Donnerstag, 7. Oktober 2010

Emanzipation an der Waffe? Frauen in der Bundeswehr

http://www.imi-online.de/2010.php?id=2179
http://imi-online.de/download/CH-AUSDRUCK-10-2010.pdf
7.10.2010, Claudia Haydt


Mit strahlendem Gesicht robbt eine Frau im Bundeswehrflecktarnanzug
durch einen militärischen Übungsparcours und die Bildunterschrift
verkündet stolz: „Trotz Hindernissen in die Gleichberechtigung“.[1] So
illustriert die Bundeswehr auf ihrer Homepage die Situation der Frauen
in der Bundeswehr. Gut zehn Jahre ist es her seit am 11. Januar 2000
Tanja Kreil vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg das Recht
erhielt „an der Waffe zu dienen“, Zeit für einen neuen Blick auf die
Bedeutung von Frauen in der Bundeswehr und für die Bundeswehr.


Neues Kanonenfutter

Tanja Kreil hatte diese Klage damals mit Unterstützung des
Bundeswehrverbandes betrieben, da innerhalb der Bundeswehr ein starkes
Interesse daran bestand, die im Grundgesetz verankerte Beschränkung des
Einsatzes von Frauen in der Bundeswehr zu überwinden. Bereits damals war
klar, dass die Bundeswehr als Wehrpflichtarmee ein Auslaufmodell ist und
dass die Rekrutierung von Nachwuchs für die Einsätze der Bundeswehr in
aller Welt ein wachsendes Problem sein wird. Durch die neue Möglichkeit
nun auch Frauen für den "Dienst an der Waffe" auszubilden, hat sich der
Pool für die Rekrutierung faktisch verdoppelt.

Zurzeit sind etwa 16.900 Soldatinnen beim Heer (10.400), der
Luftwaffe(4.300) und der Marine(2200) tätig. Es fällt auf, dass bei der
Verteilung der Frauen auf die einzelnen Verwendungsbereiche immer noch
klassische Rollenmuster zum Vorschein kommen. 42% der Frauen entscheiden
sich für den Sanitätsdienst und weitere 22% sind in eher unterstützender
Tätigkeit in der Streitkräftebasis eingesetzt. Insgesamt sind 9 Prozent
der Bundeswehrangehörigen weiblich.

Unter den Bundeswehrsoldaten, die im Auslandseinsatz sind, ist der
Anteil regelmäßig etwas niedriger und liegt bei 5%, zurzeit sind 370
Soldatinnen in den verschiedenen Kriegs- und Besatzungseinsätzen tätig.
Bei den Spezialeinheiten der Bundeswehr wie dem Kommando Spezialkräfte
(KSK) und Kampfschwimmern der Marine sind übrigens nach wie vor keine
Frauen im Einsatz (außer in unterstützender Funktion). Die Bundeswehr
peilt im Sanitätsdienst einen Frauenanteil von 50% an und in der übrigen
Bundeswehr 15%. Bei den neuen Rekruten hat sie diesen Anteil ungefähr
erreicht, da allerdings Frauen gerade in der ersten Zeit (und nach
ersten Erfahrungen mit der Bundeswehr) immer wieder abspringen, ist
nicht davon auszugehen, dass sie ihre Zielvorgaben so schnell erreicht -
es sei denn, die wirtschaftliche Zwangslage spitzt sich weiter zu.


Frauen schaffen Akzeptanz

Im Verhältnis zur niedrigen Anzahl der Frauen in den
Bundeswehrauslandseinsätzen tauchen diese Frauen erstaunlich häufig auf
Bildern auf, mit denen die Bundeswehr ihre Tätigkeit an die
Öffentlichkeit transportiert. Dahinter steht eine bewusste Strategie, da
gerade durch die Darstellung von Frauen, die als "friedlicher"
wahrgenommen werden, eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz erhofft
wird. Das „Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr“ beschäftigt
sich in einer Studie "Truppenbild mit Dame"[2] intensiv auch mit dieser
Frage. Anlässlich des zehnten Jahrestages freut sich die Bundeswehr auf
ihrer Homepage "Immer mehr Frauen entscheiden sich für die Bundeswehr"
und erklärt auch gleich unter Berufung auf die bereits erwähnte Studie,
warum dies für die Bundeswehr so wichtig ist: „Zusammen mit ihren
männlichen Kameraden erfüllen die Soldatinnen den Auftrag der
Bundeswehr; auch in den Auslandseinsätzen. Ihre wachsende Zahl in den
Streitkräften fördert zudem die Akzeptanz der Bundeswehr in der
Gesellschaft.“[3] Frauen werden somit Teil der Öffentlichkeitsstrategie
der Bundeswehr. Es geht einerseits direkt um ihre Rekrutierung und ihren
zukünftigen Militäreinsatz. Andererseits ist das Thema junge Frauen und
Militär auch so exotisch, dass es für die Medien Anlass ist, darüber zu
berichten - was die Rekrutierung von weiteren Frauen (und Männern)
befördert. Mädchen, die beim "Girls-Day" das "Berufsfeld Bundeswehr"
erkunden und dabei in Panzern sitzen dürfen, sind beliebte Fotomotive
für Artikel in der regionalen und überregionalen Presse. Der
Fernsehsender SAT1 produzierte 2008 eine Dokusoap „24 Stunden Reportage
- Hanna geht zur Bundeswehr“ und die Bildzeitung[4] zeigt im Herbst 2009
die jüngste Rekrutin Antje Köhlerin im schulterfreien Tarntop und
Flecktarnhose. Dass diese 16jährige zur Bundeswehr darf, liegt übrigens
daran, dass Deutschland großen diplomatischen Druck darauf verwenden
hat, durch ein Zusatzprotokoll die UN-Kinderrechtskonvention auszuhöhlen
und so eine "legale" Möglichkeit geschaffen wurde, Kindersoldaten[5] zu
rekrutieren. Im Kontext der üblichen Bildzeitungsfrauendarstellungen
wird Antje Köhler somit zu einer Art Maskottchen für die Bundeswehr -
eine Rolle, die für Frauen im Militär historisch alles andere als neu
ist.[6]

Nicht zufällig werden Frauen sowohl als Soldatinnen als auch als
Zivilistinnen für Kriege instrumentalisiert. Besonders deutlich wurde
dies als im März dieses Jahres durch ein Geheimpapier des
US-Geheimdienstes CIA an die Öffentlichkeit kam in dem überlegt wurde,
wie bei kriegsmüden Europäerinnen und Europäern mehr Akzeptanz für den
Krieg in Afghanistan geschaffen werden könnte. "Afghanische Frauen
könnten wegen ihrer Fähigkeit persönlich und glaubwürdig über ihre
Erfahrungen unter den Taliban zu sprechen ... als ideale Botschafterin
fungieren, um die Rolle der ISAF bei ihrem Kampf gegen die Taliban zu
humanisieren. Durch öffentlichkeitswirksame Auftritte in den Medien
sollten afghanische Frauen die Möglichkeit erhalten, den Frauen in
Frankreich, Deutschland und in anderen europäischen Ländern ihre
Erlebnisse mitzuteilen, sie könnten mithelfen, die unter den Frauen in
Europa vorherrschende Skepsis gegenüber der ISAF-Mission zu
überwinden."[7] Wie durch militärische Machtmittel, durch Bombardements
und durch Straßensperren gesellschaftlich verankerte frauenfeindliche
Einstellungen (in welchem Land auch immer) bekämpft werden könnten,
darüber sagen solche Texte nicht. Aber es geht ja auch nicht um die
Frauen, sie sind - auf jeder Seite der Front - lediglich Mittel zum Zweck.


Neue Rollenbilder?

Manche Feministinnen (wenn auch bei weitem nicht alle) verbanden wie
Alice Schwarzer mit der Freigabe des "Dienstes an der Waffe" auch für
Frauen die Hoffnung, so gesellschaftliche Rollenbilder überwinden zu
können und die Frauenemanzipation voranzutreiben. Die gut untersuchten
Entwicklungen in andern Armeen (z.B. in Israel) hätten da eigentlich
bereits stutzig machen müssen, belegen[8] sie doch, dass die
patriarchalen Strukturen des militärischen Apparates und des
militärischen Alltags so dominant sind, dass sie gesellschaftliche
Geschlechterkonstruktionen häufig noch verstärken, statt diese
aufzulösen. Deswegen überrascht es auch nicht, wenn auch das
„Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr“ nach wie vor
altbekannte Probleme im Zusammenleben der Geschlechter innerhalb der
Bundeswehr beschreibt. Etwa 43% der männlichen Soldaten sind sich
sicher, dass Frauen für körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten ungeeignet
sind. Von sexistischen Bemerkungen und anzüglichen Witzen sind nach
eigenen Angaben die meisten Frauen betroffen (58%). Wesentlich
gravierender ist, dass jede fünfte Frau von sexuellen Belästigungen in
ihrem Arbeitsumfeld betroffen ist.[9] Dies sind nur einige Indizien
dafür, dass manche junge Frauen für ihre "Chance" bei der Bundeswehr
einen hohen Preis bezahlen. Es ist gesellschaftlich bedenklich, wenn für
junge Menschen (männlich und weiblich) die Bundeswehr als einzige
Möglichkeit erscheint, eine Berufsausbildung zu machen oder ein Studium
finanzieren zu können. Entsprechende Programme zur beruflichen Bildung
im zivilen Bereich und besser Studienförderung würden sicher die
Rekrutierung von SoldatInnen für die Bundeswehr erschweren, aber wer
sagt denn, dass dies eine schlechte Entwicklung ist. Übrigens ist ebenso
dringend eine Neuorganisation der Sportförderung außerhalb der
Bundeswehr nötig. Von den 700 durch die Bundeswehr geförderten
Spitzensportlern sind gerade mal ein Drittel weiblich.
Geschlechtergerechtigkeit ließe sich auch hier wesentlich besser durch
ein ziviles System bewerkstelligen.
Zur Emanzipation und zur Überwindung von geschlechtsspezifischer
Rollenbildung hat die Freigabe des "Dienstes an der Waffe" nichts
beigetragen und es ist nicht davon ausgehen, dass dies im Rahmen
patriarchaler Militärstrukturen jemals möglich sein könnte.

Anmerkungen:

[1] Frauen an der Waffe: Europa schreibt Bundeswehr-Geschichte,
11.01.2000; URL: www.bundeswehr.de

[2] Gerhard Kümmel, Truppenbild mit Dame, Forschungsbericht 82, März
2008, S.83.

[3] Starke Truppe – Immer mehr Frauen entscheiden sich für die
Bundeswehr, 11.01.2010; URL: www.bundeswehr.de

[4] Antje aus Harburg ist Deutschlands jüngste Soldatin, 28.08.2009,
bild-online.

[5] Ralf Willinger, »Bundeswehr wirbt und rekrutiert Minderjährige – und
missachtet damit die Kinderrechte«, Terre des Hommes 24.5.2009.

[6] Vgl. Martin van Creveld, Frauen und Krieg, München 2001.

[7] CIA Red Cell Special Memorandum; Afghanistan: Sustaining West
European Support for the NATO-led Mission-Why Counting on Apathy Might
Not Be Enough, 11.3.2010 (Übersetzung C.H)

[8] Uta Klein, Militär und Geschlecht in Israel, Frankfurt/Main 2001.

[9] Gerhard Kümmel, a.a.O., S.76ff.

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