Freitag, 26. Oktober 2012

[Antikapitalistische Linke] Im Wahlkampf gegen die Regierung der nationalen Einheit

AKL-BundessprecherInnen-Rat zur Wahlstrategie der LINKEN 2013 - Anmerkungen zum Beschluss des Parteivorstandes vom 13. Oktober 2012 1. Der Parteivorstand der LINKEN hat auf seiner Sitzung vom 13. Oktober 2012 einen umfangreichen Text zur „Wahlstrategie der Partei DIE LINKE für das Wahljahr 2013“ beschlossen. Leider hinterlässt dieser Strategievorschlag aufgrund seiner Subjektlosigkeit – wer soll da was und mit wem machen? - ein Gefühl der Unverbindlichkeit und teilweise sogar Phrasenhaftigkeit. In anderen Milieus wird für solche Strategie-Erklärungen gern das sehr viel kürzere „Alles kann – nichts muss“ benutzt. Doch angesichts der politischen, kulturellen und strukturellen Buntheit der Partei DIE LINKE ist eine solche, noch offene„Strategie“ deutlich realitätstüchtiger, als das zentralistische und einheitssüchtige Nachahmen der Wahlkämpfe anderer Parteien, wie es von Wahlkampfleitern früherer Jahre bei PDS und LINKE bevorzugt wurde. 2. In anderen Kommentaren zum Beschluss des Parteivorstandes wurde erfreut zur Kenntnis genommen, dass die politischen und organisatorischen Schlussfolgerungen darin nicht im Widerspruch zum Erfurter Parteiprogramm stehen. Das entspricht durchaus den Tatsachen, aber ist es eine besondere Erwähnung wert? Leider ja… obwohl das eigentlich der Normalzustand in einer linken Partei sein sollte. Wenn DIE LINKE sich bereits im fünften Lebensjahr davon entfernen sollte, dann wird ihr selbst eine lesbarere Strategie nicht mehr helfen. Ein Wahlkampf hat aber die Aufgabe, die programmatischen Aussagen und Ziele der Partei mit den aktuellen Debatten und Fragestellungen, die in der Gesellschaft dominieren, zu verbinden und eine entsprechende Aktualisierung, Zuspitzung und Rangfolge der Themen vorzunehmen. Er ist also keine Kurzfassung unseres Programms oder Schmalspurversion für Leute mit wenig Zeit, sondern die Anwendung unseres Programms auf die aktuelle Situation – es könnte also durchaus auch radikaler als der Text aus Erfurt sein. Wird dies zum Maßstab genommen, dann hätte der Strategie-Beschluss des Parteivorstandes deutlich mehr Konturen haben können und müssen. 3. Das überragende Thema von heute, und sicherlich auch noch das ganze Jahr 2013 bis zur Bundestagswahl, ist die tiefe Krise der Europäischen Union in Folge der Banken- und Kapitalverwertungskrise. Der Wahlkampf 2013 wird als Wettkampf vor allem zwischen SPD und CDU, bei dem sich FDP und Grüne klaglos einreihen, um die Frage gehen, wer das beste kapitalistische Rezept zur Rettung der für den internationalen Konkurrenzkampf unerlässlichen EU und zur Durchsetzung der Interessen des deutschen Kapitals hat. In der grundsätzlichen Zielsetzung und bei den wesentlichen Instrumenten sind sich alle vier Parteien völlig einig. Sie vollziehen bereits geraume Zeit eine „Regierung der nationalen Einheit“. Allein DIE LINKE teilt weder die Ziele noch die Mittel. Die Forderungen aus unserem Programm, dass die Banken und Finanzkonzerne entmachtet und vergesellschaftet werden müssen, ist heute keine abstrakte Losung für fernere Zeiten. Sie sind die tagesaktuelle Zuspitzung in der Krisendebatte und unsere praktische Alternative zu den Maßnahmen der „Einheitsregierung“. Gleichzeitig wollen wir die Krise der EU nicht dadurch beheben, dass sie so „normal“ wie früher funktioniert, vielleicht noch ein wenig besser, sondern wir sehen die EU-Krise als Anfang eines verdienten Endes dieses kapitalistischen Projektes. Wir wollen eine völlig andere EU, die komplett neu definiert und aufgebaut werden muss. Diese „neue EU“ entsteht heute vor allem aus den Kämpfen gegen die barbarischen Krisenlösungen der Troika und der Regierungen in der EU. Deshalb sollte für DIE LINKE die Solidarität mit den Opfern der Troika in Griechenland, Spanien, Portugal und überall sonst die wichtigste Achse im Wahlkampf werden. Darin liegt die Wurzel einer Wiederbelebung des „Internationalismus von links“ ebenso wie die Grundrisse einer neuen solidarischen Gesellschaft. DIE LINKE muss diese Solidarität in ihrem Wahlkampf in den Mittelpunkt stellen 4. Das zweite große Thema ist die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Alle Parteien werden sich darauf stürzen und versprechen, alles wieder gut zu machen, was sie in den letzten Jahren verbrochen haben. DIE LINKE hat angesichts dieser wenig überraschenden "Charmeoffensive" drei einfache Aufgaben: Sie muss die Heuchler und Lügner aus den anderen Parteien angreifen und ihre wahren Taten in Erinnerung rufen. Sie muss zudem aufzeigen, wie unzureichend und kontraproduktiv die praktischen Vorschläge der anderen sind. Und sie muss drittens aus ihrem großen Arsenal an eigenen programmatischen Vorschlägen zugespitzte Forderungen in den Mittelpunkt stellen. Wir sollten einen sofortigen gesetzlichen Mindestlohn fordern, der so hoch ist, dass er nicht die gleiche lohnsenkende Wirkung hat wie die Hartz-Gesetze, also eher 12 als 10 Euro betragen muss. Wir fordern weiterhin die Abschaffung der Hartz-Gesetze; das Verbot der Leiharbeit. Statt Prekarisierung der Beschäftigten fordern wir die Umverteilung der Arbeit auf alle durch eine Verkürzung der Wochen- und Lebensarbeitszeit ohne Einkommenseinbußen. Wir wollen die Rückkehr mindestens zur alten Rentenformel und eine Mindestrente von 1050 Euro sowie die Einführung einer Vermögens- und Millionärsteuer. 5. Es gibt ein drittes großes Thema: Wie wird die Energiewende umgesetzt und wer muss was dafür bezahlen? Es ist offensichtlich, dass die großen Energiekonzerne und die von ihr gelenkten Netzbetreiber zurzeit viel tun, selbst den nur langsamen Ausstieg aus der Atomenergie einerseits zu blockieren oder gar umzudrehen und andererseits die Situation schamlos für satte Extraprofite auszuschlachten. Die Forderung aus dem Programm der LINKEN, diese Konzerne zu entflechten und unter demokratische Kontrolle zu stellen, erhält dadurch ebenfalls den Charakter einer tagespolitischen Sofortforderung. Eine Umsetzung der Energiewende und damit die Einlösung des Wunsches einer breiten Mehrheit in der Gesellschaft werden ohne diese Maßnahmen nicht möglich sein. Dabei dürfen natürlich die Kosten des energiepolitischen und ökologischen Umbaus nicht auf die Verbraucher abgewälzt werden. 6. Die Entwicklung der politischen Diskurse der letzten Monate hat Themen in den Vordergrund geschoben, die sich DIE LINKE und ihr Erfurter Programm kaum als Tagesschlagzeile hat vorstellen können. Umso mehr müssen wir sie im Wahlkampf aufgreifen. Das betrifft zunächst die erfreuliche Krise der bundesdeutschen Geheimdienste in Folge der barbarischen Nazi-Mordserie. Wann, wenn nicht jetzt, durch wen, wenn nicht durch uns, soll die Forderung nach einer sofortigen Auflösung aller In- und Auslandsgeheimdienste aufgestellt werden? Sie muss deshalb im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Die Debatte um die Quotierung der Geschlechter in Aufsichtsräten, die bleibende Ungerechtigkeit bei Löhnen und Einkommen zwischen Männern und Frauen, der Streit um das Betreuungsgeld, der Ablauf der Frist bis zu einen Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung der ganz Kleinen 2013, die Wut der Erzieherinnen und Pflegerinnen über schlechte Löhne, Arbeitsbedingungen und Wertschätzung ihrer Arbeit – all das und einiges mehr liefern die Themen für einen eigenständigen „Frauenwahlkampf“ durch DIE LINKE. 7. Für DIE LINKE muss das Thema Krieg / Frieden ein absolut zentrales im Wahlkampf sein. Die drohende Ausweitung des Syrienkrieges durch die Angriffe der Türkei auf syrisches Territorium und damit die Involvierung der NATO und somit auch Deutschlands ist eine große Gefahr. Entsprechend der Beschlusslage muss DIE LINKE hier eine eindeutige Antikriegshaltung einnehmen und insbesondere gegen deutsche und NATO-Kriegsunterstützung mobil machen. Einerseits liegt das Thema Rüstungsexporte auf der Hand. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Deutschland ist Dritter im weltweiten Rüstungsexport und unter Merkel wurde der Waffenexport in Spannungsgebiete wie speziell in den Nahen Osten sogar regelrecht zur Doktrin. Aber es geht nicht nur – moralisch - um die Rüstungsexporte als solche, sondern auch um die dahinter stehende Rüstungsindustrie, ihre Macht und ihren Einfluss. Ziel muss es sein, das Verbot von Rüstungsproduktion an sich zu fordern. Und es muss auf Rüstungskonversion gesetzt werden. Im Wahlkampf müssen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr, natürlich mit Schwerpunkt Afghanistan, thematisiert werden. "Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden", heißt es im Erfurter Programm und jetzt in der Wahlstrategie. Dafür muss DIE LINKE streiten, für ein Ende ALLER Auslandseinsätze. Der drohende Einsatz der Bundeswehr im Innern muss ebenfalls wichtiges Thema im Wahlkampf sein. Auch kann DIE LINKE an das gesellschaftlich immer relevantere Thema 'Bundeswehr raus aus Schulen' anknüpfen. Beim Thema Krieg / Frieden steht DIE LINKE völlig konträr zu allen anderen Parteien. DIE LINKE als klare und eindeutige Antikriegspartei hat für viele WählerInnen eine immense Bedeutung. Dieser Bedeutung muss das Bundestagswahlprogramm und die konkrete Praxis der LINKEN gerecht werden. 8. Alle diese Themen haben eine gemeinsame Klammer: Da sich die herrschenden politischen Eliten und ihre Parteien weigern, die offensichtlich notwendigen und allein Erfolg versprechenden Maßnahmen zu ergreifen, sind sie immer wieder und immer mehr dazu bereit, die demokratischen Strukturen und Traditionen zu brechen, um ihre Politik zu Gunsten einer Minderheit in der Gesellschaft durchzusetzen. Die Krisen des Kapitalismus haben immer als erstes Opfer die demokratischen Strukturen. Deshalb ist die Umsetzung der Forderungen der LINKEN gleichzeitig die beste Verteidigung der Demokratie. Auch das müssen wir in diesem Wahlkampf aufzeigen und darüber hinaus erklären, dass die herrschende Form des Parlamentarismus offenkundig nicht in der Lage ist, den Klassenkampf von oben und die diktatorische Politik der Konzerne (gerne wird an dieser Stelle die irreführende Formulierung von der „Macht der Märkte“ benutzt) zu beenden. DIE LINKE. in den Parlamenten ist nichtsdestotrotz auch Schutz für Aktionen linker Bewegung und muss deren enger Partner sein. 9. Wenn sich DIE LINKE auf diese Weise im Wahlkampf positioniert, dann ist kaum noch darüber zu streiten, dass sie in den anderen Parteien dafür keine BündnispartnerInnen finden wird. Dennoch verliert das Strategiepapier des Parteivorstandes viele Worte zur SPD, ohne deutlich eine Prognose zu wagen, was die SPD uns wohl auftischen wird. Einerseits wird kommentarlos von einem angeblichen Lagerwahlkampf der SPD gesprochen, der für DIE LINKE neue Ansatzpunkte für Bündnisse liefern könnte, andererseits wird genau dies wieder bezweifelt und von der Notwendigkeit eines klaren Anti-SPD-Wahlkampfes gesprochen. Wir meinen, die Dinge mit der SPD sind so klar und eindeutig, dass sich daran auch im Laufe des nächsten Jahres bis zur Bundestagswahl nichts Wesentliches ändern wird: a) Die SPD ist weit davon entfernt, ihre tiefe politische und Vertrauenskrise mit Verlust der Hälfte der Mitglieder und der WählerInnen überwunden zu haben. Wer nicht nur auf Prozente, sondern auf absolute Stimmenzahlen schaut, sieht dies in fast allen Wahlen seit 2009 bestätigt. In Prozenten gesehen dümpelt die SPD eher unter als über der berühmten 30-Prozent-Grenze. b) In keiner der Wahlen seit 2009 konnte empirisch die „Lagertheorie“ (also die These, dass es zwischen LINKE, Grüne und SPD politische, über den Wahltermin hinaus gehende, dauernde Gemeinsamkeiten und Bündniswünsche existieren) Bestätigung finden. SPD und Grüne wählen ihre KoalitionspartnerInnen nach tagespolitischem Kalkül und führen einen harten Ab- und Ausgrenzungskurs gegen DIE LINKE, selbst da, wo eine rechnerische parlamentarische Mehrheit mit der LINKEN möglich gewesen wäre. c) Nach wenigen kosmetischen und rhetorischen Korrekturen am Hartz-IV-Kurs versammelt die SPD sich heute unter einem neuen Selbstverständnis, dass Hartz IV angeblich die Basis dafür geliefert hätte, dass „Deutschland“ so gut in der Krise bestanden hat. Das alte Personal der Agenda-2010-SPD sitzt nach wie vor an den Schaltstellen der Partei und wird sogar reaktiviert (wie als zentrale Figur ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück). d) Darüber hinaus preist sich die SPD als Mutter einer europäischen Variante der Agenda 2010, mit der sie die Bevölkerungen der Nachbarländer „beglücken“ will. Darum hat sie die entsprechenden Programme der „Troika“, die die CDU-FDP-Regierung bisher Griechenland, Irland und Portugal aufgezwungen hat, stets unterstützt. Wie immer in der Geschichte ist die SPD die letzte, die sich „Vaterlandslosigkeit“ vorwerfen lassen will und die erste, die vorauseilend alle internationalen Kapital-Wünsche erfüllt. e) Mit Peer Steinbrück hat die SPD genau den Kandidaten gewählt, der diese aktuellen Erfordernisse am besten verkörpert. Seine Nominierung ist ein Schlag ins Gesicht der parteiinternen Demokratie der SPD und eine Provokation für die GegnerInnen von Agenda 2010 und Hartz IV, aber auch eine Kampfansage an DIE LINKE wie an die Menschen in unseren europäischen Nachbarländern. Wenn DIE LINKE diesen Fehde-Handschuh nicht aufgreift, ist sie schlecht beraten. Steinbrück mag zwar gern den Eindruck erzeugen, er würde einen Lagerwahlkampf „Rot-Grün“ gegen „Schwarz-Gelb“ wollen, aber in der Praxis ist und macht er das Gegenteil. Er wird einen personalisierten Wahlkampf nach dem Motto „Ich, der bessere Merkel“ führen und für DIE LINKE keinerlei Raum für Spielchen und Spekulationen lassen (und wenn’s den gäbe, wäre das auch noch nicht viel besser....). f) Wie zu befürchten, hat allein ein Teil der gewerkschaftlichen Funktionäre die Mär von der Wandlung der SPD eilfertig geglaubt. Um so fahrlässiger ist es, wenn das Strategiepapier undifferenziert von einem Bündnis mit „den Gewerkschaften“ spricht. Der Wahlkampf – wie die gesamte politische Konstellation von heute – wird auch in den Gewerkschaften ganz wesentlich von einem "LINKE oder SPD" geprägt sein. g) Und deshalb zum Schluss eine simple Formel: Bei allen Wahlen seit 2009 hat sich gezeigt, dass die SPD gewinnt, wenn DIE LINKE verliert und umgekehrt. Einen gemeinsamen Wahlerfolg vom „Lager“ aus LINKE und SPD gab es nicht und wird es nicht geben. Das wird auch 2013 so sein. Wir sind deshalb für einen konsequenten Wahlkampf gegen Steinbrück, gegen die SPD und wir wünschen uns, dass die Menschen mehr und nicht weniger mit der SPD brechen und zu uns kommen. Auch im Wahlkampf sollten wir sie dazu auffordern. (Zum Verhältnis zur SPD: Antrag von AKL und Linksjugend [solid'] Bremen) 10. Im Strategiepapier wird viel von neuer Wahlkampfform, von Mitmachwahlkampf, Offenheit und Transparenz gesprochen. Das hört sich gut an. Wir glauben allerdings, dass dies nicht von oben verordnet werden kann. „Mach mal mit“ ist immer die Parole der Wahlkampfzentralen aller Parteien. Wir halten mehr von einem dezentralen Wahlkampfkonzept, das die Eigenständigkeit von Mitgliedern, Kreisverbänden und Strukturen anregt und ausnutzt. Nicht Mit-Mach-Wahlkampf sollte es deshalb heißen, sondern Mach-Wahlkampf. DIE LINKE benötigt ebenso eher aktive und bewegungsorientierte Wahlkampfaktionen und –highlights als Spitzenkandidaten und deren Bilder an den Bäumen. AKL BundessprecherInnen-Rat Detlef Belau, Thies Gleiss, Dagmar Henn, Inge Höger, Ulla Jelpke und Tobias Pflüger PS: In der letzten Rundmail wurde angekündigt, dass die nächste AKL-Bundesmitgliederversammlung am 16. oder 17.2.2013 stattfinden wird. Dieser Termin kann leider NICHT aufrecht erhalten werden, weil an diesem Wochenende der Parteivorstand tagt. Wir werden sobald wie möglich über einen neuen Termin informieren.

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