Dienstag, 18. Dezember 2012

Bertolt Brecht: Lob der Dialektik

Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt. Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre. Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es. Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden. Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut: Jetzt beginne ich erst. Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt: Was wir wollen, geht niemals. Wer noch lebt, sage nicht: niemals! Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht. Wenn die Herrschenden gesprochen haben, Werden die Beherrschten sprechen. Wer wagt zu sagen: niemals? An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns. An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns. Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich! Wer verloren ist, kämpfe! Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein? Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen, Und aus Niemals wird: Heute noch!

Der Nostradamus-Effekt: Wie schlaue Leute im deutschen Fernsehen die Menschen verdummen

Von whs Arbeiterkorrespondenz auf Kommunisten-online vom 17. Oktober 2012 – N24 hat sich am gestrigen Montag wieder mal der Verdummung der Menschheit gewidmet. Wahrscheinlich wurden Däniken und der Maja-Kalender nur nicht aufgeboten, weil die Sendezeit für andere Banalitäten gebraucht wurde. Das einzig Schöne an der ganzen Sache, die Sendungen liefen spät, die meisten Leute konnten sie also nicht sehen. Zunächst einmal wurde der Mond aufgeboten. Seine stabilisierende Wirkung auf die Erdachse ist wissenschaftlich nachgewiesen. Aus dieser Tatsache wurde ein Szenario abgeleitet, was denn nun eigentlich passiert, wenn der Mond nicht mehr da ist; denn es ist auch eine Tatsache, dass sich der Mond von der Erde entfernt. Die Gezeiten werden zum Erliegen kommen. Dadurch fallen viele Meeresströmungen aus, denn nur die Corioliskraft kann diese nicht mehr unterhalten, sagen die Autoren. Gesicherte Erkenntnisse dazu gibt es zwar keine, aber das muss ja nicht ausdrücklich erwähnt werden. Sonst passt ja das Konstrukt nicht mehr. Die Erdachse wird nach dem Verschwinden des Mondes zu taumeln beginnen. Katastrophen werden über die Erde hereinbrechen und für den Tod von Milliarden Menschen verantwortlich sein. Kataklysmen werden die Erde überziehen und ein geordnetes Leben unmöglich machen. Nachdem die Autoren alle Eventualfälle durchexerziert haben, kommt der verschämte Hinweis, dass uns dies gar nicht jucken muss. Denn ehe dies passiert, hat die Sonne ihren Wasserstoff zu Helium fusioniert und wird zum Roten Riesen. Das heißt, die Sonne wird sich aufblähen und die Erde mitsamt ihrem noch nicht entschwundenen Mond einverleiben. Nun fragt sich der Zuschauer, wozu eigentlich die Märchenstunde vorher? Was soll dies, wenn es doch völlig irrelevant ist? Aber die Märchenstunde war keineswegs zu Ende, sie ging noch weiter. Die nächste Sendung beschäftigte sich mit dem Mikrokosmos, mit den Elementarteilchen. Zu dieser Sendung ist eigentlich nicht viel zu sagen, denn sie hatte nur einen Tenor, dass man die Natur nämlich nicht zu erkennen vermag. Es ging also lediglich darum, den Nihilismus wieder salonfähig zu machen. Da ist es doch schon mal von Vorteil, dass Prof. Werner HEISENBERG im Jahre 1927 die nach ihm benannte Unschärferelation formulierte, nach der es nicht möglich ist, den Ort und den Impuls eines Teilchens GLEICHZEITIG genau zu bestimmen. Man kann also nur über ein Ereignis eine genaue Aussage bekommen, während die zweite Aussage nach HEISENBERG „unscharf“, also ungenau ausfallen muss. Genauso wird der Teilchen-Welle-Dualismus zu dieser ominösen Theorie der Nichterkennbarkeit der Welt herangezogen. Aber auf die Idee zu kommen, dass allein schon das Experiment Einfluss auf das zu Untersuchende haben muss (Untersuchungsobjekt und Untersuchungsmittel haben meist die gleiche Größenordnung), scheint niemand zu kommen. Man wundert sich nur, dass es mal so und mal so ist, und schlussfolgert daraus: nicht erkennbar, basta. Nun darf man sich allerdings wieder fragen, woher die Kenntnisse, die wir bis heute errungen haben, eigentlich kommen? Heißt, dass wir etwas heute nicht erklären können, dass wir es morgen, übermorgen auch nicht erklären können? Oder wollen uns da welche was weismachen? Und nun kommt der Hammer, „Die Offenbarung“ mit dem „Brechen der sieben Siegel“. Das wird nicht etwa als Religion verkauft, was ja es schließlich ist. Und schon sind wir wieder im Katastrophenszenario gelandet. Natürlich darf jetzt auch der „gute“ Nostradamus nicht fehlen, mit seinen kryptischen Versen, aus denen man alles heraus- und in die man alles hineinlesen kann, was man will, so man denn will. Da werden dann den einzelnen Siegeln, so sie denn gebrochen werden, Ereignisse der Weltgeschichte zu gedichtet. Also müssen die Siegel auch erbrochen sein. Das ist dann natürlich der logische Schluss. Nun will ich mich nicht mit dieser Scharlatanerie groß aufhalten. Nur ein Beispiel soll das Ganze in seiner Absurdität mal zeigen. „Die Offenbarung“ entstand nach verschiedenen Quellen wohl in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. So man sich damals Gedanken über die Erde und das Weltall machte, dürfte es wohl vor allem von den römischen und den jüdisch-christlichen Vorstellungen geprägt sein. Nach der christlichen Kirche war die Erde eine Scheibe in der Mitte der Welt. Und nun wird interpretiert, dass das Erbrechen des siebten Siegels eigentlich nur den Zusammenstoß der Erde mit einem großen Asteroiden meinen könne, denn es sei geschrieben, dass der Stern „Wermut“ auf die Erde stürze. Die Erde eine Scheibe, die Sterne an den Himmel gepinnt, aber Asteroiden haben sie schon gekannt. Und nun kommt das Größte, es könne eigentlich nicht anders sein, denn ein Stern namens „Wermut“ sei ja nicht bekannt. Da wäre es eigentlich an der Zeit, einen Asteroiden mit diesem Namen zu belegen. Den Autoren der Sendung biete ich mal ein anderes Szenario an: Siegel: das Proletariat entsteht Siegel: das Proletariat wird zur Klasse Siegel: das Proletariat nimmt den Klassenkampf auf Siegel: das Proletariat schafft sich Gewerkschaften Siegel: das Proletariat erhält seine wissenschaftliche Weltanschauung Siegel: das Proletariat gründet seine revolutionäre Partei Siegel: das Proletariat erkämpft die politische und ökonomische Macht. Dieses Szenario scheint mir wirklichkeitsnäher zu sein. Und es hat seine erschreckende Wirkung, denn die Bourgeoisie ist ja der Meinung, wenn sie als Klasse untergeht, geht die Welt unter. Ja klar geht die Welt unter, für die Bourgeoisie, für alle arbeitenden Klassen und Schichten hingegen wird eine neue Welt entstehen, eine schöne, gerechte Welt, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft ist, eine in der der Mensch Mensch sein darf, um Goethe einmal frei zu zitieren. Davor fürchtet sich die Bourgeoisie. Und um diese Furcht nicht Wirklichkeit werden zu lassen, verkleistert sie die Hirne der Menschen mit derart schrägen Sendungen. Ich könnte dem noch eins drauf setzen. Aber das möchte der geneigte Leser selbst tun. Es gibt tatsächlich Sendungen, die sich damit beschäftigen, wie wir Invasionen von Aliens abwehren können. Damit beschäftigen sich im Auftrag der Bourgeoisie „ernsthafte“ „Wissenschaftler“. Wir Kommunisten bleiben in der Realität, in der Welt, in der wir arbeiten und leben. Denn nur hier können wir Veränderungen zugunsten der arbeitenden Menschen erwirken. Das Wühlen Im Kaffeesatz überlassen wir den Bourgeois und ihren bezahlten Lakaien, die sich nicht zu schade sind, ihren guten Namen für derartigen Schwachsinn herzugeben. Aber wir wissen, Geld verbiegt manchen Charakter. Rot Front Werner

Palestine: An expulsion day, 1949

17 December 2012. A World to Win News Service. S. Yizhar's Khirbet Khizeh is about the expulsion of Palestinians from their village in the last months of the 1948-49 war. The novella (short novel) skilfully juxtaposes beautiful images of the landscape of Palestine with the brutality of Israeli soldiers. You feel their boredom, indifference, rage, the thrill of the kill intermingled with the view that they have a right to own this already inhabited land, and their occasional pangs of conscience as they force the villagers into exile. What unfolds in Yizhar’s description is a single day in the implementation of "Plan D" adopted in March 1948 by the Zionist leader and first Israeli Prime Minister David Ben-Gurion (the ideological and political architect of various schemes to rid the land of its Palestinian inhabitants) and his group. An aggressive plan to dislodge the Palestinians, Plan D gave military commanders license to use any methods to achieve its goals. This was one of the first novels written in Hebrew. Acknowledged as a literary masterpiece soon after it was first published in 1949, it has been compared to the writing of American novelist William Faulkner who wrote about the Deep South and the complex relationship between bigoted whites and the descendants of slaves. The appearance of Khirbet Khizeh in the newly created state of Israel caused a swirl of controversy. Its literary quality only made the dispute more bitter. Some people praised it for its honesty, while others condemned it for throwing dirt on Zionism's so-called rightful and noble aims. They hated it because, based on his own experience as an Israeli soldier, Yizar's book gave the lie to the foundational Israeli narrative, that Palestinians left their lands willingly or did what the regional Arab heads of state told them. That "flight" narrative was largely undisputed in Israel for almost three decades until some of the ''New Historians'' like Ilan Pappe and others challenged this thesis with new archival evidence that became available. Khirbet Khizeh was not translated into English until 2008, and not published outside of Israel until 2011, by Granta Books in London. S. Yizar was a pseudonym for Yizar Silanksy. Despite his Zionist family background and political connections (he was a close friend of David Ben-Gurion), he was aware of the moral dilemma embodied in the Zionist vision of a state ''for Jews only''. The narrator's turmoil draws the reader in immediately: ''True, it all happened a long time ago, but it has haunted me ever since. I sought to drown it out with the din of passing time, to diminish its value, to blunt its edge with the rush of daily life, and I even occasionally managed a sober shrug, managed to see that the whole thing had not been so bad after all, congratulating myself on my patience, which is, of course, the brother of true wisdom. But sometimes I would shake myself again, astonished at how easy it had been to be seduced, to be knowingly led astray and join the great general mass of liars – that mass compounded of crass ignorance, utilitarian indifference and shameless self-interest...'' Then the author recounts the day in question: ''the purpose of that entire day from the start, 'operational order' number such and such… the noteworthy clause entitled 'information' which immediately warned of the mounting danger of 'infiltrators', 'terrorist cells', and (in a wonderful turn of phrase) 'operatives dispatched on hostile missions', but also the subsequent and even more noteworthy clause, which explicitly stated, 'assemble the inhabitants of the area extending from point X (see attached map) to point Y (see same map) – load them onto transports, and convey them across our lines; blow up the stone houses, and burn the huts; detain the youths and the suspects, and clear the area of 'hostile forces.''' "... Moishe, the company commander… briefed us about the situation, the lay of the land, and the objective. From which it transpired that the few houses on the lower slope of another hill were some Khirbet Khizeh or other, and all the surrounding crops and fields belonged to that village, whose abundant water, good soil, and celebrated husbandry had gained a reputation almost equal to that of its inhabitants, who were, they said, a band of ruffians, who gave succour to the enemy, and were ready for any mischief should the opportunity only arise; or, for example, should they happen to encounter any Jews you could be sure they would wipe them out, at once – such was their nature, and such were their ways. '' Informed that the soldiers would have to wait, they sing songs, tell tales, nod off to sleep or discuss their mission and the ''Ayrabs'': ''The devil take them,'' said Gaby, '' what beautiful places they have.'' ''Had,'' answered the operator. ''It's already ours.'' ''Our boys,'' said Gaby, ''for a place like this, we would fight like I don't know what, and they're running away, they don't even put up a fight!'' ''Forget these Arabs – they're not even human,'' answered the operator. During the wait, the narrator starts thinking about how fighting the war was one thing, you fought to stay alive, never mind the goal of the war. But emptying the villages ''pestered the soul, and the best thing to do was to rid oneself of it, assume a furious glance and fix it upon that very village, what was its name, the one in front of us.'' The narrator fails to connect the dots, that the systematic emptying of Palestinian villages he describes was a basic goal of the war from the start. ''Once villages were something you attacked and took by storm. Today they were nothing but gaping emptiness screaming out with a silence that was at once evil and sad. These bare villages, the day was coming when they would begin to cry out. As you went through them, all of a sudden, without knowing where from, you found yourself silently followed by invisible eyes of walls, courtyards, and alleyways. Desolate abandoned silence. Your guts clenched.'' When the order is given to attack and gunfire rattles all around there is great glee among the Israeli soldiers. They argue over who is the better shot and who should use the machine gun. Many villagers manage to escape with nothing but the clothes on their back. Frantic mothers desperately gather their children but they and others don't succeed in leaving before the arrival of the soldiers. Going through the village, the narrator is distressed by how similar it is to the countless others they had taken, and by the signs of life left by those who had just fled. ''The mattresses were still laid out, the fire among the cooking-stones was still shouldering, one moment the chickens were pecking in the rubbish as usual and the next they were running away screeching as though they were about to be slaughtered. Dogs were sniffing suspiciously, half approaching, half-barking. And the implements in the yard were still – it was clear – in active use. And silence had not yet settled except as a kind of wonderment and stupefaction, as though the outcome hadn't yet been determined, and it was still possible that things would be straightened out and restored to the way they had been before. In one yard a donkey was standing, with mattresses and colourful blankets piled on its back, falling on their sides and collapsing on the ground, because while they were being hastily loaded, the throb of fear ‘They're-here-already!' had overcome the people, and they'd shouted: 'To hell with it, just run!' And in the next-door courtyard, which contained a kitchen garden, with a well-tended patch of potatoes, the fine tilth of its soil and the bright green of the leaves calling to you and telling you to go straight home and do nothing but cultivate beautiful potatoes.'' As the soldiers pushed through the village, leaving behind the first curls of smoke, they gathered the remaining villagers who had not managed to escape. ''When a stone house exploded with a deafening thunder and a tall column of dust – its roof visible from where we were, floating peacefully, all spread out, intact, and suddenly splitting and breaking up high in the air and falling in a mass of debris, dust, and a hail of stones – a woman whose house it apparently was, leapt up, burst into wild howling and started to run in that direction, holding a baby in her arms, while another wretched child who could already stand, clutched the hem of her dress, and she screamed, pointed, talked, and choked, and now her friend got up, and another, and an old man stood up too, and other people rose to their feet as she began to run, while the child attached to the hem of her dress was dragged for a moment and stumbled to the ground and bawled… She had suddenly understood, it seemed, that it wasn't just about waiting under the sycamore tree to hear what the Jews wanted and then to go home, but that her home and her world had come to a full stop, and everything had turned dark and was collapsing; suddenly she had grasped something inconceivable, terrible, incredible, standing directly before her, real and cruel, body to body, and there was no going back.'' There is some questioning and back-and-forth banter among the Israeli soldiers. ''What will happen to them? What will they eat or drink?'' asked one soldier. Another replies, ‘Stop thinking so much. And if that's the way you feel, you can go with them. ‘ ''Something struck me like lightning. All at once everything seemed to mean something different, more precisely: exile. This was exile.'' The Palestinians are herded together and shipped off in trucks. When the narrator tells his commanding officer that this is a filthy war, he is told that Jewish immigrants will come and settle this land and it will be beautiful, a Hebrew Khizeh on the ruins of the former village. Biblical references abound throughout the book, referring to the two thousand years of exile of the Jews. But the Jews here are now the masters who came, shot, burned, blew up and drove others into exile. In spite of this realization the narrator fails to overcome his moral paralysis and complicity. Much greater crimes were committed during the expulsions than takes place in the book where no Palestinian is killed. While Khirbet Khizeh is a fictitious village, it is nonetheless emblematic of the actual expulsions that occurred with the establishment of the state of Israel and which are still going on today in areas near the ever increasing Israeli settlements in the West Bank. The Israeli historian Pappe calls what the Zionist movement led by David Ben-Gurion and his closest advisors started in 1948 “ethnic cleansing”. More than 500 Palestinian villages were forcefully emptied of their inhabitants through terrorist attacks carried out by various Israeli militias like the Stern Gang, Haganah and Irgun as well as the Israeli Defence Force. Pappe references newly released military and political archives as well as the diaries of David Ben-Gurion. The directives of Plan Dalet included "bombarding villages… setting fire to homes, properties and goods, expulsion, demolition and planting mines among the rubble to prevent any of the expelled inhabitants from returning." Pappe also documents how water supplies were poisoned, and that the atrocities committed included massacres and the rape of many women. All this has been erased from conventional Israeli history. Over 800,000 Palestinians were exiled, more than half the population of Palestine at the time, according to Pappe's figures. Palestinians call it the Nakba or catastrophe. In the book the soldiers differ amongst themselves about what they are doing. ''As they argue they are impressed by a woman with a seven year old child. There was something special about her. She seemed stern, self-controlled, austere in her sorrow. Tears, which hardly seemed to be her own, rolled down her cheeks. And the child too was sobbing a kind of stiff-lipped 'what have you done to us.'... I felt ashamed in her presence and lowered my eyes. It was as though there were an outcry in their gait, a kind of sullen accusation: Damn you... a determination to endure her suffering with courage, and how now, when her world had fallen into ruins, she did not want to break down before us. Exalted in their pain and sorrow above our – wicked – existence they went on their way and we could also see how something was happening in the heart of the boy, something that, when he grew up, could only become a viper inside him, that same thing that was now the weeping of a helpless child.'' The narrator is caught between the indifference of the other soldiers and his own revulsion at what he and they are doing. But in calling the boy's righteous anger a "viper", he reveals an attitude that still sees what he considers the interests of "his people" as higher than the interests of other human beings. He hates the methods being used to create Israel, but does not reject the goal of a Zionist state in Palestine. So he can't resolve his moral dilemma. Revolted by what he and other Israeli soldiers are doing, he remains complicit with what he knows to be intolerable. The author himself was less conflicted. He spent a good part of his life as an officer in the Israeli military

Europäische Polizeibehörden sichern sich Zugriff auf Eurodac-Daten

Als „Eurodac“ geschaffen wurde, hieß es, die Fingerabdruck-Datei diene allein dazu, festzustellen, welcher EU-Staat für ein Asylgesuch zuständig sei. Nun akzeptiert der Innenausschuss des EU-Parlaments, dass die Daten künftig auch für Polizeibehörden zur Verfügung stehen. Das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung wird weiter eingeschränkt – und sie werden als potentielle Straftäter stigmatisiert. Wer in einem EU-Staat sich mit einem Asylgesuch an die Behörden wendet, dem werden Fingerabdrücke abgenommen, die in der sogenannten Eurodac-Datenbank gespeichert werden. Mit Eurodac soll die Funktionsweise der Dublin-Verordnung sichergestellt werden, nach der derjenige EU-Staat für einen Asylsuchenden verantwortlich ist, der in einreisen lassen hat. Kommt etwa in Deutschland ein Flüchtling mit den Behörden in Kontakt, so gleichen sie in der Regel dessen Fingerabdrücke mit der Eurodac-Datenbank ab. Wird dabei ein „Eurodac-Treffer“ festgestellt, der zeigt, dass der Betroffene bereits in Italien aufgegriffen wurde, steht für die Behörden in der Regel fest, dass der Betroffene nach Italien zurückgeschoben wird. Flüchtlinge, die etwa innerhalb der EU weiterflohen, weil sie monatelang in Rom als Obdachlose auf der Straße leben mussten oder in ungarischen Haftzentren eingesperrt wurden, zerstören sich in manchen Fällen aus Verzweiflung die Fingerkuppen, um nicht dorthin zurückgeschoben zu werden. Nach der bisherigen Rechtslage war die Durchsetzung der Dublin-Verordnung der einzige Zweck der Fingerabdruck-Datenbank. Mit der nun von den Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen angenommenen Neufassung der EURODAC-Verordnung wird die klare Zweckbindung der Datei aufgehoben. Nun dürfen auch Polizeibehörden auf die Fingerabdrücke der Flüchtlinge zugreifen. Damit wird nicht nur das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen beschnitten. Der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hatte gewarnt, die Gesetzesänderung berge ein „Risiko der Stigmatisierung“. Menschen, die in Europa Schutz suchen, werden durch die neue Eurodac-Verordnung unter Generalverdacht gestellt, kriminell zu sein. Befürworter der Veränderung betonen indes, dass die Polizei nur unter strengen Auflagen auf die Daten zugreifen dürfe. Die Argumentation ist naiv, folgt doch bereits die eben vom Innenausschuss des EU-Parlament durchgewunkene Gesetzesänderung einem altbekannten Schema: Zunächst werden datenschutzrechtliche Bedenken mit dem Hinweis beiseite gewischt, die Daten würden nur zu ganz bestimmten Zwecken erhoben. Sobald die Daten erfasst sind, melden Sicherheitsbehörden Begehren an. In der Folge wird die enge Zweckbindung Schritt für Schritt aufgehoben. Ein Mechanismus, den man bei Projekten zur Datenerhebung stets bei ihrer Beurteilung von vornherein bedenken muss – ganz gleich, um welche und um wessen Daten es geht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereitet die EU-Kommission bereits eine weitere Verordnung vor, nach der nicht nur von Flüchtlingen, sondern von sämtlichen EU-Ausländern Fingerabdrücke genommen und gespeichert werden sollen. Eurodac-Dossier der Abgeordneten des Europa-Parlaments Ska Keller

Urteil gegen Marco Camenisch vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in Sachen bedingte Entlassung

Am 8. November (am 19. November erhalten) hat das VG über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Direktion der Justiz und des Inneren Kt. Zürich meines Rekurses gegen Nichtgewährung meiner bedingten Entlassung durch das Amt für Justizvollzug entschieden (bzw. Nicht entschieden). Wie ich schon informiert habe (im Schreiben vom 19.01.2012) lehnte ich damals eine Nichtanhörung ab, was mir dann in den negativen Entscheiden in 1. und 2. Instanz auch prompt als weiteres Beispiel meiner mangelnden Kooperationsbereitschaft angelastet wurde. Das VG erachtete das in diesem Fall auch zu behandelnde Rechtsgut einer „korrekten“ mündlichen Anhörung immerhin als dermaßen gewichtig, dass nicht wie üblich ein Einzelrichter sondern ein Kollegium aus drei RichterInnen sich mit der Angelegenheit befasste (bzw. Nicht befasste…). So fasst das VG zur „Nichtanhörung“ zusammen: … Zusammenfassend ergibt sich, dass das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers mangels vorgängiger mündlicher Anhörung verletzt worden ist. Die Gehörsverletzung wiegt schwer und kann im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Demzufolge ist eine Rückweisung der Sache an die Erstinstanz (Amt für Justizvollzug ZH) angezeigt (…), die nach entsprechender Anhörung des Beschwerdeführers über die Sache neu zu befinden hat. Dies führt zu einer teilweisen Gutheissung der Beschwerde. … Und entscheidet: … Die Verfügung der Direktion der Justiz und des Inneren vom 5. Juli 2012 sowie die Verfügung des Beschwerdegegners (Amt für Justizvollzug) vom 13. April 2012 werden … aufgehoben und die Sache wird an den Beschwerdegegner zur neuen Entscheidung zurückgewiesen. … Und zur Verweigerung des unentgeltlichen* Rechtsbeistandes* durch die Direktion der Justiz und des Inneren wegen „Aussichtslosigkeit der Beschwerde“. … Für die Gewährung eines ** ist vorausgesetzt, dass der Gesuchsteller mittellos ist und die Beschwerde nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (§…). wegen lang im Knast ist von … Mittellosigkeit auszugehen. … Angesichts der teilweisen Gutheissung der Beschwerde kann jedoch auch der Rekurs an die Direktion der Justiz und des Inneren nicht als aussichtslos bezeichnet werden, umso weniger, als der Beschwerdeführer auch schon im Rekursverfahren die ungenügende Anhörung bestanden hatte. Als weitere Voraussetzung… für einen unentgeltlichen Rechtsvertreter … darf der Mittellose gemäss § … nicht in der Lage sein, seine Rechte selbst zu wahren. … Wenn … der betroffenen Person … eine schwerwiegende freiheitsentziehende Massnahme droht, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten… Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem Jahr 1991 ununterbrochen in Haft, was überdies für die Notwendigkeit einer Rechtsvertretung spricht… Und entscheidet: Somit ist … für das Rekurs- und Beschwerdeverfahren ein unentgeltlicher Rechtsbeistand in der Person von RA BR zu bestellen. … Die Direktion der Justiz und de Inneren wird angewiesen, RA BR für seine Aufwendungen im Rekursverfahren angemessen zu entschädigen. … Auch die von der Direktion der Justiz und des Inneren mir aufgebürdeten Rekurskosten von 841.- Sfr und die aktuellen VG-Kosten von 1140.- Sfr werden vom VG dem Amt für Justizvollzug auferlegt. Dieses erhält also vom VG (immerhin…) wieder eine der häufigen „Hauen“ wegen seinen üblichen rechtlich ziemlich üblen Rechtsverletzungen, die von seiner Direktion der Justiz und des Inneren regelmässig (und bei Beschwerden immerhin, bisweilen, erfolglos…) abgesegnet werden. Ansonsten ist festzuhalten, dass die Justiz (immerhin!) Knastzeit gegen mich herausgeschindet hat, und dass das ganze nun von Vorne anfängt. Mein Rechtsvertreter mahnt nun umgehend die Frageliste zur ominösen mündlichen rechtlichen Anhörung und ein zügige Neue Entscheidung an. Zu erwarten sind nun einfach rechtlich korrektere und ansonsten inhaltlich genau gleiche Negativentscheide, mit denen sich das VG (und danach das BG als letzte Instanz) letztlich doch befassen müssen wird… Als nächstes könnte also bald diese Anhörung stattfinden und die vom Amt für Justizvollzug im August 2012 vom Knast hier angeforderte Empfehlung (zu k/einer bedingten Entlassung) erfolgen, über die ich umgehend, sobald ich Kopie davon erhalte, weiter informieren werde. marco camenisch, 25. November 2012, Lager Lenzburg, Schweiz

Mexiko: Solidarität mit den Verhafteten und den Opfern der Repression nach der Amtseinführung von Enrique Peña Nieto

Am 1. Dezember feuerten Sicherheitskräfte aus Bundes- und lokalen Polizeibehörden mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten auf Demonstrant*innen, verletzten dabei Dutzende Menschen, mindestens zwei liegen noch immer im kritischen Zustand im Krankenhaus. Die Einwohner*innen von Mexiko-Stadt gingen auf die Straße, um gegen die Amtsübernahme durch den neuen mexikanischen Präsidenten, Enrique Peña Nieto, zu protestieren. Bei Tagesanbruch sahen sie sich plötzlich ungewöhnlich starker Polizeirepression ausgesetzt. Als früherer Gouverneur des Bundesstaats Mexiko war Enrique Peña Nieto direkt verantwortlich für die Polizeigewalt in San Salvador de Atenco während der Proteste gegen einen Flughafenprojekt in 2006. Seine unsaubere Wahl im Juli deutete bereits die Rückkehr der PRI zur Macht an, der Partei der Institutionalisierten Revolution, die Mexiko 70 Jahre lang ununterbrochen regierte und sich dabei massiv auf Gewalt und Korruption stützte. Die Rede- und die Versammlungsfreiheit stellen fundamentale Rechte der Menschen dar, um ihrer gesellschaftlichen Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Auf dem Weg zum Hauptplatz in der Hauptstadt, dem Zocalo, waren jedoch Absperrgitter und Metallwände errichtet worden, um die an der Demonstration teilnehmenden Studierenden, Lehrer*innen, Arbeiter*innen und Anarchist*innen daran zu hindern, dem Parlamentsgebäude von San Lazaro näherzukommen. 6.000 Riot-Cops schikanierten die Demonstrant*innen, die sich angesichts des unverhältnismäßigen Polizeiaufmarsches in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sahen. Die Antwort des neuen Präsidenten auf die Unmutsäußerungen einer Bevölkerung, die den alltäglichen Kampf gegen Armut und Korruption mehr als leid ist, besteht also in brutalen Übergriffen, massiven Verhaftungen und Folter in den Polizeizellen. 67 Menschen sind noch immer in Haft – ihnen drohen Haftstrafen von 10 bis 30 Jahren für „Angriffe gegen den öffentlichen Frieden und die Stabilität des Staates“. Die Aufstandbekämpfungstruppen setzten in Mexiko verbotene Gummigeschosse ein, von denen die UNO sagte, dass sie in keinem Fall in einem Abstand von weniger als 30 Metern verschossen werden dürften. Zu den daraus resultierenden Wunden gehörten der Verlust eines Auges und eine ernsthafte Kopfverletzung. Auch Passant*innen, die sich lediglich im Bereich der Konfrontationen aufhielten und nicht an der Demonstration teilnahmen, wurden willkürlich verhaftet. Das Ziel ist klar: jeglichen sozialen Widerstand zu spalten, zu zerstören, zu zermürben. Als Gipfel der Verleumdung und des Zynismus, versucht nun der ‘oberste Chef’ von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, die Anarchist*innen als Schuldige auszumachen. Sie würden hinter den gewalttätigen Auseinandersetzungen stecken, obgleich sie sich doch lediglich gemeinsam mit der Bevölkerung verteidigten. Als staatliche Sündenböcke werden nun Organisationen wie die Anarchistische Studierendenkoordination, Yosoy132 und Anarchist Black Cross ausgemacht, die sich offen gegen jegliche Kriminalisierung sozialer und studentischer Proteste stellen. Die Verfolgung von und die Diffamierungskampagne gegen Anarchist*innen ist nicht neu, bekommt zur Zeit aber sehr viel Präsenz in den Massenmedien, die mitschuldig sind an den unsauberen Wahlen. Es mag nur daran erinnert werden, dass erst beim letzten 1. Mai rund 300 Anarchist*innen vor dem Revolutionsmonument eingekesselt worden sind. Die Federation Anarchiste bekräftigt ihre absolute Solidarität mit den Opfern der Angriffe der Schergen des Systems und stellt sich auf die Seite derjenigen, die den Staat und seine Gewalt bekämpfen, in Mexiko oder anderswo. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Verhafteten und die Einstellung aller Verfahren! Das Internationale Referat der Federation Anarchiste (francophone)

Protestaktionen anlässlich der Urteilsverkündung im Fall Oury Jalloh/ am Beispiel Leipzig

Heute fand die 2. Demonstration in Leipzig nach dem Urteil gegen den Polizisten (Dienstgruppenleiter ) Andreas Schubert statt, der Oury Jalloh in der Dessauer Polizei Zelle verbrennen lies. Bereits gestern demonstrierten 40 AntirassistInnen und AntifaschistInnen auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt um auf den Mord an Oury Jalloh und das skandalöse Urteil aufmerksam zu machen. Die 2.Demonstration fand heute um 1Uhr Abends mit 150 Menschen in Connewitz statt. Einiges ging zu bruch. Am 7. Januar 2005 ist Oury Jalloh im Polizeirevier Dessau bei lebendigem Leib verbrannt. Bis heute ist nicht geklärt, was an diesem Tag in Zelle Nr. 5 tatsächlich geschehen ist. Während Verwandte, FreundInnen und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh von Mord sprechen, wurde im ersten Prozess gegen zwei Polizisten lediglich Anklage wegen „fahrlässiger Tötung“ bzw. „fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge“ erhoben. Der Prozess endete mit einem Freispruch, obwohl sich PolizeizeugInnen in eklatante Widersprüche verwickelt hatten. Am 7. Januar 2010 kassierte der Bundesgerichtshof in einer spektakulären Entscheidung das Urteil des Dessauer Landgerichts. Der Fall wurde nun seit zwei Jahren vorm Landgericht Magdeburg neu verhandelt. Bis heute fußte die Klage der Staatsanwaltschaft auf der Annahme, dass Oury Jalloh trotz Fixierung an Armen und Beinen mit einem Feuerzeug seine feuerfeste Matratze selber angezündet habe. Das fragliche Feuerzeug ist jedoch erst zwei Tage nach dem Brand aufgetaucht. Zudem wurde bei einer erneuten Untersuchung dieses Feuerzeugs ganz klar festgestellt, dass es sich zur Brandzeit nicht am Brandort befunden haben kann. Denn es weist keinerlei Materialspuren der Matratze oder der Kleidung von Oury Jalloh auf. Mit diesen hätte es aber verschmolzen sein müssen. Ebenfalls verschwunden sind die Videobänder von der Durchsuchung der Zelle, hinzu kommen weitere Ungereimtheiten. Anwalt des Vaters von Oury Jalloh trägt Philipp Napp in seinem Plädoyer die wichtigsten Fragen zusammen, die sich in den letzten Monaten prozessual aus der Indizienlage ergeben haben: - Woher kommt das Feuerzeug? Es ist keine DNA von Oury Jalloh, keine Stoff- und Faserreste seiner Kleidung oder der Matratze, auf der er lag, am Feuerzeugrest nachweisbar! - Ein Undokumentierter Aufenthalt der Polizisten Hans-Ulrich März und Udo Scheibe in der Zelle 5, in welcher Oury Jalloh von denselben Beamten einige Stunden zuvor an Händen und Füssen gefesselt worden war! Ein Kollege hatte die beiden dort eine halbe Stunde vor Brandausbruch angetroffen. Was haben die beiden bei Oury Jalloh gemacht? - Warum sind zentrale Beweismittel verschwunden? (verschwunden sind unter anderem: die rechte Handfessel, ein 8 cm langes Stoffstück, dass unter dem Kopf von Oury Jalloh gefunden wurde, das entscheidende Videomaterial der Tatortgruppe, das Fahrtenbuch von März und Scheibe, der entsprechende Journaleintrag wurde auf mysteriöse Weise gelöscht, ein Gesprächsvermerk, in welchem es um das öffentlich bekannte rassistische Vorgehen der Dessauer Polizei ging). - Wie ist das Auffinden Situation von Oury Jalloh zu erklären? Abgebrannte Matratzenecken, Amputation der Finger der linken Hand, Stoffreste unter Oury Jallohs Hinterkopf, unbekleidete Brust, vorgeführte Hosenreste passen nicht zu den Verbrennungen seines Gesäßes. - Warum wurde bei einem derart wichtigen Ereignis am Tatort kein Fotoionendetektor eingesetzt? - Wie ist die Abwesenheit von Noradrenalin erklärbar? Die Kammer geht darüber hinweg, dass Oury Jalloh bewusstlos gewesen sein muss. Noradrenalin entsteht bei Stress und ist innerhalb von 10 – 30 Sekunden im Urin nachweisbar - Hat der Andreas Schubert Oury Jalloh am 7. Januar 2005 lebend gesehen? Schubert bestreitet dies, obwohl mehrere Zeugenaussagen davon berichteten, dass der Angeklagte im Gewahrsamsbereich war. Das Schweigen des Gerichtes hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragen und das ignorante und boshafte Verhalten der Richterin sind weitere schwere Demütigungen der Familie und der Freunde von Oury Jalloh, die seit fast 8 Jahren die Aufklärung der Todesursache fordern. Warum darf dies nach insgesamt 4 Prozessjahren nicht geschehen? Indem verantwortliche Personen des damaligen Innenministeriums Sachsen – Anhalts die Ermittlungsausrichtung im Fall Oury Jalloh auf die unglaublichste aller möglichen Brandursachen – die Selbstentzündungshypothese – beschränkten, sollte darüber hinweggetäuscht werden, dass in der Polizeidienststelle Dessau Menschen in Gewahrsam umgebracht werden. Dieses Revier war bekannt für seinen „harten Umgang mit Ausländern“, zudem gab es zwei weitere, bis heute ungeklärte Todesfälle: Ein Herr Rose wurde alkoholisiert von der Polizei im Park aufgegriffen und in Gewahrsam verbracht. Am Morgen lag er tot vor einem Hochhaus, zu welchem er keine persönliche Beziehung hatte. Der obdachlose Mario Bichtemann kam in der gleichen Zelle ums Leben, wie Oury Jalloh. Nach mehrstündiger Ingewahrsamnahme wurde er mit einem Schädelbruch aufgefunden. Leitender Dienstgruppenleiter war an diesem Tag ebenfalls Andreas Schubert. Wenn es nichts zu verbergen gibt, warum lässt sich das Gericht nicht auf Brandversuche mit Brandbeschleunigern ein? Zwei Menschen sterben in ein und derselben Zelle auf ungeklärte Weise und die Justiz in Sachsen – Anhalt verschließt die Augen? Der Mord an Oury Jalloh soll vertuscht werden, zu groß wären der Skandal und der Imageschaden für Sachsen-Anhalt damals wie heute. Auf Anweisung des Innenministeriums wurden alle Ermittlungsausrichtungen auf die Selbstentzündungsthese, die unglaublichste aller Erklärungen für den Brandausbruch, beschränkt. Ein rassistischer Mord, begangen durch Dessauer Polizeibeamte, wurde – und wird – durch die höchsten Instanzen Sachsen-Anhalts gedeckt. 2. Demonstration in Leipzig Heute demonstrierten nochmal 150 Menschen in Leipzig. Sie trugen ein Transparent mit der Aufschrift "Kampf dem Rassismus - enough is enough" und zogen mit Parolen wie: "Oury Jalloh das war Mord! Widerstand an jedem Ort", "Deutsche Polizisten, Mörder und Rassisten", " Die ganze Welt, hasst die Polizei" "Policia Assassini!", "Solidarität muss praktisch werden, Feuer und Flamme, den Abschiebebehörden" und weiteren Parolen durch die Straßen. Während der Demonstration wurden Barrikaden errichtet und folgende Gebäude entglast: Sparkasse, REWE, Netto, Wiedebachpassagen, der Hauptsitz der Immobilienfirma Hildebrandt & Jürgens, mehrere Werbebanden und eine Haltestelle. Die Polizei verstreute am Ende die Demonstration und wurde nur vereinzelt angegriffen. Wir wünschen der Familie und den FreundInnen von Oury Jalloh viel Kraft und Mut um doch noch die Wahrheit ans Licht zu bringen. Ihnen gilt unser Mitgefühl und unsere Solidarität. https://linksunten.indymedia.org/de/node/73913

Montag, 17. Dezember 2012

Die Kriminalisierung antifaschistischer Gesinnung: Extremismusklausel

Seit Anfang 2011 ist die so genannte Extremismusklausel der Familienministerin Kristina Schröder in Kraft. „Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten. Als Träger der geförderten Maßnahme haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten (Literatur, Kontakte zu anderen Trägern, Referenzen, die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder etc.) und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“ Diese Klausel, genannt Demokratieerklärung, muss von allen Projekten und Initiativen gegen „Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ unterschrieben werden, die Mittel aus dem Programm des Bundes haben wollen, das ausgerechnet „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ heißt. Ungeachtet wissenschaftlicher Gutachten und massiver Kritik breiter Teile der Gesellschaft, wie Gewerkschaften, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentralrat der Muslime in Deutschland, dem Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V., Kirchen und Parteien und zahlloser betroffener Initiativen, hält Ministerin Schröder an ihrer Klausel eisern fest. Übertroffen wird sie freilich vom Freistaat Sachsen, der die Klausel nicht nur auf Landesebene einführte, sondern zusätzlich verlangt, dass alle PartnerInnen ebenfalls ihre Unterschrift leisten müssen. Der Versuch der CSU, die Klausel in München als erster Kommune einzuführen, scheiterte am Münchner Stadtrat. Zuvor hatte schon die im Münchner Stadtrat vertretene NPD-Tarnliste BIA (Bürgerinitiative Ausländerstopp) erfolglos einen entsprechenden Antrag gestellt. Im Bezirk Berlin-Mitte einigten sich CDU und SPD unlängst darauf, die Vergabe von Fördergeldern an die Unterzeichnung einer Klausel zu binden. Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. Ulrich Battis kam bereits im November 2010 zu dem Schluss, dass die Extremismusklausel zumindest in Teilen nicht verfassungskonform ist. Auch Harald Georgii vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages äußerte in seinem Gutachten vom 13. 1. 2011 Kritik am verlangten „Bekenntnis“: „Eine bestimmte Meinung nicht zu haben bzw. nicht äußern zu wollen, fällt in den Schutzbereich des Artikels 5 Abs.1 GG. Die Meinungsfreiheit, die ihrerseits konstituierend für die Demokratie ist, lässt selbst eine kritische Auseinandersetzung mit Verfassungsgrundsätzen und -werten zu“. Ein Gutachten zur sächsischen Klausel, erstellt vom Juristischen Dienst des Sächsischen Landtages, bestätigte im Oktober 2011 die Fragwürdigkeit des Bekenntniszwanges ebenfalls mit Verweis auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Nicht allein das Bundesfamilienministerium beweist hier erheblichen Förderbedarf in Toleranz und Kompetenz. Wenn Vereine ihre PartnerInnen oder ReferentInnen in Geheimdienstberichten recherchieren müssen, um anschließend behördlich überprüft zu werden, ob die Ermittlungstätigkeiten ordnungsgemäß durchgeführt wurden, ist das einzige, was verlangt und gefördert wird, Spitzel- und Denunziantentum. Und anderes ist von einer rechten Hardlinerin wie Kristina Schröder auch nicht zu erwarten. Seit ihrem Amtsantritt gibt sie sich jede Mühe, den Schröderschen (Gerhard) „Aufstand der Anständigen“ (so kritisch dieser auch zu bewerten ist) durch die Schrödersche (Kristina) „Bekämpfung des Extremismus“ zu ersetzen, den Fokus vom „zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rechtsextremismus und Neonazis“ auf die Bekämpfung jeder Form des „Extremismus“ zu verlagern. Dass dies nicht nur eine ideologische Debatte ist, haben inzwischen zahlreiche Initiativen gegen Nazis zu spüren bekommen, die bisher aus Bundesprogrammen gefördert wurden. Wissenschaftliche Extremismus-Legende Die wissenschaftliche Basis der Extremismus-Formel liefern allen voran der Politikprofessor und stellvertretende Direktor des Hannah Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Uwe Backes, und der Professor an der TU Chemnitz, Eckhard Jesse. Sie gehen davon aus, dass eine breite „Mitte der Gesellschaft“ auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vom linken und vom rechten Rand aus bedroht wird. Die beiden „Ränder“ werden von ihnen als Endpunkte eines Hufeisens dargestellt – weit weg von der „Mitte“, aber einander sehr nah. Und folgerichtig stellen sie ihre Forschung in den Dienst eines „wehrhaften Verfassungsstaates“, damit – in Deutschland kennt man sich da ja aus – sich die Katastrophe von 1933 nicht wiederholen könne. Denn damals sei die Demokratie im „Zusammenwirken der Republikfeinde (insbesondere KPD und NSDAP)“ bedroht worden. So zu lesen im Editorial zum „Jahrbuch Extremismus und Demokratie 2010“, das u.a. von den beiden herausgegeben wird. Das ist natürlich höherer Blödsinn von besonderer Güte und Dreistigkeit. Zugrunde gerichtet wurde die Weimarer Demokratie von bürgerlichen Parteien, dem Kapital und dem Militär – der „Mitte der Gesellschaft“ – und die „Katastrophe von 33“ war die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und die Koalition von NSDAP und DNVP (und nicht KPD). Diese Umdeutung historischer Tatsachen findet ihre Fortsetzung im wohl bewussten Leugnen gegenwärtiger Gegebenheiten. Die Studie „Die Mitte in der Krise – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung attestiert auch heute Deutschlands „Mitte“ eine wachsende Zustimmung zu „rechtsextremen Einstellungen“: Gut jede/r Vierte befürwortet eine „starke Partei“, die die „Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“, etwa ein Zehntel hätte gerne einen Führer und eine Diktatur. Mehr als 30 Prozent der Deutschen äußern sich ausländerfeindlich und finden Deutschland „überfremdet“. „Der Anteil der Bevölkerung, der antisemitisch eingestellt ist und dies offen (…) zu erkennen gibt, liegt (…) bei knapp 10 %. Vorstellungen, dass der ‚Einfluss der Juden zu groß‘ ist, dass ‚Juden mehr als andere mit üblen Tricks arbeiten‘ und dass ‚sie etwas Besonderes und Eigentümliches an sich haben und nicht so recht zu uns passen‘, sind keineswegs Ansichten am Rand der Gesellschaft.“, so die AutorInnen der Studie. Solche Umfrageergebnisse zeigen in aller Deutlichkeit die Falschheit der Extremismus-These. Vor allem aber zeigen sie, dass antifaschistisches, fortschrittliches Engagement und linke Gesellschaftskritik so notwendig sind wie eh und je. Und gerade die, die gegen Faschismus, Rassismus und Chauvinismus in der „Mitte der Gesellschaft“ kämpfen, laufen Gefahr, an den linken „Rand“ definiert und damit kriminalisiert zu werden. Ihre Gleichsetzung mit faschistischer, menschenverachtender, ausgrenzender Weltanschauung ist eine bodenlose Unverschämtheit. Die Demokratie-Wächter Eingeführt wurde der Begriff des „Extremismus“ vom Verfassungsschutz in Zusammenarbeit mit einigen Politologen, u.a. den schon erwähnten Professoren. Der Begriff findet sich weder im Grundgesetz, noch in irgendeinem anderen Gesetz. Insofern ist er strafrechtlich nicht relevant. „Extremismus“ ist ein politischer Begriff, über den einige „Wissenschaftler“, die Innenministerien und der Verfassungsschutz die Deutungshoheit haben. Das bayerische Innenministerium gibt beispielsweise die Faltblattserie „Demokratie in Gefahr“ heraus, damit auch diejenigen, die vielleicht sonst Schwierigkeiten hätten einen Extremisten zu erkennen, dazu in die Lage versetzt werden. In der Ausgabe zum „Linksextremismus“ heißt es da: „Charakteristisch für alle Linksextremisten in Deutschland ist ihre antifaschistische, antirassistische und antiimperialistische Grundhaltung. (…) Klassische Aktionsfelder für Linksextremisten sind ‚Neonazismus/Faschismus‘, ‚Antiimperialismus‘, ‚Anti-Globalisierung‘, ‚Anti-Kernkraft‘, ‚Antimilitarismus‘, ‚Antirassismus‘, ‚Asyl- und Abschiebeproblematik‘ und der Kampf gegen ‚Sozialabbau‘.“ Bei soviel „Anti“ geht dann leicht auch mal das eine oder andere verloren … Und wo lässt sich eine solche Ideologie besser absetzen als in den Schulen. Im September 2011 erschien, gefördert vom Familienministerium, die Broschüre „Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern“ der „Zeitbild Stiftung“ als kostenloses Unterrichtsmaterial für Schulen. Das Vorwort steuert die Familienministerin bei. Sie warnt darin, dass linksextreme Positionen bisher zu wenig beachtet wurden. Es gelte, wachsam zu sein, deshalb soll „dieses Magazin (…) Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler für das Thema Linksextremismus sensibilisieren. (…) Zudem erhalten Sie methodische Anregungen zu pädagogischen Zugängen und Umgangsweisen mit dem Thema Linksextremismus.“ Und das funktioniert unter anderem so: Arbeitsblatt 10 trägt den Titel „Wie macht man gleich?“ Eine Grafik illustriert die Aussage, dass das reichste Zehntel der Bevölkerung der Bundesrepublik über 61,1 Prozent des gesamten Einkommens verfügt. Dieses Zehntel kommt für 51,8 Prozent der Einkommensteuer auf. Die Aufgabe für die SchülerInnen: „Um die Ungleichheiten in Einkommen und Vermögen auszugleichen, erhebt der Staat Steuern. Diskutiert in der Gruppe, ob es gerecht ist, dass ein Zehntel der Bevölkerung über 50 Prozent des Steueraufkommens leistet.“ Auf derselben Seite werden folgende Aussagen zum Thema Gleichheit nebeneinander gestellt. Zunächst: „Linksextremisten machen die ‚kapitalistische Klassengesellschaft‘ für alle sozialen Probleme verantwortlich. Ihre Forderung: ‚Durch radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden.‘“ Und dann: „(…) die Tatsache, dass Menschen von Geburt an verschieden sind in physischen und geistigen Begabungen, kann nicht hinwegdiskutiert werden. Einige übertreffen ihre Mitmenschen an Gesundheit und Kraft, an Verstand und Fähigkeiten, an Energie und Entschlusskraft, und sind dadurch besser als der Rest der Menschheit geeignet zum Verfolg irdischer Angelegenheiten (…).‘ Ludwig von Mises (1961): Gleichheit und Ungleichheit, Chicago“. Diesmal sollen die SchülerInnen entscheiden, wer die besseren Argumente hat, die „Linksextremisten“ oder der Experte Ludwig von Mises. Die Art der Fragestellung zur Besteuerung und die Verknüpfung mit den beiden Zitaten gibt eine politische Position vor, die gesellschaftliche Solidarität als „linksextremistisch“ diffamiert und als Alternative übelsten Sozialdarwinismus anzubieten hat. Da im Quellenverzeichnis überwiegend Verfassungsschutzämter genannt sind, überrascht es nicht weiter, dass sich eine Liste „linksextremistischer Organisationen“ wie eine Auswahl aus den VS-Berichten liest. Das Kapitel „Argumente des Linksextremismus“ gibt schließlich Hinweise, was Kristina Schröder mit der Extremismusklausel will. Denn hier geht es vor allem um Antifaschismus, der von den „Linksextremisten“ missbraucht würde. Antifaschismus sei nämlich, wie Antikommunismus, im Allgemeinen eine demokratische Grundposition. Gleichwohl gelte, dass nicht jeder Antifaschist ein überzeugter Demokrat sein müsse. Demokratischer Antifaschismus sei demnach die Ablehnung rechtsextremistischer Positionen und Rechtsdiktaturen wie dem Nationalsozialismus, von dem es lapidar heißt: „Dessen Vertreter hatten in Deutschland in der Zeit von 1933 bis 1945 Grundrechte aufgehoben sowie Oppositionelle und als nicht dem Volk zugehörig Definierte verfolgt und ermordet.“ Unter der Überschrift „Antidemokratischer Antifaschismus“ bekommen die SchülerInnen dann eine kleine Kostprobe in Totalitarismustheorie. Auf dem entsprechenden Arbeitsblatt zum Thema ist der Widerstand gegen den Nationalsozialismus noch nicht einmal mehr erwähnt. Dort sind die guten AntifaschistInnen die liberale Opposition gegen Mussolini und die Gegner Francos. Die Definition des „extremistischen Antifaschismus“ liefert Armin Pfahl-Traughber1: „Die (…)kommunistische Faschismus-Definition geht demgegenüber davon aus, dass Faschismus in wirtschaftlichen Krisen notwendigerweise aus dem Kapitalismus folgt. Damit beabsichtigt ein konsequenter Antifaschismus in diesem Sinne die Abschaffung der Wirtschaftsordnung des Kapitalismus und damit auch der als bürgerlich geltenden parlamentarischen Demokratie.“ Trotz dieser sehr verkürzten Darstellung lässt sich erkennen, dass sich Kommunistinnen und Kommunisten – und nicht nur die – damit einer Analyse schuldig machen, nach der Faschismus nicht vom Himmel fällt und womöglich sogar in der „Mitte der Gesellschaft“ zu verorten sei. Bilanz Nach über einem Jahr Extremismusklausel konnten zahlreiche Projekte nicht umgesetzt werden – die Mittel fehlten, weil die TrägerInnen die Klausel nicht unterschreiben wollten. Das Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus etwa musste eine Bildungsreise für Jugendliche nach Auschwitz absagen und das Projekt „Spurensuche in Fürth“ kam nicht zustande. Das selbstverwaltete Jugendkulturzentrum Conne Island in Leipzig konnte ein Projekt zur Geschichte des Hauses nicht durchführen. Der Frauenkultur e.V., ebenfalls aus Leipzig, konnte eine Publikation über rechtsextreme Frauen nicht erstellen. Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN – BdA) fehlen die Mittel zur Fortführung eines Projekts zum Aufbau verschiedener Gedenkstätten in Berlin. Der AKUBiZ e.V. aus Pirna, dem schon im November 2010 der Sächsische Förderpreis für Demokratie aberkannt wurde, weil der Verein die Extremismusklausel nicht unterschrieb, konnte 2011 ein Projekt zum ehemaligen Konzentrationslager Königstein nicht umsetzen. Der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) in Berlin wurde die Förderung widerrufen, nachdem sie nur das Bekenntnis zur FdGO, nicht aber die Zusage zur Bespitzelung unterschrieben hatte. Die Stadt Jena hat auf Bundesmittel verzichtet, weil die Kommune die Extremismusklausel nicht von TrägerInnen unterzeichnen lassen will. Und so weiter und so fort. Die überwiegende Mehrheit der TrägerInnen hat die Klausel jedoch mehr oder weniger zähneknirschend unterschrieben. Die mühsam aufgebauten Strukturen (an denen zuweilen auch die Existenz ihrer MitarbeiterInnen hängt) aufgeben zu müssen, den Betroffenen rechter Gewalt die Unterstützung entziehen zu müssen, die wichtige Arbeit im Kampf gegen Nazis einstellen oder einschränken zu müssen – all dies mögen Gründe sein, die zu einer solchen Entscheidung führen. Aber sie hat einen hohen politischen Preis. Mit jeder Unterschrift wird der rechtsbürgerlichen Auffassung von demokratischer Kultur zur Allgemeingültigkeit verholfen, das staatliche Extremismus-Konstrukt gestützt und die Entsolidarisierung vorangetrieben. Die Bedrohung kommt aus der „Mitte“ Die Klausel ist ein Instrument, das in übergeordnetem Zusammenhang steht. Sie schränkt auf der einen Seite den politischen Spielraum ihrer UnterzeichnerInnen extrem ein und die Kriminalisierung unabhängiger antifaschistischer Initiativen lässt sich einfacher ins Werk setzen. Auf der anderen Seite mischt sich der Inlandsgeheimdienst – als ein staatliches Repressionsorgan! – zunehmend in den gesellschaftlichen Diskurs ein. Dass dessen „Erkenntnisse“ äußerst fragwürdig sind und die Nennung verschiedener antifaschistischer Initiativen in den Verfassungsschutzberichten immer wieder vor Gericht untersagt wird, ist dabei nur ein Aspekt. Politische Bildungsarbeit soll nur leisten, wer sich jede Kritik an Staat und Verfassung versagt. Gleichzeitig aber betätigt sich der Geheimdienst selbst immer mehr auf diesem Gebiet. Die gespenstische Vorstellung, dass die antifaschistische Aufklärungsarbeit künftig durch den Verfassungsschutz geleistet wird, ist keineswegs aus der Luft gegriffen. In mehreren Bundesländern tritt der Geheimdienst seit einigen Jahren offensiv als Bildungsakteur z.B. in Schulen auf. Dies muss jeder fortschrittlich denkende Mensch, dessen Demokratieverständnis sich nicht darauf beschränkt, auf dem Boden des „ehernen“ (aber bei Bedarf ruckzuck geänderten) Grundgesetzes stehen zu bleiben, als ernste Bedrohung empfinden. Die Kritik darf sich daher nicht auf die Klausel beschränken, sie muss die staatliche Extremismuspolitik in den Fokus nehmen. Deren VertreterInnen, ob nun Behörde oder Stiftung, kann nur wirksam etwas entgegensetzen, wer sich nicht durch die Klausel hat einschränken lassen und unabhängig agiert. 1- Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und ist seit 2004 Professor an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (FH Bund). Er publiziert u. a. im Jahrbuch Extremismus und Demokratie und gibt seit 2008 das Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung heraus. Mai 2012 Links: http://demokratiebrauchtuns.de (ausführlicher Pressespiegel und Chronologie zur Extremismusklausel) http://inex.blogsport.de

Text der RK zu Zionismus

Beitrag der Revolutionären Kommunisten (BRD) zur Frage des Antisemitismus und dem reaktionären Charakter des Zionismus Es entzieht sich jeder sachlichen Grundlage zu behaupten, wir seien Antisemiten. Dies ist weder aus unseren neulich gedruckten Flugis, noch aus unseren über 20 Jahren Theorie und Praxis ersichtlich. Wir sind es, die konsequent gegen Antisemitismus und Rassismus jeglicher Art kämpfen – jeden Tag! Die Frage ob jegliche Kritik an Israel gleich antisemitisch ist, ist hier wohl die interessantere und hilft unseres Erachtens die Diskussion sachlich zu führen. Israel ist ein Staat, der auch wenn er selbst nicht imperialistisch ist, imperialistische Interessen vertritt und steht damit für Besatzung, Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung. Auch der israelische Staat bedeutet Terror, Mord sowie etliche andere Verbrechen und bringt den Menschen weder Befreiung, noch humanitäre Hilfe, noch Fortschritt oder i r g e n d e i n e emanzipatorische Lösung, sondern hält die Befreiung der gesamten Menschheit, die objektiv nur durch Kom m uni s m us z u erreichen ist, zurück und steht dieser Lösung im Weg. D.h solange dieses kapitalistisch/ imperialistische System existiert – und solange kapitalistisch/ imperialistische Länder existieren – gibt es keine Befreiung für die gesamte Menschheit: nicht für die jüdischen Menschen, nicht für die Palästinenser noch für sonst jemanden weltweit! Wir sehen unsere Aufgabe darin, weder Mc- Kreuzzug (bzw. die imperialistischen Kräfte) noch den Dschihad (bzw. die feudalen Kräfte) zu unterstützen. Um nicht, dieses System des Imperialismus zu stärken, da diese feudalen Kräfte NICHT gegen Imperialismus insgesamt, sondern für oder gegen die eine oder die andere imperialistische Macht sind, und abhängig von dem einen oder anderen, aber immer ein Teil des gesamten Systems sind, das wir bekämpfen. Sondern beiden den Rücken zu zu kehren, beide zu bekämpfen und unseren Weg, den W e g d e r kommunistischen R evol ut i on, den keiner außer den Kommunisten w e l t w e i t wissenschaftlich und umfassend vertreten, führen und ebenen kann, zu gehen. Die Aufgabe, die kommunistische Revolution an die Tagesordnung zu bringen und sie zu erkämpfen, ist unsere Aufgabe und die Aufgabe all derer, die s i c h a l s Kommunisten verstehen. Sie ist komplex und umfassend und bietet eine andere Lösung als die bereits existierenden Scheinlösungen, sie führt aus dem Rahmen des Systems hinaus – sprengt seinen Horizont – statt uns mit der einen oder anderen Seite dieses Systems zu arrangieren! Unsere Lösung ist in jedem Sinne eine RADIKAL andere und bessere! In dem Sinne Freunde, nehmen wir uns unserer Aufgabe an, sagen Nein! zu Kapitalismus/ Imperialismus, Nein! zu Feudalismus und Reaktion und kämpfen für eine kommunistische Welt, statt uns der einen oder anderen Seite dieses Systems zu fügen und für bourgeoise Demokratie (d.h. die bürgerliche Diktatur) und/oder Feudalismus zu kämpfen. Anders gesagt ist eine wissenschaftliche Kritik an Israel nicht nur nicht antisemitisch, sondern kann - wie jede Wahrheit - dazu beitragen eine Revolution zustande zu bringen. Bei solch einer sachlichen Kri- tik darf es nicht darum gehen Menschen jüdischen Glaubens zu diskriminieren oder zu unterdrücken, sondern darum, den Menschen zu zeigen, dass kein kapitalistischer – oder in anderen Fällen imperialistischer oder feudaler – Staat die Bedürfnisse der Menschheit erfüllt, wie solch ein ausbeuterischer Staat funktioniert, welche Dynamiken und Widersprüche vorhanden sind, was seine Interessen sind, wie er diese umsetzt und wie er den breiten Massen die Seele aus dem Leibe saugt. Eine kommunistische Kritik an Israel – sowie anderen reaktionären Staaten – schafft die theoretische Basis dafür, diese Kritik konsequent in die Praxis umsetzen zu können, durch allumfassende kommunistische Revolution. Diese Kritik ist ein erster – grundlegender – Schritt im langen Kampf gegen dieses System, ohne welchen eine Revolution unmöglich wäre und sie als antisemitisch zu verunglimpfen, bedeutet die Menschen im Interesse eines zutiefst reaktionären Staates im Dunkeln lassen zu wollen, sie bewusst davon abzuhalten, die objektive Wahrheit über die Funktionsweise, die Dynamiken, die Rolle und den Charakter dieses Staates zu erfahren und ihnen somit die Möglichkeit und Basis zu nehmen, sich gegen diese Unterdrückung zu erheben, sie zu bekämpfen, sie zu beseitigen und somit ihre eigenen Ketten zu sprengen. Doch die Haltung, die breiten Massen von der Wissenschaft und einem tieferen Verständnis der objektiven Realität fernhalten zu wollen, findet ihre Wurzel in der Methode und Herangehensweise die hier an den Tag gelegt wird. Es handelt sich hier um eine Methode, die darauf zielt die unerwünschte Kritik an Israel, egal ob sie korrekt sei oder nicht, durch die Antisemitismus-Keule schon im Keime zu ersticken, den/die Kritiker/in ein indirektes Verbot aufzuerlegen und ihn/sie von Beginn an in die Defensive zu zwingen, in der er/sie sich dafür verteidigen muss, kein Antisemit zu sein, nur aus dem Grund Kritik geäußert zu haben. Diese Methode schränkt den Dissens und Gärungsprozess, der in einer Gesellschaft notwendig ist, damit sie sich entwickeln kann, ein und ist sehr beengend und von Oben herab, statt entfesselnd und emanzipatorisch zu wirken. Sie ist unwissenschaftlich, da sie von vorne hinein das Ergebnis festlegt – Kritik an Israel = Antisemitismus –, statt auf den Inhalt der Kritik einzugehen, sich tiefer mit den Inhalten, mögen sie sogar falsch sein, auseinanderzusetzen und die korrekte Analyse, in Folge eines Prozesses der Diskussion und Auseinandersetzung mit den verschiedenen Standpunkten und objektiven Fakten, zu entwickeln, d.h. sie ist auch idealistisch, da sie als Methode von der eigenen kruden und subjektiven Idee ausgeht und damit nicht dazu beiträgt, die Welt so zu betrachten, wie sie tatsächlich ist. Solch eine Methode ist zudem feige, weil aus Angst die Schwäche der eigenen Argumentation entlarvt zu sehen, echter Dissens, Kritik und Opposition von Beginn an unterdrückt wird. Sie ist die Methode der Reaktionären. Sie dient, entspricht und stärkt konterrevolutionäre Interessen. Wir werden uns dieser Methode nicht beugen, lehnen sie ab und sehen es als unsere Aufgabe, sie ideologisch und theoretisch zu widerlegen und sie zu bekämpfen. Um zurück zum Punkt zu kommen, sehen wir unsere Aufgabe und Pflicht darin, dieses System zu stürzen und als ein Teil dieses Prozesses alle bürgerlichen, feudalen und semi-feudalen Staaten dieses Systems, und somit auch den israelischen Staat (und der ist keineswegs mit den jüdischen Menschen gleichzusetzen!) zu kritisieren und ja zu bekämpfen. Wir bestreiten antisemitisch zu sein. Zu Frage des Antizionismus: JA, wir lehnen den Staat Israel ab und wir stehen gegen Zionismus ein! Aber nicht weil wir antisemitisch sind, sondern weil der Zionismus von seinen Wurzel aus eine rassistische und idealistische Weltanschauung ist und auch wenn er stets im Deckmantel des Laizismus in Erscheinung zu treten versucht, fundamentalistisch-religiöse Ideologie beinhaltet. Zudem ist der Zionismus eine pseudo- wissenschaftliche Theorie, die – u.a. – mit Rassenmerkmalen argumentiert, auch bezüglich der jüdischen Menschen, und somit selbst antisemitisch. Der Zionismus steht also, so wie der Katholizismus oder fundamentalistischer Islam, gegen alle die Vorstellungen und Werte für die wir kämpfen. Er steht nicht für Materialismus, sondern klar für Idealismus und ist RÜCKSTÄNDIG, daher denken wir, dass es genau unsere Aufgabe ist, einen breiten kollektiven Prozess in Gang zu setzen und zu führen, infolge dessen, die Menschen diese Ideologie als eine reaktionäre begreifen und aus ihren Köpfen verbannen und an ihre Stelle – und an die Stelle aller andern solchen Ideologien – die wissenschaftliche Anschauung und Methode des dialektischen Materialismus rücken können. Eine kommunistische Gesellschaft kann nur dann existieren, wenn jeder religiöse und quasi-religiöse Aberglaube international beseitigt ist. Das ist der außerordentlich wichtige und richtige Punkt den Marx machte als er schrieb: „Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum.“ (Karl Marx: Zur Judenfrage) Wir möchten dem beipflichten und zufügen: “Die mentale Emanzipation der gesamtem Menschheit erfordert die Emanzipation der Menschheit von der mentalen Versklavung durch Religion“ (RK) Wir sind davon überzeugt, dass diese Diskussion durchaus nicht mit diesem Kommentar unsererseits beendet ist, UND DAS IST GUT SO! Wir danken ür jede sachliche Kritik und sachliche Diskussion und denken, dass die Bewegung und die Revolution im Allgemeinen ohne solche Kontroversen tot wäre. Wir sind sehr daran interessiert, mit denen, die sich mit uns auseinandersetzen wollen, zu reden, und uns allen Kritiken, mögen sie so scharf sein wie sie wollen, gerne und dankend stellen. Jedoch möchten wir auch sagen, dass es hier antagonistische Widersprüche gibt. Es wurde nicht nur versucht, uns aus der Demo auszuschließen, uns wurde mit Schlägen gedroht, obwohl wir keinerlei Gewalttaten beabsichtigten, noch provoziert haben! Und wir verstehen diese Botschaft gut. Doch Revolution ist kein Spiel und wir stehen mit Wort und Tat hinter unserer Sache: keine Schläge, keine Repressionen und keine Ausschlüsse, können uns davon abhalten für die Befreiung der Menschheit zu kämpfen und für unsere Vision von einer radikal anderen und besseren Welt zu kämpfen. Wir wissen, dass es da draußen Kräfte gibt, die versuchen, genau dies mit allen Mitteln zu bekämpfen. Wir sind bereit diesen Kampf aufzunehmen. Alle, die mit uns sachlich streiten möchten: Willkommen und vielen Dank! Wir nehmen gerne eure Kritik entgegen und versuchen daraus zu lernen und auch euch Dinge weiterzugeben. An die Kettenhunde der Bourgeoise, die Freikorps und bissigen Konterrevolutionäre: Wir fürchten euch nicht, wir sind gewappnet. ■

Gruppe Revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin Von der Gruppe Revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) bzw. eventuellen anderen posadistischen Gruppen lagen uns nur wenige Dokumente vor, so dass diese Darstellung wie immer unvollständig bleiben muss. Immerhin ist von der Herausbildung der Posadistischen Fraktion der Vierten Internationale zu lesen (vgl. Apr. 1962) sowie von der etwas ausgefallenen Programmatik dieser vor allem in Südamerika verankerten Fraktion der trotzkistischen Weltbewegung (vgl. 1.7.1969), die wohl eine ganze Reihe der damaligen trotzkistischen Organisationen der Welt umfasst (vgl. 6.3.1970, Mai 1970) und in der Bundesrepublik Deutschland vermutlich vor allem im Rhein/Main-Gebiet aktiv war (vgl. 23.1.1970, 13.5.1970), wobei die einzig erschlossene Aktion sich wiederum mit Südamerika bzw. konkret Brasilien befasst (vgl. 1.9.1972). Zu der hier erwähnten Gruppe um die Zeitschrift 'Roter Sturm' (vgl. 23.1.1970, 13.5.1970) in Hanau teilte uns ein damaliges Mitglied Folgendes mit: "Ich gehörte gemeinsam mit 3 weiteren Genossen dieser Gruppe an. Wir sind als trotzkistische Gruppe innerhalb der USSG (Unabhängige Sozialistische Schüler Gemeinschaften) 1969 entstanden. Wir konstituierten uns innerhalb der USSG etwa im Mai 1968. Wir kamen mit den Posadisten in Kontakt und sie luden uns zu einer 'Kaderschulung' ein, die sie in Frankfurt/Main organisierten. Sie versuchten uns zu rekrutieren, aber die Mehrzahl der Gruppe wollte dies nicht. Wir blieben als unabhängige Gruppe bis Mitte 1969 zusammen. Danach wurde die Gruppe von den Lambertisten, Posadisten und der IKD aufgesogen." Von den Posadisten wurde offenbar zeitweise auch Entrismus in der DKP betrieben (vgl. Mai 1970). Die Berichterstattung des Organs der Gruppe Revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten), von dem uns bisher leider nur wenige Ausgaben zugänglich waren, kreist häufig um Südamerika, wo es vorläufig abschließend für diese Darstellung dann offenbar auch in Argentinien zur Spaltung der Posadisten kommt (vgl. 22.7.1973). Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO) April 1962: Laut Günter Bartsch findet eine außerordentliche Weltkonferenz der IV. Internationale (Posadisten) statt, die den Ausschluß von Ernst Mandel und Pierre Frank vollzieht. =Bartsch, Günter:Trotzkismus als eigentlicher Sowjetkommunismus?,Bonn 1977,S.99 01.07.1969: In einem Brief eines Mitglieds der bolschewistischen Linken der deutschen Sektion des Vereinigten Sekretariats der 4.Internationale an einen Sympathisanten in Oldenburg (vgl. 2.7.1969, 5.6.1969) wird auf die Entwicklung der trotzkistischen Weltbewegung eingegangen: Posadas sei bis 1962 in der Vierten (sprich Internationales Sekretariat und ab 1963 Vereinigtes Sekretariat,d.Vf.) gewesen und trete u.a. für einen Atomkrieg Chinas gegen die USA ein. Vor ca. einem Jahr habe sich von den Posadisten noch ein Grüppchen abgespalten, "das eine Nummer eines Blättchens 'Roter Sturm' herausgegeben hat, seither aber nicht mehr aufzuspüren ist. (Sie alle gehörten nie der deutschen Sektion an.)". =Bolschewistische Linke der dt.Sektion der 4.Internationale-1 Mitglied:An... (1 Sympathisant),Frankfurt 1.7.1969 23.01.1970: Die IKD-Leitung berichtet heute ihrer Gruppe Darmstadt aus Hanau (vgl. 28.4.1970):" Ein Genosse aus Hanau (...), der kürzlich bei Spartacus in Berlin eingetreten ist, hat uns Adressen von einer - inzwischen in dieser Form nicht mehr bestehenden - POSADISTISCHEN Gruppe aus seinem Kaff gegeben, der er bis zu seiner Umsiedelung nach Berlin angehört hat. Sie seien keine Posadisten mehr (wohl auch nie allzu ernstlich gewesen), aber trotzkistische Sympathien hätten sie selbstverständlich nach wie vor. Es handelt sich wohl um mindestens drei, und er hat uns wärmstens ans Herz gelegt, die Burschen unter unsere Fittiche zu nehmen." =IKD-Leitung:An IKD-Gruppe Darmstadt,o.O. 23.1.1970 06.03.1970: Richard Stephenson von der Revolutionary Communist League (RCL) Großbritannien (vgl. Juni 1969, 28.3.1970) verfaßt "Die Vierte Internationale und unsere Haltung ihr gegenüber". Eingegangen wird u.a. auf den Streit (1945 - 1949) zwischen der 4.Internationale und der britischen Revolutionary Communist Party (RCP), den heutigen International Socialists um Tony Cliff und anfänglich Gerry Healy, der sich dann aber zum Vereinigten Sekretariat (VS) hin abgespalten habe. Aus der im Okt. 1939 abgespaltenen Union Communiste ('Voix Ouvriere') in Frankreich, die die SU als kapitalistisch betrachte, habe sich Lutte Ouvriere (LO) gebildet, in den frühen sechziger Jahren hätten sich die Posadisten abgespalten. Pablo und seine Revolutionär-Marxistische Tendenz sei u.a. in Frankreich, Arabien und Australien tätig. Derzeit gäbe es in den meisten Ländern mehrere trotzkistische Organisationen, in Algerien 2, in Argentinien 5, in Australien 3, in Belgien 2, in Bolivien 2, in Brasilien 2, in Ceylon 4, in der 'BRD' 4, in Frankreich über 7, in Großbritannien über 10, in Griechenland 4, in Indien 3, in Irland 2, in Italien 2, in Japan über 2, in Canada 2, in Mexiko 3, in Neuseeland 2, in Peru 4, in Spanien 4 und in den USA ebenfalls 4 Stück. =RCL-Richard Stephenson:Die Vierte Internationale und unsere Haltung ihr gegenüber,o.O. 6.3.1970 Mai 1970: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.9 ihrer monatlichen 'Arbeiterstimme' (vgl. Nov. 1970) im zweiten Jahrgang heraus. Verantwortlich zeichnet H. Grünberg in Frankfurt. Berichtet wird vom Ausschluss eines Mitglieds aus der DKP, aus Spanien aus San Martin in Barcelona sowie aus Uruguay aus Montevideo. Befreundet ist die GRK(T) aus Italien mit der Partito Comunista Rivoluzionario(T), die die 'Lotta Operaia' herausgibt, in Algerien mit der Gruppe IV. Internationale, die die 'Revolution Socialiste' herausgibt, in Argentinien mit der Partido Obrero (Trotskista), die die 'Voz Proletaria' herausgibt, in Belgien die Parti Ouvrier Revolutionaire(T), die die 'Lutte Ouvriere' und den 'Arbeiterstrijd' herausgibt, in Bolivien mit der POR(T), die die 'Lucha Obrera' herausgibt, in Brasilien mit der POR(T), die die 'Frente Operaria' herausbringt, in Chile mit der POR(T), die die 'Lucha Obrera' in Santiago herausgibt, in Cuba mit der POR(T), die in Habana die 'Voz Proletaria' herausgibt, in Frankreich mit der PCR(T), die in Paris die 'Lutte Communiste' herausgibt, in Großbritannien mit der RWP, die in London die 'Red Flag' publiziert, in Peru mit der POR(T) mit ihrer 'Voz Obrera', in Mexico ebenfalls mit einer POR(T) mit einer 'Voz Obrera', in Spanien mit einer POR(T) und ihrer 'Lucha Obrera', in Uruguay mit der Frente Obrero, in Griechenland mit der Kommunistiki Pali und im Nahen Osten bzw. Arabien und dem Iran mit der 'Revolution Socialiste'. =Arbeiterstimme Nr.15,Frankfurt Okt./Nov. 1970 13.05.1970: In Frankfurt verfaßt die ehemalige Gruppe Frankfurt-2 der alten deutschen Sektion des VS der Vierten Internationale und ehemalige Gruppe Frankfurt der IKD (vgl. 7.3.1970) und jetzige Trotzkistische Fraktion der Freitagsgruppe ein Papier "Standort der ehemaligen F2-Gruppe", in dem es u.a. heißt:" Die Zersplitterung der trotzkistischen (und trotzkisierenden) Kräfte in Deutschland (allein in Frankfurt bestehen folgende Gruppen: IKD, Spartacus, GIM und IAK (Lambertisten), Junge Garde (deren Jugendorganisation), SAG (steht der Gruppe 'International Socialists' nahe), Arbeiterstimme (Posadas) und 'Freitagsgruppe'.) erwies sich als das entscheidende Hindernis bei der Erfüllung der wichtigsten Gegenwartsaufgabe: des Aufbaus der revolutionären Avantgardeorganisation." =Freitagsgruppe Frankfurt-trotzkistische Fraktion:Standort der ehemaligen F2-Gruppe,Frankfurt 13.5.1970 November 1970: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt vielleicht im November die Nr.15 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. Mai 1970, 25.6.1971) für Okt./Nov. heraus. Verantwortlich zeichnet H. Grünberg in Frankfurt. Berichtet wird aus Hessen und Frankfurt und der Metallindustrie in Sao Paulo in Brasilien. =Arbeiterstimme Nr.15,Frankfurt Okt./Nov. 1970 25.06.1971: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.20 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. Nov. 1970, 7.6.1972) im dritten Jahrgang heraus. Berichtet wird von der Chemietarifrunde (CTR) von Merck Darmstadt, dem Chemiewerk Homburg, Degussa 2 Frankfurt, Degussa Hanau, Degussa Wolfgang, Caltex Raunheim, DAP Marienburg, Blaufarben Marienburg, Hoechst Offenbach, Cassella Frankfurt sowie aus Hamburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Aus Argentinien wird berichtet aus Cordoba und aus den Gefrierfleischfabriken in Berisso, aus Spanien von SEAT Barcelona und aus Uruguay von der Relegalisierung der POR(T) und einer Kundgebung von 10 000 Leuten in der nur 50 000 Einwohner zählenden Stadt Paysandu. =Arbeiterstimme Nr.20,Frankfurt 25.6.1971 07.06.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.26 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 25.6.1971, 30.7.1972) heraus. Verantwortlich zeichnet P. Schulz in Frankfurt. Berichtet wird aus der Metallindustrie in Sao Paulo in Brasilien. =Arbeiterstimme Nr.26,Frankfurt 7.6.1972 30.07.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.27 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 7.6.1972, 12.9.1972) heraus. Berichtet wird aus dem Verband Deutscher Schriftsteller (VS) Hessen. Befreundet ist die GRK(T) immer noch mit den alten freunden (vgl. Mai 1970) sowie aus Ecuador mit der PCR(T), die die 'Lucha Communista' herausgibt, in Griechenland mit der Revolutionär-Trotzkistischen Arbeiterpartei und in Lybien mit der Gruppe Lybischer Militanter der 4. Internationale, die die 'Revolution Socialiste' herausgibt. =Arbeiterstimme Nr.27,Frankfurt 30.7.1972 01.09.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) führt, nach eigenen Angaben, in Frankfurt gemeinsam mit Amnesty International (AI) einen Infostand gegen die Unterdrückung der Menschenrechte in Brasilien durch. =Arbeiterstimme Nr.28,Frankfurt 12.9.1972 12.09.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.28 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 25.6.1971, 30.7.1972) heraus. Verantwortlich zeichnet P. Schulz in Frankfurt. Berichtet wird vom Massaker in München und vom eigenen Infostand zu Brasilien in Frankfurt (vgl. 1.9.1972). =Arbeiterstimme Nr.28,Frankfurt 12.9.1972 20.10.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.29 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 12.9.1972, 10.12.1972) heraus. Berichtet wird vom neuen Bulletin in persischer Sprache der persischen Militanten der IV. Internationale aus dem Iran. =Arbeiterstimme Nr.29,Frankfurt 20.10.1972 10.12.1972: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.31 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 20.10.1972, 27.3.1973) als Sondernummer zum SPD-Wahlsieg bei den Bundestagswahlen am 19.11.1972 heraus. =Arbeiterstimme Nr.31,Frankfurt 10.12.1972 27.03.1973: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt die Nr.33 ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 10.12.1972, 22.5.1973) heraus. Berichtet wird von den 'US-Besatzertruppen' in Nürnberg, Mainz, Bad Vilbel, Erlensee und dem Landkreis Hanau. =Arbeiterstimme Nr.33,Frankfurt 27.3.1973 22.05.1973: Die Gruppe revolutionärer Kommunisten (Trotzkisten) Deutsche Sektion der (posadistischen,d.Vf.) Vierten Internationale (GRK) gibt eine Sondernummer ihrer 'Arbeiterstimme' (vgl. 27.3.1973) nun im fünften Jahrgang zur Versammlung des ZK der KPdSU der Sowjetunion heraus. =Arbeiterstimme Sdr.Nr.,Frankfurt 22.5.1973 22.07.1973: Die Österreichische Sektion der Internationalen Revolutionär-Marxistischen Tendenz (IRMT) (die einzigen echten Pabloisten, d.Vf.) schreibt der KJO Spartacus einen Brief, in dem berichtet wird, daß sich die Posadisten in Argentinien in der Krise befänden. Man selbst habe Kontakt zu einer Bolschewistischen Tendenz. =Arbeiterkampf Wien:Brief an KJO Spartacus,Wien 22.7.1973 Letzte Änderungen: 5.1.2012

Opel Bochum: Selbständiger Streik gegen Werksschließung

Provokativ verkündete Opel-Chef Thomas Sedran auf der Betriebsversammlung am 10. Dezember die Schließung des Werks in Bochum bis 2016. Eine Kriegserklärung an die Belegschaft – ohne sich irgendeiner Diskussion zu stellen. Als dem Opel-Chef breite Empörung und Ablehnung entgegenschlug, zog er es vor, fluchtartig den Saal zu verlassen – geschützt von Security-Leuten, die sich bis dahin unter die Belegschaft gemischt hatten. IG-Metall-Vertrauenskörperleiter Dirk Grützner, der ihn noch zur Rede stellen wollte, wurde von Bodyguards zu Boden geworfen und gewürgt. „So kann man mit uns Arbeitern nicht umgehen“ – der Beschluss und die arrogante Weise, die Vernichtung der Existenzgrundlage tausender Familien im Ruhrgebiet zu verkünden, führte zu Tumulten und wurde auf der Belegschaftsversammlung von zahlreichen Rednern angeprangert. „Ihr bekommt ab morgen keine Karre mehr von uns“, diese Losung setzte sich auf der Versammlung als Konsens der Belegschaft mehr und mehr durch. Die sofortige Reaktion von Kanzlerin Merkel und verschiedenen Bundes- und Landesministern sowie die Verbreitung als Top-Meldung in allen Nachrichten zeigt, dass der Kampf von Anfang an einen politischen Charakter hat und auch gegen die Bundesregierung geführt werden muss. Über die bürgerlichen Politiker wurde nach der Verkündung der Werksschließung unisono Resignation und Niederlagenstimmung verkündet. Die Schließung sei zwar bedauerlich, aber nun mal unabwendbar, kämpferische Kollegen stünden auf verlorenem Posten. Der Betriebsratsvorsitzende Reiner Einenkel warnte vor „blindem Aktionismus“. Am Dienstagmorgen berichteten die Radio- und Fernsehstationen, dass im Werk alles „ruhig“ und in den nächsten Tagen kein Protest geplant sei. Doch dabei hatten sie die Rechnung ohne die kämpferische Belegschaft gemacht. 200 bis 300 Kolleginnen und Kollegen der Frühschicht legten um 7.30 Uhr die Arbeit nieder und beschlossen die Forderungen: „Kein Arbeitsplatz darf weg! Autos müssen nach 2016 weiter produziert werden!“ Sie zogen selbstbewusst vor die Schranke ans Tor 1, um die Medien zu informieren. Zwei Stunden standen die Fertig- und Endmontage still. Alle Schritte wurden gemeinsam beraten und beschlossen. Nachdem sich die Kollegen aus dem Rohbau nicht anschlossen, beendeten sie mit hocherhobenem Kopf und stolz den selbständigen Streik. Ein Beteiligter zu „rf-news“: „Es war wichtig, General Motors hier jetzt keine Zeit zu geben, sondern auf die Provokation und die Kriegserklärung von gestern direkt zu antworten. Wir haben hiermit einen guten Auftakt gemacht.“ Verschiedene Zeitungen, Fernseh- und Radiosender wie ZDF und ntv berichteten darüber, wobei auch die zuvor in der Berichterstattung ausgeblendeten kämpferischen Stimmen zu Wort kamen. Bundesweit wird die Entwicklung bei Opel von vielen Menschen mit großem Interesse verfolgt, steht die kämpferische Belegschaft mit ihrem Streik im Oktober 2004 doch als Symbol für den Weg der Arbeiteroffensive und das gewachsene Vertrauensverhältnis zur MLPD. Auch der jetzige selbständige Kampf und die zugrunde liegende Entwicklung in der Belegschaft sind über eine längere Zeit herangereift. Die Kollegenzeitung „Der Blitz“ für alle Opel-Werke und Zulieferbetriebe in Deutschland, an der auch Genossen der MLPD mitarbeiten, trat systematisch für einen konzernweiten Kampf ein; ein von klassenkämpferischen Opelanern vorgeschlagenes „Zukunftsprogramm“ haben über 1.500 Menschen unterzeichnet; ein Frauenkomitee „Basta!“ wurde gegründet und hat schnell im Werk und in der ganzen Stadt Bochum Wellen geschlagen. Aufbauend auf den gewachsenen Verbindungen über den Internationalen Automobilarbeiterratschlag fand am 28. Juni ein länderübergreifender Aktionstag gleichzeitig in den Opel-Werken in Deutschland und bei PSA in Frankreich statt. Die MLPD unterstützte die Opelaner mit ihrem Know-how, machte die ICOR bekannt und verbreitete den Gedanken der notwendigen Koordierung und Revolutionierung der Kämpfe über Ländergrenzen hinweg. Obwohl die Betriebsratsspitze vom Konsens der Belegschaftsversammlung am 10. Dezember abgerückt war und sich ausdrücklich gegen Aktionen zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen hatte, folgten die Arbeiter mit ihrer Streikaktion der Aufforderung der Kollegenzeitung „Der Blitz“: „Klare Antwort: Streik!“ Taktikwechsel von GM/Opel Angesichts des provokativen Kurses des GM/Opel-Vorstands klagt Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), dies sei „keine gelebte Sozialpartnerschaft“. Als ob der inzwischen wieder größte Automobilkonzern der Welt die Arbeiter, aus deren Arbeitskraft er Milliardenprofite zieht, je als „Partner“ behandelt hätte. Tatsächlich hat GM jedoch die Taktik gewechselt. Die bisherige Rücksichtnahme der Konzernführung in den USA auf die in Deutschland und Europa noch hauptsächlich eingesetzte Klassenzusammenarbeitspolitik weicht einem härteren Kurs. Der Hintergrund ist ein sich abzeichnender neuer Einbruch in der andauernden Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Vor allem in Europa brechen die Pkw-Absatzzahlen (siehe S. 7) ein und verschärft sich der internationale Konkurrenzkampf. Verstärkt setzen die Autokonzerne auch in Europa auf Werksschließungen – wie bei Fiat in Termini Imerese, bei PSA in Aulnay sowie Ford in Belgien (Genk) und Großbritannien (Southampton und Dagenham). Die Unternehmensberatung PwC geht von bis zu zwölf möglichen Werksschließungen in Europa aus, schon jetzt würden 15 Automobilwerke mit einer Auslastung von unter 50 Prozent arbeiten. Insgesamt ist noch die Politik der Krisendämpfung bei der Bundesregierung vorherrschend, zugleich zeigt der Taktikwechsel des GM-Managements gegenüber der Belegschaft, dass die Arbeiter sich auf härtere Kämpfe einstellen müssen. Dass jetzt auch in Deutschland erstmals die Werksschließung eines Automobilwerks angekündigt und eine der kampfstärksten Belegschaften angegriffen wird, hat auch politische Gründe. Die Konzernchefs wissen genau, dass hier auch die fortgeschrittensten Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit der Automobilbelegschaften vorhanden sind, was eng mit der langjährigen Verankerung der MLPD zusammenhängt. Mit dem Versuch, die Werksschließung in Bochum nach so vielen gescheiterten Anläufen nun endlich durchzusetzen, soll ein Exempel statuiert werden. Wer sind die „Unruhestifter“? Nach der erfolgreichen Streikaktion am Dienstagvormittag wurde in der Berichterstattung der bürgerlichen Medien im Ruhrgebiet umgeschwenkt und begonnen, diese zu kriminalisieren und führende Kolleginnen und Kollegen als „Unruhestifter“ zu bezeichnen. Selbst der Bochumer IGM-Funktionär Volker Strehle war sich nicht zu schade, in der „Westfälischen Rundschau“ vom 12. Dezember die Streikaktion als „spontane Störaktion, die nicht zu verhindern war“, zu diffamieren. Es ist schon tragisch, wie weit man als Gewerkschafter sinken kann: GM wird zum „Friedensstifter“ erkoren. Nicht GM ist mit seiner Verkündung der Werksschließung für die Unruhe verantwortlich, sondern die Kollegen, die für die Existenzgrundlagen ihrer Familien kämpfen. Notwendig sind starke Gewerkschaften, die kämpfen. „Unruhestiftung“ ist dagegen der Jargon, mit dem die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von „Rädelsführern“ vorbereitet wird. Damit wird allen Beteiligten zugleich vorgeworfen, sie hätten sich zu der Aktion verführen oder gar missbrauchen lassen. Tatsächlich war dies der Konsens auf der Belegschaftsversammlung und wurde über jeden Schritt kollegial beraten und demokratisch abgestimmt. Gegen jeden Versuch der Kriminalisierung brauchen die mutigen Opelaner die Solidarität aller Arbeiter und der demokratischen Öffentlichkeit. Gebt Antikommunismus keine Chance! Es geht um die ganze gesellschaftliche Perspektive Die Forderung nach einem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht ist nur ein Bestandteil der sich entfaltenden Diskussion um die gesellschaftliche Perspektive. Auf der Belegschaftsversammlung wurde auch die bürgerliche Argumentation von den angeblichen „Überkapazitäten“ angegriffen. Vom Standpunkt der Arbeiter und der übergroßen Masse der Bevölkerung besteht doch ein riesiger Bedarf z. B. an umweltfreundlicher Verkehrstechnik, die in „nicht ausgelasteten“ Automobilwerken produziert werden könnte. Die Technologie für emissionsfreie Autos ist längst vorhanden. Dies wäre ein enorm wichtiger Beitrag zur Rettung der Umwelt vor der drohenden Klimakatastrophe. Zum jetzt anstehenden Kampf der Opelaner gehört deshalb auch die Forderung, die Produktion auf emissionsfreie Autos und Verkehrstechnik umzustellen – auf Kosten der Konzernprofite. Dabei können die Automobilarbeiter jedoch nicht stehen bleiben. Sie brauchen eine Zukunft ohne Massenarbeitslosigkeit und ständig steigende Ausbeutung, eine Zukunft ohne Krisenchaos und verheerende Umweltkatastrophen. Im Sozialismus wird dies durch die planmäßige Entwicklung der internationalen Produktivkräfte in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der Menschen und der Natur möglich sein. Alle (Automobil)-Arbeiter gemeinsam! Die für Freitag, 14. Dezember, angekündigten Protestaktionen sind eine gute Möglichkeit, die Kräfte weiter zu stärken und zu erproben. Damit die Werksschließung vom Tisch kommt, ist ein entschlossen geführter unbefristeter Streik erforderlich. Der für den 15. Dezember geplante „Tag der offenen Tür“ anlässlich des 50-jährigen Bestehens von Opel Bochum kann zu einem „Fest der Solidarität“ werden. Er ist eine hervorragende Gelegenheit, die Opelaner zu besuchen und ihnen die Solidarität zu erweisen. Delegationen aus anderen Betrieben, Montagsdemonstranten, Migrantenorganisationen, Künstler, Frauengruppen usw. können dort ihre „Selbstverpflichtung“ übergeben, die sie nach dem Beginn eines unbefristeten Streiks einlösen werden: vom Kaffeekochen über die Verpflegung bis zu kultureller Begleitung. Die MLPD wird sich dafür mit ganzer Kraft einsetzen. Sie wird mit ihren Betriebsgruppen in den Opel-Werken und anderen Automobilbetrieben Deutschlands alles dafür tun, den konzernweiten Kampf der Opelaner zu fördern. Es muss zur Ehrensache aller (Automobil)-Arbeiter werden, den Opelanern in dieser Situation beizustehen und gemeinsam mit ihnen zu kämpfen. Die MLPD wird sich zusammen mit der revolutionären Weltorganisation ICOR, deren Mitglied sie ist, zugleich für dessen länderübergreifende Koordinierung und Revolutionierung einsetzen. In verschiedenen Ländern gibt es derzeit Kämpfe gegen Werksschließungen und Massenentlassungen in der Autoindustrie – unter anderem in Belgien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Wenn die Automobilarbeiter sich absprechen, gemeinsame Forderungen, Aktionen und Streiks vereinbaren, werden sie ihre Kraft vervielfachen. Wer entschlossen kämpfen will, braucht aber auch eine Perspektive über den Tageskampf hinaus. Dafür steht die MLPD als wirkliche sozialistische Alternative. Aus all diesen Gründen muss sie gerade jetzt stärker werden. Die Automobilarbeiter und ihrer Familien werden dafür gebraucht.

Versuch eines kommunistischen Standpunkts zum Bürgerkrieg in Syrien

Westerwelle, Außenminister der BRD, ist Konstrukteur der künftigen Unterwerfung Syriens unter die Interessen des deutschen Imperialismus. Der Plan heißt: „The Day After“. Er wurde Ende August von den syrischen Schützlingen Westerwelles im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt und bezieht sich so wie der ähnlich lautende Filmtitel auf den Tag nach einer gigantischen Katastrophe. Ohne eine solche Katastrophe kein Tag danach, und an dieser Katastrophe für das syrische Volk arbeitet das Auswärtige Amt seit Monaten tatkräftig. Wie die deutsche Außenpolitik zündelt und dabei die inneren Widersprüche in Syrien nutzt, das ist u.a. Inhalt des im Folgenden abgedruckten Referats, das Ende Juli 2012 auf dem Sommercamp „Anton Makarenko“ der KAZ gehalten wurde. Nach der Veranstaltung „The Day After“ in Berlin lud Westerwelle syrische Oppositionelle sowie 60 Vertreter aus Ländern aus aller Welt in den „Weltsaal“ des Auswärtigen Amtes ein, um sie gemeinsam mit einer Staatsministerin der Vereinigten Arabischen Emirate auf „Freiheit und Demokratie für Syrien“ einzuschwören. Und er forderte eine „gemeinsame Plattform aller oppositionellen Gruppen, die sich der Demokratie, der Toleranz und dem Pluralismus verschrieben haben“. Was ist daran für Westerwelle so wichtig? In der Zerstrittenheit dieser „Oppositionellen“ spiegeln sich die Widersprüche unter den Imperialisten. So berichtet z.B. das Hamburger Abendblatt am 30.08.12 über die Zusammenarbeit von Frankreich und Großbritannien zur Syrien-Krise – ohne Deutschland – und schreibt: „Derweil mehren sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Gruppierungen der syrischen Oppo- sition, die im In- und Ausland mit Worten oder Waffen für den Sturz des Regimes kämpfen. Radikale Islamisten warfen den Muslimbrüdern vor, gemeinsam mit französischen Diplomaten an einem Sze- nario zu arbeiten, das die Bildung einer Übergangsregierung unter Einbindung des ehemaligen Assad- Vertrauten Manaf Tlass vorsehe.“ Westerwelle hat also allen Grund, sich über die fehlende „Einigkeit der Opposition“ Sorgen zu machen. Syrien als Schlachtfeld des deutschen gegen die anderen Imperialisten – das ist nicht nur eine Katastrophe für die Menschen in Syrien, sondern eine weitere Gefahr für den Frieden auf der Welt. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Zeitung wissen wir nicht, ob es Krieg von Imperialisten gegen Syrien geben wird, und wir wissen nicht, wie sich dann die BRD dazu verhält. Wir wissen nur: Ihr „Friede“ ist aus demselben Stoff wie ihr Krieg. Hände weg von Syrien! Keine „friedliche“ oder militärische Einmischung! KAZ-Arbeitsgruppe „Zwischenimperialistische Widersprüche“ Wie fast alle hier wissen, bin ich in der Frage Syrien doppelt beschäftigt. Zum einen als syrischer Staatsbürger aus einem kommunistischen Hause in dritter Generation, Teile meiner Familie befinden sich in diesem Land und müssen ihr Leben dort klar kriegen. Zum anderen als deutscher Kommu- nist, der sich Sorgen um den Weltfrieden macht, angesichts der sich zuspitzenden Widersprüche der imperialistischen Mächte im Rahmen der Wirt- schaftskrise und aufgrund der geostrategisch wich- tigen Lage der Region. Dieses Referat werde ich in zwei Teile unterglie- dern: zum einen die syrische Perspektive auf die Situation und zum anderen die Rolle unserer deut- schen Imperialisten, die gut verstrickt sind. Ich werde einige historische Grunddaten des modernen Syrien schnell erwähnen, um ein Verständnis von dem Land und seinen nationalen Besonderheiten zu vermitteln. Zu Beginn des vergangen Jahrhunderts befand sich Syrien unter osmanischer (türkischer) Besatzung. In dieser Zeit beginnt die feudale Gesellschaft ihren Niedergang. Vermehrt setzt sich das Warengesetz in allen Lebensatmosphären des syrischen Volkes durch. Auch die deutschen Imperialisten zeigen In- teresse an dem Gebiet des von ihnen halbkoloniali- sierten Osmanischen Reichs. Der deutsche Kaiser besucht Damaskus und verkündet seine Freundschaft mit den muslimischen Völkern unter dem Osmani- schen Kalifat. Der deutsche Imperialismus versucht seine Interessen in zwei wesentlichen Punkten durch- zusetzen. Einmal die Bagdad-Bahn und, viel wich- tiger, das osmanische Reich und damit auch Syrien in seinem ersten Anlauf zur Weltmacht für sich zu gewinnen. Das Ergebnis dieses ersten Anlaufes des deutschen Imperialismus war die Niederlage für ihn und seine Verbündeten. In dieser Zeit wachsen in der Türkei und in den arabischen Regionen türkische und arabische Nationalbewegungen. Während es der türkischen Bewegung gelingt, eine souveräne Türkei zu errichten, werden die arabischen Nationalbewe- gungen von den imperialistischen Gegnern Deutsch- lands unterstützt und später von diesen ehemaligen „Freunden“ besetzt. Syrien und Libanon fallen unter französisches Mandat, es wird leicht industrialisiert, die kapitalistische Warengesellschaft setzt sich durch. Auf rechtlicher Ebene wird ebenfalls reformiert. In Syrien bildet sich eine Kommunistische Partei, wobei sich die antikoloniale Bewegung nicht um die KP formiert. Die KP formiert im Jahr 1938, unter Teil- nahme liberaler Kräfte, eine breite antifaschistische Volksfront (in Syrien formiert sich beispielsweise die Syrische sozialnationalistische Partei, eine pro-itali- enische faschistische Partei). Mit dem Überfall auf die Sowjetunion verändern die syrischen Kommu- nisten ihre Position zum französischen Besatzer. Diese sind Partner im antifaschistisch-antideutschen Kampf. Die Partei verübt Angriffe auf die deutsche Botschaft in Beirut und Damaskus. Syrien wird kurz- zeitig von dem prodeutschen französischen Vichy- Regime besetzt und innerhalb kurzer Zeit mit Un- terstützung der Briten befreit. Syrien erlangt seine Unabhängigkeit, wird Teil der Anti-Hitler-Koalition und Gründungsmitglied der UNO. Syrien und Libanon erlangen getrennt ihre Un- abhängigkeit und Syrien erlebt eine kurze Zeit des bürgerlichen Parlamentarismus. Ab 1951 beginnt jedoch eine Welle von Putschen, der letzte bringt 1970 Assads Vater an die Macht. In dieser Phase vereinigen sich Syrien und Ägypten unter Gamel Abdel Nasser für drei Jahre und spalten sich wieder. Nasser führt eine Landreform durch und verstaatlicht die Industrie. Die Baath-Partei (also die arabisch- nationalistisch „sozialistische“ Partei) putscht 1963 gegen das liberale Regime, in den folgenden sieben Jahren putschen die Baathisten untereinander, bis Assad an die Macht kommt. Die Baathisten führen erneut die Landreform und eine Verstaatlichung durch. Bei den Putschen handelt es sich um Ausei- nandersetzungen innerhalb der Baath-Partei zwi- schen Rechten und Linken. Die Rechten sympathi- sieren mit dem deutschen Blutsnationsbegriff, die Linken eher mit dem französischen Nationsbegriff. Aber auch um die „soziale Frage“ wird gekämpft, die Linien sind nicht so klar. So fällt das Urteil über Assads Flügel unterschiedlich aus. Bei einigen Au- toren handelt es sich um einen rechten (Anhänger der Blutsnationtheorie wie bei Achcar), bei anderen um einen linken (Anhänger der sozialen Reform wie bei Patrick Seale, einem britischen Assad-Freund). Jedenfalls bringt Assad für die Syrer ein Gefühl der Stabilität. Bis Ende der 1970er gibt es keinen einzigen Putsch. Erst Ende der 1970er, Anfang der 1980er beginnen die Islamisten zu rebellieren. Dem gescheiterten Versuch einer islamistischen Revolu- tion entspricht die Entwicklung in der gesamten Region, der sich kennzeichnenden Niederlage der kommunistischen Linken und der falschen Hoff- nungen in den arabischen Pan-Nationalismus. Die- ser hatte in Syrien und im Irak seine letzten Hoch- burgen. Ökonomisch gesehen sind die Träger dieses Protestes die Kleinhändler, Angehörige der studen- tischen Intelligenz, Kleinproduzenten sowie im Hintergrund Teile der syrischen Bourgeoisie, die mit dem Auslandskapital verbunden sind. Der ara- bische Nationalismus bringt dem Land einen mas- siven „Sozialisierungsschub“, sodass selbst Kleinst- produzenten verstaatlicht werden. Das treibt diese Schichten in einen Widerspruch zur herrschenden Klasse Syriens. Die kleinbürgerlichen Islamisten verüben in dieser Zeit verschiedenste Terrorakte gegen Baathisten, Kommunisten, Liberale und wis- senschaftliche Kräfte, aber auch gegen Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten. Der Höhe- punkt dieses islamistischen Terrors ist der Aufstand in Hama 1982. Ich gehe deswegen darauf ein, weil er aktuell in Diskursen verwendet wird, um die Brutalität des syrischen Regimes zu demonstrieren. Nach Augenzeugenberichten aus dem Freundeskreis meiner Eltern und Berichten von syrischen Kom- munisten haben die Islamisten in Hama in gewohn- ter Manier baathistische, kommunistische und sä- kulare Frauen auf offener Straße vergewaltigt und ermordet. Auch die Männer wurden ermordet. Das Regime reagiert mit äußerster Brutalität auf den gescheiterten Aufstand, neben dem Einsatz von Panzern und der Bombardierung der Stadt von außerhalb wird die Stadt mit der „weißen Waffe“ (Messer) von männlichen potenziellen Islamisten gesäubert! Dies geschieht alles in einer Zeit, zu der die internationalen Verhältnisse für das syrische Regime ungünstig sind. Israel marschiert in den Libanon ein, zusätzlich besteht ein antisyrisches Bündnis aus dem baathistischen Irak, der PLO und Teilen der libanesischen Armee. Die Türkei und Jordanien üben ebenfalls Druck auf Syrien aus. Der ausländische Druck und der Aufstand im Inneren erzwingen eine solche mörderische und brutale Unterdrückung in Hama. Die Auswirkungen sind verheerend für das politische Leben in Syrien. Die politischen Parteien und die Zivilgesellschaft bre- chen bis Ende der 1990er, Anfang der 2000er zu- sammen. Hier beginnen ein neues politisches Leben und Schritte von linken, kommunistischen, libera- len und teils islamischen Einzelpersonen zur Wie- derbelebung der Zivilgesellschaft. Es entsteht eine Bewegung von Intellektuellen, die öffentliche Dis- kussionsclubs und Unterschriftensammlungen mit Forderungen nach Ende der führenden Rolle der Baath-Partei, freiem Versammlungs- und Vereini- gungsrecht, der Gründung von freien Gewerkschaf- ten und weiteren progressiven Forderungen orga- nisieren. 2003 kommt es dann auch zu einer Spal- tung der anti-revisionistischen und regierungstreu- en Kommunistischen Partei Syriens. Die Spaltung wurde von 1.000 Kommunisten bald schriftlich unterstützt. Ab 2000 beginnt die entscheidende Phase der wirtschaftlichen Liberalisierung. Private und ausländische Banken werden zugelassen, die Subventionen von Lebensmitteln und landwirt- schaftlichen Produkten werden aufgehoben, etc. etc. Die Linien der drei syrischen Kommunistischen Parteien in Regierung und Opposition stimmen darin miteinander überein, die nationale Souverä- nität gegen den Imperialismus zu verteidigen, und zwar nicht nur gegen den US-Imperialismus, son- dern auch gegenüber seinen europäischen Varian- ten, sowie die neue ökonomische Linie der Regie- rung abzulehnen. Diese Linie wurde in der Volks- kammer an den Beispielen der Euromediterranen Union praktiziert, aber auch in der Reform des Arbeitsgesetzes und außerparlamentarisch in Un- terschriftensammlungen gegen Privatisierungen und in der Solidarität mit den wenigen streikenden Ar- beitern Syriens. So viel zur Geschichte des moder- nen Syrien, nun zum Aufstand selber: Ich werde aufgrund des Zeitmangels mit Thesen arbeiten. These 1: In Syrien herrscht die nationale Bour- geoisie seit 1963 mit der Baath-Partei. 1972 wurde ein antiimperialistisches Bündnis zwischen Ver- tretern der nationalen Bourgeoisie, in verschiede- nen organisatorischen Formationen, unter Führung der Baath-Partei, mit Einbezug der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei, der Syrischen Kommunistischen Partei, geschlossen. Die nationale Bourgeoisie hat nicht nur den US- Imperialismus aus dem Land gejagt, sondern auch den französischen Imperialismus. Aber vor allem hat das Baath-Regime auf die Industrialisierung des Landes gesetzt und so die Existenz einer vom Imperialismus unabhängigen syrischen Bourgeoi- sie ermöglicht. Projekte waren z.B. die Elektrifi- zierung des gesamten Landes, Schaffung einer leichtindustriellen Basis (Chemie [z.B. Zement, Medikamente], Erdöl und -gasindustrie [Raffine- rie], Lebensmittelindustrie, Textilindustrie und Herstellung und Zusammenbauen von Haushalts- geräten [z.B. Kühlschränke]) und die Bildung einer Lebensmittelsouveränität. These 2: Mit der sich kennzeichnenden Nie- derlage des sozialistischen Lagers beginnt ein Pro- zess der langsamen Öffnung und Liberalisierung des syrischen Marktes für die imperialistischen Staaten, z.B. Kooperationen mit dem französischen Total-Konzern in der Erdölindustrie. Die Libera- lisierung erreicht mit dem neuen Präsidenten ab 2000 eine neue Qualität. Syrien öffnet die Türen für Kapitalexport in Form von Banken und Unter- nehmen, diese haben jedoch keinen großen Ein- fluss auf die Wirtschaft. Nach Daten des syrischen Investitionsministeriums betragen die gesamten ausländischen Investitionen in Syrien etwa fünf Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes. Es geht in diesem Prozess um die Verbesserung der Bedingungen für die eigene Bourgeoisie. So soll mit der wirtschaftlichen Liberalisierung Kapital entbürokratisiert in den syrischen Markt gelangen und syrische Unternehmer unterstützen. In diesem Rahmen werden auch die Rechte der Arbeiterklas- se massiv angegriffen. Der Anteil der syrischen Arbeiterklasse sinkt von 40 Prozent auf 33 Prozent innerhalb von vier Jahren zwischen 2004 und 2008, das ist ein Verlust von 20 Prozent. Im Endeffekt gibt es einen massiven Reallohnverlust. Die neue Wirtschaftspolitik basiert auf einer Krise des staat- lichen Wirtschaftssektors in Form von massiver Korruption und der daraus resultierenden Unwirt- schaftlichkeit. These 3: Verlierer der neuen wirtschaftlichen Politik sind neben der Arbeiterklasse auch die Bauern. Hier werden die Bedingungen für land- wirtschaftliche Kredite aufgrund von Bankenkon- kurrenz schwieriger, die früher zu günstigen Be- dingungen von landwirt- schaftlichen Genossen- schaftsbanken vergeben wurden. Die Subventio- nen für die landwirt- schaftliche Produktion werden im Rahmen der Bemühungen zur Kredit- aufnahme beim IWF ge- strichen. These 4: Der Gewin- ner der neuen Wirt- schaftspolitik war die Großbourgeoisie aus Handel und Industrie um den Präsidenten. These 5: Die objektiven Gründe für den Aufstand im März des vergangen Jahres liegen in der neuen Wirtschaftspolitik, der Verarmung der breiten Mas- sen aus Arbeitern, Bauern, Kleinproduzenten und Handwerkern. Hinzu kommt die politische Unfrei- heit. Träger des Protestes rekrutieren sich aus Bau- ern und den sozialen Zwischenschichten. Die Ar- beiterklasse hat sich trotz massiver Angriffe daran beteiligt, zumindest bis März diesen Jahres. These 6: Entsprechend der sozialen Zusammen- setzung aus Bauern und den sozialen Zwischen- schichten, die kein revolutionäres Programm besit- zen, formulierten sich ökonomisch inhaltsleere Forderungen nach der formalen Demokratisierung des Landes. Diese Forderungen ließen sich aufgrund der Zurückhaltung der syrischen Arbeiterklasse durch einen Teil der syrischen Bourgeoisie für die imperialistischen Ziele lenken. Die heutigen For- derungen nach einer Flugverbotszone sowie einer Pufferzone im Norden und Süden des Landes und einer ausländischen Intervention sind Ausdrücke der Unfähigkeit dieser Bewegung ihr Programm für die gesamte syrische Nation durchzusetzen. These 7: Der syrische Staat verteidigt sich mit brutalsten Mitteln gegen die Aufständischen, die Aufständischen verteidigen sich ebenfalls mit bru- talsten Mitteln gegen das Regime und seine An- hänger. Es herrscht eine Pattsituation im nationa- len wie internationalen Kräfteverhältnis, sodass weder die eine noch die andere Seite den Bürger- krieg für sich entscheiden kann. These 8: Eine politische innersyrische Lösung ist angesichts der Pattsituation die einzige Lösung der Krise. Wer dies nicht zur Kenntnis nimmt und dementsprechend handelt, wird zwangsläufig un- tergehen. Anders ausgedrückt, wer heute auf seiner radikalen Position beharrt und z.B. keine echten Reformen umsetzt oder die Parole „Sturz des Re- gimes“ verteidigt, wird bald von den Massen ver- lassen! Das Regime hat aufgrund der Machtver- hältnisse bessere Karten. These 9: Der syrische Staat hat Schritte für Re- formen unternommen, z.B. die Einbürgerung der staatenlosen Kurden, die Abschaffung der führenden Rolle der Baath-Partei, eine neue Verfassung und eine Regierung der kleinen nationalen Einheit. Auf seiten der offiziellen Opposition gibt es nur Radi- kalität zum Sturz des Regimes unter allen Bedin- gungen und mit allen Mitteln. Dieser Weg hat sich angesichts der internationalen Kräfteverhältnisse, insbesondere durch die Rolle der Russischen Föde- ration und der sozialistischen Volksrepublik China, als illusorisch erwiesen. Dazu kommt die Unfähig- keit der syrischen offiziellen Opposition zur Selbst- kritik und Gewinnung von neuen Schichten durch soziale und neue politische Forderungen oder For- mulierung eines umstürzlerischen Programms, an dem sich breite Teile des syrischen Volkes sammeln können. Mit Terror wird kein System und auch kein Regime stürzen. Syrien hatte bereits in den späten 1970er und frühen Achtzigern den islamistischen Terror teuer überstanden. Nun zu einigen wenigen Aspekten, bevor ich noch auf die Rolle Deutschlands eingehe. Zu allererst möchte ich die Kräfteverhältnisse innerhalb des Regimes ansprechen. Ich nehme dazu das Beispiel der neuen syrischen Verfassung. An- dere mögen meinen, es ist nicht des Papiers wert, ich sage, man kann anhand dieses Papiers die Kräf- everhältnisse innerhalb des Regimes einsehen. Die neue Verfassung brachte nicht nur die formale Ab- schaffung des Sozialismus (der in Wirklichkeit ja nie bestand) und die Einführung von Pluralität bei den Wahlen, sondern verbesserte auch die rechtliche Lage der Arbeiterklasse. So gibt es in der Verfassung drei Punkte: Einmal die Wiedereinführung des Streikrechts als Verfassungsrecht für die Arbeiter- klasse, ein Recht, das 1968 durch die Baathisten und die Gewerkschaftsführer abgeschafft wurde. Zum Zweiten die Verankerung noch zu vermitteln- der Mindestlöhne, die per Verfassungsrecht an die Inflationsrate angepasst werden müssen. Drittens der Auftrag einer jeden syrischen Regierung, an der sozialen Sicherheit und ihrer Vereinbarung mit der Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums fest- zuhalten. Diese Verfassungsrechte und -pflichten zeigen, dass in der syrischen herrschenden Klasse weiterhin an dem Bündnis mit der Arbeiterklasse festgehalten wird und an ihrem politökonomischen Anti-Imperialismus nicht zu rütteln ist. Die Wahlen haben dies auch gezeigt: Neben der Erstarkung der Baath-Partei erstarkten auch die Kommunistischen Parteien in ihrer Summe. Hatten die Kommunisten früher sieben Sitze (verteilt auf zwei Parteien) von 250 Sitzen, so haben sie heute 14 Sitze (verteilt auf drei Parteien) von ebenfalls 250 Sitzen. Die oppo- sitionelle Kommunistische Partei, unter dem Namen „Volkswille Partei“, erringt drei Sitze. Ihr Bündnis- partner erringt 2 Sitze. Die offizielle KP erhielt acht Sitze, die zweite offizielle KP erhielt drei Sitze. Ent- scheidend ist aber die Bildung der Regierung, dort gelang es der oppositionellen KP einen Minister für Inlandshandel und Verbraucherschutz, gleichzeitig als stellvertretenden Ministerpräsidenten für Wirt- schaftsfragen zu entsenden. Dann komme ich zur Frage der Massaker in Syrien, die letztendlich als Kriegsbegründung ge- nutzt werden. Hier zeigen die deutschen Medien unzensiert Bilder von Kinderleichen, um das deut- sche Volk für einen möglichen Krieg zu sensibili- sieren. An Beispielen von Hama, Al-Hula und Tremseh wird deutlich, dass diese Massaker medial benutzt werden, um UNO-Beschlüsse zu erzwingen. Alle diese Massaker fanden ein paar Tage vor einer wichtigen Sicherheitsratssitzung zu Syrien statt. Eine Regierung, die sich so verhält, ist entweder blöd oder selbstmörderisch. Am Beispiel Al-Hula berichteten selbst die deutschen Leitmedien wie die FAZ, natürlich erst Tage nach der Sicherheitsrats- sitzung, dass die syrische Version der Ereignisse eher der Wahrheit entspricht. Demnach wurden vermeintliche und tatsächliche Anhänger des Regi- mes von sektiererischen Terrorbanden massakriert. Ich muss persönlich sagen, dass ich von den vielen Bildern von getöteten Kindern, Leichenschändun- gen, Foltervideos und vielem mehr, die auf Youtube unzensiert zu finden sind, emotional abgehärtet wurde und angeekelt bin. Auch in Tremseh hieß es zuerst, es seien unbewaffnete Zivilisten. Jedoch musste die Untersuchung der UNO-Mission die offizielle syrische Version bestätigen. Es handelte sich um ein Lager einer Einheit der Freien Syrischen Armee (FSA), die wenige Stunden zuvor syrische Militäreinheiten tödlich angegriffen hatte. In den Fällen Al-Hula und Tremseh, den schänd- lichsten Massakern, konnte die UN-Mission der syrischen Regierung keinen Vorwurf machen. Selbst im Falle des türkischen Flugzeugs stimmte zum Teil die syrische Version der Ereignisse. Demnach, das mussten türkische Militärs zugeben, drangen die drei türkischen Kampfflugzeuge mehrmals in syrische Hoheitsgebiete ein und wurden aber nicht von der syrischen Luftabwehr abgeschossen, sondern der Pilot starb im Flugzeug in Reaktion auf die aufgereg- ten syrischen Sicherheitskräfte, die mit ihren Geweh- ren geschossen haben. Die türkische Militärführung befahl dem Co-Piloten das syrische Hoheitsgebiet zu verlassen. Ihm gelang es nicht und er stürzte in syrischem Gewässer ab! Der Zweck dieses Militär- einsatzes war die Provokation, wie es die Frankfur- ter Rundschau bestätigt. Trotz allem ist die NATO nicht gewillt einen Krieg in Syrien anzuzetteln. Die Rolle des deutschen Impe- rialismus in der Syrien-Krise Wenn ich die Linie des deutschen Imperialismus in der unmittelbaren Syrien-Krise analysieren will, so stelle ich fest, dass es sich um zwei Linien han- delt. Fest mache ich dies vor allem an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), einem Thinktank des deutschen Imperialismus. Aus diesem Haus stammen zwei Studien von Anfang März zum Um- gang mit der Syrien-Krise. Die eine Studie aus dem Nahost-Experten-Team der Stiftung riet zur Vermei- dung einer Gewalteskalation und einer ausländi- schen, letztendlich deutschen, Intervention. Hier- nach stehe eine große Mehrheit des Sicherheitsap- parats Syriens hinter dem Präsidenten, die Freie Syrische Armee bilde trotz ihres Wachstums keine ernstzunehmende Bedrohung für das Regime. Die weiteren Entwicklungen dürften in einen ethnischen Bürgerkrieg münden. Die weitere Militarisierung des Aufstandes wird das die Kräfteverhältnisse vor Ort nicht wesentlich verändern, sondern die Anzahl der zivilen Opfer steigen lassen. Deutschland solle die Isolation des Regimes, auch im Inland, betreiben. Auf der anderen Seite der deutschen Strategen ste- hen, auch aus dem Haus der SWP, die Experten für Sicherheitspolitik. Diese sind Anhänger einer aus- ländischen Intervention, letztendlich mit deutscher Beteiligung. Nach dieser Forschungsgruppe sei eine militärische Intervention in Syrien kein Versagen der Politik, sondern elementarer Bestandteil der Politik. Bei der Beurteilung der UNO zu den Ereig- nissen in Syrien, es handle sich um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, ergebe sich auch ohne UN-Mandat eine Möglichkeit für eine militärische Intervention. Die Stimmung in den imperialistischen Staaten sei zwar „einsatzmüde“, aber die allgemei- ne Position für eine „berechtigte“ Intervention sei vorhanden. In der Studie werden Kriegsszenarios vorgestellt. In einem Artikel von German Foreign Policy1 wird ein Herr Voigt (SPD), ehemaliger Ko- ordinator der Bundesregierung für deutsch-ameri- kanische Zusammenarbeit, zitiert. Herr Voigt sagt, es handle sich in Syrien nicht um „Menschenrech- te versus Diktator“ und man müsse das ganze aus „machtpolitischem Blickwinkel“ betrachten. In ähnlicher Manier argumentierte Hans-Christof Kraus in der FAZ. Er wisse, dass es nicht darum gehe, der „bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen“, sondern um „geostrategische Erwägun- gen“ und „Machtpolitik“. Zur Debatte in Deutsch- land sagte er: „Vor allem in Deutschland scheint die Unkenntnis, mit der diese Auseinandersetzung derzeit diskutiert wird, grenzenlos zu sein.“ Weitere Belege für Differenzen innerhalb der deutschen Bourgeoisie sind die mediale Berichter- stattung. Während die allgemeine Linie vom Zeigen bewegender Bilder von massakrierten Kindern und Zivilisten bestimmt wird, um das deutsche Volk und die fortschrittlichen Kräfte zu verblenden, gibt es hiervon immer wieder Ausnahmen. Wer genau die Berichterstattung in der FAZ zum Massaker in Al- Hula verfolgte, wo letztendlich das syrische Regime von dem Massaker freigesprochen und den Rebel- len zugeschoben wurde, der wird vom Vorhanden- sein einer zweiten Linie innerhalb der deutschen Bourgeoisie überzeugt sein. Weitere Beispiele sind der Spiegel, wo über mordende FSA-Einheiten in Homs berichtet wird, oder die Berichte der Frank- furter Rundschau zum Vorfall mit den türkischen Militärflugzeugen und über die Begrüßung der Jour- nalisten in den „befreiten“ Grenzübergängen durch die Al-Qaida Maghreb. Oder selbst die in der ARD entdeckten manipulierten Videos aus Homs. Kurz, die deutsche Bourgeoisie ist gespalten in Bezug auf einen möglichen Krieg gegen Syrien, bzw. sie ist differenzierter. Es handelt sich um zwei ergänzende Strategien. Das mag die deutsche scheinbare, relative Zurückhaltung in Sachen Sy- rien begründen, wenn man dies mit den Kriegsge- bärden durch Sarkozy und seinen „sozialistischen“ Nachfolger Hollande vergleicht, ebenfalls die ver- bale Bereitschaft Großbritanniens und der USA zu einer militärischen Intervention in Syrien und deren offenkundige Unterstützung der offiziellen syrischen Opposition. Die deutsche Bourgeoisie mag in Sachen einer militärischen Intervention in Syrien etwas diffe- renzierter sein, sie ist aber nicht handlungsunfähig oder ein Friedensengel. Sie stimmt mit den anderen westlichen Imperialisten in der Zielsetzung, das syrische Regime zu stürzen, aus den verschiedens- ten Gründen überein. In der Frage der Syrien-Krise geht es dem deut- schen Imperialismus in (zumindest formaler) Über- einstimmung mit den anderen Imperialisten um Kriegsvorbereitungen gegen den Iran, die Umzing- lung der sozialistischen Volksrepublik China und der Russischen Föderation. Es geht ebenfalls in Übereinstimmung mit den anderen imperialisti- schen Staaten um die Ausplünderung der syrischen Märkte. Das klingt erst mal allgemein und das ist es auch, denn in den Details liegen die Differenzen zwischen dem deutschen Imperialismus und den anderen imperialistischen Staaten. In der Frage der Kriegsvorbereitung gegen den Iran steht die deutsche Bourgeoisie unentschlossen da. Zum einen machen einige deutsche Monopole wie Sie- mens und Co. gute Geschäfte mit dem Mullah- Regime in Teheran, zum anderen sind andere Mo- nopole doch an dem Sturz des iranischen Regimes interessiert, ebenfalls aus ökonomischen Interes- sen. Die Umzinglung Chinas verläuft bei den deut- schen Strategen anders als die der USA. Hier gilt es, lokale Gegenkräfte zu China aufzubauen, sie in Stellung gegen die Volksrepublik zu bringen und nicht selber aktiv zu werden. Zu Russland verhält sich die deutsche Bourgeoisie ebenfalls gespalten. Einige sehen in Russland eine mögliche strategische Alternative zu Frankreich gegen die USA und einen Lieferanten von billigen Energieträgern. Die Aus- plünderung des syrischen Marktes verläuft am besten ohne imperialistische Konkurrenz. Das mag auch die Begründung sein, warum der deutsche Imperialismus nicht offen aggressiv auftritt und in völliger Übereinstimmung mit den anderen impe- rialistischen Staaten mitmacht. Welche konkreten Interessen verfolgt der deutsche Imperia- lismus in Syrien? Die Deutsche Rohstoffagentur (Lobbyvereini- gung der Energiekonzerne) schrieb in einer Pres- semitteilung: „Vor dem Hintergrund der derzeiti- gen politischen Entwicklung in Syrien gibt die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bun- desanstalt für Geowissenschaften und Rohstof- fe (BGR) Informationen zu Vorräten und Poten- zialen von Erdöl und Erdgas sowie den Ener- gierohstofflieferungen nach Deutschland heraus.“ Und formuliert kurz danach aus aktuellem Anlass die Zielsetzung: „Das bisher etwa 2.300 km lan- ge Gaspipeline-Netz soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Die Arab Gas- pipeline (AGP) aus Ägypten über Jordanien soll bis 2012 an das türkische und damit europäische Gaspipelinenetz angeschlossen werden. In Homs wurde 2004 ein nationales Gaskoordinierungs- und Verteilungszentrum errichtet. Damit versucht Syrien seine geographische Mittellage zwischen Europa und den öl- und gasreichen Staaten des Nahen Ostens (insbesondere Irak und Ägypten) als ,oil and gas hub‘ zu nutzen.“ Syrien ist ein Erdöl- und Erdgasknotenpunkt zwischen den öl- und gasreichen Staaten des Na- hen Ostens. Im Rahmen der sogenannten Ener- giewende gewinnt ein solches Projekt für den deutschen Imperialismus größere Bedeutung. Sy- rien ist ein geostrategischer Knotenpunkt. Ergän- zend dazu gibt es deutsche Projekte zur Wieder- belebung des Bagdad-Bahn-Projekts, da dürften Monopole wie die Deutsche Bahn und Siemens große Interessen an einer Nutzung der Proteste im Sinne eines pro-deutschen „Regime Change“ ha- ben. Die Deutsche Bahn ist laut German Foreign Policy2 in den arabischen Golfstaaten sehr aktiv. Das Mitglied der Deutschen Burschenschaften und Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) sagte kurz vor dem Aufstand in Syrien: „Ich denke zum Beispiel an eine Eisenbahnverbindung, die den Persischen Golf mit dem Mittelmeer verbindet.“ „Produkte aus dem Nahen und aus dem Mittle- ren Osten könnten in Zukunft auf neuen Schie- nenstrecken zu den großen syrischen Häfen ge- bracht und von dort aus nach Hamburg verschifft werden“. Bis zur Vollendung der syrischen Schie- nenstrecken werde „die Fahrrinne der Unterelbe (...) hoffentlich vertieft sein“. Insgesamt gehe es „um infrastrukturellen Ausbau auf breitester Front“: Involviert seien „Schiene, Straße, Flugver- kehr, maritime Wirtschaft, Energieversorgung und Telekommunikation“. Syrien nimmt somit eine wichtige Rolle in der geostrategischen Politik des deutschen Imperialis- mus ein. Die konkreten Projekte des deutschen Imperialismus in Syrien sind große Projekte, die über die Grenzen Syriens und ihre unmittelbaren Bedeutung hinausgehen. Die Politik der Bundesre- gierung folgt den Interessen des deutschen Finanz- kapitals. Es wundert in diesem Rahmen niemanden, dass sich aus der „Freunde Syrien“-Gruppe ein Arbeitskreis zur Reformierung der syrischen Wirt- schaft unter deutscher Führung in Kooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Sitz in Berlin gebildet hat. Der Arbeitskreis wird von Deutschland mit 600.000 Euro mitfinanziert und soll „langfristige Strategien“ für die Wirtschaftspo- litik Syriens entwickeln. Es geht um die Förderung des Übergangs zur sozialen Marktwirtschaft, aber auch um „Entwicklungsprojekte“. Es geht aus Sicht des Syrischen Nationalrates in diesem Arbeitskreis u.a. um die Anlockung von ausländischen Investi- tionen. Welche ausländischen Investitionen dies unter deutscher Führung sind, dürfte klar sein! Vor wenigen Tagen veröffentlichte auch die Zeit einen Artikel über das geheime Zusammentreffen syrischer Oppositioneller u.a. der Muslimbruder- schaft und Generälen der Freien Syrischen Armee im Haus der Stiftung Wissenschaft und Politik in Kooperation mit Vertretern des US-Imperialismus. Ziel dieses Treffens ist es, Pläne für die Zeit nach dem Sturz des syrischen Regimes zu entwerfen. Der deutsche Imperialismus ist somit ein entschei- dender Planer für die Zeit nach Assad und dürfte einer der größten Profiteure sein. Deutschland ist in der EU ebenfalls eine treiben- de Kraft für die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien, die in ihrer Wirkung zur objektiven Ver- schlechterung der Menschenrechtslage in Syrien beiträgt. Es geht um die Verschlechterung der Le- bensbedingungen der syrischen Bevölkerung. Die deutschen Medien bejubeln, dass sich die Lage der Menschen in Syrien angesichts der Sanktionen verschlechtert. Ziel ist es, das syrische Volk durch Aushungern zur Revolte gegen das syrische Regime zu bewegen. Das ist im Sinne der oben genannten Strategie, die die Isolierung des syrischen Regimes im Inland verfolgt, um es zu stürzen. Die Ergebnis- se dieser Strategie werden in Berichten der syrischen Kommunisten festgehalten. Seit Beginn der Krise in Syrien stieg die Armutsrate im syrischen Volk von vorher 10% auf etwa 50%. Es gibt einen Real- lohnverlust bei den Werktätigen in dem einen Jahr der Krise um etwa 50%, da die Preise in die Höhe steigen. Ein Beispiel: die Gaspreise haben sich seit unserer Flucht aus Syrien vor zehn Jahren um das 17-fache gesteigert. In derselben Periode sind die Löhne lediglich um das Dreifache gestiegen! Das ist die deutsche Politik gegenüber Syrien. Deutschland ist aber auch im Sicherheitsrat eine treibende Kraft zur weiteren Eskalation. Im ver- gangenen Jahr verhin- dern das Veto der Rus- sischen Föderation und der VR China eine deut- sche Resolution, die ein Ultimatum an Syrien richtete, wenn sie ihre Gewalt gegen die Zivil- bevölkerung nicht been- det. Ohne jedoch die Gewalt der FSA und der anderen Terroristen zu berücksichtigen und zu verurteilen. An allen weiteren eskalierenden Resolutionsentwürfen war Deutschland beteiligt. Die deutsche Politik im Sinne der Eskalation findet auch in der Zulassung des Waffenschmuggels für die Einheiten der FSA über den Libanon ihre Ergänzung. Dort befindet sich die deutsche Mari- ne um Waffenschmuggel zu „unterbinden“. Der Libanon entwickelte sich im letzten Jahr zur wich- tigsten Schmuggelroute für die FSA. Nebenbei befand sich ein deutscher Soldat in Syrien im Rah- men der UN-Beobachtungsmission.3 Die Rolle des deutschen Imperialismus in der Syrien-Krise ist aber weit verzwickter. Es geht hier um neue und alte Bündnispartner des deutschen Imperialismus, die die hauptsächliche Rolle in der Eskalation in Syrien übernehmen. Es handelt sich um folgende Bündnispartner: Katar, Saudi-Arabi- en, Kosovo und Türkei. Ich kann zwar nicht mit Gewissheit sagen, dass diese Staaten deutsche Halbkolonien sind (abgesehen vom Kosovo, der kein Staat ist und zudem klar deutsche Halbkolo- nie), aber ich kann auf einige Tendenzen bzw. Indizien in dieser Richtung hinweisen. Welche Rolle die Türkei in der aktuellen Syrien- Krise spielt, dürfte jedem hier klar sein. In der Türkei befindet sich das offizielle Hauptquartier der Freien Syrien Armee, zudem ist der NATO- Staat ein Hauptbefürworter der Kriegshetze gegen den syrischen Staat und praktischer Provokateur im Fall des türkischen Kampfflugzeugs über syri- schem Hoheitsgebiet. Die Türkei bietet dem syri- schen Nationalrat und der Muslimbruderschaft ihre Hauptbüros außerhalb Syriens. Die islamisti- sche AKP des türkischen Ministerpräsidenten Er- dogan bemüht sich dabei um die Ablenkung des türkischen Volkes und der türkischen Arbeiter- klasse. Er versucht, über vermeintliche außenpo- litische Erfolge von den eigenen sozialen Proble- men abzulenken und sich in Größenwahn als mögliches neues Kalifats-Zentrum über die sunni- tische arabische Welt als regionale Kraft gegenüber Israel und Iran zu sehen. Die AKP, so die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik, vereinigt die demokratisch-westlichen Werte mit dem Islam und bietet eine Alternative zum iranischen Fundamen- talismus. Außerdem soll die Türkei praktische Pläne für eine militärische Intervention gegen Sy- rien vorbereiten. Die Türkei taugt selbstverständ- lich und praktischerweise als Basis einer Schutz- zone für Zivilisten im Norden Syriens. Sie ist zu- mindest historisch einer der engsten Bündnispart- ner des deutschen Imperialismus, zu aktuellen deutsch-türkischen Beziehungen und Verhältnissen kann ich leider nicht viel sagen. Aber ich gehe davon aus, dass sich an den deutsch-türkischen Verhältnissen nichts geändert hat. Ein zweiter deutscher Bündnispartner ist der Kosovo. German Foreign Policy4 schreibt dazu: „Einige syrische Aufständische wurden im Ko- sovo über Methoden der Aufstandsgestaltung instruiert – offenbar unter den Augen der dort stationierten deutschen Soldaten.“ Syrer seien im Kosovo, um nach dem Vorbild der UCK kämpfen zu lernen, eben unter deutscher Aufsicht. Für die deutschen Strategen aus der SWP eignet sich der Kosovo-Krieg 1999 (der erste aktive Krieg des deutschen Imperialismus nach 1945) als Vorbild eines von der UNO gebilligten Krieges gegen Sy- rien. Da werden Parallelen für die Kriegsvorberei- tung gezogen, sei es auf der kriegspropagandisti- schen Ebene oder auch auf der praktischen mili- tärischen Ebene der Eskalation. Ein dritter neuer Bündnispartner ist verwun- derlicherweise Saudi-Arabien, der langjährige Ju- niorpartner des US-Imperialismus im nahen Osten. Saudi-Arabien zählt wie die Türkei zu den Haupt- kriegshetzern gegen Syrien, finanziert offiziell die syrische FSA und unterstützt sie mit allem, was die Saudis können. Womöglich auch mit islamis- tischen Kämpfern aus dem Umfeld der Al-Qaida, aber auch mit Waffen. Saudi-Arabien als erzkon- servativer Staat bietet zahlreichen syrischen Isla- misten ein Exil, von wo sie ihre Hetze betreiben können. Interessant in dem Ganzen ist die Zuwen- dung der Saudis in Richtung Deutschland. Es fand in letzter Zeit ein Großdeal zwischen Saudi-Ara- bien und dem deutschen Rüstungsmonopol Rhein- Metall mit 800 Panzern deutscher Produktion im Wert von über zehn Milliarden Euro statt. Hatte Saudi-Arabien früher als US-amerikanische Halb- kolonie seine Waffensysteme in den USA gekauft, so deutet der neue Kauf aus Deutschland in sol- chen Mengen auf eine allgemeine Kräfteverschie- bung zwischen dem deutschen und US-amerika- nischen Imperialismus in der Region, aber auch im Allgemeinen, hin. Ein vierter und sehr interessanter neuer Bünd- nispartner des deutschen Imperialismus ist Katar. Ebenfalls ein ehemaliger langjährigen Juniorpartner der USA, gerät dabei in deutsche Hände. Seit 2003, um den Irak-Krieg, haben sich die US-amerika- nisch-katarischen Beziehungen verschlechtert. Damals hatte der US-Präsident Bush einen Konflikt mit dem katarischen Sender Al-Jazeera ausgelöst. Im Irak wurden Al-Jazeera-Journalisten von US- Soldaten ermordet und Bush wollte sogar das Hauptquartier des Senders in Katar selbst bombar- dieren, falls die pro-irakische Widerstandsbericht- erstattung des Senders nicht aufhöre (die deutsche Linke verfiel sogar teilweise in Bewunderung für den Sender). 2003 positionierte sich der deutsche Imperialismus bekanntermaßen zum ersten Mal, in Sachen Irak-Krieg, gegen den US-Imperialismus. Insgesamt kühlten die katarisch-amerikanischen Beziehungen ab. Stattdessen besuchten Katar deut- sche Politiker wie Bundespräsident Wulff, Außen- minister Westerwelle und Bundeskanzlerin Merkel. Der katarische Emir besuchte ebenfalls Deutsch- land. Diese Besuche fanden innerhalb kürzester Zeit von weniger als zwei Jahren statt. Das ist eine bemerkenswerte Intensität für ein solch kleines Land wie Katar. Im Mai 2012 trafen sich Horst Köhler, der türkische Ministerpräsident Erdogan und der katarische Ministerpräsident Al-Tani im Astana Economic Forum in Kasachstan. Dort spra- chen die „Leaders“ über eine neue Finanz- und Wirtschaftspolitik und formulierten Forderungen an die G20-Staaten.5 Zusätzlicher und interessan- tester Aspekt der neuen deutsch-katarischen Ver- hältnisse ist der Kauf von Teilen des VW-Konzerns durch Katar im Jahr 2009. Dieser Kauf ermöglich- te VW das Verschlucken von Porsche, obwohl da- mals die allgemeine Tendenz dahin ging, dass Por- sche VW verschluckt. VW baute damit seine Posi- tion als zweitgrößter Automobilproduzent in der Welt aus. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Katar ist seitdem ver- ständlicherweise gestiegen. Katars Rolle in der Region ist in letzter Zeit gewachsen, es beteiligte sich aktiv an dem Krieg gegen Libyen und ist eben- falls ein Hauptkriegshetzer und Finanzier der syri- schen FSA. Es bedarf keiner längeren Erklärung, welche Rolle Katar in Syrien spielt. Mir ist klar, dass Deutschland nicht komplett die Staaten Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei in seine Halbkolonien verwandelt hat. Dafür ist die Kapitalverflechtung bspw. der Saudis mit dem US-Imperialismus zu stark, ebenfalls befindet sich eine starke militärische US-Präsenz in Katar und Saudi-Arabien. Aber was bereits in der FAZ leicht mitklingt ist, dass der US-Imperialismus relativ an einer ökonomischen Schwäche leidet, dagegen befindet sich der deutsche Imperialismus in einer relativen ökonomischen Stärke, was die EU angeht, aber natürlich auch international. Diese Situation ermöglicht das dreifache Veto Russlands und Chi- nas gegen eine anti-syrische Resolution im Welt- sicherheitsrat. Aber ebenfalls ermöglicht es dem deutschen Imperialismus, diese verdeckte und offene Aggressivität gegenüber Syrien in der Ein- flusssphäre des US-Imperialismus zu üben. In der oppositionellen kommunistischen Partei Syriens wird eine kriegerische Intervention nicht ausgeschlossen, auch wenn irgendwelche Kom- mentatoren auf die Wirtschaftskrise in den USA und der EU hinweisen, um anzudeuten, ein Krieg koste zu viel Geld und sei deswegen unwahrschein- lich. Aber genau umgekehrt ist es richtig, aufgrund der Wirtschaftskrise steigt die Gefahr des Krieges als Form der kapitalistischen Krisenlösung. Für uns als deutsche Anti-Imperialisten und Kommunisten gilt es die Interessen des deutschen Imperialismus zu benennen und sie anzugreifen, auf die sich zu- spitzenden zwischen-imperialistischen Widersprü- che hinzuweisen und das pazifistische Geschwafel des deutschen Imperialismus zu entlarven. Unser Beitrag zur Solidarität mit dem syrischen Volk, der syrischen Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-le- ninistischen Vorhut ist der organisierte Dolchstoß gegen unsere eigenen Herren. Toto Lyna, Mitglied der SDAJ Göttingen mit syrischem Hintergrund