Donnerstag, 29. Juli 2010

Ruhrgebiet – Kulturhauptstadt Europas 2010

Prestige-Sucht der Kommunalfürsten und Profit-Gier der Veranstalter

Von Gerd Höhne

Kommunisten-online vom 27. Juli 2010 – Das Ruhrgebiet beherbergt 5.172.745 Einwohner, pro km2 n wohnen hier 1.167 Menschen, so viele wie nirgendwo in Deutschland. Es gibt hier 11 kreisfreie Städte (also Großstädte). Die bekanntesten sind im Osten Dortmund, dann Gelsenkirchen, Bochum, Essen und im Westen, die Stadt Montan, Duisburg. Im Ruhrgebiet feierte die SPD von Wahl zu Wahl Triumphe, der Ruhrkumpel wählt nie rechts, auch liberal ist ihm Suspekt, die Schwarzen haben schlechte Karten – hier wird gewählt, was als Links gesehen wird. Und das war über Jahrzehnte die SPD. Aber auch, in einigen Ruhrgebietsstädten, schaffte es die DKP in den Stadtrat und das schon in den 70er Jahren.

1. Politisch-ökonomische Situation im Ruhrgebiet

Die Städte des Ruhrgebiets waren seit Kriegsende fest in der Hand der SPD, die bekam hier mehr Stimmen als die CSU in Oberammergau – aber hier wie dort sind diese Zeiten vorbei.

Aber es treibt die Kommunalfürsten – gleich welcher Partei – ein Komplex um: das Image des Ruhrgebiets ist denkbar schlecht. Man assoziiert mit Ruhrgebiet Smog, Dreck in der Luft und im Wasser und höchstens noch mal eine nette Werkssiedlung in Essen, erbaut vom netten Herrn Krupp, der seine mittels Kanonen erworbenen Million den Arbeitern für nette Wohnungen gab – aber auch in seine Villa Hügel steckte.

Diese Kommunalfürsten treibt um, wie man dieses Image aufbessern könnte. Neuerdings kommt noch hinzu, dass die Arbeitslosigkeit an der Ruhr einen Spitzenplatz in Europa einnimmt. Nur ein Beispiel: Laut offizieller Statistik der Arbeitsbehörde sind in Duisburg mehr als 40 % aller arbeitsfähigen Menschen unter 25 Jahren arbeitslos.

2. Versuche der Imageverbesserung

Das steigert noch die Komplexe der Kommunalfürsten. Sie wollen keine Städte von Malochern, keine von Arbeitslosen und keine von Verelendeten regieren und schielen neidisch in die Glitzermeilen der Städte am Rhein, in Düsseldorf und Köln. Ihre einhellige Zauberformel ist: Dienstleistungsgewerbe, Edeleinkaufszentren.

Zuerst hat Oberhausen die Idee gehabt. Dort gab es das Gelände des Hüttenwerks der HOAG – zuletzt war Thyssen der Eigner. Das war nicht mehr gewinnträchtig genug, also fuhr man es auf Verschleiß. Nach einer Explosion des letzten Hochofens, bei der Arbeiter zu Schaden kamen, wurde der abgerissen und später das gesamte Werk geschlossen . Heute befindet sich hier das CentrO, ein gewaltiges Edeleinkaufszentrum.

Das weckte auch die Begehrlichkeiten der Nachbarstädte, vor allem Duisburgs. Duisburg, Dortmund und Gelsenkirchen belegen Spitzenplätze in der Arbeitslosenstatistik. Die alten Industrien sind entweder weggebrochen (Steinkohlebergbau), oder durch Rationalisierungen und Werksschließungen – v.a. bei den Hüttenwerken – wurden massiv Arbeitsplätze vernichtet.

Auch Duisburg wollte so etwas haben wie das CentrO – hier sollte es MultiCasa heißen und sollte auf dem Gelände des stillgelegten Duisburger Güterbahnhofs errichtet werden. Es wäre der Niedergang für den Einzelhandel in der Duisburger City. Bisher wurde nichts daraus, wohl weil die Kaufhauskonzerne sich nicht das davon versprechen wie die Fürsten im Rathaus. Die CDU schwankte Jahre, war mal dafür, mal dagegen.

Ich war einige Jahre im Stadtplanungsausschuss des Rats und fragte einmal in einer Pause einen CDU-Ratsherren grinsend: „Meinen Sie nicht, dass Sie von Ihrer Klientel, den Geschäftsinhabern in der Innenstadt, mit Knüppeln durch die Königsstraße gejagt werden, wenn Sie Multicasa zustimmen?“

Der Stadtplanungsdezernent Duisburgs, hier bekannt wegen seiner Großkotzigkeit, prägte mal den klassisch-doofen Spruch: „Erst nehmen wir uns Düsseldorf vor und dann machen wir Paris platt.“

MultiCasa gibt es immer noch nicht, neuerdings soll da ein Möbelhaus hin wollen. Ach ja: Die Unglücks-Love Parade fand da statt. Das Gelände soll nun den Namen tragen; Duisburger Freiheit.

3. Kulturelle und sportliche Prestigeprojekte

Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts wollten die Revierfürsten die Olympischen Spiele in Ruhrgebiet holen und rührten die Werbetrommel. Sie priesen das Ruhrgebiet als eine einzige große Fläche für den Sport an, priesen die Infrastruktur, mit Autobahnen und Eisenbahnstrecken.

Dann trübte der Wettergott die olympischen Blütenträume – im wahren Sinne des Wortes. Im Dezember 1985/Januar/Februar 1986 gab es nicht nur einen kalten Winter, sondern Inversionswetterlage über lange Zeit. Der Dreck der Industrieschornsteine, der Haushalte und des Verkehrs konnte nicht anziehen, es herrschte Windstille und die Schadstoffe reicherten sich in der Luft an. Am schlimmsten war es im Ruhrgebiet, folglich wurde hier Smogalarm ausgerufen und zwar bis zur 2. Stufe. Die Kommunalfürsten schimpften und wiegelten ab. Als dann das WDR-Fernsehen auch noch den Film „Smog“ sendete, hagelte es Kritik der Fürsten am Sender. Man hing aber auch daran, dafür zu sorgen, dass es nie wieder Smogalarm geben kann. Es wurde eine neue Messstation weit im Westen, weit außerhalb des Reviers eingerichtet. Da dort nur Äcker und Wälder sind, also eine Gegend mit sauberer Luft, diese Messstation aber mit eingerechnet wird in die Werte, gab es seitdem auch keinen Smogalarm mehr. Vergleichbare Wetterlagen wie damals gab es reichlich, mehr aber auch nicht.

Es schmälerte ja auch das Ansehen von Städten, die olympisch werden wollten.

Dann, 1989, sagte Sao Paulo in Brasilien die Universiade kurzfristig ab und Ersatz musste gefunden werden. Bertold Beitz, damals Mitglied des IOC, wandte sich an Duisburg, ob nicht da die Universiade stattfinden könne, er wolle sich auch im IOC stark machen, dass die Olympiade ins Revier kommen könne. Das machte den Stadtvätern und Müttern im Revier Beine, die Veranstaltung fand hier statt, aber Beitz hielt sein Versprechen nicht, jedenfalls gibt es noch immer keine olympischen Spiele an Rhein und Ruhr.

Stattdessen maßen sich die Bodybuilder; die Boulespieler und Billardspieler und andere bei den World Games 2005 im Ruhrgebiet. Aus dem Prestigeobjekt Olympia wurde ein Objektchen World Games, immerhin etwas.

4. Kulturhauptstadt 2010 im Ruhrgebiet

Ruhr 2010

Ich will hier nicht auf die einzelnen Veranstaltungen hierzu eingehen (ausgenommen die der Love Parade 2010 in Duisburg). Ich will es bei der kritischen Einschätzung der RUHR.2010 belassen.

Es sei aber festgestellt, dass das Ruhrgebiet seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kulturell sehr vielseitig ist. Hier zogen Menschen aus Polen, dem Baltikum, den verschiedenen Teilen Deutschlands hin um in den Hütten und Bergwerken zu arbeiten, brachten ihre Sprache, aber auch ihre Kultur mit, die sich hier zum typischen kulturellen Gemisch des Ruhrgebiets entwickelte.

Es gibt wohl in keiner Region so viele Vereine, Chöre, Schreibkreise, Musikgruppen , auch Film- und Fotografiekreise wie hier im Revier. Und das ist Arbeiterkultur, sie ist nach wie vor lebendig. Diese Kultur zu fördern, sie darzustellen, wäre die vornehmste Aufgabe der RUHR.2010 gewesen. Aber sie spielt nur eine Randrolle im offiziellen Programm. Wer wollte, konnte sie am 18. Juli 2010 auf der für den Verkehr gesperrten A40 zeigen – das war´s aber dann auch.

Für mich stellt sich die RUHR.2010 als der Versuch dar, das, was die Konzerne tot gemacht haben, große Teile der Industrie, weil sie nicht mehr profitträchtig genug ist, jetzt zu vermarkten und als eine zukunftweisende Angelegenheit dem Volk schmackhaft zu machen.

Mittelpunkt der RUHR.2010 ist die Zeche Zollverein in Essen. Sie war eine der ertragreichsten und modernsten des Reviers und förderte noch 1983 3,2 Millionen Tonnen Kohle jährlich, aber am 23. Dezember 1986 bekamen die Kumpels als Weihnachtsgeschenk die Schließung der Zeche. Heute wird dort Kultur betrieben, ein Edelfressrestaurant besteht, und man kann sich durch die Bergbauvergangenheit führen lassen.

Die anderen Objekte der RUHR.2010 haben ein ähnliches Schicksal. In Dortmund der Union-Turm der Union-Brauerei, die längst geschlossen ist, in Oberhausen das Gasometer der ehemaligen Hütte der HOAG, in Duisburg der Revierpark Nord, ein ehemaliges Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich.

Hier rosten Hochöfen vor sich hin, werden manchmal farbig beleuchtet und in einem Teil befindet sich ein schwedisches Möbelhaus mit dem Elch.

Ansonsten nur Verfall, morbides Land mit verseuchten Boden. Jetzt aber macht man hier Kultur. Die ehemaligen Hüttenwerker knabbern entweder am Hart IV-Brotkanten oder sind Rentner.

Diese verfallenden Industrieanlagen sind die Denkmäler der RUHR.2010. Sie sind nicht Innovation in die Zukunft, sondern Symbole des Verfalls und des Niedergangs. Ein Niedergang, der von den Konzernen aus Profitgier betrieben und von der Politik positiv begleitet wurde.

5. Love Parade

Auch sie wurde ins Ruhrgebiet aus Prestigegründen gelockt und, wie meist, mit viel Subventionen. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft metropoleruhr GmbH kungelte mit dem Chef der Loveparade, Schaller[1], aus, dass für die nächsten 5 Jahre diese Veranstaltung im Ruhrgebiet statt finde. 2007 war es zunächst Essen, ein Jahr später Dortmund und 2009 sollte sie in Bochum sein . Die Bochumer Verantwortlichen aber verzichteten aufgrund der Erfahrungen aus Berlin, Essen und Dortmund: Außer Dreck, Verkehrschaos und Kosten sprang für die Städte nichts dabei ´rum. Noch nicht einmal der örtliche Einzelhandel profitierte, da dort, wo die Loveparade war, mussten die eingesessenen Geschäfte schließen, sie durften nichts an die Teilnehmer verkaufen. Nicht einmal diese Steuereinnahme hatten die Städte. Auch hatten die Verantwortlichen erhebliche Sicherheitsbedenken. Sie wurden deshalb von den jeweiligen anderen Rathausfürsten heftig angegriffen.

In diesem Jahr sollte die Loveparade im Rahmen der RUHR.2010 stattfinden, und zwar in Duisburg. Was ja bekanntlich dann auch so war.

Die Funktionäre der RUHR.2010 wollten, dass sie unbedingt stattfindet. Fritz Pleitgen, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH und früherer Intendant des WDR, erklärte noch am 9. Februar dieses Jahres, als die Love Parade wegen Überschuldung der Stadt Duisburg zu scheitern drohte, diese Veranstaltung müsse unbedingt stattfinden. Das Land müsse eben einspringen. Das war Geld in die Tasche des Herrn Schaller. 900facher Millionär und Chef des Todesspektakels von Duisburg. Und noch danach sagte er zur FR: „Sicherheitsbedenken sind mir nie zu Ohren gekommen.“

Ich habe nie etwas von Pleitgen gehalten, aber dass er so schlecht ist, dass er als Chef der Veranstaltungen der RUHR.2010 sich nicht einmal die Sicherheitskonzepte ansieht und sie beurteilen lässt, dachte ich nun auch nicht. Inzwischen rückt er und die RUHR.2010 von der Love Parade ab: das sei nur äußerlich ein Teil der Kulturhauptstadt-Veranstaltungen. Tatsächlich aber haben sie nichts damit zu tun. Das klingt total anders wie noch zu Beginn des Jahres.

5.1 Schreckenberg – der Professor auf dem Leehrstuhl

Das gab es ja schon immer: Neben den wirtschaftlich und politisch Agierenden hängt ein Pulk von beamteten und professoralen Speichelleckern, die all das genehmigen und begutachten, wie die anderen es wollen. Sie waren und sind willfährige Erfüllungsgehilfen der Regierenden. Wir begegnen diesen Speichelleckern auf Schritt und Tritt, die Nachrichten sind voll davon. Man denke nur an die Wirtschaftsprognosen, die alle nicht stimmen, trotzdem labern uns diese „Experten“ etwas vor.

So auch hier. Der Herr Professor Schreckenberg ist ein solches Exemplar. Er begutachtete das Sicherheitskonzept und findet es heute noch gut – trotz der 20 toten Menschen.

„Das Unglück ist nicht passiert, weil es zuvor im Tunnel zu eng und die Masse panisch war, sondern weil einige hinter dem Tunnel versucht haben, schneller auf das Gelände zu gelangen. Sie sind auf eine ungesicherte Treppe gestiegen und in die Menge gestürzt. So hat sich die Masse weiter verdichtet.“

Man beachte: Der Schreckenberg hat das Gelände des alten Güterbahnhofs nie gesehen. Woher weiß der Kerl, dass der Tunnel nicht zu eng ist? Weiter;

„Wenn die Leute nicht heruntergestürzt wären, wäre meiner Einschätzung nach nichts passiert. Auslöser war, dass sich einige nicht an die Spielregeln gehalten haben.“

Woher weiß der Karl auch das? Der ist noch nicht einmal voll über das Geschehen informiert. Fast alle Toten starben an schweren Quetschungen im Brustbereich. Sie wurden an die Wand gequetscht, zertrampelt. Aber der feine Herr Professor beschimpft die Opfer wider besseres Wissen und erfüllt immer noch seinen Job, die Regierenden und die anderen Verantwortlichen von jeder Schuld frei zu lügen. Es ist einfach widerlich, ekelhaft,was dieser feine Herr so daher labert.

Mir sagte ein Student der Uni Duisburg Folgendes: Von dem wenigen Guten, was Duisburg zu bieten habe, sei eins davon die Uni. Aber dieser Typ schadet dem Ansehen der Universität, der gehöre gefeuert. Das wird der mit Sicherheit nicht, der ist verbeamtet und kassiert eines Tages eine fette Pension.

Trotzdem hat dieser Herr Schreckenberg jegliche wissenschaftliche Reputation verloren, der ist nicht Inhaber eines Lehrstuhls, der hat einen Leerstuhl.

5.2 Die Schuldigen

Für mich ist diese Frage leicht zu beantworten:

Die Hauptschuld tragen die politisch Verantwortlichen, Oberbürgermeister, Ratsfraktionen aller Parteien (bei der Linkspartei weiß ich es nicht). Auch die alte und neue Landesregierung. Die alte hat dieses Spektakel gewollt, die neue, als Opposition, auch. Es war eine Prestigefrage die Loveparade in Duisburg stattfinden zu lassen , koste was es wolle. Alle Sicherheitsbedenken, die es massenhaft gab, wurden beiseite gewischt. Selbst der Dezernent Dressler (SPD) hatte Bedenken , beugte sich aber dann und unterschrieb das Konzept. Alle, wirklich alle Sicherheitsvorschriften wurden außer Acht gelassen. Es wäre nicht notwendig gewesen, die Besucher durch den Todestunnel rein- und rauszulassen. Direkt neben dem Hauptbahnhof ist einer der Haupteingänge zum Güterbahnhof. Aber der wurde verschlossen, alle mussten einen Umweg von 2 km machen um da rein zu können.

Oder die A 59. Sie war gesperrt, es rollte kein Verkehr. Über sie konnte man auch auf das Gelände gelangen - gefahrlos. Aber das wäre teuer geworden, mehr Ordner und auch sonst.

Die Veranstalter bekamen alles genehmigt, was ihnen den Gewinn erhöhte und die Sicherheit senkte. OB Adolf Sauerland weist jede Schuld von sich. Er handelte – nach eigener Einschätzung – richtig und jetzt, als die Öffentlichkeit immer wütender wird, taucht er einfach ab.

Der Veranstalter, Rainer Schaller: Der 900 Mio. € reiche Boss von Deutschlands größter Fitness-Center-Kette Mc Fit benutzte die Loveparade als Nebenquelle von Millionen Euro: Rainer Schaller gehören die Werbeeinnahmen, Exklusivrechte für Catering, Teilnahmegelder von Techno-Gruppen und natürlich Staatsknete.

Sicherheit oder so? Fremdworte. Augen zu und durch!

Um die Love Parade für die Regionalfürsten noch interessanter zu machen , wurden die Besucherzahlen in astronomische Höhen getrieben. Die Politik und auch die Polizei machten da mit. Nicht nur in Duisburg wurde das so gemacht. Hier aber kann ich es verdeutlichen: Man sprach, Veranstalter, Politik und Polizei, noch am Samstag, vor dem Unglück, von 1,4 Millionen Besuchern. Es waren nicht einmal 200.000. Aber auch diese Zahlen machen die Veranstaltung zu einem Mega-Ereignis.

Die Polizei: Sie übertrieb einerseits die Sicherheitsvorschriften – so das Verbot über die A 59 auf das Gelände zu kommen und die Sperrung des Vordereingangs des alten Güterbahnhofs, weil vielleicht einige über die Bahngeleise hin gelangen könnten, anderserseits ließ sie die Menschenmasse ungehindert in den Tunnel. Im Tunnel aber gab es eine Sperre, aber hier war die Polizei machtlos.

Wie nach dem Unglück bekannt wurde, hat die Bundespolizei alle Unterlagen in ihren Computern gelöscht (laut WDR): ein Eingeständnis der Schuld?

Im Nachhinein kann man nur sagen: Ein Wunder, dass da nicht mehr passiert ist. Eine Panik nicht nur im Tunnel, sondern auf dem Güterbahnhof, wäre der Supergau gewesen. Wäre Wetter so gewesen, wie einige Tage vorher – bis zu 37 Grad – dann wäre die Katastrophe noch schlimmer gewesen. Auch wenn die angegebene Anzahl Besucher wirklich angereist wären. Aber so bleibt es „nur“ bei 20 Toten.

Sie sind Opfer von Profitsucht des Veranstalters und Profilierungssucht der Politiker. Diese Mischung wurde in Duisburg am 24. Juli 2010 zur explosiven Mischung, bei der 20 junge Menschen starben und über 500 verletzt wurden.

G.H.

[1] Schaller ist Inhaber der Fitness-Studio-Kette Mc Fit



DAS GESCHÄFT MIT DER LOVEPARADE

von Jens-Torsten Bohlke, 26. Juli 2010

Kommunisten-online vom 28. Juli 2010 - Die Loveparade ist ein Massenspektakel, welches sich an die besonders große Zielgruppe der bildungsschwachen Jugendlichen richtet und an ihnen möglichst viel verdienen will. Geboten wird vor allem aufputschende Techno-Musik zum Mitschunkeln und Mittanzen, garniert mit einer effektvollen Show von „Sexidolen“, darunter weibliche und männliche, schwule und lesbische, transsexuelle und möglichst bizarrste und schrillste „Schönheiten“, die sich einfach nur selbst und nur einseitig mit ihren körperlichen Reizen betont lustvoll und animierend bis aufputschend zur Schau stellen. Die Loveparade appelliert damit an die niedrigsten Instinkte im Menschen, so etwa an die Lüsternheit, den Voyeurismus, die Vergnügungssucht. Love = Liebe?

Mit Liebe hat diese vorgebliche Parade der Liebe, die Loveparade, so viel zu tun wie jede billige Peep-Show. Und wie jede billige Peep-Show ist auch die Loveparade letztlich nur eine von den Kosten her möglichst billig gehaltene Show, an der die Veranstalter möglichst gut verdienen wollen. Business as usual, weiter nichts! Dass die Loveparade es seit Ende der 90er Jahre auf eine Beteiligung von über eine Million Jugendliche bringt, widerspiegelt den gewaltigen kulturellen Niedergang im einstigen Volke der Dichter und Denker hin zu einer Herde durchmanipulierter konsumgeiler erbärmlicher Gestalten. Was im Lande des Bildungsnotstands nicht verwundert, wo jeder Dreikäsehoch sich eben auch mal gerne als Exportweltmeister fühlen will.

Mit dem Auslöschen der DDR ist dem Imperialismus im vergrößerten Deutschland gelungen, große Teile der Jugend in die Rausch- und Vergnügungssucht abzudrängen, wo diese manipulierte Masse aus jugendlichen Gruppen letztlich in Komasaufen, Kampftrinken, Party- und Drogenexzessen eine Sinnerfüllung sucht, welche ihr durch Erfolg im Beruf und in der Gesellschaft nicht geboten wird. Die Hammelherde blökt kollektiv den Vorturnern von „Love“ nach, die da eine Mischung aus Fleisch-Schau und Techno-Hardcorege dröhn kommerziell vermarkten. Ein Riesengeschäft, denn die manipulierten Jugendlichen zahlen da auch noch viel Geld für dieses Vergnügen. Und die herrschende Klasse der Bourgeoisie schafft so, große Teile der Jugendlichen davon abzuhalten, über ihre eigentlichen Grundprobleme und ihren Sinn des Lebens auch nur einmal nachzudenken und rascher den eigenen Platz zu finden, den eigenen Klassenstandpunkt in dieser Klassengesellschaft zu entwickeln. Es geht nur noch um den Kick, den Exzess! Einst in den 70ern rollte die medial inszenierte „Sexwelle“. Jetzt wird für die „no-future-generation“ alles bereitgestellt, um sie zur „fun generation“ (Spaßgeneration) umzumodeln.

Auf der Internetseite http://loveparade.techno.de/ können sich die Jugendlichen schon mal darauf trimmen, dass „Techno" eine Lebenseinstellung“ für sie zu sein hat. Denn klar, man will ja „in“ sein! Es gibt jede Menge sogar nach Bundesland geordnete abrufbare „Partytermine“ und „News rund um die Loveparade“. Vergnügen gegen Kohle, Kick auf Bestellung eben. Seitenbetreiber Net2Day Media GmbH & Co. KG ist da als Werbeagentur eben voll mit dabei im Geschäft.

Hauptsponsor der Loveparade ist lt. aktueller STERN-Ausgabe McFit, ein Fitness-Studio-Konzern. Laut dieser Quelle hat der Umzug der Loveparade von Berlin in das Ruhrgebiet rein kommerzielle Hintergründe, denn Berlin strich der für die Privatveranstalter lukrativ gewordenen Loveparade die Zuschüsse. 2008 in Essen im Ruhrgebiet bringt es die Loveparade auf 1,6 Millionen Besucher, fast ausschließlich jugendliches Publikum. Der STERN deckt auch auf, wie zugunsten Profitmacherei auf die Kosten gedrückt wird. 4- oder 5-Euro-Stundenlöhner kommen als private Wachkräfte zum Einsatz, um keinen Einsatz von fairer entlohnten Profis wie der Polizei zahlen zu müssen.

In Duisburg findet die Loveparade in einer finanziell arg gebeutelten Stadt statt. Die Veranstalter greifen dort vor allem auf Subventionszuschüsse des Bundeslandes NRW und ihren Hauptsponsor McFit zurück. Auf ihrer Homepage www.loveparade.de[1] findet sich nicht mal mehr ein Impressum. Nachdem im Duisburger Tunnel 19 Jugendliche zu Tode getrampelt und einige hundert Jugendliche verletzt wurden, gibt die Veranstalter-GmbH rührselig und Mitleid erheischend vor, dass sie lediglich ein „fröhliches Miteinander von Menschen“ durchführen wollte, welches nun von den „tragischen Unglücksfällen am 24. Juli 2010 überschattet worden“ ist. Die Opfer des kommerziellen Massenspektakels werden an die Hotline der Stadt Duisburg verwiesen.

Das Massenspektakel sollte eben mit möglichst wenig Kosten bei möglichst viel Profit durchgezogen werden. Was da für Risiken vom Kapital in Kauf genommen werden, ist nun offensichtlich geworden. Hinter verschlossenen Türen dürften die Strategen des deutschen Imperialismus frohlocken: Wie einfach ist es doch, Millionen Jugendliche in Deutschland aufzuputschen bis in die Bestialität! Und Bestialität muss ja „normal“ sein, wenn Barbarei angesagt ist. Und vollmundig wird in allen großen Medien entschuldigt, wer da wen zu Tode trampelte. Ermittlungen? Wo bleiben die Interviews mit den Eltern und Verwandten jener Opfer der da aus Profitgier inszenierten Massenpanik? Es gibt ganz sicher jene Menschen, die wissen wollen, wer da ihre Tochter oder ihren Sohn zu Tode trampelte. Und deren Stimmen sind derzeit nicht gewünscht, aus Sicht der öffentlichen Meinungsmacher.

Wir Kommunisten sehen hinter die Fassade täuschender Worte und Betroffenheitsrituale und sagen klar: Dies ist nichts weiter als Sozialisierung der Verluste bei Privatisierung der Profite, also Business as usual. Und da geht Profit ganz deutlich über Menschenleben. Da zeigt sich die Menschenverachtung des Imperialismus, auch in den gleichgeschalteten Medien.

Die einstige Kölner Band „Floh de Cologne“ analysierte schon in den 70er Jahren diese kommerziell durchmanipulierte Masse an rein konsumorientierten Jugendlichen anschaulich in ihrem Politrock-Programm „Profitgeier“. Sie entlarvte auch treffend, wer da sein schmutziges Spiel mit der jungen Generation treibt. Dort heißt es wörtlich:

„Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt.

Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet.

Würde der Arbeiter etwas unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten.

(...)

Die Profitgeier sind nicht Geier, die von Aas leben,

sondern von den gesellschaftlichen Produkten, die sie von Anderen herstellen lassen.

(...)

Die Profitgeier hocken in allen Betrieben. Sie hocken in den Justizpalästen und im Bundestag. Sie hocken in den Banken und Industrieklubs.

SIE MACHEN AUS MENSCHLICHER KRAFT KAUFKRAFT, AUS BEWUSSTSEIN MARKENBEWUSSTSEIN. AUS MENSCHLICHER SCHWÄCHE SCHLAGEN SIE KAPITAL. AUS DEM GELTUNGSTRIEB MACHEN SIE GELTUNGSSUCHT. AUS DER LUST AM LEBEN MACHEN SIE LUST AM KAUFEN. DIE LIEBE VERKAUFEN SIE ALS INTIMSSPRAY. DIE SOLIDARITÄT WIRD ZU NEID UND MISSGUNST. AUS MENSCHLICHER WÄRME ZEUGEN SIE EISIGE KÄLTE UND MISSTRAUEN. AUS DEM MENSCHEN KOMPENSIEREN SIE EINE BÜCHSE VOLLER KOMPLEXE. AUS DER ARBEITSKRAFT MACHEN SIE EINE WARE.

(...)

Und die Geschäftemacher, die Profitgeier, hocken auf ihren Geldbergen und warten auf ein neues Opfer. Dann stürzen sie sich auf ihn und höhlen mit ihren gierigen Krallen seine Persönlichkeit aus. Sie reißen seine Gefühle heraus und zerfleddern seinen Charakter. WAS ÜBRIG BLEIBT IST EIN HAUFEN FLEISCH UND KNOCHEN, DER MIT DER MODE GEHT. EIN HAUFEN FLEISCH UND KNOCHEN, DER ARBEITET UND KAUFT. EIN HAUFEN FLEISCH UND KNOCHEN, DER TOPP IST UND VON AUTOS UND GROSSER LIEBE TRÄUMT: KALT, LEER UND VOLLER ANGST!

(...)

Und die Menschen frieren und merken, dass sie betrogen werden. Und sie sehen die Profitgeier, die verführerisch mit ihren Geldscheinen winken. UND MANCHER MÖCHTE SEIN WIE DIESE: GENAU SO GIERIG UND REICH UND VOLLER HASS!

(...)

Und die Menschen sehen nicht, dass die Profitgeier Angst haben vor ihnen. Weil sie schwach sind, weil sie nur wenige sind, die die Mehrheit ausplündern. Und die Profitgeier versuchen deshalb der Mehrheit Angst zu machen vor einem Gespenst. Undf sie sagen: Ein Gespenst geht um. Das Gespenst des Kommunismus. Und das frisst euch alle auf. Und das macht euch zu Sklaven, sagen die Profitgeier zu ihren Sklaven. Und sie haben Angst, weil sie nur wenige sind, die die Mehrheit ausplündern.

(...)

Und die Profitgeier wissen, dass ihre Tage gezählt sind. Sie wissen, dass eines Tages die Mehrheit über sie herfallen wird und sie rupfen wird wie ein Huhn. Wie ein nacktes Brathähnchen werden sie dann dastehen und um Gnade winseln. Und man wird ihnen einen Tritt in den Arsch geben, dass sie noch ein letztes Mal fliegen können.

(...)

WERDET DOCH MAL ROT VOR WUT!

ROT IST DIE FARBE DER LIEBE!

ROT IST DIE FARBE DER HOFFNUNG!

ROT IST DIE FARBE DER ZUKUNFT!

LIEBER ROT ALS DOOF!

(...)

Die „Kölner Flöhe“ seien von uns Kommunisten der Jugend empfohlen. Leicht zu finden online: http://www.enxing.de/flohmusik.html

Wir empfehlen auch Bertolt Brecht, Hannes Wader, Dieter Süverkrüp, Zupfgeigenhansel, Pete Seeger, Bots, Kurt Demmler, Bettina Wegner, Leon Gieco, Mikis Theodorakis, Ernst Busch, Franz-Josef Degenhardt, Berlins Böse Mädchen, Rotdorn, den Chor der Roten Armee, Kurt Tucholsky, Paul Robeson.

Wir empfehlen nicht: das beliebteste Spiel in den USA namens World of Warcraft und andere Rambo-Kriegsspiele, Vera am Mittag und andere Seifenopern, Werbefernsehen und andere Verblödungen wie diverse Talkshows und bürgerliche Salons, in denen z.B. die ungezügelten weltweiten imperialistischen Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte und NATO-Truppen in keine Umwelt- und Klimaschutzdebatte von den handverlesenen „Experten“ einbezogen werden. Wir empfehlen nicht das Nachbeten von der Obrigkeit gesponserter und verordneter Meinungen der großen bunten Medien. Wir empfehlen nicht das Tragen von kommerziell beworbenen Markenklamotten und Nachäffen der arroganten Schickeria.

Statt dessen empfehlen wir K-Online, den „Rotfuchs“, den „Berliner Anstoß“, WikiLeaks. Kleidung, die den eigenen Protest äußert.

Und vor allem empfehlen wir die Werke der Klassiker des Marxismus-Leninismus: Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch Lenin. Und zwar im Original. Denn Bildung ist Macht. Einbildung dagegen ist Ausdruck von Unterlegenheit. Nicht Ambos, sondern Hammer sein!

[1] Diese Homepage ist inzwischen abgeschaltet

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