Montag, 23. Juli 2012

Wie die Betriebsrenten in der Krise als Spekulationsmasse missbraucht werden

23.07.12 - "Betriebsrente durch Euro-Krise in Gefahr", so oder ähnlich lauten aktuell Überschriften in den Tageszeitungen. Wegen extrem niedriger Zinsen auf dem Kapitalmarkt seien Pensionskassen, Pensionsfonds, Betriebe oder auch Direktversicherer wie die Riesterrente bald nicht mehr in der Lage, die garantierten monatlichen Rentenzahlungen zu überweisen. Tatsächlich ist die altbekannte Betriebs- oder Werksrente, mit der früher vor allem große Konzerne mit meist kleinen Beträgen die Rente ehemaliger Beschäftiger aufbesserten, ist längst ein Auslaufmodell. Dafür hat seit dem Jahre 2001 jeder sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Deutschland einen Anspruch auf eine sogenannte "Betriebsrente". 97 Prozent der Beschäftigten in Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten (1,7 Millionen) haben nach Schätzungen heute eine solche Rente abgeschlossen. Das ist in mehrerer Hinsicht vor allem ein lukratives Geschäft für die Unternehmen und alles andere als eine "sichere Eigenvorsorge" für das Alter, wie immer wieder behauptet wird. Denn nun zahlt in der Regel das Unternehmen nur noch Beiträge für höhere Angestellte in eine Pensionskasse ein, während die Masse der Beschäftigten jetzt von ihrem Lohn einen eigenen Beitrag einzahlen muss. Für diesen eingezahlten Lohnanteil entfällt der sogenannte Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen für das Unternehmen und ebenso Steuern, die zum Teil nach der Höhe der gezahlten Lohnsumme (Gewerbesteuer) berechnet werden. Laut "Financial Times Deutschland" geben nur 42 Prozent der Unternehmen davon etwas als Zusatzbeitrag für die Betriebsrente indirekt an die Beschäftigten weiter. Und auch dann in der Regel nur etwa 50 Prozent der eingesparten Gelder. Ob nun in einer betriebseigenen Pensionskasse oder in einem ausgelagerten Pensionsfonds: die eingezahlten Beiträge der Beschäftigen (geschätzte 190 Milliarden Euro) werden auf dem Kapitalmarkt zu einem wachsenden Teil spekulativ angelegt, um möglichst hohe Zinsgewinne zu erzielen. Diese lagen in den vergangenen Jahren weit über der den Beschäftigten zugesagten Verzinsung ihrer Beiträge und wurden als Gewinne der Kassen und Fonds von den Unternehmen abgeschöpft. Das heutige Gejammer über das gegenwärtig niedrige Zinsniveau gilt mehr der Sorge um diese Extraprofite als der Sorge um die Absicherung der eingezahlten Betriebsrente der Beschäftigten. Bereits mit dem Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise im Jahre 2008 sind vor allem in den USA Pensionsfonds großer Konzerne wie General Motors komplett pleite gegangen, und die Beschäftigen verloren jeden Anspruch auf ihre Rente. Das Argument, dass dies in Deutschland nicht passieren könnte, weil selbst bei einer Insolvenz des Betriebs die Betriebsrente "sicher" sei, ist irreführend. Denn diese so genannte Insolvenzversicherung des "Pensionssicherungs-Vereins" greift nur bei der Insolvenz des Betriebs, nicht aber wenn ein Pensionsfonds wie in den USA pleite geht. Zudem sichert er nur die über Jahrzehnte tatsächlich eingezahlten Beiträge ohne jeglichen Ausgleich für die jährlichen Teuerungsraten. Wie sich vor allem in Griechenland und in Spanien zeigt, sind die Renten – ob in der gesetzlichen oder privaten Rentenversicherung – ein vorrangiges Angriffsziel zur Abwälzung der Krisenlasten auf die Masse der Werktätigen. Eine wirksame Vorsorge für das Alter kann nur der entschlossene gemeinsame Kampf von Jung und Alt gegen die Abwälzung der Krisenlasten sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen