Donnerstag, 26. Mai 2011

Krieg trotz Kassenlage: De Maizieres "Eckpunkte für die Neuausrichtung der Bundeswehr"

IMI-Analyse 2011/021
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2303
19.5.2011, Jürgen Wagner

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt im März 2011 kündigte der neue
Verteidigungsminister Thomas de Maiziere an, er müsse sich bezüglich der
anstehenden Bundeswehrreform zunächst einmal über den Sachstand
informieren, was einige Zeit dauern werde. Zweieinhalb Monate später
verkündete er am 18. Mai seine "Eckpunkte für die Neuausrichtung der
Bundeswehr", die unter seinem Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg auf
den Weg gebracht worden waren.

Offizieller Anlass für den Umbau sind die Bundeswehr-Sparvorgaben von
8,3 Mrd. Euro bis zum Jahr 2015. Um diese zu erfüllen, hatte es
zwischenzeitlich den Anschein, als erwäge de Maiziere eine Reduzierung
der Bundeswehr, die weit über Guttenbergs ursprüngliche Pläne
hinausgegangen wäre. Als Reaktion hierauf warnten jedoch interessierte
Kreise überdeutlich, dies würde Deutschlands Fähigkeiten zur
Kriegsführung erheblich beeinträchtigen. Nachdem die militärische
Interessensdurchsetzung aber im Zentrum der ebenfalls am 18. Mai 2011
erlassenen neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) steht,
verwundert es nicht, dass de Maiziere nun von den radikalen
Kürzungsvorhaben Abstand nahm -- ebenso wie von den Sparvorgaben, die
offenbar über Buchungstricks entsorgt werden sollen. Im schlimmsten Fall
könnte am Ende sogar eine erhebliche Erhöhung des Rüstungsetats stehen.


Offizielle und inoffizielle Umbauziele

Die Bundesregierung verkündete im Juni 2010, bis 2014 insgesamt 81,6
Milliarden Euro einsparen zu wollen. Der Verteidigungsetat sollte dazu
8,3 Mrd. Euro beitragen, wobei schnell eine "Fristverlängerung" bis 2015
genehmigt wurde. Vereinfacht gesagt, müsste der Rüstungshaushalt
demzufolge beginnend ab 2012 im Jahresdurchschnitt um etwa 2,1 Mrd. Euro
gesenkt werden. So begrüßenswert jegliche Verringerung in diesem Bereich
auch ist, ambitioniert oder drastisch waren diese Vorgaben in keiner
Weise. Ihre Umsetzung hätte nicht einmal die mehr als üppigen Aufwüchse
der vergangenen Jahre rückgängig gemacht: Noch 2006 betrug der --
offizielle -- Rüstungsetat 27,8 Mrd. Euro, für 2011 sind 31,548 Mrd.
eingestellt.

Der Hauptteil der Einsparungen sollte über einen Personalabbau erzielt
werden, wofür eine Planungsgruppe unter Leitung des
Bundeswehr-Generalinspekteurs Volker Wieker Vorschläge erarbeiten
sollte, die am 31. August 2010 veröffentlicht wurden.[1] Der "Bericht
des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum Prüfauftrag aus der
Kabinettsklausur vom 7. Juni 2010" schlägt verschiedene Modelle vor, die
eine Reduzierung des Gesamtumfangs von derzeit 252.000 Soldaten auf eine
Zahl zwischen 205.000 und 150.000 vorsahen. Die im Bericht präferierte
Zielgröße waren 163.500 Soldaten, von politischer Seite, insbesondere
aus den Reihen der CDU, wurde aber darauf hin schnell Druck für einen
Umfang von mindestens 185.000 gemacht.

Dies war in etwa der Sachstand, als de Maiziere im März 2011 die
Geschäfte im Bendlerblock übernahm. Schon bevor sein Vorgänger zu
Guttenberg von der Bühne abtreten musste, war klar, dass die
Sparvorgaben nur bei umfassendsten Personalkürzungen erreicht werden
würden. Aus diesem Grund erwog de Maiziere Berichten zufolge
zwischenzeitlich wohl eine Personalreduzierung, die mit 145.000 weit
über die zuvor angedachten Zielgrößen hinausgegangen wäre.[2] Ein
solcher Truppenumfang würde aber mit dem zweiten -- offensichtlich
prioritären -- Ziel der Bundeswehrreform kollidieren, nämlich den Anzahl
der für Kriegseinsätze im Ausland gleichzeitig verwendbaren Soldaten von
bislang 7.000 auf künftig 14.000 zu verdoppeln.[3] Vor diesem
Hintergrund tauchte ein "Geheim"-Papier des Verteidigungsministeriums
auf, das für erheblichen Wind sorgte, da es dieses Ziel in Frage stellte.


Brandbrief aus dem BMVg

Am 20. April 2011 veröffentlichte die Bildzeitung Auszüge aus einem
"geheimen" Bericht des Verteidigungsministeriums, der sich mit den
Auswirkungen der Sparvorgaben beschäftigte und der de Maizieres weitere
Überlegungen maßgeblich beeinflusst haben dürfte. Ungeachtet aller
politischen Forderungen, die Gesamtgröße der Bundeswehr dürfe 185.000
nicht unterschreiten, kommt das Papier, das wohl keineswegs zufällig das
Licht der Öffentlichkeit erblickte, zu dem Ergebnis, unter der
Sparvorgabe sei maximal Geld für 158.000 Soldaten vorhanden.

Nach diesem Befund wird auf die Folgen verwiesen. Hiermit ginge etwa die
"Bündnis- und Einsatzfähigkeit absehbar verloren." Die Kürzungen würden
die Bundeswehr fundamental gefährden, so das BMVg-Papier: "Die ins Auge
gefassten Einschnitte werden die Fähigkeiten Deutschlands, mit
militärischen Mitteln zur nationalen und internationalen
Sicherheitsvorsorge beizutragen, erheblich einschränken. Der deutsche
Militärbeitrag wird weder der Rolle Deutschlands im Bündnis entsprechen
noch den nationalen Sicherheitsinteressen genügen. Diese Einschränkungen
werden auf mittlere Sicht nicht reversibel sein." Im Ergebnis, und hier
setzten die Militärs der Politik buchstäblich die Pistole auf die Brust,
könne unter diesen Umständen die Kernaufgabe der Bundeswehr, an mehreren
Orten Krieg für deutsche Interessen führen zu können, nicht mehr
gewährleistet werden: "Bei den vorgesehenen Eingriffen ins
Fähigkeitsprofil (...) wird die Unterstützung nur noch in einem
Einsatzgebiet durchhaltefähig möglich sein."[4]

Wohlgemerkt, diese Bemerkungen bezogen sich auf eine Gesamtgröße von
158.000 Soldaten, nicht etwa auf die nahezu parallel von de Maiziere
angestellten Überlegungen sogar auf 145.000 zu reduzieren. Daraufhin
wurde allenthalben Kritik geäußert, die Bundeswehr werde
"kaputtgespart", es drohe eine "Sicherheitspolitik nach Kassenlage".
Somit wurde die Politik, und ganz speziell de Maiziere, vor eine klare
Wahl gestellt: Sparen oder Krieg führen!


Deutsche Interessen: Verteidigungspolitische Richtlinien

Am selben Tag, an dem de Maiziere seine Pläne für die Neuausrichtung der
Bundeswehr bekannt gab, erließ er auch neue Verteidigungspolitische
Richtlinien.[5] Dabei handelt es sich um die verbindliche konzeptionelle
Grundlage für die deutsche Verteidigungspolitik, die somit auch Ziel und
Stoßrichtung der Neuausrichtung der Bundeswehr vorgeben.

Unter dem Titel "Nationale Interessen wahren -- Internationale
Verantwortung übernehmen -- Sicherheit gemeinsam gestalten" benennen die
VPR eine Vielzahl von Interessen, deren Durchsetzung Aufgabe der
Bundeswehr sein müsse. Die "Abwehr von Gefährdungen unserer Sicherheit"
sei die vorderste Aufgabe der Bundeswehr, wobei man sich augenscheinlich
von nahezu allem und jedem bedroht fühlt: "Risiken und Bedrohungen
entstehen heute vor allem aus zerfallenden und zerfallenen Staaten, aus
dem Wirken des internationalen Terrorismus, terroristischen und
diktatorischen Regimen, Umbrüchen bei deren Zerfall, kriminellen
Netzwerken, aus Klima- und Umweltkatastrophen, Migrationsentwicklungen,
aus der Verknappung oder den Engpässen bei der Versorgung mit
natürlichen Ressourcen und Rohstoffen, durch Seuchen und Epidemien
ebenso wie durch mögliche Gefährdungen kritischer Infrastrukturen wie
der Informationstechnik." (S. 1f.)

Noch ein wenig prominenter als im Weißbuch der Bundeswehr von 2006
betonten die VPR die Bedeutung der Rohstoffabsicherung: "Freie
Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft
Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung,
Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und
Märkten werden weltweit neu geordnet. Verknappungen von Energieträgern
und anderer für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne
Auswirkungen auf die Staatenwelt. Zugangsbeschränkungen können
konfliktauslösend wirken. Störungen der Transportwege und der Rohstoff-
und Warenströme, z.B. durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs,
stellen eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar. Deshalb werden
Transport- und Energiesicherheit und damit verbundene Fragen künftig
auch für unsere Sicherheit eine wachsende Rolle spielen." (S. 4f.)

Deutschland solle sich darüber hinaus laut VPR allein schon deshalb an
Kriegen beteiligen, um hierdurch Ansprüche auf eine "mitgestaltende"
Rolle erheben zu können: "Durch die Befähigung zum Einsatz von
Streitkräften im gesamten Intensitätsspektrum ist Deutschland in der
Lage, einen seiner Größe entsprechenden, politisch und militärisch
angemessenen Beitrag zu leisten und dadurch seinen Einfluss,
insbesondere seine Mitsprache bei Planungen und Entscheidungen
sicherzustellen. Nur wer Fähigkeiten für eine gemeinsame
Aufgabenwahrnehmung anbietet, kann im Bündnis mitgestalten." (S. 10)
Nachdem de Maiziere jahrelang Bundesinnenminister war, verwundert es
zudem nicht, dass die VPR angeben, zum Auftrag der Bundeswehr gehörten
auch "Beiträge zum Heimatschutz, d.h. Verteidigungsaufgaben auf
deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen
und schweren Unglücksfällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei
innerem Notstand." (S. 11)

Angesichts der Aufgabenfülle müsse schließlich aber ein "'priorisiertes
Fähigkeitsprofil Bundeswehr' entwickelt" werden, was bedeute, dass die
Landesverteidigung eine nachrangige Aufgabe werde, denn die Bundeswehr
müsse sich auf die "wahrscheinlicheren Aufgaben der internationalen
Konfliktverhütung und Krisenbewältigung" konzentrieren, sie "bestimmen
die Grundzüge der neuen Struktur der Bundeswehr." (S. 16) Vor dem
Hintergrund dieser ambitionierten Agenda verwundert es nicht, dass von
Etatkürzungen in den VPR keine Rede ist. Stattdessen wird betont: "Die
Bundeswehr muss die notwendigen finanziellen Mittel erhalten, um
einsatzbereite und bündnisfähige Streitkräfte zu erhalten, die dem
Stellenwert Deutschlands entsprechen." (S. 10)


Sparvorgabe Makulatur: De Maizieres Umbaupläne

Auch künftig sollen jährlich 5,1 Milliarden Euro für neue Rüstungsgüter
ausgegeben werden, zur Freude von EADS und Co. werden hier also keine
Einsparungen vorgenommen. Stattdessen sollen Kostensenkungen "im
Wesentlichen über den zivilen und militärischen Personalhaushalt"
erbracht werden, so de Maizière.[6] Allerdings plant der
Verteidigungsminister hierfür eine Truppenreduzierung, die am oberen
Rand der diskutierten Möglichkeiten liegt. Laut den "Eckpunkten für die
Neuausrichtung der Bundeswehr" vom 18. Mai 2011 wird "der zukünftige
Bundeswehrumfang aus bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten und 55.000
zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen."[7] Lediglich was
die Zahl der gleichzeitig im Ausland künftig einsetzbaren Soldaten
anbelangt, ist man etwas zurückgerudert: "Es werden rund 10.000
Soldatinnen und Soldaten zeitgleich durchhaltefähig für Einsätze
verfügbar sein." Allerdings handelt es sich hierbei dennoch um eine
Ausweitung der bisherigen Kapazitäten um nahezu 50%, wobei es sich hier
um die bei weitem kostenintensivsten Truppenteile handelt.

Bedenkt man nun, dass allein schon durch die Aussetzung der Wehrpflicht,
die de Maiziere wie erwartet beibehalten will, 30.000 Soldaten
wegfallen, sind die Reduzierungspläne alles andere als ambitioniert.
Mehr noch: sie sind absolut unvereinbar mit den Sparvorgaben von 8,3
Mrd. Euro, da das oben zitierte interne BMVg-Papier angibt, hierfür
müsste der Truppenumfang auf 158.000 Soldaten reduziert werden. Dies ist
selbstverständlich auch allen Verantwortlichen wohl bewusst,
augenscheinlich haben sich de Maiziere und Wolfgang Schäuble bereits auf
einen Buchungstrick verständigt, mit dem die Sparvorgabe eingehalten
werden könnte, ohne den Rüstungshaushalt effektiv senken zu müssen: "Zum
Sparen nur so viel: [...] Alles weitere werde bei den
Haushaltsberatungen im Juli zu erfahren sein, er [de Maiziere] habe sich
mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits verständigt. Eine
denkbare Vereinbarung der beiden könnte - so wird im politischen Berlin
spekuliert - die Auslagerung der Pensionskosten aus dem Wehretat sein.
De Maizière ließ sich dazu nicht ein, bemerkte nur, diese Vermutung gehe
,schon eher in die richtige Richtung'."[8]

Diese schwammigen Aussagen lassen allerdings einige entscheidende Fragen
offen. Ist hier "nur" die Auslagerung der Pensionsausgaben für im Zuge
der Personalreduzierung aus dem Amt scheidende Soldaten gedacht? Allein
dies würde einer Modellrechnung zufolge grob überschlagene 1,5 Mrd.
jährlich ausmachen -- das Einsparziel von etwa 2,1 Mrd. wäre damit
schon annähernd in Sichtweite![9] Denkbar und bislang nicht
ausgeschlossen wäre im schlimmsten Fall, dass sämtliche
Versorgungsansprüche dem Bundeshaushalt aufgebürdet werden könnten.
Damit wäre der Rüstungsetat um einen riesigen Posten entlastet. Im
derzeitigen Haushaltsansatz 2011 sind hierfür 14,7% bzw. 4,63 Mrd. Euro
eingestellt.[10] So könnte im Ergebnis ein solcher Buchungstrick im
schlimmsten Fall zu einer Erhöhung der Rüstungsausgaben um ca. 2,5 Mrd.
Euro jährlich führen. Sparen auf Militärisch!


Anmerkungen

[1] Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum Prüfauftrag aus
der Kabinettsklausur vom 7. Juni 2010.
[2] 145.000 statt 185.000? Geopowers.com, 26.04.2011:
http://www.geopowers.com/145000-statt-185000-1322.html
[3] Vgl. Haid, Michael: Radikaler Umbau statt Kosmetik -- Zum Bericht
der Strukturkommission der Bundeswehr, IMI-Standpunkt 2010/041.
[4] Bundeswehr wird kaputt gespart! Bild.de, 20.04.2011:
http://www.bild.de/politik/inland/bundeswehrreform/einsatzfaehigkeit-kaputtgespart-158000-statt-185000-soldaten-17527866.bild.html

[5] Verteidigungspolitische Richtlinien: Nationale Interessen wahren --
Internationale Verantwortung übernehmen -- Sicherheit gemeinsam
gestalten, Berlin, den 18. Mai 2011. Die im Text folgenden Seitenzahlen
in Klammern beziehen sich auf dieses Dokument.
[6] Reform der Bundeswehr Streichen, kürzen, schrumpfen , Spiegel
Online, 18.05.2011:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,763419,00.html
[7] BMVg: Eckpunkte für die Neuausrichtung der Bundeswehr, Berlin,
18.05.2011. Tatsächlich bewegt sich die Zahl zwischen 175.000 und
185.000: 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie -- je nach Erfolg der
Rekrutierungsmaßnahmen -- zwischen 5.000 und bis zu 15.000 Freiwillig
Wehrdienstleistenden.
[8] Reform der Bundeswehr Streichen, kürzen, schrumpfen , Spiegel
Online, 18.05.2011.
[9] Wiegold, Thomas: Zahlen auf dem Tisch, 22. November 2010:
http://augengeradeaus.net/2010/11/zahlen-auf-dem-tisch/
[10]
http://www.bmvg.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzEzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY3NmE2OTM2N2EzODMyMzMyMDIwMjAyMDIw/haushalt_2011.pdf

Report from Tunisia : what happened, why and what more could happen

23 May 2011. A World to Win News Service. Following is the first instalment of a report written for AWTWNS by Samuel Albert. It describes what the revolt in Tunisia has achieved, and how. Subsequent instalments will analyse the underlying and triggering factors behind this revolt, and what the future may hold.



I. Great things



Great things have happened in Tunisia .



The greatest thing is that Tunisians, kept down first by the French and then by more than half a century of autocratic government subservient to France and other foreign capital, have awoken to political life in a way that happens only in special moments in history. They cast off passivity and routine's chains and sought to take the destiny of their country in their own hands. In fact, the masses of people were able to seize the political initiative countrywide – how often has that happened in today's world? – and impose changes that the Tunisian ruling classes and France and the US might or might not be able to accept but definitely did not want.



Zidane El Abidine Ben Ali ruled over Tunisia for 23 years. On 14 January 2011 he fell so unexpectedly and suddenly that the world was stunned, including Tunisians themselves. Since then they have brought down two successor governments and are challenging the third. The country remains in a rare state of effervescence.



Bourguiba boulevard in Tunis is a grand, French-style avenue with two rows of trees in the middle and cafés and expensive shops lining the sidewalks. Almost every evening since 14 January people of all walks of life gather to discuss and debate the issues of the day. The crowds are thickest on Friday and over the weekend. Knots of university students and older unemployed workers often listen to each other. Sometimes everyone shouts at once about this or that government proposal, about whether or not people should quiet down and go back to work and let the authorities take charge, or about Islam and the role of women in society. It's not unusual to see a woman loudly proclaiming her views to dozens of surrounding men. It seems to be a rule that everyone gets to speak.



Tongues have been untied. What a foreigner hears over and over again, from young and old, men and women, is this: "We've been kept silent all our lives. Now we are going to talk and nobody can make us shut up. We're going to be heard. Everybody's going to have to listen to us now."



People in the neglected smaller cities and dusty towns of the country's interior gather in squares and the cafés where men drink tea, smoke and argue from morning to night. They want to make sure that the country is still listening to them. There have been several violent social explosions over the past several months. Unemployed youth in at least two towns are on hunger strike, continuing to send the message that a young street peddler conveyed when he burned himself alive on 17 December and set off the revolt: they'd rather be dead than go on living this way.



Everywhere, one of the most contentious questions is whether or not there has been a real revolution. The current government says there has been, and that it is the revolution's representative. The armed forces says that there has been, and that it is the revolution's protector. In the streets and cafés, opinion is divided. An immense number of people are far from satisfied, especially the youth in general and the lower classes, and various parts of the middle classes, including the intelligentsia. What they have done so far has demonstrated their potential strength and made them hungry for more.



The question now is this: Will what the people have achieved so far make it possible to bring about the kind of radical change that could satisfy the aspirations expressed in their revolt? Or will the gains they have won through their self-sacrificing spirit be snatched away?





II. How it happened



Sidi Bouzid, where it all began

Sidi Bouzid is the town in the country's centre where the uprising began. It is the administrative capital of an arid governate (province) isolated from the world by wretched roads even though it is only a few hundred kilometres from the coast over flat land.



- A doctor (general practitioner):

Sidi Bouzid is last no matter what parameter you use to measure it. By law health care is supposed to be guaranteed for everyone, but there's only one small, badly equipped clinic in this town and other towns have none. I've never heard of a woman from the countryside coming in for a prenatal check-up. The public dispensaries have no medications – the supplies are sold illegally to private clinics.



There are no gynaecologist/obstetricians. Why would a specialist come to live in a province that has 413,000 inhabitants but not a single cinema? People are scattered in the countryside and small towns. There's no industry to concentrate people, no cultural life and it's hard to get to the big cities. Only 10 percent of the population is connected to the sewer system. There are 140,000 unemployed university graduates in this country of ten million, and ten percent of them, 1,400, are in this town of 45,000 people.



- A primary school teacher:

I was one of the first to pass by in front of the building after Mohammed Bouazizi set fire to himself, about 1 in the afternoon. A few men and women were demonstrating, mainly family members.



I called comrades and told them what happened and how it was the fault of the authorities. There are about 6,000 school teachers here. We're the biggest union, and we're also the intellectuals most closely in touch with the youth. Other activists came, including lawyers.



About 10:30 the next morning, lots of police came from Kasserine (the nearest city, towards the Algerian border). The battle began and continued for two days. About 8,000 gendarmes were brought in from all over the province. Ninety bus-loads of them, plus motorcycles (two-man teams, one to drive and the other to beat people). The whole town was throwing stones and fighting them – women, youth, elderly. We didn't burn and loot because it's our town, after all.



On the fifth day people came from other towns and villages to demonstrate. Other towns of 5-10,000 people erupted. It spread to Gabes on the coast, and then back to larger interior cities like Mederine. Then to Sfax, on 12 January, and the other big coastal cities. We didn't go to Tunis until after Ben Ali fled on 14 January...



- An older schoolteacher's union leader and political activist associated with the Patriotic and Democratic Labour Party (PT)

Most of the people in this region are small farmers. They tend livestock – especially sheep, and grow olives and other crops. Some land is irrigated, some not. There are no big landowners here. Families hire seasonal labourers during harvests, mostly women from neighbouring areas. There are some tomato canneries and an air conditioner plant, but not many factories. Aside from the top local government employees, living standards range from OK to pretty bad. Many farmers can't sell their crops in the coastal cities because there's no transport, and the buyers here rob them. The government programmes and other institutions like co-operatives are run by corrupt people with ties to the regime. Instead of helping the peasants they bleed them.



The poor peasants take out credit to buy a small truck or other equipment, and often can't pay back their loans. The interest is high. They end up going bankrupt and have to leave the country. When someone else buys up their land – and here there are few big capitalists and even fewer foreign investors – they irrigate it and grow crops for export like grapes, lettuce, peppers, cucumbers and melons. Because we're so far south, crops are ready for market early in the year, long before Europe and even northern Tunisia .



There isn't a single large store. There are lots of cafés because it doesn't take much capital to open one up and there's nothing to do but drink tea in a café. Some people buy and sell alcohol illegally.



Until now, hardly anybody was interested in politics, society or culture. Traditional holidays and folkloric events were organized by the regime for its own political purposes. Tribal relations are dying out because so many people are moving to big cities. In some places in this province 50-90 percent of the population have gone to look for work in Sfax, Monastir and Tunis , or immigrated illegally to Italy and France .



What we have here are lots of schools – 313 primary schools, 170 middle schools and several high schools. Education is compulsory and free. Among other reasons, peasants send their children to school because they don't have enough land to divide it up among their children. There's nothing else for kids to do but go to school. But the schools are in terrible condition and don't have much modern equipment.



The roads are so bad, especially the farm roads, that children who come to town for high school can't commute and have to find a place to live here. For university they go to the coastal cities. Many youth end up living with five or six other people in a garage. They drink wine, like most youth.



Isolated from their families and connected to the world by television and the Internet, craving a modern life style that unemployment and the lack of development won't let them have, they grow distant from their families and traditions. This is a patriarchal society, but they don't recognize their parents' authority. They won't even let their fathers find them a wife. That's a big generational rupture.



My son has two years of technical university. He's 29. I tell him, "I want you to have a wife and children like me." He says, "I can't, papa. That's too big a burden, too much responsibility." Some people are 40 years old and still haven't started their own family.



On top of all this is the fact that the youth weren't allowed to talk freely to each other and nobody would listen to them. Politics and political life was forbidden to them. Police were in the cafés to keep people from talking.



There were social explosions in 2006, 2008 and 2010 in the mining areas to the south and near the borders with Libya and Algeria . The government's solution was the police and this aggravated the situation. Some brave people, especially teachers, were sentenced to long prison terms. The economic situation got worse; peddlers selling contraband became numerous. The general mood among youth was very pessimistic and there were suicides.



Mohammed Bouazizi was typical of these youth. He wasn't a university graduate like the media said. He had a pushcart selling fruit and vegetables. He didn't have a permit, so a municipal agent confiscated his scale. Without a scale, he couldn't make a living. He complained to the authorities, but nobody would listen to him. A woman municipal agent slapped him in the face.



I wasn't there when he set fire to himself in front of the administration building on 17 December. His family staged a protest, and spread the word to other towns through tribal relationships. On the 18th and 19th we organized demonstrations. There were teachers and government employees, and soon most of the townspeople were in the streets. Our slogans held the regime responsible for Bouazizi's death. The police encircled the whole city. We met in the offices of the UGTT (the union federation). The police wouldn't let us out of there to demonstrate in the streets.



So the youth started protesting in their neighbourhoods. They fought with the police, especially at night when police cameras couldn't take pictures.



Our first slogans were "Work is a right" and "Gang of thieves – where is our right to work?" Then the central government sent in the gendarmes. We chanted slogans for freedom of expression and demonstrations and equality of development.



The media didn't mention any of this. There was a total blackout for the first few days, even as the protests spread to nearby cities. Many towns were blockaded by the police and gendarmes. We made videos with our mobiles (cellphones) and posted them online.



"Let us tell you how we made the revolution"



- University student, Tunis (with half a dozen other students chiming in)

I'm a member of the Communist Party of Tunisian Workers (PCOT). I've been a student activist since 2000, when we were arrested for holding a demonstration at school. We were always getting clubbed by the police. When Bouazizi burned himself, students and high school teachers' union members from Tunis went to Sidi Bouzid. The regime was trying to calm people down. Ben Ali gave Bouazizi's mother money. We paralysed the city and used our mobiles to spread the news. Many comrades were shot in the head while fighting the police. Some of us stayed there; others came back to Tunis to work Facebook and show people what was happening in Sidi Bouzid and Kasserine.



The demonstrations started to reach Tunis on 28 December (when artists and professionals, especially lawyers, protested), but not in a big way until 11 January, when there was a major protest in a suburb near the capital. The next day there was a demonstration in Beb El Khader, about a kilometre from the city centre. A youth was killed in another demo there the next day. Seven of us comrades went there. On the 14th we carried his body all the way through the city and down Bourguiba boulevard , calling on the people to revolt. People on the street were very respectful of us. We attacked the police. We didn't want to have just another demonstration and then everyone go home. We were tired of seeing youth get beaten.



- A third year student:

For a long time I felt like I was just about the only one who thought like me. We started using Youtube and Facebook because it was the only way we could talk freely. Then two bloggers were arrested in mid-2010, and everyone got scared.



When friends called and told us what was happening in Sidi Bouzid and Kasserine, and the media wasn't saying anything about it, we got mad. We had to express ourselves. About a hundred of us used Facebook to organize the first demonstration in central Tunis . On 13 January the police arrested me and other bloggers and held me for about three hours. I'd been clubbed before, but never arrested. They asked why we were demonstrating; I said because of injustice.



When they let me go I went home to the working class neighbourhood where I live. On the Net I saw that other bloggers had been busted. We told everyone to come out into the streets the next day. That night Ben Ali gave a big speech saying that he wouldn't step down. Some guys – nobody knows who they were – were driving around in cars without license plates and shooting people at random. I was scared to go out. A curfew was in force, but a few people were allowed to come to Bourguiba boulevard to applaud the president. We heard that France and the EU were going to send Ben Ali help. I thought that was going to be the end of it.



The next morning, at 8:30, I was on the boulevard. There were three or four thousand people in front of the Municipal Theatre. Everyone carried Tunisian flags and protest signs. For once, it wasn't raining. By 10 or 11 the boulevard was full; there wasn't room for one more person. I didn't think the police could attack, because there were so many of us and the international press was watching. Nothing was happening, and then suddenly tear gas grenades were fired. People in the first ranks in front of the Interior Ministry began trying to back up. I thought that would be it for the day and we'd come back tomorrow. It was an unforgettable moment – people were crying as they sang the national anthem. The old people, children and some women retreated. The rest of us started fighting. We fought all day.



- Union members and leaders, UGTT regional headquarters in the Tunisian industrial suburb of Ben Arous:

This town has half a million people. It has chemical plants, an oil refinery and many factories like electronic parts sub-assembly plants for foreign car companies and food processing. It's considered attractive for foreign investment because of its educated and skilled workers and technicians and good infrastructure. Most of the workers here are originally from this region.



We were never a "normal" union . The UGTT was founded during the liberation struggle in the 1930s. We were doing political work for years, especially in the mining region of the south. The national union leadership supported Ben Ali, but the regional and local leadership were against that. Because political parties were outlawed, the leftist parties worked mainly through the unions, as well as human rights organizations and NGOs.



It's true, like people say, that the revolution was made for liberty , not bread, but it's also true that while we were suffocated by the Ben Ali mafia, people in the interior were suffering from extreme regional inequalities and unemployment.



We had our first rally here on 5 January, mainly union members and other workers. The police surrounded our offices. After that we held a mass meeting to decide what to do, and called for a regional general strike on 14 January from 10 am to noon.



Ben Ali closed the schools because of the unrest. The students came to meet in our offices because they had nowhere else to meet – the official student union was run by the regime. It turned out that there were no strikes because many factories didn't even open that morning. Everything just stopped. So students and other people went to demonstrate in central Tunis . That evening Ben Ali resigned.

Donnerstag, 19. Mai 2011

Stalin und der Kampf für demokratische Reformen

Teil 1

Grover Furr

Deutsche Übersetzung von Michael Kubi

(die Meinung des Autors muss nicht 100%ig mit der Meinung des Übersetzers übereinstimmen)

(englisches Original: http://eserver.org/clogic/2005/furr.html)

Quelle: red-channal

auf Kommunissten-online am 13. Mai 2011 -

EINLEITUNG

1. Dieser Artikel umreißt die Versuche Josef Stalins, von 1930 bis zu seinem Tod, die Regierung der Sowjetunion zu demokratisieren.

2. Diese Aussage und dieser Artikel werden viele erstaunen und so manchen empören. In der Tat veranlasste mich mein eigenes Erstaunen über die Ergebnisse der Forschung diesen Artikel zu schreiben. Ich war schon seit Längerem der Ansicht, dass die Version des Kalten Krieges über die Sowjetunion einige ernste Fehler hatte. Noch war ich aber unvorbereitet über den Umfang der Falschheiten die mir als Tatsachen unterrichtet worden waren

3. Diese Geschichte ist in Russland weit bekannt, wo Respekt oder gar Bewunderung für Stalin üblich ist. Juri Shukow, der bekannteste russische Historiker der an dem Paradigma „Stalin als Demokrat“ festhält und dessen Arbeiten für diesen Artikel die Hauptquelle sind, ist die Hauptfigur, der mit der Akademie für Wissenschaften verbunden wird.

4. Allerdings sind die Geschichten und Fakten, welche diesen Artikel durchziehen, außerhalb Russlands fast unbekannt, wo das Paradigma des Kalten Krieges, des „Schurken Stalin“ das kontrolliert was veröffentlicht wird, dass die Werke, die hier zitiert werden, kaum beachtet werden. Deshalb sind die Primär- und Sekundärquellen, die für diesen Artikel genutzt werden nur in Russland erhältlich. [1]

5. Dieser Artikel informiert die Leser nicht einfach nur über neue Fakten, neue Interpretationen über die Geschichte der UdSSR. Viel mehr ist es ein Versuch nichtrussischen Lesern Ergebnisse neuer Forschung, basierend auf Sowjetarchive, die Stalinzeit und Stalin selber zu vermitteln. Die hier besprochenen Fakten sind vergleichbar mit einer Anzahl von Paradigmen der sowjetischen Geschichte und helfen eine Anzahl anderer Interpretationen zu widerlegen. Sie werden für jene, deren historische und politische Perspektiven irrtümlich und ideologisch motiviert auf den fiktiven Legenden des Kalten Krieges über den „sowjetischen Totalitarismus“ und „stalinistischen Terror“ beruhen, vollkommen unakzeptabel, in Fakt unverschämt sein. [2]

6. Die Chruschtschow-Interpretation von Stalin als machthungrigen Diktator, des Verräters des Vermächtnis Lenins, wurde in den 1950ern kreiert um die Bedürfnisse der Nomenklatura der Kommunistischen Partei anzupassen. Aber es zeigt große Ähnlichkeiten und teilt viele Annahmen mit dem kanonischen Diskurs über Stalin geerbt vom Kalten Krieg, der das Verlangen der Kapitalistenklasse zu argumentieren, dass kommunistische Kämpfe, oder allgemein Kämpfe für die Befreiung der Arbeiter, muss unvermeidlich in eine Art des Horrors führen.

7. Es passt auch zu den Bedürfnissen der Trotzkisten zu behaupten, dass die Niederlage Trotzkis, des „wahren Revolutionären“, nur durch die Hand eines Diktators kommen konnte, der, so wird behauptet, jedes Prinzip der Revolution bekämpfte. Chruschtschowsche, antikommunistische und trotzkistische Sichtweisen der sowjetischen Geschichte sind vergleichbar in ihrer Abhängigkeit der virtuellen Dämonisierung Stalins, seiner Führung und der UdSSR seiner Zeit.

8. Die Sicht über Stalin, die in diesem Essay zur Geltung kommt, ist vergleichbar mit einer Anzahl anderer widersprüchlicher historischer Paradigmen. Antirevisionistische und postmaoistische Interpretationen sehen in Stalin einen kreativen und logischen, wenn auch etwas fehlerhaften, Erben des Vermächtnis Lenins. Inzwischen respektiert auch ein Großteil der russischen Nationalisten Stalin als jene Figur der es zu verdanken ist, dass Russland zu einer industriellen und militärischen Großmacht wurde, sie Stalin kaum als einen Kommunisten sehen. Stalin ist somit für beide eine fundamentale Figur, obgleich auf unterschiedliche Art und Weise.

9. Dieser Artikel ist kein Versuch Stalin zu rehabilitieren. Ich stimme mit Juri Shukow überein, wenn er schreibt:

„ Ich kann ehrlich sagen, dass ich gegen eine Rehabilitierung Stalins bin, weil ich grundsätzlich gegen Rehabilitierungen bin. Nichts und niemand in der Geschichte sollte rehabilitiert werden – aber wir müssen die Wahrheit aufdecken und aussprechen. Dennoch, sind seit Chruschtschows Zeit die einzigen Opfer Stalins Repressionen, von denen man hört, diese, die an ihnen selbst teilnahmen, oder die, die sie förderten oder die, denen es misslang gegen sie zu sein.“ (Shukow, KP Nov. 21. 02)

Noch möchte ich andeuten, wenn Stalin nur diesen Weg gehabt hatte, wurden die vielfältigen Probleme des Aufbaus des Sozialismus und Kommunismus gelöst.

10. Während der Periode, die dieser Essay behandelt, war die Führung um Stalin nicht nur daran interessiert die Demokratie in der Regierungsgewalt, sondern auch die innerparteiliche Demokratie zu fördern. Dieses wichtige und fachbezogene Thema erfordert eine getrennte Studie, die in diesem Essay nicht Zentralthema sein wird. Wie auch immer der Begriff „Demokratie“ verstanden wird, er hat wohl eine unterschiedliche Bedeutung im Kontext einer demokratisch-zentralistischen Partei freiwilliger Mitglieder als ein großer Staat mit Bürgern, wo keine Basis politischer Übereinstimmung vorausgesetzt werden kann. [3]

11. Dieser Artikel beruft sich auf primäre Quellen, wo es auch möglich ist. Aber er bezieht sich hauptsächlich auf wissenschaftliche Arbeiten russischer Historiker, die Zugang zu nicht oder kürzlich veröffentlichen sowjetischen Archivmaterial haben. Viele sowjetische Dokumente, die von großer Bedeutung sind, sind nur Wissenschaftler zugänglich die privilegierten Zugang zu den Archiven haben. Eine große Anzahl verbleibender Archive sind vollkommen verschlossen oder „sortiert“, inklusive Stalins persönliche Archive und die Forschungsmaterialien zu den Moskauer Prozessen, den Säuberungen des Militärs, der Tukchaschewsky-Affaire von 1937 und viele andere.

12. Juri Shukow beschreibt die Situation folgendermaßen:

„Mit dem Beginn der Perestroika, zu dessen Slogans auch „Glasnost“ gehörte … waren die Kremlarchive, die vorher nur Forscher einsehen konnten, beseitigt. Dessen Bestand wurde (in verschiedenen öffentlichen Archiven – GF) verlagert. Dieser Prozess begann, wurde aber nie beendet. Ohne jegliche Werbung und Erklärung wurden 1996 die wichtigsten, zentralen Materialien wieder neu eingeteilt, geheimgehalten im Archiv des Präsidenten der Russischen Förderation. Bald waren die Gründe für dieses geheime Vorgehen bekannt; es erlaubte die Auferstehung eines der zwei schäbigsten Mythen.“ (6)

Mit diesen Mythen meinte Shukow „Stalin den Verbrecher“ und „Stalin den Großen Führer“. Nur der erste Mythos ist der westlichen antikommunistischen Geschichtsschreibung geläufig. Aber in Russland und der GUS sind beide weit verbreitet.

13. Eines von Shukows Büchern, und die Grundlage für diesen Artikel, ist „Inoy Stalin“ „ein anderer Stalin“, anders in dem Sinne, dass er frei von den Mythen, näher an der Realität betrachtet wird, gestützt auf kürzlich geöffnetes Archivmaterial. Dessen Buchumschlag zeigt ein Foto von Stalin, daneben das Negativ des gleichen Fotos: dessen Gegenteil also. Nur kaum benutzt Shukow Quellen aus zweiter Hand. Zum größten Teil zitiert er unveröffentlichtes Archivmaterial, oder Dokumente die kürzlich geöffnet und veröffentlicht wurden. Das Bild des Politbüros und dessen Politik von 1934 bis 1938, welches Shukow zeichnet, unterscheidet sich von jenen „Mythen“, die er ablehnt.

14. Shukows Einleitung endet mit folgenden Worten:

„Ich mache keinen Anrecht auf Endgültigkeit und Unbestreitbarkeit. Ich wage nur eine Aufgabe: beide vorgefassten Sichtweisen, beide Mythen zu umgehen; versuchen die Vergangenheit zu rekonstruieren, die einmal sehr bekannt war, heute absichtlich in Vergessenheit geraten ist, vorsätzlich nicht erwähnt wird und von allen ignoriert wird.

Nach Shukow, versucht dieser Artikel beide Mythen zu meiden.

15. Unter solchen Bedingungen müssen alle Ergebnisse vorläufig verbleiben. Ich habe versucht alle Materialien, sowohl primäre als auch sekundäre, vernünftig zu gebrauchen. Um den text nicht zu unterbrechen, habe ich die Quellenangaben hinter jeden Abschnitt gesetzt. Des Weiteren habe ich nummerierte Fußboten eingesetzt, wo längere Erklärungen notwendig sind.

16. Die Forschung, die dieser Artikel zusammenfasst, hat wichtige Konsequenzen für jene, die daran interessiert sind eine Klassenanalyse der Geschichte fortzusetzen, einschließlich der Geschichte der Sowjetunion.

17. einer der besten Forscher der Stalinära, J. Arch Getty, nannte die historische Forschung während des Kalten Krieges „das Ergebnis von Propaganda“ – „Forschung“, bei der es keinen Sinn macht sie zu kritisieren oder zu versuchen sie in Einzelstücken zu korrigieren, aber die von Anfang an noch einmal von vorn gemacht werden muss. [4] Ich stimme mit Getty überein, würde aber noch hinzufügen, dass diese voreingenommene, politisch geladene und unehrliche „Forschung“ wieder aufgenommen wird.

18. Das Paradigma des Kalten Krieges und der Chruschtschowianer war die allgemein geltende Sicht über die Stalinzeit. Die Forschung, die hier vorgetragen wird, kann zu „einer Reinigung der Grundlage“, zu einem „Anfang des Anfangs“ führen. Die Wahrheit, die hier entsteht, wird auch für Marxisten eine große Bedeutung haben um die Welt zu verstehen und sie zu verändern um eine klassenlose Gesellschaft mit sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit zu gründen.

19. Im Abschließenden Abschnitt des Essays habe ich einige Gebiete für eine weitere Forschung umrissen, die von den Ergebnissen dieses Artikels vorgeschlagen sind.

EINE NEUE VERFASSUNG

20. Im Dezember 1936 stimmte der 8. Außerordentliche Kongress der Sowjets dem Entwurf einer neuen Verfassung zu. Diese stimmten für einen geheimen Wahlgang und für Wahlen mit Gegenkandidaten. (Shukow, Inoy 307 -9)

21. Es konnten nicht nur Mitglieder der Bolschewistischen Partei – damals All-Unions Kommunistische Partei (Bolschewiki) genannt [5] – sondern auch Kandidaten anderer Bürgerinitiativen, basierend auf den Wohnsitz, Religionszugehörigkeit und Arbeitsgruppen. Diese letzte Bestimmung wurde nie Wirklichkeit. Wahlen mit Gegenkandidaten sind nie gehalten worden.

22. Die demokratischen Aspekte der Verfassung wurden auf Verlangen Josef Stalins eingeführt. Zusammen mit seinen engsten Unterstützern im Politbüro der Bolschewistischen Partei kämpfte Stalin für den Erhalt dieser Bestimmungen. (Getty „State“)

Er und sie (Stalin und das Politbüro – M.K.), gaben nur nach, als sie mit der kompletten Ablehnung des ZK der Partei und der panischen Atmosphäre durch die Entdeckung feindlicher Komplotte, die mit dem japanischen und deutschen Faschismus zusammen arbeiteten, um die Regierung zu stürzen, konfrontiert waren

23. Januar 1935 unterzeichnete das Politbüro die Aufgabe des Entwurfs des Inhalts der Verfassung an Avel Jenukidse [6] der, einige Monate später, mit einem Vorschlag für offene Wahlen ohne Gegenkandidaten zurückkam. Fast zeitgleich, am 25. Januar 1935, drückte Stalin seine Meinungsverschiedenheit mit Jenukidse zu verdeutlichen, bestehend auf geheime Wahlen. (Shukow, Inoy 116-21)

24. Stalin machte seine Differenz auf eine dramatische Weise im März 1936 bei einem Interview bei dem Zeitungs-Großindustriellen Roy Howard öffentlich. Stalin erklärte, dass bei der neuen Verfassung die geheimen Wahlen garantiert werden. Wahlen werden auf gleicher Grundlage abgehalten, bei der die Stimme eines Bauern genauso viel zählt wie die eines Arbeiters. [7], auf territorialer Grundlage, wie im Westen, eher als nach der Stellung (wie zu Zarenzeiten) oder dem Einsatzort; und direkt – alle Sowjets werden von den Bürgern selbst gewählt, nicht indirekt durch Repräsentanten. (Stalin- Howard Interview, Shukow „Repressi“ 5-6)

Stalin: Wir werden unsere neue Verfassung wahrscheinlich am Ende des Jahres annehmen. Die Kommission, die ausgewählt wurde zu Verfassung anzufertigen, arbeitet und sollte ihre Arbeiten bald beenden. Wie schon bekannt gegeben, werden die Wahlen, nach der neuen Verfassung, universell, gleich, direkt und geheim sein. (Stalin-Howard-Interview, S. 13)

25. Das wichtigste ist, dass Stalin erklärte, dass es Wahlen mit Gegenkandidaten geben wird.

Sie sind von der Tatsache verwirrt gewesen, dass nur eine Partei bei den Wahlen hervortreten wird. Sie verstehen nicht, wie Wahlen mit Gegenkandidaten unter solchen Bedingungen stattfinden können. Eindeutig können Kandidaten sowohl von der Kommunistischen Partei, als auch von allen möglichen öffentlichen, parteilosen Organisationen aufgestellt werden. Und wir haben hunderte von ihnen. Wir haben keine gegnerischen Parteien mehr, genauso wie wir keine Kapitalistenklasse haben, die im Widerstreit zur Arbeiterklasse steht und diese ausbeutet. Unsere Gesellschaft besteht nur aus freien Arbeitern in Stadt und Land – Arbeitern, Bauern und Intellektuellen. Jede dieser Schichten kann unterschiedliche Interessen haben und diese in vielen verschiedenen öffentlichen Organisationen ausdrücken (13-14)

Diese öffentlichen Organisationen können ihre eigenen Kandidaten aufstellen, die gegen die Kandidaten der Kommunistischen Partei konkurrieren. Stalin sagte Howard, dass Bürger die Namen aller Kandidaten durchstreichen außer jenen den sie zur Wahl wünschen.

26. Er betonte auch die Wichtigkeit dieser Form der Wahlen bei dem Kampf gegen Bürokratie.

Sie behaupten, dass es keine Wahlkämpfe geben wird. Aber es wird welche geben, ich persönlich sehe aktive Wahlkämpfe voraus. Bei uns zulande gibt es einige Organisationen, die sehr schlecht arbeiten. Es gibt Fälle, dass diese oder jene lokale Regierung die vielfältigen und immer wachsenden Bedürfnisse der Arbeiter in der Stadt und auf dem Land nicht befriedigen. Haben sie gute Schulen gebaut oder nicht? Haben sie die Wohnungssituation verbessert? Sind sie ein Bürokrat? Haben sie geholfen unsere Arbeit effektiver und unser Leben kulturell wertvoller zu machen? Das werden Kriterien sein, mit denen Millionen von Wählern die Fähigkeiten der Kandidaten prüfen werden, die Unfähigen abwählen, ihre Namen aus der Liste der Kandidaten streichen und die besten unterstützen und nominieren. Ja, Wahlkämpfe werden lebhaft, sie werden von vielen durchgeführt, sehr akute Probleme, besonders von praktischer Natur, als erste Klassenbedeutung für die Menschen. Unser neues Wahlsystem wird alle Institutionen und Organisationen verschärfen und sie zwingen, ihre Arbeit zu verbessern. Universelles, gleiches, direktes und geheimes Stimmrecht in der UdSSR wird eine Peitsche in den Händen der Menschen gegen die Regierungsorgane sein, die schlecht arbeiten. Unsere neue sowjetische Verfassung wird meines Erachtens die demokratischste Verfassung der Welt sein. (15)

27. Von diesem Zeitpunkt an, sprachen Stalin und seine engsten Mitstreiter Wjatscheslaw Molotow und Andrej Schdanow für Wahlen mit Gegenkandidaten in allen Parteidiskussionen. (Shukow, Inoy 207-10, Stalin-Howard-Inteview)

28. Stalin war auch daran interessiert, dass diejenigen die ihrer Bürgerrechte beraubt wurden, diese wieder erhalten. Dies zog die Mitglieder der ehemaligen Ausbeuterklassen wie frühere Gutsherren, sowie diejenigen die gegen die Bolschewiki während des Bürgerkrieges 1918-1921 kämpften, sogenannte „Weißgardisten“ und jene die für Verbrechen verurteilt wurden (wie in den USA heute) mit ein. Die Wichtigsten und wohl zahlreichsten der lishentsy („Beraubte“) waren zwei Gruppen: „Kulaken“, die Hauptzielscheibe während der Kollektivierung einige Jahre zuvor und jene die gegen das 1932 durchgeführte „Gesetz der drei Ohren“ [8] verstießen, die häufig Staatseigentum, zumeist Getreide, stahlen um dem Hunger zu entgehen. (Shukow, Inoy 187)

29. Diese Wahlreformen wären unnötig gewesen, außer wenn die Stalin-Regierung die Art und Weise ändern wollte, wie Sowjetunion regiert wurde. Sie wollte die Kommunistische Partei aus der Pflicht nehmen, direkt die Sowjetunion zu leiten.

30. Während der russischen Revolution und der darauffolgenden, kritischen Jahre, wurde die UdSSR gesetzesmäßig regiert von einer gewählten Hierarchie von Sowjets (=“RÄTE“), von der lokalen bis zur nationalen Stufe, mit dem Obersten Sowjet als das nationale legislative Staatsorgan, dem Rat der Volkskommissare als das Führungsgremium und dem Vorsitzenden dieses Rates als das Staatsoberhaupt. Aber in der Realität war die Wahl dieser Staatsorgane, auf jedem Level, in den Händen der Bolschewistischen Partei gewesen. Wahlen wurden gehalten, aber direkte Nominierungen durch Parteiführer, sogenannte „Kooptationen“, waren auch geläufig. Selbst die Wahlen wurden von der Partei kontrolliert, da niemand für ein Staatsorgan kandidieren konnte, außer wenn die Parteiführer zustimmten.

31. Für die Bolschewiki machte dies Sinn. Dies war die Form der Machtausübung, die die Diktatur des Proletariats unter der spezifischen revolutionären und nachrevolutionären Situation in der Sowjetunion anwandte. Unter der Neuen Ökonomischen Politik, der NEP [9], war es notwendig, die Arbeit und die Fähigkeiten der ehemaligen Ausbeuter auszunutzen. Jedoch mussten sie der Diktatur des Proletariats – des Sozialismus – dienen. Es war ihnen weder gestattet, kapitalistische Verhältnisse über gewisse Grenzen wiederherzustellen, noch sich politisch zu organisieren.

32. Während der 20er und frühen 30er Jahre warb die Bolschewistische Partei kämpferisch unter der Arbeiterklasse für Mitglieder. Ende der 20er waren die meisten Mitglieder aus der Arbeiterklasse und ein höherer Anteil der Arbeiter trat in die Partei ein. Die massive Werbung und der riesige Versuch politischer Erziehung fanden gleichzeitig mit den enormen Umbrüchen des ersten Fünfjahresplans und der forcierten Kollektivierung der Bauernhöfe in Kollekivfarmen (Kolchosen) und Staatsfarmen (Sowchosen) statt. Die Bolschewistische Führung war sowohl aufrichtig in dem Versuch ihre Partei zu „proletarisieren“ und erfolgreich in ihrem Ergebnis. (Rigby, 167-8; 184; 199)

33. Stalin und seine Unterstützer im Politbüro gaben mehrere Gründe an, die Sowjetunion zu demokratisieren. Diese Gründe spiegelten den Glauben der Führerschaft um Stalin wider, dass ein neuer Zustand des Sozialismus erreicht wurde.

34. Die meisten Bauern waren in Kollektivfarmen organisiert. Mit der jeden Monat abnehmenden Zahl der Kleinbauern, waren Stalin und seine Anhängerschaft der Ansicht, dass die Bauern, objektiv gesehen, keine eigene sozioökonomische Klasse darstellen. Die Bauern waren mehr wie Arbeiter, als dass sie sich von ihnen unterschieden.

35. Stalin behauptete, dass mit dem schnellen Wachstum der sowjetischen Industrie, und besonders durch die Machtausübung der Arbeiterklasse durch die Bolschewistische Partei, das Wort „Proletariat“ nicht mehr genau war. Das „Proletariat“, so Stalin, bezieht sich auf die Arbeiterklasse unter kapitalistischer Ausbeutung, oder auf Arbeit unter kapitalismustypischen Produktionsverhältnissen während der ersten dutzend Jahre der Sowjetunion, besonders während der NEP. Da aber die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Kapitalisten aufgehoben wurde, sollte die Arbeiterklasse nicht „Proletarier“ genannt werden.

36. Nach dieser Sichtweise existieren Ausbeuter der Arbeit nicht mehr. Arbeiter folgen, vertreten durch die Bolschewistische Partei, in diesem Staat ihren eigenen Interessen. Deswegen war die Diktatur des Proletariats kein angemessenes Konzept. Die neuen Bedingungen verlangten eine neue Art von Staat. (Shukow, Inoy 231, 292; Stalin, „Draft“, 800 – 1)

DER KAMPF GEGEN DIE BÜROKRATIE

37. Die Führung um Stalin war auch besorgt um die Rolle der Partei in dieser neuen Stufe des Sozialismus. Stalin selbst eröffnete den Kampf gegen die „Bürokratie“ mit großem Elan genauso früh wie sein Bericht am 17. Parteitag im Januar 1934. [10] Stalin, Molotow und andere nannten das neue Wahlsystem eine „Waffe gegen bürokratische Entartungen“.

38. Die Parteiführer kontrollierten sowohl die Regierungsgewalt, wenn sie entschieden, wer in die Sowjets gewählt werden darf, als auch bei der Verwaltung verschiedener Formulare zur Übersicht und Überprüfung über die Tätigkeit der einzelnen Regierungsministerien. Bei seiner Rede auf dem 7. Kongress der Sowjets, 6. Februar 1935, sagte Molotow, dass die geheimen Wahlen „mit großer Kraft gegen bürokratische Elemente wie ein Blitz einschlagen und ihnen einen großen Schock bereiten werden.“ In Jenukidses Bericht wurden geheime Wahlen und die Erweiterung des Stimmrechts weder befürwortet, noch erwähnt. (Stalin, Bericht auf dem 17. Parteikongress; Shukow, Inoy 124)

39. Die Regierungsminister und ihr Personal mussten etwas über die Angelegenheiten wissen, die sie leiteten, wenn sie effektiv in der Produktion sein wollten. Das bedeutete Ausbildung, speziell technische Ausbildung, in ihren Bereichen. Aber Parteiführer machten alleine mit Beförderung durch Parteipositionen Karriere. Für diese Art der Beförderung war keine technische Sachkenntnis notwendig. Politische Karrieren wurden eher gebraucht. Diese Parteibehörden übten Kontrolle aus, aber das technische Wissen fehlte ihnen oft selbst, das sie bei der Überwachung theoretisch geschickt machen könnte. (Stalin-Howard-Interview; Shukow, Inoy 305; Shukow, „Repressi“, 6)

40. Das ist es, was die stalinsche Führung unter „Bürokratie“ verstand. Obwohl sie es als Gefahr sahen, wie alle Marxisten, glaubten sie, es war nicht unvermeidlich. Sie glaubten eher, dass es überwunden werden könnte, wenn man die Rolle der Partei in der sozialistischen Gesellschaft ändert.

41. Der Demokratiebegriff, den Stalin und seine Anhänger in der Sowjetunion ins Leben rufen wollten, würde eine qualitative Änderung der sozialen Rolle der Bolschewistischen Partei bringen.

Die Dokumente, die für Forscher zugänglich waren, ermöglichte uns zu verstehen …, dass schon Ende der 30er entschiedene Versuche übernommen wurden, die Partei vom Staat zu trennen und die Rolle der Partei im Leben des Landes wesentlichen einzuschränken. (Shukow, Tayny, 8)

Stalin und seine Anhänger führten, immer konsequent aber mit zurückgehenden Erfolgen für einen Sieg, den Kampf gegen die Opposition in der Bolschewistischen Partei fort, bis Stalin im März 1953 starb.

Lavrenti Berias Entschlossenheit denselben Kampf weiterzuführen, scheint wohl der wahre Grund zu sein, weshalb Chruschtschow und Konsorten, in einem inszenierten Prozess im Dezember 1953 – oder, wenn diese Beweise stimmen sollten, im Juni desselben Jahres – ihn haben hinrichten lassen.

42. Artikel 3 der Verfassung sagt aus: „Alle Macht in der UdSSR gehört den Werktätigen in Stadt und Land in Gestalt der Sowjets der Deputierten der Werktätigen“. Die Kommunistische Partei wird in Artikel 126 als „der Vortrupp der Werktätigen in ihrem Kampf für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft ist und den leitenden Kern aller Organisationen der Werktätigen, der gesellschaftlichen sowohl wie der staatlichen“ bezeichnet. Das heißt, dass die Partei die Organisationen führen, sie war aber nicht das legislative oder gesetzgebende Staatsorgan. (Verfassung der SU von 1936; Shukow, Tayny, 29-30)

43. Stalin glaubte wohl, dass sobald die Partei keine direkte Kontrolle über die Gesellschaft hat, sollte ihre Rolle auf Agitation und Propaganda beschränkt sein, als auch bei der Teilnahme an der Auswahl der Kader. Was würde das bedeuten? Vielleicht ungefähr das:

- Die Partei würde zu ihrer ursprünglichen Funktion zurückkehren, die Menschen von den Idealen des Kommunismus zu überzeugen.

- Das würde das Ende der ruhigen Posten-Jobs sein und eine Rückkehr zu dem Ideal eines hart arbeitenden, selbstlosen Bolschewiken führen, wie man sie aus der Zarenzeit, der Revolution, des Bürgerkriegs, der NEP und der Kollektivierung und Industrialisierung kennt. Während dieser Zeit bedeutete für die meisten Parteimitglied sein, harte Arbeit und große Opfer, häufig waren parteilose den Bolschewiki feindlich gegenübergestellt. Es bedurfte einer Notwendigkeit einer soliden Basis unter den Massen. (Shukow, KP Nov. 13 02; Mukhin, Ubiystvo)

44. Stalin betonte, dass Kommunisten hart arbeitende, gebildete Leute sein sollten, die einen wahren Beitrag zur Bildung einer Kommunistischen Gesellschaft leisten sollen. Stalin selber war ein unermüdlicher Schüler. [11]

45. Zusammenfassend kann man feststellen, dass Stalin beabsichtigte, das neue Wahlsystem mit folgenden Zielen zu erfüllen:

- Sicher gehen, dass nur technisch ausgebildete Leute die Produktion und auch die sowjetische Gesellschaft leiten

- Die Entartung der Bolschewistischen Partei aufhalten und Parteimitglieder, besonders Parteiführer zu ihrer eigentlichen Funktion zurückführen: für den Rest der Gesellschaft, durch Argumente und Überzeugung, eine politische und moralische Fürhung sein.

- Die Parteiarbeit unter den Massen verstärken

- Die Massen zur Unterstützung der Regierung gewinnen

- Die Basis für eine klassenlose, kommunistische Gesellschaft schaffen

STALINS NIEDERLAGE

46. 1935, unter der Schirmherrschaft des Chefanklägers der UdSSR, Andrej Wyschinski, wurden viele Bürger, die verbannt, gefangen wurden und – besonders kennzeichnend für unser Thema – denen das Wahlrecht genommen wurde, rehabilitiert. Hunderttausende ehemaliger Kulaken, reiche Bauern, die Hauptzielscheibe während der Kollektivierung waren und jene die gefangen genommen oder verbannt wurden, weil sie Diebstahl am Kollektiveigentum begannen, kamen frei. Wyschinski kritisierte das NKWD hart, weil diese nach der Ermordung Sergej Kirows 1934 über 12 000 Menschen aus Leningrad verbannten. Er erklärte, dass das NKWD nicht mehr befugt ist, Leute ohne ein frühzeitiges Einverständnis des Anklägers zu verhaften. Die Zahl der wahlberechtigten Bevölkerung ist um einige hunderttausend gewachsen, die Grund genug hatten, zu fühlen, dass der Staat und die Partei sie unfair behandelt hatten. (Thurston 6-9; Shukow, KP Nov. 14 & Nov. 19 02; Shukow, Inoy 187; Shukow, "Repressii" 7)

47. Stalins ursprünglicher Vorschlag für die neue Verfassung beinhaltete keine gegnerischen Wahlen als Thema. Er gab dies zuerst im Interview mit Roy Howard, März 1936 bekannt. Im Plenum des ZK, Juni 1937 sagte Jakowlew, – einer der ZK-Mitglieder, der am meisten mit Stalin am Entwurf einer Verfassung gearbeitet hat (Shukow, Inoy 223) – dass der Vorschlag für Wahlen mit Gegenkandidaten ein Vorschlag Stalins war. Dieser Vorschlag schien auf weit verbreitete, wenngleich stillschweigende, Opposition der regionalen Parteiführern, den ersten Sekretären getroffen zu haben. Nach dem Howardinterview waren in den wichtigsten Zeitungen – diese waren unter der direkten Kontrolle des Politbüros – keine nominellen Lobpreisungen oder Unterstützungen für Stalins Vorschlag, Wahlen mit Gegenkandidaten einzuführen, zu lesen. Am 10. März brachte diesbezüglich die Prawda nur einen Artikel, bei dem aber die Wahlen mit Gegenkandidaten nicht erwähnt wurden.

48. Shukow schließt hieraus:

Dies konnte nur eines bedeuten. Nicht nur die „untere Führungsschicht“ (die ersten Sekretäre), sondern auch ein Teil des ZKs, deren Agitprop unter Stetskii und Tal' stand, war gegen Stalins Neuerung, wollten dem sogar in einer ausschließlich formalen Weise den Wahlen mit Gegenkandidaten nicht zustimmen, welche, gefährlich für viele, wenn man den Worten Stalins in der Prawda folgt, direkt die Positionen und die wahre Macht der Ersten Sekretäre – die ZKs der Kommunistischen Parteien der nationalen Republiken, die Regional-, Oblast-, Stadt- und Gebietskomitees gefährden. (Inoy 211)

49. Die Ersten Parteisekretäre verwalteten die Parteiministerien, von denen sie bei Niederlagen in irgendwelchen Wahlen zu den Sowjets, für die sie antraten, nicht entfernt werden konnten. Aber die riesige lokale Macht, die sie hielten, ging hauptsächlich auf die Kontrolle der Partei über jeden Bereich der Wirtschaft und des Staatsapparates zurück – Kolchosen, Fabriken, Erziehung, Militär. Das neue Wahlsystem würde die Ersten Sekretäre von der automatischen Position als Delegierter eines Sowjets berauben, und von ihrer Möglichkeit, die anderen Delegierten einfach auszusuchen. Ihre eigene Niederlage oder die „ihrer“ Kandidaten (der Parteikandidaten) in den Wahlen für die Sowjets, wäre das Referendum ihrer Arbeit. Ein Erster Sekretär, dessen Kandidaten bei den Abstimmungen von Nicht-Parteimitgliedern besiegt würden, würde als einer, der wenig Bindung zu den Massen hat bloßgestellt werden. Während des Wahlkampfes waren Oppositionskandidaten sicher, Kampagnen gegen Korruption, Autoritarismus oder irgendwelche Inkompetenz, die sie unter den Parteibehörden entdeckt haben, zu machen. Besiegte Kandidaten würden entlarvt werden, dass sie ernste Schwächen als Kommunisten haben, und das würde wohl dazu führen, dass diese ersetzt werden. (Shukow KP Nov. 13 02; Inoy 226; Getty, "Excesses" 122-3)

50. Ältere Parteiführer waren üblicherweise über lange Jahre standhafte Parteimitglieder, Veteranen der gefährlichen Zarenzeit, der Revolution, des Bürgerkriegs und der Kollektivierung, als es risikoreich und gefährlich war Kommunist sein. Viele hatten wenig formelle Erziehung. Im Gegensatz zu Stalin, Kirow und Beria, schien es wohl so gewesen zu sein, dass viele von ihnen nicht in der Lage waren sich durch Selbsterziehung „selbst zu erneuern“. (Mukhin, Ubiystvo 37; Dimitroff 33-4; Stalin, Zastol'nye 235-6).

51. All diese Männer, waren lange Zeit Unterstützer Stalins Politik. Sie führten die harte Kollektivierung der Bauernschaft durch, von denen viele während der Zeit deportiert wurden. Während 1932-33, starben viele Menschen, vielleicht 3 Mio., durch eine Hungersnot, die eher echt war, als „künstlich hervorgerufen“, aber einige machten die Kollektivierung und Enteignung des Getreides der Bauern schonungsloser um die Arbeiter in der Stadt zu ernähren, oder in bewaffneten Bauernaufständen (bei der viele Bolschewiki getötet wurden). Diese Parteiführer hatten die Verantwortung für die Industrialisierung, wieder unter harten Bedingungen, wie schlechter Wohnraummöglichkeiten, mangelnder Nahrungsmittel und medizinischer Versorgung, geringer Bezahlung und wenig Waren, die man kaufen konnte. (Tauger; Anderson & Silver; Shukow, KP Nov. 13 02).

52. Sie standen jetzt Wahlen gegenüber, in denen jene das Wahlrecht bekamen, denen es entzogen wurde, weil sie auf der falschen Seite der sowjetischen Politik standen. Es war gut möglich, dass diese gegen ihre Kandidaten, oder gar gegen jeden Bolschewiken wählen würden. Wenn es so wäre, könnten sie degradiert werden, oder schlimmer. Sie würden nur noch eine Parteiposition, oder – was am schlimmsten wäre – irgendeinen Job bekommen. Die neue „Stalin“- Verfassung garantiert jedem Bürger das recht auf Arbeit, medizinische Versorgung, Rente, Bildung etc. Aber jene Männer (es waren fast nur Männer), die die Macht und Privilegien hatten, waren durch die Niederlage ihrer Kandidaten bei den Abstimmungen bedroht. (Shukow, KP Nov. 13 02; Verfassung von 1936., Kap. X; Getty, "Excesses" 125,)

PROZESSE, VERSCHWÖRUNGEN, REPRESSIONEN

53. Die Pläne für eine neue Verfassung und Wahlen wurden im Plenum des ZK vom Juni 1936 entworfen. Die Delegierten stimmten einstimmig dem Entwurf der Verfassung zu. Aber keiner von ihnen sprach sich zu deren Gunsten aus. Das Versäumnis einem Empfehlungsentwurf Stalins wenigstens ein Lippenbekenntnis zu geben, deutete allerdings „eine latente Opposition in der unteren Führungsschicht“ an, ein demonstrativer Mangel zur Sorge. (Shukow, Inoy 232, 236; "Repressii" 10-11)

54. Während des 8. All-Russischen Kongresses der Sowjets im November-Dezember 1936, betonten Stalin und Molotow die Erweiterung der Wahlberechtigung und der geheimen Wahl mit Gegenkandidaten. In Bezug auf Stalins Interview mit Howard, betonte Molotow den nützlichen Effekt für die Partei, Nicht-Parteimitglieder zu den Wahlen zuzulassen:

„Dieses System … kann nicht außer gegen jene, verbürokratisierte, von den Massen entfremdete stoßen … wird die Beförderung neuer Kräfte erleichtern … entfremdete und verbürokratisierte Elemente abzulösen. Unter der neuen Form der Wahlen ist es auch möglich, dass feindliche Elemente gewählt werden können. Aber sogar diese Gefahr muss letztlich dienen, muss uns zur Hilfe dienen, insofern als das dies ein Zeichen für jene Organisationen ist, die es brauchen und Parteiarbeiter, die bei ihrer Arbeit einschliefen. (Shukow, "Repressii" 15).

55. Stalin betonte dies sogar stärker:

Einige sagen, es sei gefährlich, dass Elemente, die feindlich der Sowjetmacht gegenüberstehen, sich in die höchsten Behörden einschleichen können, solche wie ehemalige Weißgardisten, Kulaken, Priester usw, nur wovor müssen wir uns fürchten? Wenn du Angst vor Wölfen hast, geh nicht in den Wald. Auf der einen Seite sind nicht alle Kulaken, Weißgardisten und Priester der Sowjetmacht feindlich gesinnt, zum anderen, wenn unsere Bürger feindliche Elemente wählen, kann dies nur bedeuten, dass unsere Arbeiten schwach organisiert sind und dass wir diese Schande verdienen. (Shukow, Inoy 293; Stalin, "Draft").

56. Wieder einmal zeigten die Ersten Sekretäre ihre stillschweigende Gegnerschaft. Auf dem Plenum des ZK, 4. Dezember 1936, dessen Sitzung sich mit dem Kongress überschnitt, wurde kaum über den Entwurf der neuen Verfassung gesprochen. Jeschows Bericht „Über trotzkistische und rechte antisowjetische Organisationen“ war für die Mitglieder des ZK von größerem Interesse. ("Fragmenty" 4-5; Shukow, Inoy 310-11).

57. Am 5. Dezember 1936 stimmte der Kongress dem Entwurf der neuen Verfassung zu. Aber es gab dort kaum rege Diskussionen. Stattdessen hatten die Delegierten – Parteiführer – Gefahren durch ausländische und innere Feinde hervorgehoben. Eher als den Reden über die neue Verfassung zuzustimmen, die das Hauptthema der Reden Stalins, Molotows, Schdanows, Litwinows und Wyschinskis waren, hatten die Delegierten diese fast ignoriert. Eine Kommission zur Förderung des Studiums der Verfassung wurde aufgestellt, ohne aber sich auf Wahlen mit Gegenkandidaten zu fixieren. (Shukow, Inoy 294; 298; 309)

58. Die internationale Situation war ziemlich angespannt. Der Sieg des Faschismus im Spanischen Bürgerkrieg war nur noch eine Frage der Zeit. Die Sowjetunion war umzingelt von feindlichen Mächten. In der zweiten Hälfte der 30er waren diese Staaten äußerst autoritäre, militaristische, antikommunistische und antisowjetische Regime. Im Oktober 1936 hatte Finnland über dem sowjetischen Grenzgebiet Schüsse abgegeben. Zur selben Zeit wurde die „Achse Berlin-Rom“ von Hitler und Mussolini gegründet. Einen Monat später traten Japan, Nazideutschland und das faschistische Italien in den „Antikomintern-Pakt“ ein. Sowjetische Versuche mit den Westmächten Militärbündnisse zu schließen, um eine Allianz gegen Hitler zu bilden, wurden von jenen abgelehnt oder ignoriert. (Shukow, Inoy 285-309).

59. Während der Kongress die neue Verfassung behandelte, befand sich die sowjetische Führung zwischen den ersten und zweiten Moskauer Prozess. Sinowjew und Kamenew waren im August 1936 mit einigen anderen unter Anklage gestellt. Der zweite Prozess im Januar 1937 involvierte einige der wichtigsten Anhänger Trotzkis, geführt von Juri Pjatakow, der Stellvertretender Kommissar der Schwerindustrie war. [12]

60. Das Januar-März-Plenum des ZK der KPdSU von 1937 dramatisierte den Widerspruch innerhalb der Parteiführung: der Kampf gegen innere Feinde und die Notwendigkeit der Vorbereitung geheimer Wahlen mit Gegenkandidaten unter der neuen Verfassung zum Ende des Jahres. Die allmähliche Entdeckung von mehr und mehr Gruppen, die die sowjetische Führung stürzen wollten, verlangte das schnelle Vorgehen der Polizei. Aber die Vorbereitung wahrhaft demokratischer Wahlen und die Verbesserung innerparteilicher Demokratie – dieses Thema wurde von Stalin und seinen Unterstützern im Politbüro immer wieder betont – verlangte das Gegenteil: Aufgeschlossenheit für Kritik und Selbstkritik, geheime Wahlen der Führer durch die Parteibasis und ein Ende der „Kooptation“ durch die Ersten Sekretäre.

61. Dieses Plenum, das längste, das jemals in der Geschichte der UdSSR gehalten wurde, zog sich über zwei Wochen. Bis 1992 war von diesem Plenum fast nichts bekannt, als die große Abschrift des Plenums in Voprosy Istorii veröffentlich wurde – ein Prozess für den die Zeitschrift fast 4 Jahre brauchte um es zu vollenden.

62. Der Bericht Jeschows über die Untersuchungen der Verschwörungen im Land wurde von Nikolaj Bucharin überschattet, der sich, in redseligen Versuchen vergangene Fehler einzugestehen, von ehemaligen Kollegen distanzierte und jedem seine gegenwärtige Loyalität versicherte, zu Wege gebracht sich selbst zu belasten. (Thurston, 40-42; Getty and Naumov stimmen überein, 563)

63. Nach 3 ganzen Tagen, sprach Schdanow über die Notwendigkeit für mehr Demokratie, sowohl im ganzen Land als auch in der Partei, über den Kampf gegen Bürokratie und der Notwendigkeit einer engeren Bindung mit den Massen, sowohl denen, die in der Partei sind, als auch den parteilosen.

Das neue Wahlsystem wird einen kraftvollen Stoß zur Verbesserung der Arbeit sowjetischer Organe geben, bürokratische Mängel und Deformierungen der Tätigkeit unserer Sowjetorganisationen liquidieren. Und diese Mängel sind, wie ihr wisst, sehr beträchtlich. Unsere Parteiorgane müssen für den Wahlkampf gewappnet sein. Bei den Wahlen werden wir mit feindlicher Tätigkeit und feindlichen Kandidaten zu tun haben. (Shukow, Inoy 343)

64. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Schdanow, stellvertretend für die Stalinsche Führung, echte Wahlkämpfe mit parteilosen Kandidaten voraussah, die ernsthaft den sowjetischen Entwicklungen entgegentraten. Allein diese Tatsache ist vollkommen unvereinbar mit Kalter-Krieg- und Chruschtschow-Darstellungen.

65. Schdanow betonte auch ausführlich die Notwendigkeit demokratischer Normen in der Partei.

„Wenn wir den Respekt unserer Sowjet- und Parteiarbeiter und der Massen für unsere neue Verfassung gewinnen wollen, dann müssen wir den Umbau der Parteiarbeit an der Basis auf einer unzweifelhaften und vollen Durchführung innerparteilicher Demokratie garantieren, die in den Verordnungen unserer Partei beschreiben sind.“

Und er zählte die essentiellen Maßnahmen auf, die schon im Entschließungsentwurf zu seinem Bericht enthalten waren: die Eliminierung der „Kooptationen“; eine Garantie „des unbegrenzten Rechts der Parteimitglieder die ernannten Kandidaten beiseite zu schaffen und vom unbegrenzten Recht diese Kandidaten zu kritisieren. (Shukow, Inoy 345)

66. Aber Schdanows Report wurde durch Diskussionen zu anderen Themen, speziell den Feinden im eigenen Land, geradezu ertränkt. Eine Anzahl von Ersten Sekretären reagierten alarmierend damit, dass jene die am gewissenhaftesten die Wahlen Vorbereiten, oder jene von denen man es erwarten kann, die Gegner der Sowjetmacht waren: Sozialrevolutionäre, die Geistlichkeit und andere „Feinde“. [13]

67. Molotow antwortete damit, dass er die „Entwicklung und Verstärkung von Selbstkritik wiederholt betonte und gegen die Suche nach „Feinden“ opponierte.

Genossen, es gibt keinen Grund dafür nach Leuten zu suchen um sie als Volksfeinde zu verleumden. Wenn ihr das befürwortet, können wir hier uns alle als solche verleumden, beginnend mit den zentralen Parteiinstitutionen und endend mit den niedrigsten Parteiorganisationen.

68. Aber Molotows Bericht wurde im Podium von den Delegierten ignoriert und ritten auf der Notwendigkeit nach der „Suche nach ‚Feinden’, der Aufdeckung von ‚Zerstörern’ und der Entlarvung von ‚Zerstörungen’“ (352). Als er wieder sprach, wunderte sich Molotow über die mangelnde Aufmerksamkeit der Substanz seines Berichtes, die er, nach der ersten Zusammenfassung was schon gegen Volksfeinde getan wurde, wiederholte.

69. Stalins Rede am 3. März war gleichfalls getrennt, mit der wiederholten Betonung am Ende der Notwendigkeit die Parteiarbeit zu verbessern unfähige Parteimitglieder zu entfernen und durch neue zu ersetzen. Wie Molotows, so wurde auch Stalins Bericht fast ignoriert.

Vom Beginn der Diskussion an, waren Stalins Ängste verständlich. Es schient so als würde er mit einer Mauer sprechen, mit uninteressierten ZK-Mitgliedern, die bei seinem Bericht nur das hörten, was sie hören wollten. Von den 24 Personen, die an der Diskussion teilnahmen, sprachen 15 hauptsächlich über „Volksfeinde“, den Trotzkisten. Sie sprachen mit Überzeugung, aggressiv, ebenso nach den Berichten von Schdanow und Molotow. Die reduzierten alles auf ein Hauptproblem: der Suche nach Volksfeinden. Und praktisch keiner von ihnen sprach Stalins Hauptpunkt an: die Mängel in der Parteiarbeit und die Vorbereitung der Wahlen zum Obersten Sowjet. (Shukow, Inoy 357)

70. Die Stalinsche Führung begann damit die Ersten Sekretäre anzugreifen. Jakowlew kritisierte unter anderem den Moskauer Parteichef Chruschtschow, wegen ungerechter Ausweisung von Parteimitgliedern; Malenkow unterstütze seine Kritik der Parteisekretäre wegen ihrer undifferenzierten Haltung zur Parteibasis. Dies schien der Grund zu sein, weshalb die ZK-Mitglieder nicht mehr über die Suche nach „Volksfeinden“ sprachen, wohl aber eher um sich selber zu verteidigen. Es war immer noch keine Reaktion auf Stalins Bericht. (Shukow, Inoy 358-60)

71. Auf seiner Schlussrede am 5. März, dem Abschlusstag des Plenums, reduzierte Stalin die Notwendigkeit „Volksfeinde“ zu jagen auf ein Mindestmaß, sogar bei Trotzkisten, von denen sich viele wieder zur Partei wandten. Sein Hauptthema war, dass die Parteibehörden nicht ausschließlich jeden Bereich der Wirtschaft verwalteten, die Bürokratie zu bekämpfen und das politische Niveau der Parteibehörden zu erhöhen. In anderen Worten wollte Stalin den Einsatz der Kritik an den Ersten Sekretären erhöhen.

„Einige Genossen denken, nur weil sie ein Narkom (=Volkskommissar) sind, wüssten sie alles. Sie glauben, dass ein durch den Besitz eines Ranges einem sehr großes, fast unerschöpfliches Wissen verleiht wird. Oder sie denken: wenn ich Mitglied des ZKs bin, dann nicht einer durch ein Versehen, dann weiß ich alles. Das ist aber nicht der Fall. (Stalin, Zakliuchitel'noe; Shukow, Inoy 360-1)

72. Am meisten bedrohlich war für die Parteibehörden, inklusive der Ersten Sekretäre, dass Stalin ihnen vortrug, dass jeder von ihnen zwei Kader aussuchen sollte, die ihren Posten für eine Zeit übernehmen, während sie (die Ersten Sekretäre) einen politischen Weiterbildungskurs besuchen, der sechs Monate dauert. Mit dem Austausch der Parteisekretäre, hätten so manche allen Grund Angst zu haben während dieser Zeit ersetzt zu werden und die Rückenstärkung ihrer „Familien“ (Parteibehörden, die ihnen unterstanden) zu verlieren, ein Hauptgrund für Bürokratie. (Shukow, Inoy 362)

73. Thurston charakterisiert Stalins Rede als „erheblich milder“, betonte „die Notwendigkeit von den Massen zu lernen und auf Kritik von untern zu achten“. Selbst die Resolution, verabschiedet auf der Basis von Stalins Report, berührte das Thema „Volksfeinde“ nur kaum. Nach Shukow, der aus dieser unveröffentlichten Resolution zitiert, beschäftigte sich keiner der 25 Punkte ausführlich mit dem Thema „Volksfeinde“. (Thurston, 48-9; Shukow, Inoy 362-4) [14]

74. Nach dem Plenum inszenierten die Ersten Sekretäre eine virtuelle Rebellion. Erst sendete Stalin, dann das Politbüro, Nachrichten aus, die die Notwendigkeit der Durchführung geheimer Wahlen und der innerparteilichen Demokratie nicht hervorhoben. Die Ersten Sekretäre gingen ihrer gewohnten Arbeit nach, trotz der Resolutionen des Plenums.

75. Während der nächsten paar Monate versuchten Stalin und seine engsten Mitarbeiter von der Jagd nach Volksfeinden – der Hauptsorge der ZK-Mitglieder – abzukehren und wieder zum Kampf gegen die Bürokratie in der Partei und den bevorstehenden Wahlen zurückzukehren. Währenddessen „versuchten lokale Parteiführer alles mögliche zu tun um innerhalb der Grenzen der Parteidisziplin (und manchmal außerhalb dieser) die Wahlen zu blockieren oder zu ändern.“ (Getty, "Excesses" 126; Shukow, Inoy 367-71)

76. Die plötzliche Aufdeckung breiter Verschwörungen in Armee und Polizei im April, Mai und Anfang Juni, stiftete die Regierung an mit Panik zu reagieren. Genrich Jagoda, Chef der Sicherheitspolizei und Kommissar für Innere Angelegenheiten, wurde März 1937 festgenommen und gestand im April desselben Jahres. Im May und Anfang Juni bekannten sich hohe Militärkommandeure schuldig, sich mit der Deutschen Wehrmacht und dem Deutschen Generalstab gegen die Sowjetunion verschworen zu haben, um die Rote Armee bei einer Invasion in die Sowjetunion zu besiegen; außerdem gaben sie zu Komplotte mit politischen Persönlichkeiten geschlossen zu haben, von denen viele hohe Ämter inne hatten. (Getty, "Excesses" 115, 135; Thurston, 70, 90, 101-2; Genrich Jagoda) [15]

77. Diese Situation war weitaus ernster, als es sich die Sowjetregierung vorgestellt hatte. Im Fall der Moskauer Prozesse 1936 und 1937, nahm sich die sowjetische Regierung die Zeit, die Fälle gut vorzubereiten und Prozesse einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Beim Militärkomplott war es aber anders. Etwas mehr als drei Wochen vergingen zwischen der Festnahme Marschall Tukchaschewskys Anfang Mai und dem Prozess und der Hinrichtung von Tukchaschewsky und sieben weiteren hohen Militärkommandeuren am 11. und 12. Juni. Während dieser Zeit wurden viele hohe Militärs nach Moskau gerufen um die Beweise gegen ihre Kollegen – für die Meisten waren es ihre Vorgesetzten – und hörten den alarmierenden Analysen von Stalin und Woroschilow, dem Volkskommissar für Verteidigung und Obersten Militärkommandeur im Land, zu.

78. Zur Zeit des Februar-März-Plenums wurden weder Jagoda, noch Tukchaschewsky verhaftet. Stalin und das Politbüro bestimmten, dass die Verfassung Hauptthema sein wird und mussten in die Defensive gehen bei dem Fakt, dass die meisten Mitglieder des ZK dieses Thema ignorierten und die Suche nach Volksfeinden hervorhoben. Das Politbüro plante, dass das Hauptthema des kommenden Juni-Plenums von 1937 ebenfalls die Veränderungen der Verfassung sein werden. Aber im Juni war die Situation anders geworden. Die Entdeckung von Komplotten im NKWD und bei den bekanntesten Militärkommandeuren, die Regierung zu stürzen und ihre Mitglieder umzubringen änderte die politische Atmosphäre.

79. Stalin war in der Defensive. In seiner Rede am 2. Juni über die Sitzung des Militärsowjets (die von 1. – 4. Juni stattfand) portraitierte er eine Serie kürzlich entdeckter [16] Komplotte als eingegrenzt und erfolgreich behandelt. Auch auf dem Februar-März-Plenum minimierten er und sein Politbüro, die übertriebenen Besorgnisse der Ersten Sekretäre nach Volksfeinden Ausschau zu halten. Aber, so notiert Shukow, die Situation geriet ihm (Stalin) langsam aber sicher außer Kontrolle. (Stalin, "Vystuplenie"; Shukow, Inoy Ch. 16, passim; 411).

80. Das Juni-Plenum des ZK von 1937 [17] begann mit den Vorschlägen, erstens, 7 Mitglieder und Kandidaten des ZKs wegen „Fehlens politischer Glaubwürdigkeit“ zu entlassen und zweitens, weitere 19 Mitglieder und Kandidaten wegen „Landesverrat und aktiver konterrevolutionärer Tätigkeit“ auszuschließen. Diese 19 wurden vom NKWD verhaftet. Inklusive der zehn Mitglieder, die wegen ähnlicher Gründe aus dem ZK bei einer Abstimmung der ZK-Mitglieder ausgeschlossen wurden (inklusive jener Militärkommandeure, welche schon verurteilt und hingerichtet wurden), das bedeutet, dass 36 der 120 ZK-Mitglieder und Kandidaten des 1. Mai entfernt wurden.

81. Jakowlew und Molotow kritisierten die Versäumnis der Parteiführer unabhängige Wahlen der Sowjets zu organisieren. Molotow betonte sogar, dass selbst verdiente Revolutionäre weichen müssen, wenn sie sich nicht auf die Themen des Tages vorbereiten. Er hob hervor, dass die Sowjetorganisationen keine „Arbeiter Zweiter Klasse“ seinen. Parteiführer behandeln sie aber als solche.

82. Jakowlew belichtete und kritisierte das Versäumnis der Ersten Sekretäre, geheime Wahlen für die Parteiposten abzuhalten, anstatt auf Ernennungen (Kooptationen) aufzubauen. Er hob hervor, dass Parteimitglieder, die gewählte Delegierte des Sowjets waren, nicht der Parteidisziplin außerhalb der Sowjets unterstellt sind und denen man erzählen müsste wie man wählt. Ihnen wurde nicht erzählt, wie man ihre Parteivorgesetzten, wie die Ersten Sekretäre, wählen muss. Sie müssen von ihnen unabhängig sein. Und Jakowlew verwies sehr stark auf die Notwendigkeit „von der gewaltigen Reserve neuer Kader zu schöpfen und jene zu ersetzen, die korrupt und bürokratisiert wurden.“ All diese Aussagen waren ein expliziter Angriff auf die Ersten Sekretäre. (Shukow, Inoy 424-7; Tayny, 39-40, zitiert aus Archivdokumenten.)

83. Die Verfassung wurde schließlich entworfen und das Datum der ersten Wahlen wurde auf den 12. Dezember festgelegt. Die Stalinführung befasste sich verstärkt mit dem Kampf gegen die Bürokratie und der Bindung der Partei mit den Massen. Gleichwohl – um es zu wiederholen – geschah die parallel mit dem beispiellosen Ausschluss von 26 ZK-Mitgliedern, von denen 19 wegen konterrevolutionärer Tätigkeit entlassen wurden. (Shukow, Inoy 430)

84. Am vielleicht aufschlussreichsten ist Stalins folgende Bemerkung, wie Shukow zitiert:

Am Ende der Diskussion, dessen Thema die Suche nach einer unparteiischeren Methode des Auszählens der Stimmzettel war, erwähnte (Stalin), dass dieses Problem im Westen, dank eines Mehrparteiensystems nicht existiert. Sofort nachher äußerte er plötzlich einen Satz, der in einer Sitzung dieser Art sehr merkwürdig klang: „Wir haben keine unterschiedlichen Parteien. Glücklicherweise oder leider haben wir nur eine.“ (Shukows Betonung). Und dann schlug er, nur als vorübergehende Maßnahme, vor, dass man für das Vorhaben unparteiischer Überwachung aller Wahlrepräsentanten alle bestehenden gesellschaftlichen Organisationen außer der Bolschewistischen Partei zu verwenden… Der Angriff auf die Parteiautokratie wurde erteilt. (Shukow, Inoy 430-1; Hervorhebungen zitiert aus Tayny 38)

85. Die Bolschewistische Partei befand sich in einer rigorosen Krise und es unmöglich zu erwarten, dass die Ereignisse glatt verlaufen würden. Es war die denkbar schlechteste Atmosphäre, als man die – geheimen, allgemeinen und gegnerischen – Wahlen vorbereitete. Stalins Plan, die sowjetische Regierung zu reformieren, wurde verurteilt.

86. Am Ende des Plenums traf sich Robert Eikhe, Erster Sekretär im Westsibirischen Krai (Region der Russischen Republik), privat mit Stalin. Dann trafen sich einige andere Erste Sekretäre mit ihm. Sie forderten vielleicht die schrecklichen Machtbefugnisse, die ihnen kurz danach garantiert wurden: die Berechtigung Troikas, Gruppen von 3 Beamten zu bilden, die in ihrem Bereich weitverbreitete Komplotte in ihrer Gegend bekämpfen sollen. [18] Diese Troikas hatten die Berechtigung, Menschen ohne Rechtsbefehl hinzurichten. Des weiteren wurde den Troikas die Befugnis gegeben Quoten aufzustellen, die besagten wie viele hingerichtet und wie viele ins Gefängnis gesteckt werden sollten. Wenn diese Quoten erfüllt wurden, baten die Ersten Sekretäre dafür, höhere Quoten aufstellen zu können und bekamen diese. Shukow geht davon aus, dass Eikhe im Namen einer inoffiziellen Gruppe von Ersten Sekretären sprach. (Getty, "Excesses" 129; Shukow, Inoy 435)

87. Wer waren die Ziele der Troikas? Shukow glaubt, dass es vor allem die lishentsy sind, also jene die ihr Wahlrecht wieder bekommen haben und diese somit eine große Hauptgefahr für die Ersten Sekretäre darstellen können. Shukow bezweifelt die Existenz großer Komplotte. Aber Archivdaten, die kürzlich in Russland veröffentlicht wurden, verdeutlichen, dass wenigstens die zentrale Führung ständig sehr glaubwürdige Polizeiberichte empfing, inklusive Abschriften von Geständnissen. Zweifellos glaubten Stalin und andere in Moskau an die Existenz dieser Komplotte. Meine Meinung diesbezüglich ist, dass einige angebliche Komplotte wirklich existierten und dass die Ersten Sekretäre an sie glaubten. (Shukow, KP Nov. 13 02; Inoy, Ch. 18; "Repressii" 23; Lubianka B)

88. Eine weitere Hypothese ist, dass jemand der irgendeiner oppositionellen Bewegung ist oder jemals war, als „Feind“ angesehen werden konnte und vom NKWD verhaftet werden konnte, von denen immer einer Mitglied einer Troika war. Die andere Gruppe waren jene, die öffentliches Misstrauen oder Hass gegenüber dem Sowjetregime als solches zeigten. Thurston zitiert Beweise, dass solche Leute sofort verhaftet wurden. Allerdings wurden jene, die einfache Kritik an lokalen Parteiführern ausübten, speziell bei Treffen die für so was gedacht waren, nicht verhaftet wurden, während jene welchen von ihnen kritisiert werden, inklusive des Parteiführers, verhaftet wurden. (Thurston, 94-5)

89. Wider jenen, die behaupten, dass die Komplotte Produkte Stalins paranoider Fantasie sind, oder schlimmer, Lügen, die seinen größenwahnsinnig Machthunger festigen sollen, gibt es eine Reihe von Beweisen, dass es echte Komplotte gab. Berichte von Verschwörern, die später aus der Sowjetunion emigrieren konnten, bestätigen dies. Das bloße Volumen der Polizeiunterlagen hinsichtlich solcher Verschwörungen, von denen nur wenige veröffentlicht sind, lassen daran zweifeln, dass all diese fabriziert gewesen sind. Außerdem machen Anmerkungen Stalins auf diesen Dokumenten klar, dass er sie für sorgfältig hielt. (Getty, "Excesses" 131-4; Lubianka B)

90. Getty fasst diesen hoffnungslosen Widerspruch wie folgt zusammen:

„ Stalin war noch nicht willig, die Wahlen mit Gegenkandidaten zurückzuziehen und am 2. Juli 1937 veröffentlichte die Prawda einen Artikel über die Einsetzung neuer Wahlregeln, die die Regionalen Sekretäre zweifelsohne enttäuschten. Aber Stalin bot einen Kompromiss an. Am selben Tag wurden die Wahlgesetze veröffentlicht, das Politbüro genehmigte eine Massenaktion gegen genau diese Elemente zu starten über die sich die lokalen Parteiführer beklagt hatten und einige Stunden später sendete Stalin sein Telegramm an die Provinzleiter eine Kampagne gegen die Kulaken zu starten. Es ist hart das Ergebnis zu vermeiden, dass als Gegenleistung, dass die lokalen Parteiführer gezwungen werden, Wahlen abzuhalten, Stalin ihnen half zu gewinnen, indem er es ihnen gestattete hunderttausende von „gefährlichen Elementen“ zu töten oder zu deportieren. ("Excesses" 126)

91. Was immer die Gründe für diese Säuberung, außergerichtliche Exekutierungen und Deportationen waren, Stalin glaubte, dass sie die Wahlen mit Gegenkandidaten vorbereiten. Dennoch haben diese Aktivitäten jede Möglichkeit für solche Wahlen sabotiert.

92. Das Politbüro versuchte zuerst diese Kampagne der Repressionen zu begrenzen und befahl diese in 5 Tagen zu beenden. Etwas überzeugte oder zwang sie wohl, dem NKWD zu erlauben, diese Kampagne auf 4 Monate zu verlängern – vom 5.-15. August zum 5.-15. Dezember. War es die große Zahl jener, die verhaftet wurden? Die Überzeugung, dass die Partei mit weit verbreiteten Komplotten und großen internen Drohungen konfrontiert war? Wir kennen nicht die Einzelheiten wie und warum sich diese Massenrepressionen ausbreiten konnten.

93. Das war genau diese Zeit, in der die Wahlkampagne stattfand. Obwohl das Politbüro die Vorbereitungen für die Wahlen fortführte, kontrollierten die lokalen Behörden die Repressionen. Sie konnten bestimmen welche Opposition, wenn überhaupt eine zugelassen, gegen die Partei – oder mehr gegen sie selbst, als „loyal“ gilt und welche Opposition unterdrückt, gefangen genommen oder gar hingerichtet wird. (Getty, "Excesses," passim.; Shukow, Inoy 435)

94. Primäre Dokumente zeigen, dass Stalin und das zentrale Politbüro davon überzeugt waren, dass es antisowjetische Tätigkeiten im Land gab und man sich mit diesen beschäftigen muss. Dies ist das, was die regionalen Parteiführer während des Februar-März-Plenums verteidigt haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Stalinsche Fürhung diese Gefahr verharmlost, sich auf die Verfassung und die Vorbereitung neuer Wahlen und auf das Ersetzen der „bürokratisierten“ und alten Führungsschicht durch eine neue konzentriert.

95. Während des Juniplenums vertraten die Ersten Sekretäre folgendes: „Wir haben es euch gesagt. Wir waren im Recht und ihr habt falsche gelegen. Des Weiteren haben wir immer noch Recht – gefährliche Verschwörer sind immer noch am aktiv, bereit die Wahlen für ihren Versuch, eine Revolte gegen die Sowjetunion zu verursachen, zu missbrauchen.“ Geschah dies ungefähr so? es scheint plausibel zu sein. Aber wir können nicht sicher sein.

96. Die Stalinsche Fürhung war sich nicht sicher, wie weit diese Komplotte gingen. Sie wussten nicht was Nazideutschland und Japan tun würden. Am 2. Juni erklärte Stalin dem großen Treffen des Militärsowjets, dass die Tukchaschewsky-Gruppe Nazideutschland Pläne der Roten Armee überreicht hat. Das bedeutet, dass auch die Japaner, die Mitglied des Antikominternpaktes (einem wahren anti-sowjetischen Pakt) sind und somit auch Zugang zu diesen Plänen haben, genauso wie das faschistische Italien, das ebenfalls Mitglied dieses Paktes ist.

97. Stalin erklärte den Kommandeuren, dass die Verschwörer die UdSSR zu einem „anderen Spanien“ machen wollten – das heißt durch eine Fünfte Kolonne im Staat mit Verbindungen zu den feindlichen Mächten. Bei dieser schlimmen Gefahr, war die sowjetische Führung entschlossen mit brutaler Entschlossenheit zu reagieren. (Stalin, "Vystuplenie")

98. Es gibt viele Beweise dafür, dass zu selben Zeit die Stalinregierung sowohl die Repressionen durch die Troikas, die von den Ersten Sekretären geführt wurden, einzuschränken und die Realisierung der Wahlen auf Basis der neuen Verfassung zu vollenden. Vom 5. bis 11. Juli folgten die meisten Sekretäre Eikhes Vorbild und stellten genaue Quoten auf wie viele unterdrückt werden sollten: Exekution (Kategorie 1) oder Gefangenschaft (Kategorie 2). Dann aber schickte der Stellvertretende NKWD-Chef M. P. Frinowsky ein dringendes Telegramm an die lokalen Polizeibehörden: „ Fangt nicht mit der Repression ehemaliger Kulaken an. Ich wiederhole: Fangt damit nicht an.“ (Getty, "Excesses" 127-8)

99. Die Lokalen NKWD-Chefs wurden nach Moskau gerufen um Konferenzen abzuhalten, bei denen der Befehl Nr. 00447 erlassen wurde. Dieser sehr lange und detaillierte Befehl erweiterte die Kategorien der Menschen, die unter die Repressionen fielen (zum Beispiel Priester, diese die vorher gegen die Sowjetmacht waren und Kriminelle) und die „Quoten“, die von den Ersten Sekretären angefordert wurden, zu senken. [19] All diese Schwankungen deuteten Meinungsverschiedenheiten und Kämpfe zwischen dem „Zentrum“ – Stalin und das Politbüro – und den Ersten Sekretären der Provinzen an. Stalin war da eindeutig nicht federführend. (Order No. 00447; Getty, "Excesses" 126-9).

100. Das Zentrale Plenum vom Oktober 1937 sah die abschließende Annullierung des Planes für die Wahlen mit Gegenkandidaten. Ein Musterstimmzettel, der einige Kandidaten zeigte, wurde schon angefertigt; verschiedene von denen hatten in den Archiven überdauert. [20] Stattdessen wurden die sowjetischen Wahlen vom Dezember 1937 auf der Grundlage durchgeführt, dass neben den Parteimitgliedern 20 – 25% parteilose kandidierten durften– in anderen Worten in einer Allianz aber ohne Wahlwettstreit. Shukow kriegte es hin in den Archiven das bedeutende Dokument ausfindig zu machen, der am 11. Oktober um 18 Uhr unterzeichnet wurde, in dem die Wahlen mit Gegenkandidaten annulliert wurden. Dies stellte einen großen aber unvermeidlichen Rückzuck Stalins und seiner Mitstreiter im Politbüro dar. (Shukow, KP 19 Nov. 02; Shukow, Tayny. 41; Inoy 443)

101. Es war auch auf dem Oktober-Plenum, als die ersten Proteste gegen die Repressionen vom Ersten Sekretär von Kursk, Peskarow, geäußert wurden.

„ Sie (das NKWD? die Troikas? – G. F.) verurteilten die Leute – illegal – wegen geringster Vergehen, und als wir … diesen strittigen Punkt an das ZK schickten, eilten uns Genosse Stalin und Molotow zur Hilfe und sendeten eine Brigade von Arbeitern des Gerichtshofes und der Staatsanwaltschaft um diese Fälle zu überprüfen. Und nach drei Wochen, in der diese Brigade arbeitet, stellte sich heraus, dass sich 56% der Urteile in 16 Rayons als illegal herausstellten und rückgängig gemacht wurden. Was schlimmer ist: 45% der Urteile lag überhaupt kein Beweis vor, dass ein Verbrechen stattfand. (Shukow, Tayny, 43 Hervorhebungen hinzugefügt)

102. Auf dem Januar-Plenum von 1938 lieferte Malenkow eine heftige Kritik über die hohe Zahl der ausgeschlossenen Parteimitglieder und verurteilten Bürger ab, ohne sogar eine Liste dieser Personen abzuliefern, sondern nur eine Liste mit Zahlen! Postyschew, erster Sekretär von Kuibyschew, wurde als Kandidatenmitglied des Politbüros für die Unterstellung, dass es „kein einziges ehrliches Mitglied in allen Parteiorganisationen gibt“ abgesetzt.

103. Es schien wohl so, dass das NKWD außer Kontrolle geriet. Zweifellos waren es die Ersten Sekretäre auch. (Shukow, KP 19 Nov. 02; Tayny, pp. 47-51; Thurston 101-2; 112)

Dennoch war die Führung im Politbüro überzeugt, dass es echte Komplotte gab und dass diese behandelt werden müssen. Der ganze Umfang des Missbrauchs durch das NKWD wurde nicht erkannt. Wie Shukow anmerkt, folgten nach Malenkows Bericht, der die Karrieristen in der Partei wegen der Massensäuberungen und –verhaftungen tadelte, die Berichte Kaganowitschs und Schdanows, die den Kampf gegen die Volksfeinde betonten und nur wenig Aufmerksamkeit der „Naivität und Unwissenheit“ der Arbeit „ehrlicher Bolschewiki“ schenkten.

104. Die Prawda, die unter der direkten Steuerung der Stalin-Führung stand, verlangte immer noch das Entfernen der Partei von der direkten Kontrolle ökonomischer Angelegenheiten und die Notwendigkeit, parteilose Leute in führende Rollen zu befördern. (Shukow, Tayny 51-2)

Währenddessen wurde Nikita Chruschtschow, der 1937, als er Parteichef in Moskau war, die Exekution von 20.000 Leuten forderte, wurde in die Ukraine versetzt, wo er, innerhalb eines Monats, um die Erlaubnis bat 30.000 Menschen zu unterdrücken. (Shukov, Tayny 64, und siehe Fußnote Nr. 23)

105. Nikolai Jeschow, der 1936 die Führung des NKWDs übernahm, nachdem Genrich Jagoda abgesetzt wurde, schien wohl in einem engen Bündnis mit den Ersten Sekretären gewesen zu sein. [21] Die Massenrepressionen von 1937 und 1938 waren wohl so von ihm beeinflusst gewesen zu sein, dass man diese Zeit Jeschowschina nannte. Am 23. September 1938 kam zur Diskussion, dass Jeschow abtreten sollte [22] und im November 1938 wurde dieser erfolgreich von Lawrenti Beria geschlagen.

106. Unter Beria wurden viele NKWD-Offiziere und Ersten Sekretäre, die für tausende Hinrichtungen und Deportationen verantwortlich waren, angeklagt und häufig selber hingerichtet, weil sie unschuldige Menschen hinrichteten oder diese folterten. Von einigen Prozessen gibt es Abschriften über solche Polizeimänner, die Folter anwendeten, die veröffentlicht wurden. Viele die verurteilt, gefangen, deportiert oder in Lagerhaft gesteckt wurden, kamen frei. Angeblich soll Beria später gesagt haben, er hatte den Auftrag „die Jeschowschina zu liquidieren“. Stalin erzählte dem Flugzeugkonstrukteur Jakowlew, dass Jeschow hingerichtet wurde, weil er viele unschuldige Menschen umgebracht hatte. (Lubianka B, Nos. 344; 363; 375; Mukhin, Ubiystvo 637; Jakowlew)

107. Nicht abzuschätzende Schäden wurden der sowjetischen Gesellschaft, der sowjetischen Regierung und der bolschewistischen Partei angerichtet. Dies war natürlich lange bekannt. Was bis jetzt nicht bekannt war, ist, dass die Bildung der „Troikas“, die hohen Quoten für Hinrichtungen und Deportationen wurde auf Verlangen der Ersten Sekretäre eingeleitet, nicht auf das Stalins. Shukow glaubt, dass der enge Zusammenhang zwischen dem oben Genannten und der Gefahr der Durchführung von Wahlen mit Gegenkandidaten und der Fakt, dass das ZK Erfolg hatte die Stalinregierung zu zwingen, die Wahlen mit Gegenkandidaten zu annullieren, andeutet, dass das Abschaffen der „Gefahr“ durch Wahlen mit Gegenkandidaten ein Hauptgrund für die Massenverhaftungen und Hinrichtungen der „Jeschowschina“ gewesen sein kann. [23] (Shukow, KP)

108. Nichts kann Stalin und seine Unterstützer von einer großen Mitverantwortung für die Exekutionen – eindeutig einige hunderttausend [24] – freisprechen. Wenn diese Leute eingesperrt worden wären, anstatt hingerichtet, würden die meisten noch leben. Viele Fälle würden noch mal überprüft und neu aufgerollt werden. Unsere Schlüsselfrage ist aber: Warum gab Stalin dem Verlangen Ersten Sekretären nach und lies sie die „Leben-oder-Tod-Troikas“ errichten? Obwohl es dafür keine Entschuldigungen gibt, gab es zweifellos Gründe.

109. Keine Regierung kann auf einen Hochverrat durch die Obersten Militärkommandeure, durch höhere Regierungsmitglieder, sowohl auf nationaler und lokaler Ebene und durch höhere Sicherheits- und Grenzpolizisten vorbereitet sein.

110. Eine ganze Reihe von Verschwörungen gegenwärtiger und ehemaliger hoher Parteimitglieder, die Verbindungen im ganzen Land hatten, wurde gerade entdeckt. Am bedrohlichsten war die Verwicklung einiger hoher Militärkader mit der Freigabe geheimer militärischer Pläne an das faschistische Deutschland. Die militärischen Verschwörer hatten ebenfalls Kontakte über die gesamte UdSSR. In diese Komplotte waren auch hohe Mitglieder des NKWD verwickelt, inklusive Genrich Jagoda, der 1934 bis 1936 Chef und einige Jahre vor 1934 stellvertretender Chef des NKWD war. Es konnte nicht einfach bekannt, wie weit verbreitet die Verschwörung war und wieviele Leute daran beteiligt waren. Der umsichtige Verlauf sollte das schlechteste vermuten. [25]

111. Das Politbüro und Stalin waren an der Spitze zweier Hierarchien, sowohl von der Bolschewistischen Partei als auch der sowjetischen Regierung. Was sie über die Vorgänge im Staat wussten, haben sie von ihren Untergeordneten erfahren. Im Verlauf der weiteren 12 Monate wurden viele der Ersten Sekretäre Einhalt geboten, über die Hälfte von diesen wurde festgenommen. Großteils mussten die die exakten Anklagepunkte gegen die meisten dieser Männer und die Unterlagen ihrer Verhöre freigegeben werden, selbst im postsowjetischen, antikommunistischen Russland. Aber wir haben jetzt genug dieser Untersuchungsbeweise, die Stalin und das Politbüro erreichten, um eine Vorstellung zu haben mit welcher alarmierenden Situation sie gegenüberstanden. (Lubianka B)

112. Die Bolschewistische Partei wurde auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus errichtet. Ungeachtet seines Status und seiner Beliebtheit im Volk, konnte Stalin (wie jeder Parteiführer) von der Mehrheit des ZKs abgewählt werden. So konnte er nicht die Interessen eines Großteils der ZK-Mitglieder ignorieren.

113. Um Stalins Unvermögen, die Ersten Sekretäre zu stoppen, die Prinzipien demokratischer Wahlen zu verspotten, zu illustrieren, zitiert Shukow einen Vorfall der Abschrift, des immer noch nicht veröffentlichten Oktober-Plenums von 1937.

I. A. Krawtsow, Erster Sekretär von Krasnodar Kraikom (Regionalkomitee), war der einzige, der detailliert zugab, was seine Kollegen schon seit einigen Wochen heimlich getan hatten. Er schilderte, dass nur jene Kandidaten zum Deputierten des Obersten Sowjet der UdSSR ausgesucht wurden, die den Interessen der „breiten Führung“ entsprachen.

„Wir machten die Kandidaten zum Obersten Sowjet öffentlich bekannt“, berichtete Krawtsow. „Wer sind diese Genossen? 8 sind Parteimitglieder, 2 sind parteilos oder Mitglied des Komsomols. Auf diese Weise hielten wir uns an den Entwurf des ZK, die Zahl der parteilosen anzugeben. Seitens der Beschäftigung werden diese Genossen so eingeteilt: vier Parteiangestellte, zwei sowjetische Angestellte, ein Kolchos-Vorsitzender, ein Mähdrescherfahrer, ein Traktorfahrer, ein Ölarbeiter. . .

Stalin: Wer sonst, neben Mähdrescherfahrern?

Krawtsow: Unter den 10 ist Jakowlew, der Erste Sekretär des Kraikom, [und] der Vorsitzende des Krai-Vollzugsausschusses.

Stalin: Wer empfahl ihnen das zu tun?

Krawtsow: Ich muss sagen, Genosse Stalin, man empfahl es mir hier, im ZK

Stalin: Wer?

Krawtsow: Ich kann es nicht sagen, ich weiß es nicht.

Stalin: Es ist eine Schande, dass sie nicht gesagt haben, dass sie falsch unterrichtet wurden. (Shukow, Inoy 486-7)

114. Offenbar taten die Ersten Sekretäre das, was Krawtsow öffentlich angab – die Prinzipien der geheimen Wahlen zu ignorieren, ein Prinzip, nach dem sie selbst in den vorherigen Plena gewählt wurden, aber eindeutig niemals zustimmten. Dies kennzeichnet Stalins Niederlage in der Frage, die Verfassungs- und Wahlreformen durchzuführen, die er und seine Zentrale Führung für über zwei Jahre vertreten haben.

115. Die demokratischen Reformen wurden zunichte gemacht. Das alte politische System blieb am Platz. Stalins Plan für Wahlen mit Gegenkandidaten wurde nicht mehr durchgeführt. „Folglich endete der Versuch Stalins und seiner Gruppe das politische System der Sowjetunion zu reformieren in ein totales Fiasko.“ (Shukow, Inoy 491)

116. Shukow glaubt, dass wenn Stalin den Forderungen der Ersten Sekretäre „Troikas“ zu errichten nicht nachgeben würde, er selber abgewählt, als Konterrevolutionär verhaftet und hingerichtet worden wäre. „Heute könnte Stalin zu den Opfern der Unterdrückung von 1937 gezählt werden und 'Memorial' und die Kommission von A. N. Jakowlew würden seit langem für seine Rehabilitation eintreten. (Shukow, KP 16 Nov. 02)

117. November 1938 löste Lawrenti Beria Nikolai Jeschow erfolgreich als Chef des NKWD ab. Die „Troikas“ wurden verboten. Außergerichtliche Hinrichtungen wurden verboten und jene, die verantwortlich für die vielen schrecklichen Vorgänge waren, wurden selber verurteilt und hingerichtet oder wurden ins Gefängnis gesteckt. [26] Aber ein Krieg stand bevor. Die französische Regierung weigerte sich selbst die schwache Version des sowjetisch-französischen Bündnisses zu verlängern (die Sowjetunion war an einem stärkeren Bündnis interessiert). Die Alliierten lieferten kampflos stückweise die Tschechoslowakei Hitler und den polnischen Faschisten aus. Nazideutschland hatte mit Polen ein militärisches Bündnis mit dem Ziel eines Angriffes auf die Sowjetunion gegründet. Der Spanische Bürgerkrieg, den die Sowjetunion stark unterstützte, war verloren. Italien marschierte in Äthiopien ein und der Völkerbund tat nichts. Frankreich und Großbritannien ermutigten Hitler, der weite Teile Osteuropas hinter sich hatte, die Sowjetunion zu überfallen. (Lubianka B, No. 365; Leibowitz)

118. Japan, Italien und Deutschland hatten einen gegenseitigen Verteidigungsvertrag und einen „Antikomintern-Pakt“, beide richteten sich ausdrücklich gegen die Sowjetunion. Alle europäischen Grenzstaaten – Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Finnland, Estland, Lettland und Litauen – waren pro-faschistische Militärdiktaturen. Ein Angriff der Japaner an der „See Khasan“ –Küste kostete 1000 Rotarmisten das Leben. Im nächsten Jahr startete Japan einen weitaus ernsteren Angriff, der von der Roten Armee bei Khalkin-Gol abgewehrt wurde. Die Sowjetunion hatte einen Verlust von 17000 Männern, inklusive fast 5500 Toter – kein kleiner Krieg. Als heraus kam, dass der Krieg entschieden war, versuchten die Japaner sich nie wieder mit den Sowjets zu messen. Aber die Sowjetunion konnte dies vorab nicht wissen. (Rossiia I SSSR v Voynakh)

119. Nach 1938 versuchte die Stalin-Regierung das demokratische Wahlsystem nicht mehr zu realisieren. Reflektierte dieser Fehlschlag einen anhaltenden Stillstand zwischen der Stalin-Führung und den Ersten Sekretären auf dem ZK? Oder eine Einschätzung, dass wenn der Krieg sich schnell nähert, weitere Bemühungen in Richtung Demokratie man auf ruhigere Zeiten warten muss? Der Beweis, der bis jetzt vorhanden ist, ermöglicht keine feste Zusammenfassung.

120. Indessen, als Beria Jeschow als Chef des NKWD ersetzte (formell im Dezember 1938, in der Praxis vielleicht einige Wochen früher), kam es zu einer Welle von Rehabilitierungen. Beria befreite über 100.000 Gefangene aus den Lagern und Gefängnissen. Es folgten Prozesse gegen NKWD-Männer, die Folter und außergerichtliche Hinrichtungen durchführten. (Thurston 128-9)

ENDE VON TEIL 1

Fußn0ten

Trotzkis Version sowjetischer Geschichte ging der Chruschtschows voraus und hat diese verbunden als eine Art „linke“ der jetzigen, allerdings von wenigen außerhalb der trotzkistischen Kreisen vertrauten, Version. Sowohl die trotzkistische als auch die chruschtschowsche Version stellen Stalin äußerst negativ dar; das Wort „dämonisieren“ wäre kaum eine Übertreibung. Über Trotzki, siehe McNeal.

Der weitverbreitete Begriff des „Terrors“ wird verwendet, um die Periode der sowjetischen Geschichte, vor allem von Mitte 1937 bis 1939/40 zu charakterisieren, kann auf das unkritisch hingenommene und das tendenziös unzuverlässige Werk von Robert Conquest The Great Terror von 1973 zurückgeführt werden. Die Bezeichnung ist sowohl ungenau als auch polemisch. Siehe Robert W. Thurston, "Fear and Belief in the USSR's 'Great Terror': Response To Arrest, 1935-1939." Slavic Review 45 (1986), 213-234. Thurston antwortete und kritisierte Conquest Bestrebung seine Auffassung zu verteidigen in: "On Desk-Bound Parochialism, Commonsense Perspectives, and Lousy Evidence: A Reply to Robert Conquest." Slavic Review 45 (1986), 238-244. Siehe ebenfalls Thurston "Social Dimensions of Stalinist Rule: Humor and Terror in the USSR, 1935-1941." Journal of Social History 24, No. 3 (1991) 541-562; Life and Terror Ch. 5, 137-163.

Marxisten-Leninisten sehen in der kapitalistischen „repräsentativen Demokratie“ im Wesentlichen ein Tarnmanöver für die Kontrolle der Elite. Viele nicht-marxistische politische Denker stimmen hier überein. Siehe zum Beispiel Lewis H. Lapham (editor of Harper's Magazine), "Lights, Camera, Democracy! On the conventions of a make-believe republic," Harper's Magazine, August 1996, 33-38.

zitiert nach Juri Shukow: "Zhupel Stalina," Komsomolskaia Pravda Nov. 5 2002. Professor Getty bestätigte es in einer E-Mail an mich.

Der Parteiname wurde 1952 in Kommunistische Partei der Sowjetunion umbenannt.

Jenukidse, ein alter Revolutionär, georgischer Genosse und Stalins Freund, hatte lange Zeit hohe Posten in der Regierung inne und wurde niemals mit einer oppositionellen Gruppe der 20er in Verbindung gebracht. Zu dieser zeit war er auch für die Sicherheit des Kremls verantwortlich. Innerhalb einiger Monate war er einer der ersten, die in Verdacht gerieten einen „Palastputsch“ gegen die Stalin-Regierung zu führen. Shukow notiert, dass dies Stalin besonders aus der Fassung gebracht haben soll. (KP 14 Nov. 02)

Teil 2, Kapitel 3, Artikel 9 der Verfassung von 1924, also jene die zu der Zeit geltend war, sagte aus, gab Stadtbewohnern einen viel größeren Einfluss auf die Gesellschaft – ein Delegierter für 25000 Stadtbewohner, und ein Delegiertet für 125000 Landbewohner. Dies war weitgehend übereinstimmend mit der Unterstützung des Sozialismus durch die Arbeiter und passte in das marxistische Bild der Diktatur des Proletariats.

In Wirklichkeit ist dies kein Gesetz, sondern ein „Beschluss des Zentralen Exekutivkomitees und des Rats der Volkskommissare“ – das heißt, ein Beschluss der exekutiven und legislativen Abteilungen der Regierung. Die Tatsache, dass dieser Beschluss sogar in wissenschaftlichen Arbeiten als ein Gesetz aufgefasst wird, zeigt einfach, dass jene, die sich auf diesen Beschluss beziehen, ihn nicht gründlich gelesen haben. Es ist gedruckt in Tragediia Sovetskoy Derevni. Kollektivizatsiia I Raskulachivanie. Documenty I Materialy. 1927-1939. Tom 3. Konets 1930-1933 ( Moscow: ROSSPEN, 2001), No. 160, pp. 453-4, und in Sobranie zakonov i rasporiazhenii Raboche-Krest'ianskogo Pravitel'stva SSSR, chast' I, 1932, pp. 583-584. Meinen Dank an Garbor T. Rittersporn für die letzte Literaturstelle.

Um so schnell wie möglich die Wirtschaft nach der verheerenden Zerstörung durch den Bürgerkrieg und der nachfolgenden Hungersnot aufzubauen, machten die Bolschewiki den Kapitalismus in einigen Wirtschaftsbereichen Zugeständnisse und ließen ihn dort florieren, allerdings unter der Kontrolle der Regierung. Die wurde als Neue Ökonomische Politik bezeichnet.

Stalin, "Report to 17th P.C.," 704, 705, 706, 716, 728, 733, 752, 753, 754, 756, 758.

Dies ist wenig bekannt, noch ist seine Bedeutung verstanden worden. Unser Bild von Stalin ist von jenen geprägt worden, die ihn hassen (McNeal 87). Stalin war ein ausgezeichneter Schüler während seines Studiums in Tiflis, Georgien, wo ihn seine Mutter hinschickte. Von seinen jungen Lebensjahren an, widmete Stalin seine Zeit der revolutionären Arbeiterbewegung und hatte somit nicht die Möglichkeit für eine höhere Ausbildung. Aber er war sehr intelligent und ein unersättlicher Leser, dessen Kenntnisse von der Philosophie bis zu technischen Sachen wie Metallurgie reichten. Zeitgenössische Aufzeichnungen bezeugen seine Aufmerksamkeit zu Details und seinem vollständigen Wissen über viele technische Bereiche. Ein russischer Wissenschaftler, der Stalins Bibliothek erforschte, gibt beeindruckende Zahlen: 20000 Bände in Stalins Datscha nach dem Krieg, viele der 5500 nach seinem Tod in das Institut für Marxismus-Leninismus gebrachten Bücher sind kommentiert und unterstrichen (Ilizarov). Roy Medwedew, der Stalin hasst, gibt nur ungern Stalins Begeisterung fürs Lesen zu. (Medwedew, "Lichnaia") Viele Leute, die er zu seinen engsten Mitarbeitern machte, zeigten denselben Einsatz zur Selbstverbesserung auf. Sergej Kirow, Leningrads Parteichef und enger Verbündeter Stalins, der 1934 ermordet wurde, war bekannt für seine große Belesenheit. (Kirilina 175). „Als Kirow getötet wurde, fotografierten Experten der Untersuchungskommission alles, einschließlich der Oberseite von Kirows Schreibtisch, das die Untersuchung unterstützen könnte. Rechts lag H¸tte's Ingenieurhandbuch, links ein Stapel wissenschaftlicher und technischer Zeitschriften. Die Interessen dieses Parteiarbeiters waren vielseitig – wie bei Stalin.“ (Mukhin Ubiystvo 625). 1924 schrieb Lawrenti Beria, kurz nach seiner gefährlichen revolutionären Untergrundarbeit als bolschewistischer Eindringling in gewalttätigen, antikommunistischen, nationalistischen Gruppen im Kaukasus, seine Partei-Autobiographie. Seine Absicht bei der Auflistung seiner Taten – ihm wurde im Alter von 20 Jahren der Rang eines Generales zugesprochen – war nicht für einen bequemen Job zu plädieren, wie viele „alte Bolschewiki“ dies verlangten und für gewöhnlich bekamen, sondern ihm zu erlauben, sein Ingenieurstudium wieder aufzunehmen, so dass er einen Beitrag für den Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft leisten kann. (Beria: Konets Kar'ery, 320-325)

Thurston, Kapitel 2 bis 4, ist die beste Zusammenfassung der Beweise für die Moskauer Prozesse, seit den frühen 90ern. Dieser Artikel beschäftigt sich nicht direkt mit diesen Prozessen, dem Prozess gegen Marschall Tukchaschewsky und anderer hoher Militärs und deren Hinrichtung, oder dem Zusammenhang zwischen den einzelnen Antisowjetischen Komplotten. Die Dokumente aus den Archiven machten klar, dass Stalin und seine Anhänger überzeugt waren, dass solche Komplotte herrschten und die Moskauer Prozesse sowie der Prozess gegen die hohen Militärs waren großteils richtig.

Getty bemerkt, dass die ZK-Mitglieder es demonstrativ ablehnten auf Schdanows Bericht einzugehen, brachten den Vorsitzenden Andrejew durcheinander ("Excesses"124). Shukow legt weniger Nachdruck auf dies, weil Eikhe und andere Erste Sekretäre auf der nächsten Sitzung erwiderten, indem sie den Kampf gegen „Volksfeinde“ betonten. (Inoy 345)

Über die Resolution siehe: Shukow Inoy 362-3; Stalin, Zakliuchitel'noe. Wie die Resolution (die unveröffentlicht ist), geht Stalin bei seiner Rede nur wenig auf die „Volksfeinde“ ein und warte das ZK sogar davor, jeden, der Trotzkist war, zu „besiegen“. Stalin hob hervor, dass es „herausragende Persönlichkeiten“ unter den ehemaligen Trotzkisten gibt, insbesondere Felix Dserschinski.

Das Buch (Genrich Jagoda) besteht hauptsächlich aus Befragungen der Untersuchungskommissionen an Jagoda und einiger seiner Anhänger und Geständnissen Jagodas der Miteinbeziehung in der Verschwörung um einen Putsch gegen die sowjetische Regierung durchzuführen; Trotzkis Führung bei der Verschwörung und im Allgemeinen, das, was Jagoda im Prozess von 1938 zugab. Es gibt kein Indiz dafür, dass Geständnisse unglaubhaft sind. Die Verfasser des Buches leugnen, dass die Fakten, die in den Befragungen zitiert sind, echt sind, und bezeichnen die Befragungen selbst als „gefälscht“. Aber sie führen dafür keine Beweise auf. Jansen und Petrow, die Gegner Stalins sind zitieren dieses Buch als Beweis für die Falschheit ohne irgendeinen Kommentar abzugeben (p. 226 n. 9). Des Weiteren gibt es aber reichlich Beweise, dass dies Fakt ist – das diese Komplotte existierten, dass die Geständnisse, die in den öffentlichen Prozessen gemacht wurden eher echt als gefälscht sind und dass die Hauptprozesse gegen die Angeklagten richtig waren. Ein anderes großes Buch mit primären Dokumenten wurde 2004 veröffentlicht, das eine Menge NKWD-Berichte über Komplotte und Befragungen enthält (siehe Lubianka B). Die plausibelste Erklärung für die Existenz dieser Beweise ist, dass mindestens einige von ihnen echt sind.

in dieser Zeit von den NKWD-Fahndern und heute von einigen russischen Historikern „ klubok “ oder „Wirrwarr“ genannt.

Vom Juni-Plenum von 1937 wurde niemals eine Abschrift veröffentlicht. Einige Autoren behaupten, kann keine Abschrift aufbewahrt wurde. Allerdings zitiert Shukow ausgiebig von einigen archivarischen Abschriften, die für andere nicht verfügbar sind.

Der Befehl für die Aufstellung von „Troikas“ in der Westsibirischen Region, wo Eikhe Erster Sekretär war, existiert. Eikhes Antrag wurde noch nicht gefunden, aber er musste so einen Antrag – entweder schriftlich oder mündlich – gemacht haben. Siehe Shukow, "Repressii" 23, n. 60; Getty, "Excesses" 127, n. 64.

Getty, Excesses 131-134 bespricht einige Statistiken über dies. Siehe Befehl No.00447.

Der Musterstimmzettel ist in Shukow, Inoy, Abbildung 6, abgedruckt.

Am 1. Februar 1956, weniger als 4 Wochen vor seiner Geheimrede auf dem 20. Parteitag der KPdSU, erwähnte Chruschtschow in Bezug auf Jeschow: „zweifellos nicht zu tadeln, ein ehrlicher Mann“. Reabilitatsia: Kak Eto Bylo. Mart 1953-Febral' 1956 (Moscow, 2000), p. 308.

Sein Rücktritt war formell bis zum 25. November 1938 nicht angenommen; siehe Lubianka B Nos. 344 und 364.

Chruschtschow bat darum „20000 Leute hinzurichten“ Shukow, KP 3 Dez. 02. Jakowlews Kritik an Chruschtschows Massensäuberungen ist oben zitiert. Eikhe wurde im Oktober 1938 verhaftet, verhört, angeklagt und im Februar 1940 hingerichtet. Laut Chruschtschow, wies Eikhe sein Geständnis zurück, sagte er habe es gegeben, nachdem er besiegt wurde (d. h. gefoltert). Shukows Analyse deutet an, dass der wahre Grund für Eikhes Tod seine führende Rolle während der Massenhinrichtungen 1937-38 gewesen sein kann. Siehe Jansen und Petrow, 91-2. das Politbüro und das Januar-Plenum von 1938 begannen die Ersten Sekretäre anzugreifen, die Parteibasis schikaniert haben(Getty, Origins 187-8). Das gesamte Protokoll von Eikhes Befragung und Prozess ist immer noch nicht veröffentlicht. Das Verlangen die Aufmerksamkeit und das Verschulden von sich und seinen gleichgestellten Ersten Sekretären seiner Zeit abzulenken ist eines der Grundsätze der Lügen Chruschtschows in seiner „Geheimrede“.

Getty („Excesses" 132) bringt den Beweis, dass 236000 Hinrichtungen von „Moskau“, also von der Stalinregierung autorisiert wurden, aber 160% dieser Hinrichtungen, also 387000 Menschen, Tatsächlich hingerichtet wurden.

Im Moskauer Prozess von 1938 bekannte sich Jagoda schuldig, in einem Putsch gegen die sowjetische Regierung verwickelt zu sein, Maxim Gorki und seinen Sohn ermordet zu haben und andere abscheuliche Verbrechen begangen zu haben, aber er wies die Anschuldigung des Staatsanwaltes in Sachen Spionage schuldig zu sein, energisch zurück. Aber der Fakt, dass die Anklagen gegen Spionage, ein Jahr nach Jagodas Verhaftung, anstiegen, zeigt zumindest, dass die sowjetische Regierung dachte, dass er solche Informationen an ausländische Feinde übergab (Deutschland, Japan, Polen). Als Chef des Ministeriums für Inneres, inklusive der Sicherheits- und Grenzpolizei, hätte Jagoda die Möglichkeit der sowjetischen Sicherheit nicht abzuschätzenden Schaden hinzufügen zu können, wenn er ausländischen Regierungen Informationen gegeben hätte.

Thurston hat diesbezüglich die beste Erörterung in englischer Sprache in Life and Terror 128 ff.

ERGÄNZENDE ANMERKUNGEN

Anmerkung zur Arbeit von Juri Shukow:

Bis heute gab es einen ausgedehnten wissenschaftlichen Angriff auf Shukows These – der kam von Prof. Irina V. Pawlowa, "1937: Vybory kak mistifikatsiia, terror kak real'nost'," Voprosy Istorii 10, 2003 19-36. Pawlowa ist eine strikte Antikommunistin der „Totalitarismus“-Schule, deren ideologische Feindschaft zum Kommunismus in ihrer historischen Arbeit unterminiert wird. Zum Beispiel verbreitete sie Lügen über Gettys Geschichtsforschung um ihn zu diskreditieren. Was Pawlowa schreibt ist Propaganda, keine Geschichte.

Pawlowa bezieht sich nur auf Shukows Artikel in „KP“; sie schreib es vor der Veröffentlichung von „Inoy Stalin“. Pawlowas Kritik baut auf der Annahme auf, dass die Moskauer Prozesse und der Prozess gegen Tukchaschewsky usw. Komplotte waren und die gesamten Kampagnen über die Verfassung und über die Wahlen nur ein „Mantel“ für Repressionen waren.

Pawlowa behauptet dies, weil der Oberste Sowjet 1936 keine wirkliche politische Macht hatte, Wahlen mit Gegenkandidaten würden ihm keine Macht geben. Wenn Pawlowa unter „Macht“ die Möglichkeit sieht, die Bolschewistische Partei als führende Kraft in der UdSSR abzusetzen, hat sie eindeutig recht: natürlich hatte Stalin nicht die Absicht, konterrevolutionäre Gruppen zuzulassen, die gegen die Verfassung arbeiten. Dies ist aber in jeden bourgeoisen demokratischen Staaten verboten. Aber wenn sie mit „Macht“ meint, staatliche Politik beeinflussen zu können, in der Sozialpolitik, oder in der Bolschewistischen Partei selbst maßvoll Druck auszuüben, – das ist die Art von Macht, die bei Wahlen in bourgeoisen Demokratien bestimmt wird – dann ist sie im Unrecht.

Anmerkung zu Iuri Mukhin, Ubiystvo Stalina i Beriia:

Dieses Buch von Mukhin wird oft von jenen verworfen, die seine Ergebnisse unsympathisch finden, mit der Begründung, dass er Anmerkungen macht, die antisemitisch sein sollen. Es sollte bemerkt werden, dass Mukhin im gleichen Buch Anmerkungen macht, die verdeutlichen, dass er gegen Antisemitismus ist. Dieses Schriftstück greift nicht auf Passagen zurück, auf denen antisemitische Aussagen angegeben werden.

Mukhin nahm bei einigen Themen auch einige abenteuerliche Positionen, die in seinem Buch nicht behandelt werden. Ich greife nicht auf irgendeine solcher Arbeiten zurück.

Das Selbe kann und soll gesagt werden, wenn man antikommunistische Autoren zitiert – das Fakt das sie antikommunistische Vorurteile haben, heißt nicht gleich, dass sie gelegentlich nicht nur unbrauchbare Informationen haben. Und natürlich wird Antikommunismus oft mit Antisemitismus in Verbindung gebracht. Weder Kommunist noch Jude, ist Mukhin gegenüber beiden etwas feindlich gesinnt, aber er ist weder ein üblicher Antikommunist noch ein üblicher Antisemitist.

Mukhins Analyse primärer und sekundärer Quellen ist oft deutlich und ich zitierte sie, dort wo ich sie für hilfreich hielt. Zitate von Mukhins Analysen, von denen der Autor denkt, dass sie nützlich sind, bedeutet natürlich nicht keine Übereinstimmung bei Teilen seiner Analyse, die nicht zitiert wurden.

Ich habe jede Literatur- und Quellenangabe bei Mukhin und anderen Wissenschaftlern, die ich hier zitiert habe, geprüft, mit Ausnahme jener primären Quellen, die nur für jene zugänglich sind, die in den Archiven arbeiten.

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Quelle: http://www.red-channel.de/mlliteratur/sowjetunion/furr.htm