Donnerstag, 8. Juli 2010

Von Gewalt überschattet

junge Welt vom 06.07.2010

Mexiko: Wahlerfolg für PRI, aber Regierungswechsel in Oaxaca
Santiago Baez
Die Institutionelle Revolutionäre Partei (PRI), die frühere mexikanische
Staatspartei, hat die meisten der zwölf am Sonntag zur Wahl stehenden
Bundesstaaten Mexikos gewonnen. Vorläufigen Ergebnissen zufolge hat die
Organisation, die das Land von 1929 bis 2000 ununterbrochen regiert hatte,
Aguascalientes, Veracruz, Tamaulipas, Tlaxcala, Zacatecas, Chihuahua,
Hidalgo, Durango und Quintana Roo gewinnen können. In drei Staaten –
Oaxaca, Puebla und Sinaloa – konnte sich hingegen eine heterogene Allianz
aus der rechten Partei der Nationalen Aktion (PAN), der
so­zialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD), der
linken Partei der Arbeit (PT) und der 1999 von früheren PRI-Mitgliedern
gegründeten Convergencia durchsetzen.

Von besonderer Bedeutung ist der Erfolg der Allianz im südmexikanischen
Bundesstaat Oaxaca, wo Gabino Cue eine 80jährige Dauerherrschaft der PRI
beenden konnte. In den vergangenen Jahren war diese Region auch
international in die Schlagzeilen geraten, als Proteste immer wieder
gewaltsam niedergeschlagen wurden. So kam es hier 2006 zu einer breiten
Streikbewegung gegen PRI-Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz, dem unter anderem
Wahlbetrug vorgeworfen wurde. Bei der brutalen Niederschlagung der
Widerstandsbewegung durch Polizei und Militär wurden mindestens 26
Menschen getötet, von denen die meisten dem Bündnis »Volksversammlung der
Völker Oaxacas« (APPO) angehört hatten. Im April 2010 waren ebenfalls in
Oaxaca bei einem Hinterhalt zwei Mitglieder einer humanitären
Menschenrechtsdelegation ermordet worden, die auf dem Weg in die seit
Monaten von paramilitärischen Gruppen attackierte Ortschaft San Juan
Copala gewesen war. Auch in den Tagen vor der Wahl kam es zu massiven
Übergriffen auf Gegner der PRI-Regierung, für die der regionale PRD-Chef
Amador Jara Cruz Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz direkt verantwortlich
machte. So wurde Ende Juni der Bürgermeister von Santo Domingo de Morelos,
Nicolás García Ambrosio, von unbekannten Tätern ermordet, in Huaxpaltepec
starb bei einem Überfall der PRD-Aktivist Sótico Silvestre. »Anstatt diese
Fälle aufzuklären, befördert die Regierung von Ulises Ruiz sie sogar noch,
um in den Bezirken Gewalt zu provozieren«, kritisierte Jara Cruz.

Vor diesem Hintergrund behielt auch die PT in Oaxaca ihre Unterstützung
für das Oppositionsbündnis bei, obwohl ihr Vorstand zuvor beschlossen
hatte, keine Allianzen mit der PRI oder der PAN zu schließen. »Wir möchten
klarstellen, daß die Situation in Oaxaca eine besondere ist. Hier geht es
zunächst darum, sich einem der autoritärsten und berüchtigsten Kaziken des
Landes entgegenzustellen. Ulises Ruiz ist sogar vom Obersten Gerichtshof
der Nation für die Unterdrückung zahlreicher Aktivisten während seiner
Amtszeit verantwortlich gemacht worden. Deshalb ist die Wahlniederlage des
in Oaxaca verwurzelten Kazikentums von strategischer Bedeutung für die
Demokratisierung des Landes«, erklärte die Nationale Exekutivkommission
der PT in einer offiziellen Stellungnahme.

Auch in anderen Bundesstaaten waren die Wahlen von Gewalt überschattet
gewesen. So wurde am Montag vergangener Woche der PRI-Kandidat für den
nordöstlichen Bundesstaat Tamaulipas, Rodolfo Torre, zusammen mit fünf
Begleitern in einen Hinterhalt gelockt und ermordet. Für ihn sprang
kurzfristig sein Bruder Egidio Torre ein, der die Wahl in diesem Staat
offenbar mit rund 66 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Auch am Wahltag
selbst wurden sieben Menschen getötet, vier von ihnen allein in Chihuahua.

Die Wahl am Sonntag in gut einem Drittel aller Bundesstaaten galt auch als
wichtiger Stimmungstest mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2012.
Während die PRI darauf hofft, nach zwölf Jahren Opposition wieder an die
Regierung zurückkehren zu können, sieht die Tageszeitung La Crónica de hoy
nach dem Regierungswechsel in Oaxaca eher PRD-Chef Andrés Manuel López
Obrador gestärkt. Dieser war bei der Wahl im Juni 2006 knapp dem
PAN-Kandidaten Felipe Calderón unterlegen, woraufhin es wegen
Manipulationen zugunsten Calderóns zu monatelangen Protesten seiner
Anhänger gekommen war.

URL: http://www.jungewelt.de/2010/07-06/041.php

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