Samstag, 25. August 2012

Künftiger mexikanischer Präsident auf Fotos mit einem mutmaßlichen Narco

Andreas Knobloch 16.08.2012 Opposition will das Wahlergebnis weiter nicht anerkennen, die Gewalt in Mexiko hält unvermindert an Auf seiner Facebook-Seite lächelt Rafael Humberto Celaya Valenzuela auf zwei Fotos gemeinsam mit dem wohl kommenden Präsidenten Mexikos, Enrique Peña Nieto von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), in die Kamera. Blöd nur, dass Celaya, von Beruf Anwalt, Ende vergangener Woche zusammen mit drei weiteren Personen, darunter einem mutmaßlichen Cousin des Drogenbosses Joaquín "El Chapo" Guzmán, in Madrid von der spanischen Polizei festgenommen wurde. Sie sollen vorgehabt haben, für Guzmáns Sinaloa-Kartell eine Operationsbasis in Spanien zu aufzubauen, so der Vorwurf. Laut der mexikanischen Zeitschrift Proceso war der aus dem nordmexikanischen Bundesstaat Sonora stammende Celaya von Peña Nieto zum Koordinator der PRI-Kandidaten auf ein Abgeordnetenmandat im Bund in San Luis Río Colorado ernannt worden. Celaya selbst galt als aussichtsreicher Anwärter auf einen Parlamentssitz als Abgeordneter für Sonora. Sein Neffe, Victor Hugo Celaya, ist ein einflussreicher Politiker in San Luis Río Colorado an der Grenze zu den USA mit hoher Präsenz des organisierten Verbrechens. Die Festnahme plus Fotos schlugen hohe Wellen in Mexiko. Auf ihrer Webseite distanzierte sich die PRI von Celaya. Er sei weder von Peña Nieto zum Koordinator ernannt worden, noch seien seine Aspirationen zu kandidieren von der Partei unterstützt worden. "Während seines Präsidentschaftswahlkampfes hat Enrique Peña Nieto hunderttausende Fotos mit Anhängern und Sympathisanten aufgenommen, das bedeutet aber keinerlei Verpflichtung oder Nähe über diesen Moment hinaus", heißt es in der Stellungnahme der PRI. Bereits im Wahlkampf war Peña Nieto von seinen politischen Gegnern immer wieder vorgeworfen worden, die alten Seilschaften zwischen Politik und Drogenkartellen wieder zu aktivieren, was dieser kategorisch ausgeschlossen hatte. Peña Nieto hatte sich immer wieder von den Kartellen distanziert und versprochen, als Präsident den Kampf gegen das organisierte Verbrechen fortzuführen. So wirklich über den Weg trauen ihm viele aber nicht. Fotos mit einem mutmaßlichen Narco sind da natürlich Wasser auf deren Mühlen. Opposition geht weiter von Manipulation der Wahlergebnisse aus Und auch die Präsidentschaft hat er – offiziell – immer noch nicht sicher. Denn die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) und ihr Kandidat Andrés Manuel López Obrador (kurz: AMLO) stänkern weiter und wollen das Wahlergebnis partout nicht anerkennen (Mexiko: Zurück in die Zukunft). Sie haben beim Bundeswahlgericht (TEPJF) neue Beweise eingereicht, die zeigen sollen, wie die PRI die Wahl manipuliert hat. Die PRD verlangt eine Annullierung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl vom 1. Juli. Man erwarte eine "gründliche Analyse der Wahl ohne Eile" durch das TEPJF, sagte PRD-Parteichef Jesús Zambrano. Die Partei nehme mit der Wahlanfechtung ihre legalen und verfassungsmäßigen Rechte wahr, erklärte er in Richtung Privatwirtschaft und Bankensektor. Von dort hatte es Stimmen gegeben, den Wahlausgang zu akzeptieren. Die sollten lieber Gerechtigkeit und ein Vorgehen gegen Straflosigkeit einfordern, so Zambrano. Aus der Luft gegriffen sind die Betrugsvorwürfe keineswegs. Bei einer in der ersten Augustwoche durchgeführten Neuauszählung von 1.125 Wahlurnen sind nach Angaben des TEPJF Unregelmäßigkeiten festgestellt worden. Dabei handelt es sich vor allem um arithmetische Fehler und Unleserlichkeiten, so die Behörde. Die PRD hatte die Auszählung von mehr als 70.000 Wahlurnen gefordert. Das war jedoch abgelehnt worden. Bereits im Juli waren mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen nachgezählt worden, ohne dass dies Auswirkungen auf das Endergebnis hatte. Auch die nun festgestellten Unregelmäßigkeiten dürften keine Revision des Wahlergebnisses bewirken, da die Anzahl der beanstandeten Wahlzettel weit geringer ist als die Stimmendifferenz bei der Wahl. Die hatte der PRI-Kandidat Peña Nieto mit mehr als drei Millionen Stimmen Vorsprung gewonnen. Eine Neuauszählung Stimme für Stimme ist erst seit der Änderung der Wahlgesetze 2007 möglich. Nach der umstrittenen Wahl 2006, als AMLO Felipe Calderón mit nur 0,56 Prozentpunkten unterlegen war, hatte die Bundeswahlbehörde (IFE) eine solche Neuauszählung noch abgelehnt. Ohnehin wirft die PRD der PRI vor allem Verstöße bei der Wahlfinanzierung, Geldwäsche und massiven Stimmenkauf vor. Im Zentrum der Vorwürfe stehen elektronische Einkaufsgutscheine der Supermarktkette Soriana sowie Bankkarten des Finanzinstituts Monex. Anfangs hatte die PRI den Gebrauch solcher Karten noch kategorisch zurückgewiesen, angesichts der Beweislage musste sie gewissen Praktiken aber mittlerweile zugeben. Zudem sollen nach Angaben der PRD fünf Millionen Telefonkarten mit dem Konterfei Peña Nietos kostenlos verteilt worden sein. In Mexiko sind Geschenke im Wahlkampf erlaubt, diese von der Stimmabgabe abhängig zu machen, ist jedoch illegal. Solche Werbegeschenke müssten aber auf den Wahlkampfetat aufgerechnet werden, fordert die PRD. Die PRI habe das erlaubte Wahlkampfbudget um das 26-Fache überschritten. Die Rede ist von einem Bankkonto bei der Scotiabank, das der Regierung des Bundesstaates Estado de México gehöre, dessen Gouverneur Peña Nieto früher gewesen ist, und über das der Wahlkampfkoordinator der PRI, Luis Videgaray, Zugriff auf Milliarden von Pesos hatte. Eine endgültige Entscheidung zum Wahlausgang wird das TEPJF wohl erst am 6. September verkünden. Bis dahin können auch noch Beweise über mögliche Verstöße vorgelegt werden. Krieg gegen die Drogen hat die PAN in eine tiefe Krise gestürzt Mit dem ganzen Gerangel wenig zu tun hat die dritte politische Kraft des Landes, die rechts-katholische Partei Nationale Aktion (PAN). Auch sie hatte zunächst Manipulationsvorwürfe gegen die PRI erhoben, das Wahlergebnis aber mittlerweile mehr oder weniger anerkannt. Seitdem ist sie vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die derbe Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen, als sie von den Wählern für die verheerende Sicherheitslage durch den von Noch-Präsident Felipe Calderón vom Zaun gebrochenen "Krieg gegen die Drogen" abgestraft wurde, hat die Partei in eine tiefe Krise gestürzt. Die BBC stellte die Frage, ob eine der wichtigsten konservativen Parteien des Kontinents nicht sogar verschwinden könnte? Calderón rief seine Partei auf, sich grundlegend zu transformieren. Die PAN müsse "ihre Methoden und Mechanismen von Parteimitgliedschaft, Kandidatenkür und Auswahl der Parteiführung überprüfen". "Wir haben nicht mehr die Präsidentschaft, uns bleibt nur noch die Partei", mahnte er. Wichtige Entscheidungen müssten jetzt getroffen werden, das Überleben der Partei stünde ansonsten auf dem Spiel. Andere dagegen suchten noch nach Schuldigen. Die vergangenen Wochen waren geprägt von zum Teil polemischen Diskussionen und Schuldzuweisungen für die Wahlniederlage. Für die hat Parteichef Gustavo Madero Muñoz die Verantwortung übernommen. Eines der prinzipiellen Probleme sei die schlechte Zusammenarbeit zwischen Präsidentschaft und Wahlkampagne gewesen, so Madero. Die gemachten Fehler, Missverständnisse und Unterlassungen gingen auf seine Kappe. Sogar ein eventueller Rücktritt des Maderos stand im Raum, wurde von den meisten Parteigrößen wegen des damit verbundenen Risikos für die Partei aber abgelehnt. "Es könnte sich ein gefährlicher Raum öffnen für diejenigen mit einer kurzfristigen Version und jene, die die Partei nur als Verteiler von Posten begreifen oder als einen Raum politischer Macht", wie es der PAN-Abgeordnete Agustín Castillo formulierte. Parlamentarier der PAN überreichten Madero ein Dokument mit Überlegungen zur Restrukturierung der Partei. Darin mahnen sie notwendige Reformen an. Allerdings müssten denen auch die erforderliche Zeit eingeräumt werden. Die aktuelle Krise der PAN begann allerdings nicht erst mit der Wahlniederlage, die ist allenfalls Ausdruck dieser Krise. Von vielen innerhalb und außerhalb der Partei wurde diese in den vergangenen sechs Jahren nur als Anhängsel der Regierung Calderón wahrgenommen. Die beiden Vorgänger Maderos als Parteivorsitzende, Germán Martínez Cázares und Cesár Nava Vázquez, galten als enge Vertraute Calderóns. Auch im Präsidentschaftswahlkampf hatte die PAN kein gutes Bild abgegeben. Calderón warf sich nicht gerade ins Zeug, um die Kandidatin Josefina Vázquez Mota zu unterstützen, die in der innerparteilicher Kandidatenkür Calderóns Favoriten Ernesto Cordero ausgestochen hatte. Die Gewalt geht derweil unvermindert weiter in Mexiko Am Sonntag wurde der gewählte Bürgermeister von Matehuala im Bundesstaat San Luis Potosí, der PRI-Politiker Édgar Morales Pérez, von Unbekannten ermordet. Erst am Donnerstag zuvor waren im selben Bundesstaat 14 Leichen in einem Kleinbus gefunden werden. Stunden später kam es zu Zusammenstößen zwischen Drogenbanden und Polizei. Saldo des Tages insgesamt 21 Tote. Besonders beunruhigend muss erscheinen, dass die Gewalt auch zunehmend die Hauptstadt Mexiko-Stadt erreicht. Am Samstag war im Süden der Stadt ein gevierteilter Körper gefunden worden. Wie die Tageszeitung Milenio schreibt gab es allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits 111 Exekutionen – fast doppelt so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. URL: http://www.heise.de/tp/artikel/37/37447/1.html _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen