Freitag, 31. Mai 2013

Attentat auf kommunistischen Abgeordneten Oscar Alvarado in Apure (Venezuela)

Wie 1973 in Chile Venezuela: Kampagnen der Opposition wecken böse Erinnerungen. Attentat auf kommunistischen Abgeordneten in Apure Von Modaira Rubio, Caracas jungeWelt vom 30.05.2013 Am Dienstag abend (Ortszeit) ist in dem an Kolumbien grenzenden venezolanischen Bundesstaat Apure ein Regionalabgeordneter der Kommunistischen Partei von unbekannten Tätern angeschossen und verletzt worden. Wie die Parteizeitung Tribuna Popular auf ihrer Homepage berichtete, lauerten die Attentäter Oscar Alvarado auf, als er gegen 19.30 Uhr nach Hause kam. Ein Raubüberfall wurde von der Polizei ausgeschlossen, da die Täter keinen Versuch unternommen hätten, Wertsachen zu stehlen. Vor dem Hintergrund solcher Ereignisse fühlt sich die venezolanische Medienwissenschaftlerin Olga Dragnic an vergangene Jahrzehnte erinnert. »Um zu verstehen, was derzeit in Venezuela geschieht, muß man sich angucken, was in den Ländern des sozialistischen Blocks oder 1973 in Chile passierte.« Die heute in Venezuela angewandten Methoden seien dieselben wie im Kalten Krieg, und auch das Ziel sei dasselbe: Schluß zu machen mit dem Sozialismus. Zentrales Thema in der öffentlichen Diskussion ist derzeit die Warenknappheit in den Supermärkten. Dabei herrscht im heutigen Venezuela kein Hunger. Am 16. Juni will die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) das Land sogar offiziell auszeichnen, weil es als eines von sehr wenigen Ländern die Ziele des UN-Ernährungsgipfels von 1996 vorfristig erreicht hat. Damals hatten die Staaten der Welt beschlossen, bis 2015 die Zahl der unterernährten Menschen in jedem Land zu halbieren. In diesem Zusammenhang unterstrich Venezuelas Präsident Nicolás Maduro: »800 Millionen Menschen auf der Welt hungern, 49 Millionen von ihnen in Lateinamerika und in der Karibik, aber keiner von ihnen ist Venezolaner.« Trotzdem berichtet die internationale Presse seit Wochen über »Mangel«, »Lebensmittelknappheit« und eine »Versorgungskrise« in Venezuela und verbreitet Fotos von leeren Regalen in den Supermärkten des südamerikanischen Landes. Schuld daran sei der »chavistische Castro-Kommunismus«, die Menschen müßten stundenlang für ein Stück Brot in der Schlange stehen. Die psychologische Kriegführung gegen die Bolivarische Revolution geht also weiter. Gegen Hugo Chávez hat diese Kampagne 14 Jahre angehalten, von seiner erstmaligen Kandidatur zum höchsten Staatsamt 1998 bis zu seinem Tod am 5. März 2013. Doch das Volk fiel nicht auf die Hetze herein und stimmte immer wieder für das von Chávez geführte antiimperialistische, antikapitalistische und sozialistische Projekt. Seit dem Tod von Chávez hat die Rechte ihre Kampagne jedoch weiter verschärft. In den Nachrichtensendungen der privaten Kanäle wird ständig wiederholt, es gäbe kein Toilettenpapier, keine Hähnchen, kein Fleisch, kein Schinken, kein Maismehl. Die Besitzer der privaten Supermarktketten erklären, sie hätten wegen der Währungskontrolle – die 2003 als Reaktion auf die Machenschaften der Opposition eingeführt worden war – keine Devisen, um Lebensmittel zu importieren. Trotzdem sind in ihren Regalen durchaus Importwaren zu finden. So gibt es in vielen Geschäften zwar kein Maisöl, das in Venezuela normalerweise zum Kochen verwendet wird, aber sehr wohl Olivenöl, das aus dem Libanon, Italien, Spanien oder Portugal eingeführt und zum doppelten oder dreifachen Preis verkauft wird. Auch für den Import von Markenmode, Parfum, Luxusartikeln und Accessoires fehlen die Dollars offenkundig nicht. Es gibt zwar kein Maismehl, aber silberne Kugelschreiber als Geschenkartikel. Die Erklärung ist ebenso einfach wie politisch. Seit dem Beginn der Bolivarischen Revolution haben die Kaufkraft und der Konsum der venezolanischen Bevölkerung stark zugenommen, nicht jedoch in gleichem Maße die Kapazitäten des Staates zur Lebensmittelproduktion. Als Konsequenz daraus ist im Regierungsprogramm für die Amtszeit bis 2019 die Notwendigkeit eines Ausbaus der staatlichen Produktionskapazitäten zu einem der wichtigsten Ziele erklärt worden. Da dies aber noch nicht umgesetzt ist, mußte sich die Regierung mit den Unternehmern der Lebensmittelindustrie an einen Tisch setzen, unter ihnen die Eigentümer solcher Monopolisten wie »Empresas Polar«, um Sofortlösungen zu finden. Dabei spielen die mit der rechten Opposition verbündeten Konzerne ein doppeltes Spiel. Sie setzen auf schwindende Unterstützung für Präsident Maduro, um diesen dann schnellstmöglich durch ein Amtsenthebungsreferendum absetzen zu können. Offiziellen Angaben zufolge werden 95 Prozent der Warenknappheit durch die Nichtauslieferung der Güter verursacht, obwohl ausreichend produziert wird. Marxistische Ökonomen haben zudem berechnet, daß die rund 7000 privaten Produktions- und Handelsunternehmen Venezuelas beim Staat jährlich 40 Milliarden Dollar für den Import von Waren und Dienstleistungen beantragen, zugleich jedoch nur für drei Milliarden Dollar exportieren. Eine Steigerung der Exporte wäre jedoch möglich, denn die Betriebe sind nur zu 30 Prozent ihrer Kapazität ausgelastet. Für die Unternehmer ist das aber eine Waffe, mit der sie den Staat zwingen, ihnen immer mehr Devisen zu günstigen Kursen zukommen zu lassen. Oftmals werden diese Gelder dann in »Chucherías« – billigen Schund – investiert, oder sie werden zu profitableren Kursen auf dem Schwarzmarkt getauscht. Doch Venezuelas Regierung ist nicht alleine. Länder wie Argentinien, Brasilien und Uruguay sind selbst große Lebensmittelproduzenten, Lieferungen von dort wurden vereinbart. Den Vertrieb übernehmen die unter Hugo Chávez aufgebauten staatlichen Lebensmittelketten MERCAL und ­PDVAL – damals eine Konsequenz aus dem Putsch 2002, der ebenfalls von künstlicher Warenverknappung begleitet worden war. Unterstützung bekommt die Regierung auch von kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht mit den großen Monopolen konkurrieren können, aber nun ihre Chance sehen. Zudem wird es auf den politischen Willen ankommen, Korrekturen in Institutionen und Unternehmen des Staates durchzuführen, die nicht effizient geführt werden. Außerdem greifen die einfachen Menschen auf Erfahrungen früherer Zeiten zurück. Wenn es kein vorgekochtes und mit Chemie vollgestopftes Maismehl gibt, stellen sie ihre Arepas eben mit geschältem Mais her, wie es früher die Großeltern getan haben. In Chile hämmerten die Damen 1973 auf ihre Kochtöpfe, um gegen die Regierung von Salvador Allende zu protestieren, weil sie keine gezuckerte Kondensmilch bekommen konnten. Doch die Zeiten haben sich geändert. Das bolivarische Venezuela wird nicht wegen des Fehlens von Zahnpasta verschwinden. Es braucht mehr als eine Rolle Klopapier, um die Erfolge von über einem Jahrzehnt revolutionärem Prozeß wegzuwischen

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