischer kategorischer Imperativ” durch den Staat Israel exekutiert werden. Das bedeutet, Adornos Imperativ würde seines durch und durch universalistischen Wesens entschlagen werden, indem er nationalisiert, partikularisiert (u.a. werden Muslime ausgeschlossen) und somit seines zutiefst humanen, emanzipatorischen Anliegens beraubt wird. Partyzionisten Aber die „Antideutschen” sind keine homogene Glaubensgemeinschaft. An ihrem linken Rand findet sich die größte Gruppe der sich vorwiegend aus dem Milieu der autonomen Antifas rekrutierenden „Softantideutschen”. Diese oftmals lifestyleorientierten „Partyzionisten” tummeln sich mit Israel und sein Militär fetischisierender Sprücheklopferei unter bizarren Namen wie Group Merkava Winsen im Internet und atmen die Jungle World ein: Eine zur Hälfte linke und zur anderen neoliberalen Wochenzeitung, die die „antideutsche” Ideologie populär vereinfacht und ihre reaktionären Inhalte (sub)kulturindustriell verbrämt. Ihre vorwiegend studentische Klientel verschanzt sich häufig hinter dem Begriff „Antinationale”, weil sie an der Bekämpfung von Neonazis und einigen ihnen nützlichen linken Restbeständen, beispielsweise den Protest gegen Studiengebühren, festhalten will. Die Bahamas-Redaktion Unbefangener agieren Gruppen, die die reine Lehre predigen und mit geschichtsklitternden Slogans, wie „Der Deutschen Linken und anderen Nazis das Existenzrecht entziehen!” (Antideutsche Assoziation Dresden), hausieren gehen. Schon gar nicht machen die Mitglieder der Bahamas-Redaktion aus ihren Herzen eine Mördergrube. Sie haben den Begriff „antideutsch” Anfang 2009 als Bezeichnung für ihre Ideologie zurückgewiesen: „Was einmal antideutsch geheißen hat, taucht heute als Apologie für das irgendwie widerständige Tun migrantischer Schlägerbanden, als Angriff auf den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr oder als vom Sozialneid erfülltes Ressentiment gegen deutsche Frührentner, die sich auf Mallorca niedergelassen haben, wieder auf”, heißt es in der Distanzierung der Bahamas von all jenen „Antideutschen”, die immer noch nicht verstanden haben: „Antifa heißt Luftangriff.” English Defence League Die Bahamisten sind längst unterwegs zu neurechten Ufern und bekunden ihre Zuneigung für die bevorzugt Muslime schlagende Verbindung English Defense League (EDL): Eine aus Netzwerken von Fascho-Hooligans und der British National Party entstandene militante Bewegung, deren Mitglieder sich als Wahrer der westlichen Zivilisation auserkoren fühlen und auf ihren Demonstrationen das Sankt-Georgs-Kreuz, das Symbol der Kreuzzüge, vorantragen. Sie bepöbeln Linke als „coward commie bastards”, arabische und afrikanische Einwanderer als „jihads” und „niggers”. Einige ihrer Anhänger zeigen gern mal den Hitler-Gruß – andere lieber Israelfahnen. Unlängst lud die EDL, die mittlerweile eine „Jewish Division” unterhält, als Gast-Redner den Tea-Party-Aktivisten Nachum Shifren ein – laut Jewish Chronicle der ehemalige Fahrer des Gründers der rechtsextremistischen Terrororganisation Kach Meir Kahane. Während sich die meisten jüdischen Organisationen von der EDL distanziert haben, wirbt die Bahamas um Verständnis: Die EDL handele schließlich „im Geiste Winston Churchills”. Dass die britische Antifa diese „Patrioten” u.a. als „Hetzer” bezeichnet habe, sei „einfach nur böswillig”. Stephan Grigat und die FPÖ Zwar steht die Mehrheit der „Antideutschen” den Necons weitaus näher als dem rechtsextremen Lager. Aber wenn es gegen „linke Antisemiten” (Israel-Kritiker) und Muslime geht, hilft man sich gern mal gegenseitig aus. So sprechen Vertreter des „antideutschen” Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten gern ausführliche Stellungnahmen in die Kamera des im Milieu des rechtspopulistischen und rassistischen Blogs Politically Incorrect (PI) angesiedelten Kieler Filmemachers Claus-C. Plaass, der PI nicht nur mit Bildmaterial beliefert, sondern auch regelmäßig in Leserbriefen Stimmung gegen die Bevölkerung aus dem „tuerk-arab mohamedanischen Kulturkreis” macht. Und Stephan Grigat, der findet, der neue Faschismus sei ein Import aus den arabischen Ländern, Israel sei „zu liberal” und sollte ein Knesset-Verbot für „islamistische arabische Israelis” verhängen, trat im vergangenen Jahr beim Wiener Akademikerbund (WAB) auf – einer ultrarechten FPÖ-nahen Organisation, die in Österreich mit ihrer aggressiven Fremdenfeindlichkeit immer wieder für Schlagzeilen sorgt, weil sie Angst vor der „Gefahr Islam” schürt und sich neuerdings auch für die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes einsetzt. „In anderen Ländern existieren immerhin Vorfeldorganisationen konservativer Parteien, mit denen eine Diskussion durchaus lohnt”, so Grigats aufschlussreiche Begründung für seinen Auftritt. „Und man zwingt sich ja auch immer wieder, einer von Ressentiments gegen Israel geprägten Linken mit Argumenten zu begegnen.” Nachdem sein Schlenker nach rechts außen aufgeflogen und öffentlich gemacht worden war, erklärte Grigat zehn Monate (!) später, er habe bei seiner Zusage an den WAB doch keine Ahnung gehabt, dass er für „lupenreine Geschichtsrevisionisten, Antisemiten, Nationalisten und Rassisten” referieren würde – honni soit qui mal y pense. Auch die Rosa Luxemburg Stiftung… Der linke Flügel der „antideutschen” Bewegung schweigt zu diesen Auswüchsen. Zur Rede gestellt, betonen ihre Vertreter ihre angebliche Distanz zu den Bahamisten. In Wahrheit sind unzählige Blogs des linken Lagers mit Wertmüllers und anderen rechten Organen, wie beispielsweise Lizas Welt und Prodomo, verlinkt. Der Hamburger LAK Shalom der Linksjugend rief mit ihnen nach dem Angriff der israelischen Marine auf die Free-Gaza-Flotte sogar zu einer Demonstration gegen die eigene Partei auf. Titel: „Gegen das Bündnis der Kriegstreiber von Linkspartei und Hamas.” Bahamas-Schreiberlinge – darunter Philipp Lenhard, Thomas Becker, Tjark Kunstreich - werden von linken „antideutschen” Medien wie Jungle World, Phase 2 oder Konkret hofiert. Der Rosa Luxemburg Stiftung, dem Think Tank der LINKEN, sind „Antideutsche”, die politisch hart Steuerbord segeln, als Stipendiaten oder Referenten willkommen. Wenn die Grigats, Osten-Sackens und wie sie alle heißen dort gerade nicht engagiert sind, dann sind sie in neokonservativen Medien, wie auf Henryk M. Broders Achse des Guten oder in der Welt, unterwegs. Und auch die Medien der goldenen neoliberalen Mitte, Spiegel, Tagesspiegel, Wiener Zeitung, bereiten den „Antideutschen” einen zunehmend herzlichen Ideologie-Empfang. Kein Wunder: „Freihandelshausierburschen” (so nannte Karl Marx einst die Propagandisten des Kapitalismus) wie die „Antideutschen” mit ihrem blanken Hass auf die antikapitalistische Linke und den von ihnen u.a. als „Ummasozialismus” betitelten Islam sind heute objektiv omnidirektional einsetzbare Hilfstruppen: Ebenso für die Durchsetzung schwarz-gelber Sparpakete wie für die (deutsche) Rüstungsindustrie, ihren Karl-Theodor zu Guttenberg und ihre ehrgeizigen Pläne, noch viel mehr Handelswege freizuschießen – oder eben auch für die rechtspopulistische Pro-Bewegung und ihre sich derzeit europaweit formierenden militanten Ableger, die sogenannten Defense Leagues. Marx gegen Machiavelli eingetauscht Die – von den meisten nicht intendierten, aber sich häufenden – Schulterschlüsse der „Antideutschen” mit Rechten sind unweigerlich eine Konsequenz der inneren Logik ihrer Ideologie. Wer vorgibt, eine Wiederholung von Auschwitz durch neoimperialistische Machtentfaltung, Marktradikalismus, Kulturkampf, die Verherrlichung des Militärs der westlichen Welt und seiner Waffengewalt ausschließen zu können, hat Marx gegen Machiavelli eingetauscht. Wer Juden zwangszionisieren will und jene, die sich weigern, mit Kampfbegriffen wie „selbsthassende Juden”, „Antisemiten” und „Verräter” beleidigt, wird in den Armen von Daniela Weiss, Geert Wilders oder noch viel schlimmeren Gesellen aufwachen – wenn er aufwacht. Wer, wie die „Antideutschen” es tun, den Antisemitismusbegriff bis zur Unkenntlichkeit inflationiert und damit der nach wie vor notwendigen Antisemitismuskritik ihrer Wirkmacht beraubt und die Opfergeschichte des jüdischen Kollektivs schamlos für die Legitimierung von Mord und Totschlag ausbeutet, hat auch nichts anderes verdient. Der Beitrag ist gedruckt erschienen in Der Semit, 2. Jahrgang Nr. 6, Dezember / Januar 2011. Wiedergabe bei linkezeitung mit freundlicher Genehmigung von Autorin (Susanne Witt-Stahl) und Verlag

Ausfall der Hartz IV-Zahlungen zum Monatsanfang

Bundesweit wird gemeldet, dass vielfach Hartz IV Leistungen noch nicht auf den Konten sind. Besonders in Bremen soll es nach Angaben der Jobcenter-Geschäftsstellen zu Zeitverzögerungen bei den Überweisungen kommen. Schuld daran sei eine Umstellung der Software zur Bearbeitung von Geldleistungen auf das SEPA-Verfahren. So heißt es in der Erklärung: „Leider ist es bei den Vorbereitungen dazu am Anfang dieser Woche bundesweit zu einem Ausfall der Sofware gekommen. Das Jobcenter rechnet damit, dass es auch in Bremen Leistungsfälle geben wird, die ihre Zahlung nicht erhalten werden.“ Derzeit werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, die Zahlungen nachzuholen. Anstatt jedoch die Zahlungsausfälle mit Bargeldauszahlungen kompensiert werden, teilte das Jobcenter Bremen mit, dass am Freitag „keine persönlichen Vorsprachen ohne Termin in den Eingangszonen der Jobcenter-Geschäftsstellen und keine Bargeldauszahlungen möglich sind.“ Auch Vorsprachen bei den für Leistungen zuständigen Sachbearbeitern werden verschoben. Falls es aus diesem Grund zu Rückbuchungen kommt und die Bank oder der Gläubiger erhöhte Gebühren verlangt, können diese unter Umständen beim Jobcenter zurück verlangt werden. Ein ebenfalls Betroffener hat dies jedenfalls schon einmal bei einem Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg erkämpft. (§ 88 Abs. 1 SGG, SG Freiburg, AZ: S 13 AS 6851/11)

50 Years After the March on Washington & “I Have a Dream” Amerikkka Is STILL a Goddamn Nightmare

WE NEED A REVOLUTION! by Carl Dix | August 25, 2013 | Revolution Newspaper | revcom.us It’s 50 years since the March on Washington and Martin Luther King’s “I Have a Dream” speech. Let’s face reality—Amerikkka is still a goddamn nightmare! This country built up its wealth and power by dragging Africans to these shores in slave chains and stealing the land from and committing genocide against the native inhabitants. It has never stopped bringing vicious oppression down on Black people and billions of people around the world. Dreams of changing America into something that would end this oppression, or any of the horrors inflicted on humanity, are toxic illusions that keep people chained to the very system that’s responsible for all this oppression. This is not a time to be dreaming of “perfecting” America’s union. Instead, it must become a time that people look back on and say, that’s when people said you couldn’t reform this shit, and a whole different way—a revolution—was needed. As Revolution (July 19, 2013 issue) put it, “58 years ago, a Black teenager named Emmett Till was murdered in Mississippi by some white men who decided he had ‘acted wrong,’ and those white men were acquitted. Emmett Till’s mother, Mamie Till, said ‘NO MORE’ and the uproar that she stoked was one big beginning factor that led millions of people to stand up and over the next 15 years to rock this country to its foundation. People needed revolution, and many fought for revolution, many of those heroically laid down their lives—but we got reforms. Now after all those reforms ... after all the promises ... all the excuses ... after all the Black faces in high places including even a Black president ... a Black teenager named Trayvon Martin is murdered by a white man who decided Trayvon was ‘acting wrong,’ and he too is acquitted.” This verdict was America saying, once again, that Black people have no rights that whites must respect. This is a concentration of the way this system has criminalized Blacks and Latinos on a genocidal scale and created a generation of suspects at a time when it has no real future for tens of millions of these youth. The Trayvon verdict left many, many people with a profound sense of betrayal and had them asking big questions about the unjust nature of this society and whether the people ruling over us are fit to run society. People are righteously outraged and asking: how long will such horrors continue and how many more of our youth will have their lives stolen for no reason other than the color of their skin? America has had its chances to do right by Black people. First through the Civil War and Reconstruction, and then during the 1960s, when people struggled mightily to deal with the horrors Black people faced. And each time, America changed the forms of oppression but kept it in effect. What is the situation today? The New Jim Crow. More than 2 million people in prison; and more than five million formerly incarcerated facing discrimination when looking for work, and barred from living in public housing and receiving government loans. Racial profiling, stop-and-frisk, and a school-to-prison pipeline. Voting rights being snatched back. It’s long past time to say, “That’s it for this system. Time’s up!” There are those calling for a new civil rights movement. That’s not what’s needed. The old civil rights movement contributed to the struggle to end legal segregation, and people sacrificed heroically as part of it. But that movement had reached its limitations by the mid-1960s. It aimed to get America to make good on a promise of equality that cannot be achieved in the framework of this system. From the “founding fathers” onward, this has been a system driven by the needs of capitalism and then capitalism-imperialism with its profit-above-all mentality and its expand-or-die logic. No civil rights movement is going to change that. We need a revolution to get rid of this system and bring a totally different and far better one into being. And let’s pull the lens back. Everywhere America has gone in the world, it has wreaked havoc on humanity: from the slave trade in Africa centuries ago, to the theft of half the land of Mexico, to the genocidal war in Vietnam, to the wars in Iraq and Afghanistan, to the U.S.-supplied tanks massacring people in the streets of Egypt. One in three women in the U.S. will suffer sexual assault in their lifetime. This country carries out the most massive spying operation in world history, targeting people and countries all over the world. The U.S. is ravaging the environment of the planet. As Bob Avakian, the leader of the RCP, has said: “What the U.S. spreads around the world is not democracy, but imperialism and political structures to enforce that imperialism.” As for those who say, “things may be bad, but Obama is working on making them better,” people need to have the moral courage to face the truth. And that truth is that Barack Obama is the top enforcer and defender of this system. The truth is that Obama is the commander-in-chief of the American empire. The truth is that he presides over the drone strikes that destroy whole villages in Pakistan and Yemen. The truth is that he presides over the torture prison in Guantanamo Bay. The truth is that he has presided over an unprecedented number of deportations of immigrants. The capitalist-imperialist system has only brought horrors to the world. But the good news is that things don’t have to be this way. There’s a whole other way that society could be organized—and through revolution, communist revolution, we can get rid of this system and bring a far better society into being. The kind of society that could end all exploitation and all oppressive divisions and inequalities all over the world, that could emancipate all of humanity and safeguard the planet for current and future generations. The kind of society and world in which human beings could truly flourish. In Bob Avakian, we have the leadership needed for this revolution; a leader who came out of the 1960’s and who has given his heart and his knowledge, skill and abilities to dealing with everything that stands between humanity and its ultimate emancipation. He has deeply studied the experience of revolution—the shortcomings as well as the great achievements. He has drawn from other fields of human activity. And he has brought the science and method of revolution to a whole new level, concentrated in the new synthesis of communism. In Bob Avakian, we have a great champion and a great resource for people here, and indeed people all over the world. The Revolutionary Communist Party he leads has developed a strategy for making revolution when the time is right. And it has developed a vision of the kind of world we could bring into being through revolution, a vision that is concretized in the Constitution for the New Socialist Republic in North America (Draft Proposal) To bring all this about, we are building a movement for revolution NOW. And what’s missing is you. All of our outrage, our energy and our dreams can become powerful fuel in this movement for revolution. This must be a watershed moment—one in which we break with the illusion of trying to make this system something it cannot be, but work and struggle to end this nightmare once and for all. Fight the Power, and Transform the People, for Revolution!

Egypt - Needed: Real Revolution

U.S.-backed Brutal Repression in Egypt… September 1, 2013 | Revolution Newspaper | revcom.us In January 2011, millions of Egyptians rose up in protest and rebellion against the 30-year-long regime of Hosni Mubarak—a brutal oppressor backed to the hilt by the rulers of the U.S.A. Mubarak’s police killed hundreds of protesters. But as protests grew in size and determination, Mubarak was driven from office and arrested for overseeing the murder of protesters. The uprising, coming in the wake of one that overthrew a decades-old oppressive regime in Tunisia, sent shockwaves around the world, inspiring the oppressed and all who despised oppression, and sending the global powers-that-be, with the U.S. at the top of the heap, scrambling to figure out how to manage the challenge to the whole capitalist-imperialist order. On July 3, 2013, with a green light from the U.S., General Abdel Fattah el-Sisi arrested Egypt’s elected president, Mohamed Morsi of the Muslim Brotherhood, and suspended the Egyptian constitution. At least 800 supporters of the Muslim Brotherhood have been killed, including prisoners executed in military custody, and thousands more arrested, and killings and arrests are continuing. And on August 22, the butcher Mubarak himself was let out of jail where he was facing charges for—among other things—ordering the killing of protesters. His release is an outrage, and also an ominous symbol that the old-school enforcers of an oppressive order are back running Egypt. The country is heading towards a one-sided civil war with forces around the reactionary military moving to crush the reactionary Muslim Brotherhood. Worst of all, the masses of people are either being aligned with one or another reactionary camp or rendered immobilized and on the sidelines. A deadly repressive calm is being imposed at the point of a gun. And the deeply felt and deeply rooted demands of the Egyptian people for freedom are as unmet as ever. This is a critical moment to look reality in the eye, examine what brought things to this point, and BREAK OUT of a dead end, and deadly set of “choices” that led to the current situation. Egypt Is in a World of Empire and Oppression Mubarak’s three decades of draconian repression rested on the power of the Egyptian military—the largest in the Arab world, and a whole apparatus of spies, political police, and repression. Behind that, is the USA, which sent $40 billion to Egypt over the time of Mubarak’s reign, much of it military “aid” in one form or another. Under Mubarak, Egypt “developed” as a land of sweatshops and slums. Student activists, union organizers, and dissident intellectuals were kidnapped by the police, tortured, and dumped—sometimes dead, sometimes not—in the desert. Enlightened voices in culture were banned or driven into exile. All this served well the interests of U.S. capitalism-imperialism. In the face of U.S. claims that it brings “democracy” to the world, Bob Avakian has said: The essence of what exists in the U.S. is not democracy but capitalism-imperialism and political structures to enforce that capitalism-imperialism. What the U.S. spreads around the world is not democracy, but imperialism and political structures to enforce that imperialism. (BAsics 1:3) And that is the essence of what the U.S. has brought to Egypt. Egypt’s economy is not structured to serve the needs of the people of Egypt, but it answers to the demands of global capitalism-imperialism—mainly “The West.” As a result, poverty is epidemic—40 percent of Egypt’s population lives on $2 a day. Egypt is dependent on and its economy is shaped by foreign investment, international loans, and Egypt’s subordinate integration into the world economy. Much investment capital entering into Egypt is concentrated in financial services and natural gas, sectors that generate huge profits and serve global imperialism but do little if anything to provide jobs or benefits for a significant section of the population. Infrastructure, transportation and culture are driven by and serve tourism, foreign investment and domination. And Egypt—like other oppressed Third World countries—suffers a greatly disproportional impact of the global environmental crisis with terribly polluted air and water and previously fertile land ruined by unrestricted capitalist real estate speculation and “development.” Foreign capital flows into super-profitable sweatshop production for export—especially cotton goods. The Egyptian military itself controls 40 percent of the economy. Agriculture has been left to rot. Despite favorable conditions for growing food, Egypt is the world’s largest importer of wheat. Beyond that, Egypt is a cornerstone in U.S. domination of the strategic Middle East. Egypt’s army collaborates with Israel to oppress the Palestinians which creates greater freedom for Israel to play the role of an outpost and enforcer for imperialism in the Middle East and beyond. The U.S. counts on access to Egyptian air space to wage its war in Afghanistan and to carry out its global “war on terror.” U.S. naval ships pass through the Suez Canal that runs through Egypt—four billion gallons of oil are shipped through the canal every day. These and other strategic considerations are why U.S. aid and political support for the Egyptian military continues, even as it reveals the hypocrisy of claims that U.S. foreign policy is based on promoting “democracy.” An Uprising for Freedom, but Framed by a Conflict Between Reactionary Poles The millions of Egyptians who braved the gas and bullets of the Mubarak regime wanted freedom. They chafed at, and struck at, symbols of repression. Very importantly, women entered into the battle, although that was contentious even among the protesters. As people rose up, they sought solutions. They gravitated towards forces who, yes— had structures and organization in place—but more importantly, they cohered around or aligned themselves with one or another of the visions and models of what the world should be like that were contending in the field. What were those forces and agendas? Egypt is a big country, with 90 million people and a powerful military. What happens in Egypt was and is being closely watched and influenced to various degrees by a whole range of actors. The state of Israel—built on the ethnic cleansing of the Palestinians and serving as a regional and international enforcer for imperialism—shares a strategic border with Egypt. Neighboring reactionary states like Saudi Arabia and the oil-rich but tiny Gulf States have big stakes in how things develop in Egypt. They have poured billions of dollars into the country. And the turmoil in Egypt interacts with conflicts between the U.S. and its allies on the one hand and the Islamic Republic of Iran on the other. From Turkey and Syria to Tunisia and Yemen, “all eyes are on Egypt” in one way or another and many agendas are on the ground. While these agendas do not boil down into a neat or exact alignment, right now, the decisive factor in shaping the conflict in Egypt, and shaping people’s (mis)understanding of possibilities is the clash between what are called “McWorld” and “Jihad.” These two, reactionary agendas are both contending with each other, and—as they do—reinforcing each other. That is the case in large parts of the world and within Egypt. Speaking of the current split in Egyptian society, an article from A World to Win News Service describes these two agendas this way: “On one side stand the liberal proponents of the Western values marketed as ‘freedom’ especially the ‘free market’ that has crushed the vast majority of people in every country, and the corresponding belief in Western-style capitalist democracy and its system of elections that have never brought basic change anywhere. They have nothing but contempt and repression to offer the impoverished urban masses and most of the half of the population that lives in rural areas.” And, “On the other side stand the Islamists, who claim to represent ‘freedom’ from Western domination, hypocrisy and humiliation while institutionalizing the backward economic and social relations and thinking that have helped keep Egypt weak and vulnerable to the domination of foreign capital. Their project is to combine exploitation, oppression and inequality with the false solace of religion, the hypocritical charity of the mosque and the suffocating solidarity of ‘the community of the faithful’ that abolishes critical thinking.” (“From A World to Win News Service on the Role of the U.S. in the Egyptian Bloodbath” at revcom.us.) The Islamists, represented most prominently by the Muslim Brotherhood, sat out the uprising against Mubarak until the last minute. But in the post-Mubarak situation, they had the most organized networks, and were able to mobilize their base to elect Morsi as president. The Morsi regime was repressive and no improvement for the people. In the unsettled situation after the fall of Mubarak, the U.S. and the West were willing to tolerate and try to work through Morsi—for a time. As things developed, Morsi’s regime did not adequately serve the interests of the rulers of the U.S. Morsi and the Muslim Brotherhood never intended to wrench Egypt free of the clutches of the world capitalist-imperialist system. Their aim was to restructure and re-divide some of the spoils passed out to imperialism’s local accomplices. But the Egyptian army was not willing to “share” those spoils or tolerate a restructuring that endangered their interests. Locked out, for the most part, from the key levers of real power—the courts, bureaucracy, and armed forces—the Muslim Brotherhood moved to stabilize and re-cohere society through Islamicization. And those moves, in turn, angered and alienated large sections society. As anger grew against Morsi among many sections of the population, the proponents of Western-style capitalism were able to divert the anger of millions into what ended up being the July 3 military coup. As A World to Win News Service wrote: “When these imperialists’ chosen local representatives saw their chance, the liberals dropped their rhetoric about majority rule, political rights and the rule of law and reached out to the ‘the nation’s armed forces’ that have never been the armed forces of the people and the nation as many so-called Marxists in Egypt claim. The military has always belonged to the imperialist-dependent Egyptian ruling exploiter classes, and spoon-fed and led by the nose by the U.S. for the last four decades.” Egypt—and the World—Need Revolution The essence of the problem in Egypt is that a revolution never took place. A revolution is not a protest. It is not a massive uprising. It is not a change in form of capitalist dictatorship. It is not whatever anyone wants to think it is. In today’s world, a revolution means the overthrow of the whole capitalist-imperialist system, and replacing that with socialism. In an oppressed Third World country like Egypt, communist revolution unfolds on two levels. First, it involves a radical rupture with the world imperialist system, shattering the neocolonial state, which is the essential political-military control mechanism of imperialist domination, breaking with dependence on foreign investment, loans, and the whole logic of subordinating development to the needs of imperialism and breaking out of the network of exploitation and dependence—with all the suffering and distortion it brings about. Second, this involves carrying out a profound social revolution that aims to mobilize the conscious activism of people to tackle and uproot all the oppressive relations of society—from the hold of religion, to the pervasive forms of patriarchy and male supremacy, to the inequalities bound up with the divisions between those who are trained to work in the realm of ideas and those who have been traditionally locked out. Both aspects are essential and intertwined. You can’t do one without the other: you can’t break the vise-grip of imperialist domination if you don’t carry forward a social revolution that unleashes the determination and creativity of the masses; and you can’t carry out a social revolution if you remain ensnared in the network of imperialist relations. This is a road of breaking free of imperialist domination as part of a revolution to get the whole planet beyond these horrors—as envisioned in Bob Avakian’s new synthesis of communism (to explore the new synthesis of communism, visit revcom.us/avakian). Those who want that other way need to fight for it and, right now, fight to get it out into the world. In Egypt itself, the situation as described at the end of Bob Avakian’s statement on the 2011 uprising against the Mubarak regime still holds true: It has frequently happened in history, as has been the case in Egypt (as well as Tunisia), that the domination of imperialism and the rule of local exploiters has taken a concentrated form in the regime of a “strong man” butcher. This was the case, for example, in Iran, with the torture-chamber rule of the Shah, in the Philippines with the tyranny of Marcos, and in Indonesia with the long monstrous reign of Suharto—all brutal dictatorships put in power and long kept in power by U.S. imperialism. In Iran in the late 1970s, in the Philippines in the 1980s, in Indonesia more recently, massive uprisings of the people forced the U.S. imperialists to throw aside these hated tyrants and to allow some changes. But in every case, the ultimate result was not one which led to real “freedom” for the people—instead they have continued to be subjected to cruel oppression at the hands of those who replaced the old, hated rulers, while these countries have remained within the overall framework of global imperialist domination and exploitation. But historical experience has also shown that the continuation of oppressive rule, in one form or another, is NOT the only possible outcome. In Russia, in February 1917, another brutal despot, the Czar (absolute monarch), was overthrown by the uprising of the people. Here again, the U.S., British, and other imperialists, and the Russian capitalists, tried to continue the oppression of the Russian people in a new form, using the mechanisms of “democratic rule” and elections which, while allowing for some broader participation of different parties, would still be totally controlled by the exploiters of the people and would ensure their continuing rule, and the continued suffering of the masses of people. In this case, however, the masses of people were enabled to see through these maneuvers and manipulations, to carry forward their revolutionary rising, through many different twists and turns and, in October 1917, to sweep aside and dismantle the institutions and mechanisms of bourgeois dictatorship and to establish a new political and economic system, socialism, which for several decades continued to advance in the direction of abolishing relations of exploitation and oppression, as part of the struggle throughout the world toward the final goal of communism. The crucial difference was that, in the uprisings in Russia, there was a core of leadership, communist leadership, that had a clear, scientifically grounded, understanding of the nature of not just this or that ruthless despot but of the whole oppressive system—and of the need to continue the revolutionary struggle not just to force a particular ruler from office but to abolish that whole system and replace it with one that would really embody and give life to the freedom and the most fundamental interests of the people, in striving to abolish all oppression and exploitation. Even though the revolution in Russia was ultimately reversed, with capitalism restored there in the 1950s, and today Russia no longer seeks to disguise the fact that it is a capitalist-imperialist power, the lessons of the Russian Revolution of 1917 hold valuable, indeed decisive lessons for today. And the most decisive lesson is this: When people in their masses, in their millions, finally break free of the constraints that have kept them from rising up against their oppressors and tormentors, then whether or not their heroic struggle and sacrifice will really lead to a fundamental change, moving toward the abolition of all exploitation and oppression, depends on whether or not there is a leadership, communist leadership, that has the necessary scientific understanding and method, and on that basis can develop the necessary strategic approach and the influence and organized ties among growing numbers of the people, in order to lead the uprising of the people, through all the twists and turns, to the goal of a real, revolutionary transformation of society, in accordance with the fundamental interests of the people. And, in turn, when people massively break with the “normal routine” and the tightly woven chains of oppressive relations in which they are usually entrapped and by which they are heavily weighed down—when they break through and rise up in their millions—that is a crucial time for communist organization to further develop its ties with those masses, strengthening its ranks and its ability to lead. Or, if such communist organization does not yet exist, or exists only in isolated fragments, this is a crucial time for communist organization to be forged and developed, to take up the challenge of studying and applying communist theory, in a living way, in the midst of this tumultuous situation, and to strive to continually develop ties with, to influence and to ultimately lead growing numbers of the masses in the direction of the revolution that represents their fundamental and highest interests, the communist revolution. And that task—building genuine revolutionary communist leadership, and leading a revolution—can change everything.

Berliner Theaterspaziergänge Jochanan Trilse-Finkelstein

Eine besondere Art der Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus, dem unreiferen und noch aristokratisch angehauchten russischen, betreibt Anton Tschechow: genau und poetisch. Zu erleben in seinen »Drei Schwestern«, vorgeführt im Rahmen der Berliner Festspiele von einer Truppe des verstorbenen Regisseurs Pjotr Fomenko. Eine etwas zerflatterte Inszenierung, dominiert von einem Darsteller, der Tschechow mit Textblättern in der Hand darstellte, als ob er leite oder gar dirigiere. Das besserte die Inszenierung kaum, zumal in Berlin während der letzten Theaterjahrzehnte unglaublich gute Produktionen zu sehen waren. Irgendeinen Maßstab hat diese nicht gesetzt. Das eigentliche Theater fand innerhalb des Publikums statt, sogenannte Prominente kamen und gingen. So blieb als Haupteindruck ein sonderbares Gemisch von der schwachen Trauer auf der Bühne und einem halbeleganten bis elitären Gehabe in Theatron und Foyer. Immer wieder staune ich, daß kleine Künstlergruppen den Mut haben, sich mit Kafka auf der Bühne anzulegen. Weil es an guten Dramen offenbar immer mangelt, versuchen sich Bühnenkünstler stets von neuem an Romanadaptionen. Gerade süchtig sind sie nach Kafka, trotz aller Fehlschläge. Bereits Gide und Barrault taten sich schwer mit dem »Prozeß«, Brod und Noelte scheiterten trotz Bestkenntnis am »Schloß«. Richtige Theaterprofis wie Jan Grossmann und George Tabori hatten mit dem »Prozeß« (1968 in Prag) und »Hungerkünstler« (1977 in Bremen) größeres Glück. Überhaupt kein Glück hatten Isabelle Schad und Laurent Goldring nun im Kleinsttheater Uferstudio mit der Erzählung »Der Bau«, als sie diese zum Stück manipulieren wollten. Man wollte – wie im Programmheft steht – zeigen, daß »auch der Raum ein Organ« ist. Was soll das? Im Raum sollen körperliche Dimensionen skulptural und zugleich bewegt deutlich gemacht werden. Man wirft und wickelt sich ein paar lange Stoffstücke um, sogar rhythmisch, was auf ein paar Kunstfertigkeiten schließen läßt, bis die Darstellerin völlig verhüllt ist. Was bei Kafka auf einen irrsinnigen Scherz eines Persönlichkeitsaustauschs hinausläuft und ein Genuß beim Lesen ist, gerät hier zu einer hochgradig langweiligen Schau – man merkt die Mühe, die Anstrengung, das gänzlich witzlose Herangehen und ist verstimmt. Hans Wurst Nachfahren – Theater am Winterfeldtplatz heißt eine mir bislang unbekannte Truppe, die in jüngster Zeit Werke von Edgar Wallace »Die Tür mit den sieben Schlössern« und »Loriots Dramatische Werke« auf die Bretter knallte. Da mir Kriminalliteratur nichts bedeutet, zeig ich den Wallace hier nur an und teile mit, daß ich mich bei Loriot halbwegs amüsiert habe, ihn aber dennoch für keinen außergewöhnlichen Bühnenautor halte. Den sollte man lesen, auch seine Filme bringen gute Unterhaltung, aber die Bühne ist offen und nackt – viele seiner, meist feinen Witze verlaufen sich, Lärm vertragen sie nicht – der Raum ist zu groß. Unterhaltung – sie gehört zum Unverzichtbaren auf der Bühne. Aber wie? Sie gehört von den Spaniern und Shakespeare über Goethe, Brecht und Hacks zum Unverzichtbaren auf der Bühne. Klamauk, Blöde Witze, oft am Porno-Rand (wie eben im Dorftheater Buskow aufs peinlichste erlebt) eben nicht. Der Mann, der solche Peinlichkeiten vermeidet, heißt zwar Machwerk (Matthias), doch er macht Besseres: »Frauen denken (noch immer) anders – Männer nicht!« Im Titel liegen – selbstgestellte Fallen, in denen er sich fast nie verfing, und manches hatte Geist. Der weite Weg in das Kulturhaus Spandau lohnte sich. An echt irischen Humor – und der ist es wirklich! – erinnerte Anne Wylie – es war wie in Dublin. Erstklassig, tiefgründig, weise. An Günter Neumann können sich sicher noch viele erinnern, selbst wenn man fern von Berlin lebte, wie ich. Berliner Witz unterscheidet sich in der Grundsubstanz ziemlich vom Wiener, doch die Nachkriegsbedingungen schufen auch Ähnlichkeiten. Neumann, dessen 100. Geburtstages in diesem Jahr gedacht wurde, hat Gültiges darüber geschrieben und gespielt, und das unterhält noch heute – zwischen Bitternis und Lust. Im Kleinen Theater am Südwestkorso haben sechs Spieler unter James Edward Lyons einen »Schwarzen Jahrmarkt« eröffnet, den Neumann hineingestellt und versuchen, jene Zeit nachzuspielen. In der Nähe dieses Genres auch der ehemalige Thomaner Sebastian Krumbiegel als Prinz mit »Solo am Piano« (Anekdoten, Chansons und Stories aus seinem Leben, UFA-Fabrik). Am besten die Berichte über und die Lieder von anderen Größen dieses Genres, seine neusten prägten sich mir nicht ein. Amüsant war es dennoch! Obzwar mehr als sechs Millionen ZuschauerInnen das Musical »Tanz der Vampire« von Michael Kunze und Jim Steinman (nach Roman Polańskis Film von 1967) gesehen und Gefallen daran gefunden haben sollen – mir gefiel es ganz und gar nicht, auch nicht im Theater des Westens, mich hat es sowohl geschauert als gelangweilt: Ich habe genug andere Vampire in meinem Leben gesehen – etwa in SS-Uniformen oder anderen grausigen Gewändern – und wie sie gemordet haben. Ich mag es nicht verstehen, wie andere, meist harmlose Gemüter, sich an so etwas ergötzen können. Daß ausgerechnet schwierige Fragen des Theaters, etwa Theater und Moral, in einem »Theaterdiscounter« abgehandelt werden, spricht Bände, indes keine guten: Moral sollte keine Billigware sein. Die Ergebnisse einer – sagen wir – Gesprächsrunde in meinem Berichtszeitraum waren zumindest keine Hochwertware. Elf Theaterkollektive waren zu einem Diskurs über das Thema »Was gilt jenseits von Gut und Böse?« geladen und hielten elf Monologe, und das kann man negativ verstehen. Die Hamburger andcompany&Co. eröffnete mit »Out of the dark into the night (Copy and Taste) «. Eigentlich war es ein Monolog von Sascha Sulimma, der von Occupy herkommt. Es ging um fast alles heutiger Krisenexistenz – von den Schulden über Moral bis zur Idylle. Ähnliche Themen vor Ort nach und nach und sehr international: von Bangladesh bis Weimar und zu Breiviks Texten und zu deren geplanter Weimarer Aufführung, die indes abgesagt worden war. Ein Verlust war dies sicher nicht. Hoffentlich bleibt es nicht bei Billigläden und Billigwaren!

Der Wunderknabe Ralph Hartmann

Er ist ein Tausendsassa, ein Teufelskerl von umwerfender Kreativität. Obwohl fern der DDR geboren und gelebt, ist er zu einem der bekanntesten und profiliertesten Aufarbeiter des verblichenen Staates geworden. Aus einer Haftanstalt hat er eine vielbesuchte, gruselige Gedenkstätte gemacht, die er dank vieler Millionen aus der Staatsschatulle mit Seminar- und Veranstaltungsräumen, Kino, Café und einem Museumsladen verschönert hat. Es ist ihm gelungen, nach »Erinnerungsskizzen« Wasserfolterzellen, bei deren Anblick dem Besucher ein Schauder über den Rücken läuft, zu installieren. Ihm ist es zu verdanken, daß in die Gedenkstätte nachträglich eine kurze Schiene mit einem Eisenbahnwaggon zum Transport von Häftlingen eingebaut wurde, die dem Besucher suggeriert, daß es in der »zweiten deutschen Diktatur« zuging wie in der ersten, im Massenvernichtungslager in Auschwitz. Nein, alles, was recht ist, kreativ ist der Mann. Aber längst beschränkt sich Hubertus Knabe, der Leiter der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, nicht auf die Aufklärung seiner Landsleute. Zunehmend verdient er sich Meriten in hilfs- und aufklärungsbedürftigen Gefilden außerhalb der bundesdeutschen Landesgrenzen. Als der Bundestag im Frühjahr einen Bericht der Bundesregierung entgegennahm, in dem »die Leistungen der letzten Jahre im Bereich der Aufarbeitung der SED-Diktatur umfassend dokumentiert« sind, wurde voll Stolz unterstrichen, daß unser Vaterland damit zu einem Vorbild auch für andere Staaten geworden ist. Wörtlich: »Der Weg Deutschlands in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Erbe genießt Achtung in der Welt und ist vielfach Vorbild nicht nur in Ostmitteleuropa, sondern auch im Nordafrika des ›Arabischen Frühlings‹. Ägypten und Tunesien suchen bei der Auseinandersetzung mit ihrer jüngsten Geschichte die Expertise deutscher Aufarbeitungseinrichtungen.« Beispiel Tunesien: Dort unterrichtete Hubertus Knabe seine Partner in den vergangenen beiden Jahren wiederholt über die Aufarbeitung der SED-Diktatur und stellte ihnen das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die verschiedenen SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zur Verfügung, selbstverständlich in arabischer Übersetzung. Parallel dazu gestaltet seine Gedenkstätte eine aufwendige Wanderausstellung, die die tunesische Öffentlichkeit über »die Aufarbeitung von zwei Diktaturen in Deutschland – die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 und das darauffolgende kommunistische Regime in der DDR bis 1989« informieren soll. Im Mittelpunkt der Exposition steht die Frage, mit welchen Instrumenten die Aufarbeitung erfolgte, wobei das Schwergewicht auf die zweite Diktatur gelegt wird. Bei der Gestaltung der aufklärerischen Exposition arbeitet die Gedenkstätte eng mit der Berliner Firma »beier+wellach projekte« zusammen. Dabei nutzt sie vor allem ein »Handbuch Aufarbeitung«, das von Knabes Einrichtung herausgegeben wird und die Aufgaben und vor allem positive Beispiele der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland zusammenfassen soll. Autor des Nachschlagewerkes ist Sven Felix Kellerhoff, der für Zeitgeschichte verantwortliche Redakteur der Springerzeitung Die Welt. Das Werk soll im Herbst in deutscher, arabischer, französischer und englischer Sprache er scheinen. Selbstverständlich weiß Knabe, daß allein mit einer Ausstellung, die durch ganz Tunesien und möglichst auch durch andere arabische Länder wandern soll, und einem Handbuch die deutschen Aufarbeitungserfahrungen noch nicht zur Richtschnur werden. Es bedarf Menschen, die in der Lage sind, nach deutschem Vorbild eigene Ausstellungen zu gestalten und Aufarbeitungsbücher zu verfassen. Aus diesem Grund hat seine Gedenkstätte in Kooperation mit der Université de la Manouba fünf Master- und vier Promotionsstipendien für die Erforschung der Aufarbeitung der Vergangenheit in Tunesien ausgeschrieben. Für ein Stipendium konnten sich Studierende bewerben, die sich in Master- oder Doktorarbeiten vor allem mit der »Aufarbeitung von Diktatur und Demokratisierungsprozessen« befassen. Bisheriger Höhepunkt der Aufarbeitungshilfe, war eine im Dezember 2012 in Tunis stattgefundene internationale Konferenz zum Thema »Keine Zukunft ohne Erinnerung – Diktaturaufarbeitung in Deutschland und Tunesien«. Knabe referierte auf der Konferenz zum Thema: »Vom Gefängnis zum Lernort der Demokratie – die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.« Bemerkenswert ist, daß es über den Inhalt seiner Rede, zumindest im deutschsprachigen Raum, keinerlei Informationen gibt. Angesichts der gehaltenen, aber verschwiegenen Rede können wir nur annehmen, daß sie sich noch unter dem Niveau bewegte, mit dem der Gedenkstättenchef bereits Ende 2011 die Leser von Zeit online erfreute und den Sturz der Ben Ali-Diktatur mit der Großen Deutschen Friedlichen Freiheitsrevolution verglich. Der Vergleich ist zutreffend. Wer erinnert sich nicht sofort an die Greuel der menschenverachtenden SED-Diktatur, wenn er die Berichte über die Menschenrechtslage und den staatlichen Terror im Überwachungsstaat Tunesien vor der Jasmin-Revolution liest? Amnesty International klagte lange vergebens, daß in dem nord-afrikanischen Land jedes Jahr Tausende meist junger Menschen verschwunden seien. Viele Männer seien kurzerhand terroristischer Aktivitäten angeklagt worden, hätten keine Chance auf einen fairen Prozeß gehabt und seien hingerichtet worden, ohne mit ihren Familien oder Anwälten Kontakt aufnehmen zu können. In den Haftanstalten seien Folter und Isolationshaft an der Tagesordnung gewesen. Außerhalb der Gefängnisse, so Amnesty International, habe das Regime den technologischen Fortschritt genutzt, um einen Überwachungsstaat Orwell'schen Ausmaßes einzurichten. Kein Tunesier habe sich ohne einen elektronisch lesbaren Personalausweis bewegen dürfen, auf dem Beruf, Vorstrafen und Kompromittierendes aus dem Privatleben vermerkt war. Auch hier drängen sich Vergleiche mit dem Vorgehen der Stasi förmlich auf. Gleiches gilt auch für das kriminelle Handeln des tunesischen Führungspersonals. Illegale Bereicherung. Korruption und Amtsmißbrauch waren in Tunis an der Tagesordnung. Und Knabe weiß, daß es im ostdeutschen Unrechtsstaat im Prinzip nicht anders war. Dabei ist er sich, wie er gegenüber Zeit online erklärte, durchaus bewußt, daß seine tunesischen Partner »verglichen mit der DDR ... vieles sehr gut gemacht (haben): etwa sofort die Partei von Ben Ali verboten und die Parteizentrale zugemacht. Deren Unterlagen konnten damit – anders als bei der SED/PDS – nicht vernichtet werden.« Bedauerlicherweise verzichtete er darauf, dem Leser mitzuteilen, welche geheimnisvollen Unterlagen die SED/PDS vernichtet hat. Offenkundig war es in den Augen Knabes ein schwerer Fehler, die schuldbeladene ostdeutsche Partei nicht sofort zu verbieten, den etablierten Parteien der Bundesrepublik wäre in den letzten zwei Jahrzehnten so mancher Ärger erspart geblieben. Aber Tunesienexperte Knabe zeigt auch Verständnis für die Schwierigkeiten seiner Partner und Freunde: »Tunesien hat es schwerer als damals die DDR. Man müßte eigentlich den ganzen Staatsapparat austauschen. Das Land hat aber das Pech, daß es kein West-Tunesien gibt.« Ja, so ist es, die schwer geprüften Bürger des ostdeutschen Schreckensstaates hatten glücklicherweise die BRD. Sie brachte ihnen viel Angenehmes, darunter die kapitalistische Marktwirtschaft, die Treuhand, den »Aufschwung Ost«, Berater, Landesregierungschefs, Minister, leitende Beamte, Banker, Spekulanten, Spezialisten für alle gesellschaftlichen Bereiche und unter ihnen auch den Stasi-Experten aus Unna, der die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen so erfolgreich leitet und nun eben auch den Islamisten in Tunesien beeindruckende Unterstützung gewährt. Tatsächlich, ein wahrer Wunderknabe.

Gewissen ist keine Krankheit Jürgen Rose

Zwölf Jahre fast sind vergangen seit der Völkerrechtsverbrecher George W. Bush auf den Trümmern des World Trade Center’s in New York seinen aberwitzigen »War on Terror« ausgerufen hat. Freilich gründete letzterer nicht nur in der Vorspiegelung falscher Tatsachen, sondern war eine Lüge, hat er sich doch längst als »War of Terror« entpuppt. Was sich realiter abspielt, ist kein Krieg gegen den Terror, sondern ein weltweit mit staatsterroristischen Methoden und Mitteln in Szene gesetzter Krieg, der sich mittlerweile als erstklassiges Terroristenzuchtprogramm erweist. Sinnigerweise firmiert dieser Terrorkrieg unter der Propagandabezeichnung »Operation Enduring Freedom« (OEF), zu Deutsch: »Unternehmen dauerhafte Freiheit«. Längst liegt die Zahl derer, die den Mordtruppen des US-Militärs sowie den Todesschwadronen der CIA zum Opfer gefallen sind, um Potenzen über derjenigen von 9/11. Die Maxime, die das Imperium der Barbarei dem von ihm inszenierten globalen Terrorkrieg zugrunde legt, lautet: Die USA maßen sich das Recht an, jederzeit unter Mißachtung jedweder nationalen Souveränität an jedem beliebigen Ort des Planeten jeden beliebigen Menschen auf den bloßen Verdacht terroristischer Aktivitäten hin entweder umstandslos zu liquidieren oder ihn zu kidnappen, um ihn in quer über die Welt verstreute geheime Folterkeller zu verschleppen und schlußendlich in Konzentrationslagern ohne Anklage und Prozeß auf unbestimmte Zeit zu internieren. Schlichtweg außer Kraft gesetzt wird hierbei das Prinzip des »Habeas Corpus«, eines jahrhundertealten Grundpfeilers der Menschenrechte, nämlich der Schutz vor willkürlicher Verhaftung durch den jeweiligen Machthaber im Staat. Faktisch ist die »einzig verbliebene Supermacht« zum faschistoiden Schurkenstaat mutiert. Und ein Ende des durch diesen im Rahmen der OEF etablierten »Systems Guantánamo« ist nicht abzusehen – George Orwell läßt grüßen. Ungeachtet des abgrundtiefen Skandals, den jene Suspendierung nicht nur des internationalen Rechts, sondern auch fundamentaler Menschen- und Bürgerrechte darstellt, beteiligen sich seit 9/11 sämtliche Bundesregierungen willfährig an den vom Imperium Americanum verübten völkerrechtlichen Verbrechen und ignorieren dabei das Friedensgebot des Grundgesetzes gleichermaßen wie die darin normierte unmittelbare Bindung an das Völkerrecht. Geheimdienste und Armee stehen als beflissene Werkzeuge bei Fuß. Als nibelungentreue NATO-Vasallen stellen die Generäle der Bundeswehr – »brainwashed by US« – sicher, daß die Truppe ohne Murren in die Globalisierungskriege zieht und weiterhin der von einem vormaligen Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung dereinst beschworenen »Angst vor der Massenverweigerung« die Grundlage entzogen bleibt. Ab und an besinnt sich aber doch der eine oder andere Fleckgetarnte seiner Pflichten als »Staatsbürger in Uniform« und entdeckt dabei sein Gewissen. So geschehen auch im Fall des Oberleutnants der Bundesluftwaffe Philip Klever. Der studierte Elektroingenieur ist ein hochqualifizierter Spezialist für die sogenannte »Elektronische Kampfführung«. Seit 2009 versah er seinen Dienst zunächst beim Elektronischen-Kampfführungs-Bataillon (EloKaBtl) 922 in Donauwörth, danach beim Zentrum Elektronischer Kampf Fliegende Waffensysteme (Zentr EK FlgWaSys – ZEK) in Kleinaitingen, einer kleinen Gemeinde im schwäbischen Landkreis Augsburg. Dort ist Oberleutnant Klever laut seinen Angaben mit der »Parametrisierung der Komponenten für die Systeme zur Elektronischen Kampfführung des Waffensystems Eurofighter« beschäftigt. Jene hochdiffizilen, ausgeklügelten ECM/ECCM-Systeme (Electronic Counter Measures/Electronic Counter Counter Measures) dienen dem Selbstschutz des Jagdflugzeuges vor der Erfassung und Bekämpfung durch gegnerische Radarsysteme und Lenkwaffen; die konkreten Details von Klevers Tätigkeit unterliegen strikter militärischer Geheimhaltung. Am 12. Dezember letzten Jahres erhielt der Luftwaffenoffizier den Befehl, im Zeitraum 3. Juli bis 7. November 2013 im regionalen NATO-Gefechtsstand für Luftkriegsoperationen im afghanischen Mazar-e-Sharif den Dienstposten des RAOCC-N ELECTRONIC WARFARE AIR PLANS OFFICER zu übernehmen. Darüber, was er als Planungsoffizier für die elektronische Luftkriegsführung dort genau tun sollte, mußte er sich mangels einer offiziellen Dienstpostenbeschreibung bei seinen Kameraden informieren, die am selben Ort bereits im Einsatz gewesen waren. Von diesen erfuhr er, daß seine Aufgabe in erster Linie darin bestünde, die Einsatzplanung für Spezialflugzeuge der elektronischen Kampfführung, sogenannter »Stand Off Jammer«, mit dem ISAF-Kommando in Kabul zu koordinieren. Letzteres priorisiert im weiteren Operationsverfahren sämtliche Anforderungen für derartige Luftkriegseinsätze in Afghanistan und leitet diese an das CAOC (Combined Air Operations Centre) auf der Al Udeid Air Base in Katar weiter, wo die US Air Force ECM-Flugzeuge der Typen EA-6B Prowler und Lockheed EC-130H Compass Call stationiert hat. Im Einsatz über Afghanistan besteht der Auftrag der Störflugzeuge darin, elektromagnetische Energie abzustrahlen, um damit Kommunikationsverbindungen und -netze am Boden zu stören und lahmzulegen, damit in der Folge die den ausländischen Besatzungstruppen der ISAF zur Verfügung stehenden Bomber und Jagdbomber möglichst effektiv ihre Luftangriffe gegen die solchermaßen »stummgeschalteten« afghanischen Guerillakämpfer fliegen können. Von entscheidender Bedeutung in diesem Kontext ist der Umstand, daß diese »Air Strikes« nicht allein auf der Grundlage und innerhalb der Grenzen des vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erteilten Mandats für die ISAF stattfinden, sondern auch im Rahmen des sogenannten »Krieges gegen den Terror«, vulgo OEF. Letzteres wurde Oberleutnant Klever im persönlichen Gespräch durch mehrere Kameraden, die in Afghanistan eingesetzt waren, bestätigt, zum Beispiel durch einen anderen Oberleutnant, der in einem exemplarischen Fall die Unterstützung einer Operation des SAS (Special Air Service), einer Kommandotruppe der britischen Streitkräfte, die an der Grenze zu Tadschikistan und auch teilweise auf dessen Territorium stattfinden sollte, zu veranlassen hatte. Auf Klevers Frage hin, ob diese Mission sich denn innerhalb des ISAF-Mandats bewegt hatte, erhielt er ein klares Nein zur Antwort, während ein bei diesem Gespräch zugegener Leutnant ergänzte: »Dies geschah wahrscheinlich unter gar keinem Mandat.« Aufgrund derartiger Erfahrungsberichte zog Oberleutnant Klever »eindeutig den Schluß, daß [er sich] auf diesem Posten als Mittäter an unrechtmäßigen Kampfhandlungen beteiligen würde«. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, daß er nach weiteren Gesprächen mit Eltern, Freunden, einem Pfarrer und der Lektüre einschlägiger Literatur schlußendlich auf Grundlage einer sorgfältigen Lagebeurteilung zu der Entscheidung gelangte, die Ausführung des ihm befohlenen Auftrages abzulehnen, weil er sich durch ihn in eine unzumutbare Gewissensnot gebracht sah. Anfang Februar 2013 erörterte Klever mit seinem Disziplinarvorgesetzten zunächst mündlich seine Gewissensentscheidung, bevor er sie anschließend in schriftlicher Form hinreichend begründet und nachvollziehbar darlegte – ganz korrekt so, wie es das Bundesverwaltungsgericht 2005 in seinem einschlägigen Urteil zur Gewissensfreiheit von Soldaten gefordert hatte (Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04). Wörtlich gab der Luftwaffenoffizier zu Protokoll: »Ich bin ... zu der Überzeugung gekommen, daß mein Aufgabengebiet im Bereich der mandatierten Mission ISAF zu einem bestimmten Teil in den Bereich der nicht mandatierten Mission Operation Enduring Freedom (OEF) fällt. Somit ist es mir nicht möglich, die Erledigung meiner Aufgaben vor Ort mit meinem Gewissen zu vereinbaren. Dort würde ich mich – so wie ich es in Gesprächen mit Kameraden erfahren habe – an strafbaren Handlungen beteiligen. Ich erkläre hiermit, daß ich keinen Beitrag zu einer nicht mandatierten und völkerrechtlich bedenklichen Mission wie OEF leisten werde. Ebenso werde ich an keinen Ausbildungsvorhaben teilnehmen, welche ausschließlich im klaren Zusammenhang mit der Vorbereitung auf diesen Auslandseinsatz stehen ... Aus diesen Gründen verweigere ich die Beteiligung an ISAF sowie allen Einsätzen, die nicht unmittelbar der Verteidigung dienen, und bitte darum, mich von sämtlichen Aufgaben, die in der Verbindung mit ISAF und somit auch möglicherweise mit OEF stehen, zu entbinden.« Die Reaktion der vorgesetzten Bundeswehrinstanzen war symptomatisch für einen eiskalten Militärapparat, der sich schon in der Vergangenheit bei gleichgelagerten Fällen voll und ganz als jenes »stahlharte Gehäuse der Hörigkeit« erwiesen hatte, als welches der deutsche Soziologe Max Weber die bürokratische Organisation dereinst bezeichnet hatte. Wenige Tage nachdem Klever seine Verweigerung schriftlich bei seinem Disziplinarvorgesetzten abgegeben hatte, wurde er während einer medizinischen Tauglichkeitsuntersuchung zu seiner Auslandsverwendungsfähigkeit in die Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses Ulms überwiesen. Die Begründung hierfür lautete, daß man »eine fundierte zweite Meinung brauche«. Eine Woche später stand das Ergebnis der psychiatrischen Examination in der FU6 fest: »Soldat gesund, da er ein Gewissen hat. Ein Gewissen ist keine Krankheit.« Ausgesprochen positiv ist zu dieser Diagnose zu vermerken, daß wenigstens beim Sanitätsdienst der Bundeswehr die Tassen unverkennbar noch alle wohlgeordnet im Schrank stehen. Knapp zwei Monate später wurde Klever dann eröffnet, daß er endgültig aus der in Afghanistan geplanten Einsatzverwendung ausgeplant wäre – was gleichbedeutend mit der offiziellen Anerkennung seiner Verweigerung war. So weit, so gut. Doch nun begannen die dienstlichen Schikanen gegen den Gehorsamsverweigerer aus Gewissensgründen. Zuallererst wurde dem Offizier mitgeteilt, daß er umgehend aus seiner bisherigen Tätigkeit herausgelöst und seine Versetzung auf einen anderen Dienstposten bei einer anderen Dienststelle an einem anderen Dienstort beantragt würde – nichts anderes als eine »Strafversetzung«, wie sie üblicherweise in solchen Fällen dienstlicher Unbotmäßigkeit und Aufbegehrens gegen den Kadavergehorsam die Folge ist. Zugleich wurde der renitente Offizier unverzüglich von seinen Kameraden isoliert, indem ihm befohlen wurde, aus dem gemeinschaftlichen Großraumbüro in ein gefängniszellenartiges Einzelbüro, das zuvor als Lagerraum gedient hatte, umzuziehen »damit er sich konzentrieren könne und nicht von den anderen von der Arbeit abgehalten würde«. Darin befand sich ein Telefon, welches per Rufumleitung so eingestellt war, daß er keine Anrufe empfangen konnte. Parallel dazu wurden Klevers PC-Rechte eingeschränkt und ihm als Ersatz für seinen bisher genutzten Computer ein weder internet- noch intranetfähiger Laptop mit der Aufschrift »HUMBUG« übergeben. Mit den Worten: »Beschreiben Sie wie die Dampfmaschine funktioniert«, erteilte sein Vorgesetzter ihm den Auftrag, ein Konzept zu erarbeiten, welches den Dienstablauf in der Einheit darstellt – nichts weiter als sinnfreie Beschäftigungstherapie. Am 30. Mai berichtete dann das ARD-Politmagazin »Panorama« über den Fall des Terrorkriegsverweigerers Philip Klever. Kaum verwunderlich, daß die Schikanen danach intensiviert wurden. So untersagte ihm sein Disziplinarvorgesetzter, sein altes Büro zu betreten und mit seinen Kameraden zu sprechen; die offizielle Begründung hierfür: »Man müsse präventiv verhindern, daß er mit seiner Meinung andere Kameraden beeinflussen könne.« Reziprok wurden Klevers Kameraden dazu vergattert, den Kontakt zu ihm auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch ließ ihn einer wissen, daß der ursprünglich für Klever vorgesehene Dienstposten in Afghanistan mittlerweile ersatzlos gestrichen worden war – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Daß er diese Information im Verlaufe eines Interviews an den Redakteur des Internet-Mediums Neue Rheinische Zeitung weitergegeben hatte, bildete kurz darauf den Anlaß für die Einleitung disziplinarer Ermittlungen gegen den Offizier wegen »Verstoßes gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit«. Zudem warf man ihm vor, dem Fotografierverbot in der Kaserne zuwidergehandelt zu haben, weil er für »Panorama« ein Foto von seinem »HUMBUG«-Laptop angefertigt hatte – was tatsächlich allerdings außerhalb der Kaserne erfolgt war. Wenig später wurde dem Geheimnisträger Klever seine Sicherheitsermächtigung entzogen – offenbar, weil ein Offizier mit Gewissen in den Augen der Bundeswehr ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellt. Da er nun die der militärischen Geheimhaltung unterliegenden Arbeitsbereiche nicht mehr betreten darf, verrichtet Philip Klever seinen militärischen Dienst bis auf weiteres im »Mutter-Kind-Arbeitszimmer« der Kaserne. Gespannt wartet Offizier Klever dort – »gewissensschonend« eingesetzt – auf weitere kreative Einfälle seitens vorgesetzter Autoritäten. Der Autor Jürgen Rose hat sich als Oberstleutnant der Bundeswehr im Frühjahr 2007 selbst mit einer analogen Begründung erfolgreich geweigert, den Einsatz von Tornado-Waffensystemen der Bundesluftwaffe in Afghanistan logistisch zu unterstützen. Der Artikel »Gewissen ist keine Krankheit« wird im kommenden Ossietzky-Heft fortgesetzt.

Brief aus Havanna (9) Volker Hermsdorf

Mitte Juli sitze ich wieder im Flugzeug nach Havanna und schäme mich meiner Naivität. Als ich vor einigen Wochen in der kubanischen Hauptstadt die Reise nach Deutschland plante, hatte ich die anstrengende Route über Moskau in Erwägung gezogen, in der Hoffnung dadurch die Übermittlung meiner Fluggastdaten an die Behörden der USA verhindern zu können. Zwar war ich auch zu diesem Zeitpunkt schon davon überzeugt, daß CIA, NSA und die restlichen Schnüffeldienste ohnehin mehr von mir wissen als meine besten Freunde, doch damals dachte ich noch, ihre Art der Beschaffung dieser Informationen sei zumindest »illegal«, und außerdem ging es mir ums Prinzip. Ich wollte nicht hinnehmen, daß eine konservativ-sozialdemokratische Politikerallianz im EU-Parlament nicht einmal den Versuch unternimmt, die Daten der Bürger zu schützen. Auf Verlangen der USA müssen europäische Fluggesellschaften die Reisedaten ihrer Passagiere bei Ein- und Ausreise, Zwischenlandung und Überflug an die US-Behörden übermitteln und zwar »anlaßlos und verdachtsunabhängig«. Mein Flug nach Havanna wird den USA also gemeldet. Nicht von schmierigen Spitzeln, die mich heimlich überwachen, sondern offiziell und mit dem Segen der Politiker, die einen Eid darauf geschworen haben, genau so etwas zu verhindern. – Hatte ich tatsächlich geglaubt der weltweiten Überwachung zu entgehen, wenn ich über Moskau fliege? Wie naiv. Zum einen, weil Rußland für sich mittlerweile das gleiche Recht beansprucht wie die USA und seit Anfang Juni ebenfalls die Übermittlung von Fluggastdaten verlangt. Zum anderen, weil wir dank Edward Snowden endlich Gewißheit über etwas erlangt haben, was wir schon immer vermutet hatten: die flächendeckende Erfassung, Auswertung und Speicherung unserer Telefongespräche, E-Mails und jedweder sonstiger Fernkommunikation. Unter der Kontrolle der US-Dienste sind multinationale Konzerne daran als Helfer ebenso beteiligt wie die Staatssicherheit der BRD. – Hatte ich wirklich auch nur einen Moment gehofft, daß sich irgendjemand in Medien und Politik darüber ernsthaft empört? Wie naiv. Doch all dies, so beruhigen mich die Experten in den unvermeidlichen Talkshows, dient dem Schutz der Demokratie und der Verteidigung meiner Freiheit und der mir verfassungsmäßig garantierten Rechte. Deutschland ist schließlich nicht Rußland oder gar Kuba, sondern hat eine freiheitlich demokratische Grundordnung und ein Grundgesetz. Darin steht, daß Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis »unverletztlich« sind (Art. 10), daß Handlungen, die geeignet sind, das »friedliche Zusammenleben der Völker zu stören«, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind (Art. 26) und sogar daß ein »Recht zum Widerstand« besteht, »wenn andere Abhilfe nicht möglich ist« (Art. 20). Wie gut, denke ich beim Flug über den Atlantik, daß die Politiker zu Hause unermüdlich für die Verteidigung dieser Freiheitsrechte kämpfen und daß sie Hohn, Spott und Schmähungen auf sich nehmen, um diesen Kampf gegen das Böse gemeinsam mit unseren US-amerikanischen Freunden zu führen. Die Gefahren für Freiheit und Wohlstand lauern schließlich überall. Zum Beispiel auf Kuba. In den unabhängigen, der Freiheit und Wahrheit verpflichteten Medien, mit denen Konzerne die Menschen in Europa über das informieren, was sie wissen sollten, wird enthüllt, wie es dort zugeht. Als Quellen dienen Informanten, die ihr Leben völlig selbstlos dem Widerstand gegen einen Staat gewidmet haben, der seine Bürger – wie sie sagen – schamlos ausspioniert. Einer davon heißt Guillermo Fariñas, der mit bisher 23 Hungerstreiks würdig für das Guiness-Buch der Rekorde ist. Zum gleichen Zeitpunkt als der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich sich Anfang Juli in Washington über die demokratiefördernde Arbeit von CIA und NSA informieren ließ, klärte der kubanische »Dissident« Fariñas die Mitglieder des Europäischen Parlaments über das »repressive Spitzelregime der Castros« auf und bekam in Straßburg dafür den Sacharow-Preis und 50.000 Euro. Während Rechtskonservative und Sozialdemokraten dem Mann frenetisch applaudierten, der wenige Wochen zuvor noch in Miami andächtig am Grabe des exilkubanischen Terroristen Jorge Mas Canosa gekniet hatte, verließen linke Europapolitiker den Plenarsaal. Die deutsche Vorsitzende der linken Fraktion GUE/NGL, Gabriele Zimmer, blieb mit den Rechten sitzen, um den bekennenden Antikommunisten Fariñas zu ehren. Der Vorfall sagt einiges über die Prioritäten europäischer Politiker und Medien aus. Kurz vor Fariñas durfte eine andere kubanische Systemgegnerin, Berta Soler von den »Damas de Blanco«, ebenfalls den Sacharow-Preis samt den zugehörigen 50.000 Euro aus Europa mit nach Hause nehmen. Und auch die Bloggerin Yoani Sánchez, die mittlerweile wieder die Aussicht vom Balkon ihrer Eigentumswohnung am Platz der Revolution, einer der begehrten Wohnlagen Havannas, genießt, wurde in Europa mit Auszeichnungen und Geldprämien überhäuft. Die Europäer lassen sich den Kampf für Freiheit und Demokratie etwas kosten. Zwischen den Wolken sind mittlerweile der südliche Zipfel Floridas und die Keys zu erkennen. Das Flugzeug nähert sich Havanna von Norden. Irgendwo Backbord, gut 800 Kilometer von hier entfernt, liegt die Guantánamo-Bucht mit dem von den USA noch immer besetzten Militärstützpunkt und dem berüchtigten Folterlager Camp Delta. 166 Menschen werden dort seit Jahren ohne Prozeß gefangen gehalten, isoliert, gedemütigt und gefoltert. Der größte Teil von ihnen zieht es vor, eher zu sterben, als so zu vegetieren, und protestiert seit Wochen mit einem Hungerstreik. Keiner von ihnen hat je einen Menschenrechtspreis erhalten. Die dort Gequälten erfahren eine weitere Demütigung: Ihr Schicksal und sie selbst sollen vergessen werden. In Westdeutschland ist diese Methode nach den Greueltaten der Faschisten mit großem Erfolg erprobt worden. Wenn das Leugnen der Verbrechen nicht möglich ist, hilft Verdrängen und Vergessen. Der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano hat dafür den Begriff der »zweiten Schuld« geprägt. Obwohl es spät am Abend ist, als die Maschine auf der Landebahn des Internationalen Flughafens José Martí aufsetzt, steigt die Tropenhitze noch immer flimmernd von den Betonplatten auf. Aus der angenehmen Sommertemperatur in Hamburg kommend bin ich wieder in der anderen Welt, in der mich glutheiße Sonne am Tag und schwüle Hitze in der Nacht, Mücken und Sandflöhe, tropische Regengüsse und Hurrikans, aber auch spannende Lektüre, interessante Begegnungen und intelligente Gespräche und vor allem der beste Café der Welt erwarten. Nach den kafkaesken Gefühlen, die die erbärmlichen Reaktionen der europäischen Regierungen auf die US-Spionageangriffe in mir ausgelöst hatten, freue ich mich auf die Menschen und das politische Klima hier in Havanna. »Al pan, pan y al vino, vino« lautet ein Motto der spanischsprachigen Welt, auf das die Habaneros besonderen Wert legen. Sinngemäß bedeutet es: »Die Dinge beim Namen nennen.«

Verbringt Merkel Otto Köhler

»Deutschland ist kein Überwachungsstaat. Deutschland ist ein Land der Freiheit«, erläuterte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Bundespressekonferenz und verschwand zum Urlaubsbeginn nach Bayreuth, wo sie in der Königsloge auch die »intime Unterwäsche« (Bild) des »Ring der Nibelungen« genießen durfte. Bundeskanzlerin Merkel war als Angela Kasner schon elf Jahre alt und in Templin Mitglied der Pionierorganisation Ernst Thälmann, da schrieb ich im Mai 1966 in der Satire-Zeitschrift Pardon über die »Posträuber in Western Germany« – damals hatten englische Posträuber eine Riesenbeute gemacht, und sie waren es, die zu dieser Zeit noch unbarmherzig über den ganzen Erdball verfolgt wurden. Die westdeutschen Ganoven waren ganz anderer Art. Wir von der Pardon-Redaktion hatten ein Austauschabkommen mit den Ostberliner Zeitschriften Weltbühne, Eulenspiegel, Neue Deutsche Literatur und Dokumentation der Zeit. Pardon kam regelmäßig in deren Redaktionen an, wir aber erhielten die vier Zeitschriften ebenso regelmäßig nicht. Warum, das wußten wir nicht, bis sich ein Augenzeuge meldete. »Am 20. Dezember« – so schrieb ich im Mai 1966 – »beobachtete der Pardon-Leser Bernd Michels, der als Büromaschinenmechaniker ständig den überforderten mechanischen Brieföffner reparieren mußte, daß in dem stacheldrahtgeschützten Schlupfwinkel im Hannoveraner Bundespostamt 3 ein Brief des Ostberliner Ossietzky-Verlags an die Pardon-Redaktion einbehalten wurde: Im Ossietzky-Verlag erscheint die Weltbühne, die regelmäßig an uns in verschlossenen Briefumschlägen abgeschickt wird. Wir haben die vor dem 20. Dezember abgeschickte Weltbühne – wie viele andere davor und danach – nie erhalten.« Darauf schrieben wir von Pardon – ein halbes Jahr bevor Kurt Georg Kiesinger (NSDAP/CDU) auch von der SPD zum Kanzler gewählt wurde, dem damaligen Bundesinnenminister Paul Lücke (CDU): »Die Aussage unseres Zeugen bestärkt unseren schon seit langem gehegten Verdacht, daß die Austauschexemplare der Ostberliner Zeitschriften, die unser rechtmäßiges Eigentum sind, von bundesdeutschen Amtsstellen beschlagnahmt werden, ohne daß wir auch nur eine Mitteilung erhalten.« Eine Antwort gab es nicht. Und so schrieb ich 1966: »Wir haben vorsätzlich den Eulenspiegel, die Weltbühne, die Neue Deutsche Literatur und die Dokumentation der Zeit bestellt. Alles DDR-Schriften, die – wie ihre Beschlagnahme beweist – staatsgefährdend sind. Obwohl wir somit genau wissen, wie unerlaubt und gefährlich diese Zeitschriften sind, halten wir unser Austauschabkommen nach wie vor aufrecht und wünschen weiter in den Besitz dieser staatsgefährdenden Zeitschriften zu kommen.« Staatsgefährdend war auch – wie ich damals feststellen mußte allein durch den Druckort – Lyrik wie dieses Gedicht mit dem Titel »schwarz-weiß«: die schwarzen fahnen/ einziehen/ weisse Gedichte/ hissen. Der damals 23jährige Lyriker Peter Uttendorf aus dem eindeutig westdeutschen Paderborn hatte dieses Gedicht in der Ostberliner Neuen Deutschen Literatur veröffentlicht. Das an seine Adresse abgeschickte Belegexemplar bekam er nie. Stattdessen eine Vorladung. Er wurde von der Staatsanwaltschaft vernommen und dabei befragt, warum er seine Gedichte »drüben« veröffentliche und ob er nicht wisse, daß dies propagandistisch ausgenützt werde. Nicht einmal eines solchen Versuches von rechtsstaatlichem Vorgehen beim Postraub wurden wir von Pardon gewürdigt. Unsere rechtmäßig erworbenen Austauschexemplare mit den Ostberliner Zeitschriften verschwanden hinter dem Stacheldrahtverhau im Bundespostamt 3 von Hannover und wurden vernichtet. Informiert aber oder gar vorgeladen wurden wir nie. Und so fuhr ich vor 47 Jahren fort: »Unser Vorsatz ist eingestanden, die Staatsgefährlichkeit ist durch die Beschlagnahme bewiesen. Der nächste Schritt muß – wenn es rechtsstaatlich zugeht – sein: die Anklage gegen Pardon und eine gerechte, aber harte Strafe.« Eine Anklage ist nie erfolgt. Doch unsere Post aus Ostberlin wurde weiter gestohlen und vernichtet. »Überwachtes Deutschland« heißt das Buch von Josef Foschepoth, das Ende letzten Jahres erschien (s. Ossietzky 24/12), noch bevor der NSA-Überwachungsskandal publik wurde. Durch einen zufälligen Archivfund war der Freiburger Historiker des Überwachungsfurors gewahr geworden, der Westdeutschland beherrschte, er schreibt: »Seit Gründung der Bundesrepublik wurden jährlich Millionen von Postsendungen kontrolliert, geöffnet, beschlagnahmt, vernichtet oder in den Postverkehr zurückgegeben. Ebenso wurden Millionen von Telefongesprächen abgehört, Fernschreiben und Telegramme abgeschrieben und von den Besatzungsmächten und späteren Alliierten, aber auch von Westdeutschen selbst zu nachrichtendienstlichen beziehungsweise strafrechtlichen Zwecken ausgewertet und genutzt ... Diese Überwachungspraxis widersprach klar und eindeutig den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen.« Erst zwei Jahre nach meinem Pardon-Artikel wurde der Postraub in Western Germany verfassungsrechtlich zurechtgebogen durch die Grundgesetz-Änderung und das G-10 Gesetz von 1968, das, wie Foschepoth feststellt, dies vorschreibt: »massive Einschränkung des Post- und Telefongeheimnisses, individuelle und allgemeine Überwachung, keine Kontrolle durch das Parlament, kein Rechtsweg für Betroffene, Überwachung für und im Interesse der Alliierten«. Zuvor umging man das Grundgesetz von 1948 ganz einfach zollrechtlich mit dem GÜV von 1961, dem Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote, der Überprüfung aller Postsendungen aus der SBZ auf Verstoß gegen Staatsschutzgesetze, mit dem uns unsere Belegexemplare aus Ostberlin geraubt wurden. Doch leider gab es nie ein Verbringungsverbot für die DDR-Bürgerin und FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda Angela Merkel in das Bundeskanzleramt. Dort hockt sie heute. Lügt uns die Hucke voll. Weiß von nichts. Tut nichts. Und hat alle ihre Bürger an den totalen und weltweiten NSA-Überwachungsstaat ausgeliefert.

Die Hölle – das war das Kloster Hartwig Hohnsbein

Das Kloster Loccum, 50 Kilometer nordwestlich von Hannover in der Nähe des Steinhuder Meeres gelegen, hat eine lange Geschichte. Vor 850 Jahren, 1163, im gleichen Jahr wie Notre-Dame de Paris, wurde es von Zisterziensermönchen gegründet. In Loccum ist man stolz auf die Geschichte des Klosters, das jahrhundertelang ein »Kaiserlich Freies Reichsstift« gewesen war und dadurch das wohl kleinste lutherische »Geistliche Fürstentum« Deutschlands. Es besaß die »Halsgerichtsbarkeit«, wodurch im Namen des Abtes und des Konventes die Todesstrafe verhängt und durchgeführt werden konnte. Der gegenwärtige Abt, Horst Hirschler, sieht die Geschichte des Klosters als eine »Wegstrecke voller Wunder«. Im Jubiläumsjahr wird das Wunder mit über 100 Musik- und Literaturveranstaltungen, Tagungen und Fernsehübertragungen aufwendig gefeiert. Großzügige Förderer hat das Kloster dafür gefunden: Die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die Volkswagen AG, den Deutschlandfunk und den NDR und viele andere Geldgeber. Der neue Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), hat schon mitgefeiert ebenso wie Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU), Günter Grass hat aus seinen Erinnerungen gelesen, und der Bundespräsident kommt vielleicht auch noch. Alles lief so schön an, wenn da nicht ein dunkler Punkt in der Geschichte des Klosters und der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, die jetzt zuständig ist für Loccum, ausführlich zur Sprache gekommen wäre: Das Stift Loccum war neben Wolfenbüttel und Osnabrück ein Zentrum der Hexenprozesse in Niedersachsen. Hier wurden mindestens 54 Verfahren wegen »Hexerei« durchgeführt und 33 unschuldige Menschen verbrannt. »Diese Prozesse haben mit Ausnahme der Judenverfolgungen die größte nichtkriegsbedingte Massentötung von Menschen durch Menschen in Europa bewirkt« (Gerhard Schormann: »Hexen« in: »Theologische Realenzyklopädie«, 1986). In Deutschland sind zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert nach gegenwärtiger Schätzung circa 50.000 Menschen, unschuldige Menschen, zu 80 Prozent Frauen, und zwar zumeist aus den unteren Gesellschaftsschichten, als »Hexen« verbrannt worden. Eine große Anzahl starb unter der Folter oder in »Wasserproben«, die in den Prozessen angewandt wurden, etliche wurden außer Landes getrieben oder flohen bei drohender Anzeige. Zusammen mit ihren Angehörigen und den Mitbewohnern ihrer Wohnorte dürften einige Hunderttausend, wenn nicht gar einige Millionen Menschen in jener Zeit unter ständiger »Hexenfurcht« gelebt haben. »Wie ein drückender Alp lag das Gespenst der Hexenfurcht auf dem Volk. Überall hatten geistliche und weltliche Gerichte ihre Späher«, heißt es in Meyers Großem Konversations-Lexikon (Bd. 9, 1906) – flächendeckende Bespitzelung. Die Wurzeln dieses großen Menschheitsverbrechens liegen in der biblischen Satanslehre und in der »Dämonologie« des Kirchenlehrers Augustinus, wonach der Teufel, der Herrscher des »Reiches des Bösen«, der Gegenspieler Gottes, bekämpft und samt seinen von ihm Besessenen, den »Hexen«, ausgerottet werden müsse. In dem berüchtigten »Hexenhammer«, 1487 mit päpstlichem Segen herausgekommen, wird dieses »Hexenwesen« beschrieben und das Hexenprozeßrecht einschließlich der Anwendung der Folter für die nächsten 250 Jahre festgelegt und sowohl in den katholischen wie in den meisten lutherischen Gebieten befolgt. Der Augustinermönch Martin Luther ist der Dämonenlehre zeitlebens treu verbunden geblieben. »Die Zauberer oder Hexen, das sind die bösen Teufelshuren, die Milch stehlen, Wetter machen, auf Böcken und Besen reiten, auf Mänteln fahren, die Leute schießen (Hexenschuß) ... Sie können den Dingen eine andere Gestalt geben, so daß eine Kuh als Ochse erscheint ...«, so belehrt er das Volk in eine Kirchenpostille 1522 (zit. nach Hans-Jürgen Wolf: »Sünden der Kirche«, 1995). Mindestens 25 weitere Predigten und Erklärungen ähnlicher Art sind von Luther überliefert. Grundlage für die Praxis sollte das Wort aus der »Rechtsordnung Gottes« im 2. Mose 22 Vers 17 sein: »Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen.« Die Aussagen von »Vater Luther« wurden für seine theologischen Nachfolger wegweisend. Wer Predigtsammlungen lutherischer Pastoren aus dem 16./17. Jahrhundert liest, gewinnt den Eindruck, es wurde über nichts anderes gepredigt als über den Weltuntergang und die schrecklichen Strafen der »Übeltäter« dabei oder über die »Hexen« und wie man sie auffinden und ausrotten kann, wenn auf dem Predigtplan nicht gerade eine Predigt gegen Juden, Behinderte, Papisten, Wiedertäufer, »Aufrührer« stand, alles Menschengruppen, die auch Luther höchst zuwider gewesen waren. Niemand konnte sich der stundenlangen Gehirnwäsche entziehen, der er bei der Predigt ausgesetzt war, war doch die Teilnahmeverpflichtung am Gottesdienst für jeden per Polizeiordnung (so im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg) unter Strafandrohung festgelegt, ebenso wie die Teilnahme an den öffentlichen Hinrichtungen, zu der von der Kanzel aufgefordert wurde. So kam es, daß die in den Hexenprozessen Gefolterten sich ausmalen konnten, wie ihr »Buhle«, der Teufel, aussah, was er mit ihnen trieb. Unter der Folter wurden Unschuldige zu »Hexen« gemacht, oft im Beisein eines Geistlichen. Hexenprozesse galten als »weltliche« Prozesse, Antreiber dazu war allerdings die Geistlichkeit. Durch ihre Predigten stachelten sie die Gemeindemitglieder an, anonyme Anzeigen gegen vermeintliche Hexen abzugeben, zum Beispiel in Briefkästen an der Kirche einzuwerfen, wenn sie nicht selbst »Hexen« anzeigten, wie in Hannover 1605 die beiden Pastoren zu St. Aegidien, mit einer Denunziationsschrift – mit fürstlicher Belohnung. Bei der »Schuldermittlung«, auch der »peinlichen Befragung«, konnten Geistliche als »Beichtvater« dabei sein. Etwaige »Geständnisse« meldeten sie umgehend dem Gericht – bei solchen »Ausnahmeverfahren« galt das Beichtgeheimnis nicht. Für seine »christliche Liebesmühe«, ein »Geständnis« abzunötigen, das letzte Abendmahl an die Verurteilten auszuteilen und eine »Hexenpredigt« an der Richtstätte zu halten, erhielt der Pastor einen »satten Obolus« (Joachim Lehrmann). Das war wohl einer der Gründe, warum die Geistlichkeit so hartnäckig an den Hexenprozessen festhielt, auch als sich die Stimmen mehrten, die solche Prozesse aus humanitären Gründen ablehnten. In dem berühmten Rechtsgelehrten Benedikt Carpzov, einem überzeugten Lutheraner, fanden die klerikalen »Hexenriecher« (diese Bezeichnung wurde meines Wissens als erstes auf den Pastor Heinrich Rumphoff bezogen, einen üblen Verfolger unschuldiger Menschen, der um 1630 im Stift Loccum wütete, H.H.) einen Verbündeten. Dieser Sproß einer großen Theologenfamilie hatte nach eigenem Bekunden die Bibel 53 Male durchgelesen und als göttlichen Auftrag, ebenso wie Luther, auf den er sich immer wieder berief, gefunden: »Die Zauberer sollst du nicht leben lassen.« Er schuf ein »neues Strafrecht« (vor allem in seinen Schriften »Practica nova« von 1638 und »Peinlicher Sächsischer Inquisitions- und Achts-Prozeß«, 1662), das aus der Dämonenlehre heraus entwickelt wurde, wonach der Kampf gegen das Böse, gegen die »Hexerei«, das Zentrum des Rechtswesens bleiben müßte. Schon der, der zweifelt, ob es die Hexerei überhaupt gibt, ob »Hexen« auf einem »Besenstil« zum »Blocksberg« fliegen könnten, sollte getötet werden. Wer solche »verdorbenen Mitglieder« in der Gesellschaft leben läßt, der trägt, weiß Carpzov, dazu bei, daß alle sich mit diesem Gift anstecken. Eine öffentliche, qualvolle Hinrichtung der Delinquenten sei zur Abschreckung erforderlich; die Anwendung der Folter zuvor selbstverständlich. Carpzov, ein echter Lutherfreund, kann als Stammvater aller »schrecklichen Juristen« des 20. Jahrhunderts angesehen werden. Bemerkenswert dazu: Im Jahre 1996 wurde mit finanziellem Zuschuß der Stiftung Volkswagenwerk in den Universitäten Leipzig und Halle ein »Symposium in memoriam Benedikt Carpzov« durchgeführt, dieses »neben Eike von Repgow vielleicht größten sächsischen Juristen«, wie es in dem Tagungsbericht der Veranstalter anerkennend hieß. Die unschuldigen Opfer der Hexenprozesse, auch Carpzovs Opfer, sind bis in die jüngste Vergangenheit nie rehabilitiert worden. Insbesondere durch das Engagement des Pastors im Ruhestand Hartmut Hegeler und seines »Arbeitskreises Hexenprozesse« ist in bisher gut 20 Kommunen eine solche Rehabilitation kraft Ratsbeschlusses erfolgt. In der bisher einzigen Stadt in Niedersachsen, in Osnabrück, lautet dieser Beschluß vom September 2012 so: »Der Rat der Stadt Osnabrück ... will damit einen Beitrag leisten, damit die Ehre der durch die Hexenprozesse verfolgten und hingerichteten Bürgerinnen und Bürger wieder hergestellt wird. Er tut das auch, um im Namen aller Demokraten die damaligen Taten als Unrecht zu benennen und den Schmerz darüber auszudrücken ...« Ein weiteres Element der Rehabilitation müßte die Ächtung der Folter sein, gerade auch für das Kloster Loccum. Abt, Konvent und die übrige Geistlichkeit waren hier seinerzeit gleichzeitig Anstifter, Ankläger, Ermittler (mit Foltereinsatz), Richter und schließlich Rechtfertiger der Hexenprozesse, einem verbrecherischen Unternehmen, das zugleich zur Bereicherung am Vermögen der Opfer genutzt werden konnte. Ihre unschuldigen Opfer, die sich mindestens 100 Jahre in der Hölle der »Hexenfurcht« befanden und niemals die Wunder der christlichen Toleranz erlebten, gelten dort also bis heute als schuldig im Sinne der Anklage: Sie hätten sich dem Teufel verschrieben, Gott verleugnet und dadurch Schaden über die Menschheit und die Natur gebracht. Das kann gemäß der christlichen Liebesbotschaft nicht so bleiben, dachte ich. Also richtete ich, erst im September, dann noch einmal im November vorigen Jahres, an das Kloster eine nichtöffentliche Anfrage, ob im Jubiläumsjahr an eine Rehabilitation der Opfer, wie in Osnabrück, gedacht sei. Eine Antwort kam nicht. Seit kurzem weiß ich warum: Auf einen offenen Brief in derselben Angelegenheit, nun gemeinsam mit dem Arbeitskreis Hexenprozesse, antwortete der gegenwärtige Abt Hirschler: »Rehabilitation ist Quatsch« (Nienburger Kreiszeitung, www.kreiszeitung.de, vom 25. Juni 2013) und schon die Bitte darum eine »Unverschämtheit«, so gegenüber der Bild–Zeitung Hannover vom 2. Juni 2013. Hirschler hat schon früher durch merkwürdiges Reden und Verhalten auch in der nichtkirchlichen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregt, so daß ihm der Spiegel 50/93 unter der Überschrift »Letztes Zappeln« einen ganzen Artikel widmete. Damals war er noch Landesbischof der Landeskirche Hannovers. »Hier sehen sich homosexuell lebende Christen von ihrer hannoverschen Kirche verfolgt«, bemerkt das Nachrichtenmagazin. Und weiter: »Wortführer der Intoleranz ist der lutherische Landesbischof Horst Hirschler. Er will keine Homosexuellen im Kirchenamt, das verstoße eindeutig gegen ›den alten christlichen Konsens‹«. Als dann gar die eigene »Landessynode mit 44 gegen 43 Stimmen für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Kirche plädierte«, da »konterte Hirschler, das bedeute in einer so wichtigen Frage praktisch nichts und sei nur geeignet ›zu verwirren‹«. Zu einer Rehabilitation der in Loccum Ermordeten wird es eines Tages kommen, wenn etwa die »Lutherstadt Wittenberg« eine solche Rehabilitation beschlossen haben wird, worauf vieles hindeutet. Auch Druck von außen, von nichtkirchlichen Organisationen ist dazu erforderlich, wie jetzt zwei eindrucksvolle Briefe des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) an das Kloster und den Landesbischof Ralf Meister zeigen. Es sollte nicht wundern, wenn Abt Hirschler dann verkündet: »Rehabilitation der Opfer – das haben wir immer schon gewollt.« Hinweis: Aus dem sehr empfehlenswerten Buch von Joachim Lehrmann, »Hexenverfolgung in Hannover-Calenberg (und Calenberg-Göttingen). Vom Wahn bis zur Aufklärung«, Lehrte 2005, 304 Seiten, 15,40 Euro, sind etliche Belege in den obigen Aufsatz eingeflossen.

Thüringer Kunst in Notre-Dame Peter Arlt

Beim »Neuaufbau« der Kunstmuseen in den östlichen deutschen Ländern gilt fast überall ein gleichmacherisches Ideal: Ganz oben in der Gunst stehen Georg Baselitz, A. R. Penck, Josef Beuys ..., nicht zu zeigen und gering zu schätzen sind der in der DDR gewachsene Bestand und die vor Ort entstandene Kunst. Im Gegensatz dazu sei das Museum in Bautzen hervorgehoben, das die einheimischen Künstler ausführlich und würdevoll präsentiert. In Thüringen läßt sich eine museale Dokumentation der regional angesiedelten Kunst des 20. Jahrhunderts finden, vor allem solche nach 1945, insbesondere aus den drei Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. Allerdings nicht in Erfurt oder Weimar, sondern in Mühlhausen. Im Museum am Lindenbühl, das gerade umgebaut wird, soll im nächsten Jahr eine Auswahl der »Sammlung Thüringer Kunst« präsentiert werden, die den Kunstraum Thüringen im 20. Jahrhundert ausleuchtet. Der Sammlungsleiter Jürgen Winter verortet ihn »Zwischen Wald und Welt« und beschreibt fundiert im gleichnamigen Buch individuelle Wege und wechselnde Verhältnisse zwischen regionaler Traditionsenge und Innovationsweite. Damit tritt er dem Klischee entgegen, Kunst in Thüringen beschränke sich auf selbstgenügsame Heimatverbundenheit, ohne dies auszuschließen. Die Frage, was es zwischen Thüringern, Sachsen, Mecklenburgern, Bayern oder Berlinern an Gemeinsamkeit und Anderssein gibt, stellt sich wenig. Den eigenen Weg zu finden, verlangt nicht, einem vage verbindenden Thüringer Grundgefühl zu folgen und nach regionalem, landsmannschaftlichem Purismus zu streben. Die Sammlung zeigt, wie viele überregionale und übernationale Einflüsse synthetisiert werden, um eine unverwechselbare, vielseitige Identität auszuprägen, die der Kunst erst den Reichtum gibt. Wie anderswo faszinieren auch im Kunstraum Thüringen die Spitzenwerke der Malerei und Grafik mit gestalterischer Dichte und handwerklichem Können, mit der Magie der Realität wie deren expressiver, phantasievoller Übersteigerung bis zur Abstraktion, öfters auch mit intelligenter Subversivität (Erfurter Ateliergemeinschaft oder D 206. Die Thüringer Sezession). Inzwischen greift die Sammlung über ihren Schwerpunkt, die Zeitspanne zwischen 1945 und 1990, auf die Zeit der klassischen Moderne bis ins 19. Jahrhundert zurück und vor auf heutige Kunst. Das zeigen die 30 Neuerwerbungen, Grafiken und Aquarelle, der letzten drei Jahre jetzt in der Sonderausstellung »ARTgerechter Zuwachs« in der Müntzergedenkstätte St. Marien – eine gotische Kirche der einstigen Freien Reichsstadt Mühlhausen, die Notre-Dame Thüringens. Über einem Portal stehen Skulpturen auf dem Altan, Kaiser Karl IV., der oberste Stadtherr, der sich über eine Maßwerkbrüstung dem vorbeiführenden Steinweg der symbolischen Huldigung zuwendet. Möge er als Schutzpatron auf der Seite der Kunst stehen und bei künftigem Ratswechsel zusichern, die »Sammlung Thüringer Kunst« weiterhin zu bewahren und zu erweitern. Für die Leiter der Museen, Thomas T. Müller und Jürgen Winter, besteht dazu Gewißheit, metaphorisch verknüpft mit den Neuerwerbungen »Kündender und Stiller Engel« des Weimarer Grafikers Walter Sachs, die lauthals und verschwiegen in Holzschnitten von 2012 gleichsam die Sammlungsunterstützung offenbaren. »Wenn man sich mit bildender Kunst in Thüringen gültig auseinandersetzen will, wird Mühlhausen und seine Sammlung der zentrale Ort sein«, so prognostizierte einst Rudolf Kober. Er und Ruth Menzel betrieben mit zahlreichen Studenten an der Pädagogischen Hochschule Erfurt jahrelang kunsthistorische Territorienforschung. Ein Diplomand, Jürgen Winter, machte am Museum in Mühlhausen, über die regionale Kunstgeschichtsschreibung hinaus, die Sammlung der Artefakte zu seiner Passion. Wie beherzt er seine Chance wahrnahm, zeigte erstmals im November 1989 eine bescheidene, beachtliche Ansammlung. Seit Jahren berichtet Jürgen Winter händeringend, zur 0-Euro-Ankaufssumme und Sponsorensuche verdammt zu sein, ein Mantra, mit Zaubersprüchen das eigene Opfer abzuwenden und einen annähernd repräsentativen Überblick aufzubauen. Ermöglicht werden Ankäufe vom Kunst-Ministerium und von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Art-Regio und der Sparkasse Unstrut-Hainich (vgl. Ossietzky 11/13). Diesmal erwarb der Freundeskreis Mühlhäuser Museen von Otto Dix Lithographien der Passion, sechs kleinere Blätter zur Leidensgeschichte Christi aus dem Jahre 1960. Selbst wenn Dix in seinem Spätwerk weniger unverkennbar bleibt, überzeugt der expressive Realismus des Atheisten Dix zur ins Menschheitliche gesteigerten christlichen Thematik. Die schamlose Kunstpolitik verursacht den zweiten Weg: »Was man sich nicht kaufen kann, muß man sich eben schenken lassen.« Den Schenkungen schaut man wiederum schamlos ins Maul. Qualität und keine Beliebigkeit! Herausragend die Schenkung von Handzeichnungen und Aquarellen des 2005 verstorbenen Geraer Künstlers Hans Blunck aus der Hand der Frau des Künstlers. Das Werk, wie die an Lyonel Feininger erinnernde »Vorstadtdame«, 1976, oder die Landschaften, wie »Mongolisches Touristencamp«, 1977, oder »Norwegische Impressionen«, 1991, harrt noch einer Aufarbeitung. Die international anerkannte Geraer Künstlerin Gerda Lepke schenkte über 40 Siebdruck-Zeichnungen, die bei Kreuzigung und Grablegung mit sensibel ertastenden und Trauer tragenden Linien anrühren. Scheinbar kinderleicht spielen die hochartifiziellen Linienverläufe bei Reiner Ende in den »Kleidern des neuen Kaisers«, 2011, über mehrere reale Motive hinweg. Von Roger Bonnard, der einst als Dreher in die DDR gekommen war, in Dresden als Maler und Grafiker ausgebildet wurde und in Weimar und Sainte-Maure lebt, zeigen Farbaquatinten, wie er den deutschen »Geist« und französischen »esprit« auslegt. In einer meditativen Bildschrift rundet Martin Max im Holzschnitt »Stundenblatt« das vegetabile Zifferblatt, auf dem römische Zahlen spuken und Gesichter sich verwandeln im Tages- zum Jahresraum. Den Sammlungsbestand bereichern Farbgrafiken von Erik Buchholz, Beate Debus, Gisela Eichardt und Sabine Rittweger. Vielleicht fliegt der Sammlung noch die in der Weimarer Villa Haar gezeigte Tuschezeichnung »Frohlockender Engel« von Walter Sachs zu, um der Mühlhäuser Sammlung großformatig das Paradies zu verkünden. Bis 1. September 2013, dienstags bis sonntags 10-17 Uhr

Jürgen Rose Gewissen ist keine Krankheit (2)

Nachdem der Oberleutnant der Bundesluftwaffe Philip Klever sich unter Berufung auf sein Gewissen geweigert hat, durch den ihm befohlenen Einsatz in Afghanistan aktiv zu der nicht mandatierten und daher völkerrechtswidrigen »Operation Enduring Freedom« beizutragen, ist er nun den Repressalien seiner Vorgesetzten ausgesetzt (s. Ossietzky 16/13). Klevers Kameraden registrieren derweil aufmerksam den Umgang mit dem Gewissenstäter. Unter dem Siegel der Anonymität werden sie deutlich: »Ich persönlich finde es eine mutige Entscheidung, aber auch eine richtige Entscheidung. Wenn er sein Gewissen gefragt hat und er mit diesem Einsatz in Afghanistan Probleme hat, dann muß er so handeln, und das ist ja auch sein gutes Recht und so dann auch von der Bundeswehr anerkannt worden«, gibt einer zu Protokoll. Die Reaktion der Bundeswehr wird als »unbeholfen« qualifiziert. Daß an Klever ein Exempel statuiert werden soll, steht außer Frage: »Es soll damit ... erzeugt werden, daß man sich genau überlegt, ob man sich auch über die Folgen seiner Gewissensentscheidung im klaren ist. Will ich mit diesen Konsequenzen leben, also daß ich möglicherweise aus meiner Heimatregion oder der Region, wo ich mich gerade wohlfühle, wegversetzt werde, will ich auf den Kreis meiner Arbeitskollegen verzichten, will ich isoliert in einem Einzelbüro sitzen und Aufgaben erhalten, die eindeutig unter meiner Qualifikation sind? Durch all diese Maßnahmen überlegen sich natürlich die anderen Kollegen, ob sie auch so eine Entscheidung treffen, und es wird den Kameraden gezeigt, was passieren kann, wenn sie nur ihr Recht wahrnehmen und einen Befehl oder einen Einsatz aus Gewissensgründen verweigern.« Das, was da passiere, sei »schlimm, weil man ja nur sein Gewissen gefragt hat und das einem sagt, daß man damit nicht mehr so klarkommt«. Daher sei es »schade, daß die Bundeswehr mit so einem subtilen Vorgehen wie bei Herrn Klever solche Überlegungen unterbindet«. Welch verheerende Folgen seine schikanöse Behandlung nach sich zieht, wird klar benannt, wenn einer seiner Kameraden formuliert: »Ich glaube, daß in Zukunft nicht mehr so viele Leute bei uns eine Entscheidung wegen ihres Gewissens verweigern. Es wurden ja schon Nachfolger für ihn benannt, die sich sofort bereit erklärt haben, weil man natürlich immer die Konsequenzen im Hinterkopf hat. Ich denke, daß es für die Soldaten, die sich hier wohlfühlen, sicherlich ein abschreckendes Beispiel ist. Ich denke, daß das Signal sein soll: Überlegt genau, ob ihr in eurem Umfeld verbleiben wollt oder ob ihr in eine Isolation gesteckt werdet, nichts mehr mit euren Kameraden zu tun habt oder sogar gleich versetzt werdet und damit auch aus eurem Freundeskreis, Familie und so gerissen werdet. Ich denke, daß das Signal, daß zum Beispiel der Versetzungsantrag für ihn geschrieben wurde, daß das sehr bewußt geschehen ist, und daran ist ... gekoppelt ...: Mach‘ das, was ich will, oder ich mache etwas, was du nicht willst. Denn es ist schon etwas sehr Besonderes, daß ein Vorgesetzter für einen Soldaten einen Versetzungsantrag schreibt, das habe ich bislang noch nicht erlebt ... Mir ist kein Fall bekannt ... Und das hat sicherlich einen Eindruck bei den Kameraden hinterlassen, und da überlegt man es sich schon zweimal.« Wie ausgeprägt die Empathie mit dem sanktionierten Kameraden Klever ist, geht aus folgender Einlassung hervor: »Natürlich muß sich Klever von seinen Kameraden immer anhören, daß er in ›Isolationshaft‹, im ›Loch‹, im ›Gefängnis‹ oder im ›Kerker‹ ist ... Es ist zwar kein Gefängnis, aus dem er nicht herausgehen darf, aber er wurde schon aus der Gemeinschaft genommen. Also ich habe mich gewundert, daß sein Schreibtisch leer war und er nicht da war, und dann sah ich ihn niedergeschlagen auf einem Stuhl mit einer Tasse Kaffee sitzen, und dann sagte er, daß jetzt gerade sein Vorgesetzter einen Versetzungsantrag für ihn schreibt und er jetzt auch aus dem Großraumbüro von seinem Arbeitsplatz weg muß und in ein Einzelzimmer kommt. Das war erst einmal eine Situation, wo ich ziemlich geschluckt habe. So ein Versetzungsantrag ist ... ziemlicher Druck, ... der ja vor allem das Privatleben betrifft, denn er lebt ja mit seiner Freundin zusammen, ... dann muß er sich bei einer Versetzung auf eine Wochenendbeziehung einstellen, und das ist natürlich eine große Belastung. Ich denke, das war vorher absehbar, ... er mußte schon damit rechnen, daß Veränderungen in seinem Leben passieren. Aber ich finde das nicht fair ... Es ist ja schon ein Denkzettel oder eine Retourkutsche, die er jetzt bekommt.« Daß die eingangs zitierte »Angst vor der Massenverweigerung« angesichts von Gewissenstätern wie Philip Klever und seinen Vorgängern in den Reihen der Bundeswehr nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, mag die Aussage eines Kameraden illustrieren, der ihn wissen ließ: »Ich kann Dich verstehen. Wenn jetzt so etwas in Syrien losgeht, dann mach‘ ich da auch nicht mit.« Angesichts des schäbigen Umgangs einer von Ignoranz und Intransigenz geprägten Militärbürokratie mit einem Staatsbürger in Uniform, der nichts weiter getan hat, als dem Postulat des Doyens der Inneren Führung, Generalleutnant Wolf Graf von Baudissin, zu folgen, indem er ein »ständig waches Gewissen« an den Tag legte, ist man geneigt, eine Träne der Verzweiflung zu weinen, in der der Salz des Ärgers die Feuchtigkeit der Anteilnahme zu verkrusten droht. Denn eigentlich sollten die Goldbesternten im Berliner Bendlerblock Purzelbäume freudiger Erregung darüber schlagen, wie vorbildhaft loyal der Subaltern-Offizier Klever genau den Pflichten nachkommt, welche die höchsten Generäle der Bundeswehr dereinst deklamierten. So pochte der vormalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Naumann, in seinem Generalinspekteursbrief 1/1994 gar auf eine soldatische Pflicht zur Gehorsamsverweigerung: »In unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Ethik stehen dem Gehorsamsanspruch des Dienstherrn das Recht und die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung gegenüber, wo eben diese Rechtsstaatlichkeit und Sittlichkeit mit dem militärischen Auftrag nicht mehr in Einklang stehen, der Soldat damit außerhalb der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung gestellt würde.« Zwei Jahre zuvor hatte Generalleutnant Peter von Kirchbach in der vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen Offizierszeitschrift Truppenpraxis angemerkt: »Die Spannung [zwischen Freiheit und Gehorsam, J. R.] besteht in der Bindung an Befehle einerseits, in der Bindung an ein Wertesystem andererseits. Die Spannung besteht in der Bindung und Treuepflicht an den Staat einerseits und dem Wissen, daß staatliches Handeln immer nur das Vorletzte sein kann und daß das an ein höheres Wertesystem gebundene Gewissen eine entscheidende Berufungsinstanz sein muß. Sicher wird der Staat seinen Bürgern normalerweise nicht zumuten, gegen den Rat ihres Gewissens zu handeln. Der Staat der Demokratie wird sich im Gegenteil auf die Werte berufen, in denen das Gewissen gründet. Im Wissen um diese Spannung aber und im Wissen, nicht jedem Anspruch zur Verfügung zu stehen, besteht letztlich der Unterschied zwischen Soldat und Landsknecht.« Seitdem sich freilich unsere gesamtdeutsche Armee an der Durchsetzung der Globalisierung mit militärischen Gewaltmitteln beteiligt, müssen derartige Gewissensappelle aus Generalsmunde lediglich als hohle Phrasen erscheinen. Dessenungeachtet erweisen sich von Zeit zu Zeit immer wieder SoldatInnen eben nicht als bloße Handwerker des Krieges »mit flatternden Idealen und einem in Landesfarben angestrichenen Brett vor dem Kopf«, wie der herausragende deutsche Publizist und Pazifist Kurt Tucholsky einst notierte, sondern wie im Falle Klever mitunter auch als Verfassungspatrioten. Angesichts dieser Tatsache kommen sowohl die politische Leitung als auch die militärische Führung um die Erkenntnis nicht herum, daß, wie der schweizerische Divisionär, also Generalmajor, Gustav Däniker schrieb, »nicht nur der einzelne Soldat, sondern selbst die härteste Truppe eine Seele besitzt, und ebenso ein Gewissen, das ihr sagt, was man tun darf und was nicht«. Die hieraus zwingend folgende Konklusion brachte in bestechender Weise ein Justizminister der Vereinigten Staaten von Amerika, Ramsey Clark, der seinem Land zu einer Zeit diente, in dem es noch kein Überwachungs-, Mord- und Folterstaat, sondern ein Rechtsstaat war, auf den Punkt, als er den nicht erst für den »Staatsbürger in Uniform« im Rahmen moderner Kriegführung, sondern für jeden Soldaten schon immer geltenden kategorischen Imperativ definierte, der da lautet: »Die größte Feigheit besteht darin, einem Befehl zu gehorchen, der eine moralisch nicht zu rechtfertigende Handlung fordert.« Feige ist er demnach wahrlich nicht, der Oberleutnant der Luftwaffe Philip Klever.